Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 09.07.2013; Aktenzeichen 22 B 13.475) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Klägerin, ein öffentliches Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen, wendet sich dagegen, dass das Eisenbahn-Bundesamt durch einen an das beigeladene Bundeseisenbahnvermögen gerichteten Bescheid vom 10. Juni 2008 drei im Eigentum des Beigeladenen stehende Grundstücke in Altdorf-Pfettrach gemäß § 23 AEG von Bahnbetriebszwecken freigestellt hat.
Auf der von den drei Grundstücken gebildeten Gesamtfläche befinden sich nicht mehr betriebene ehemalige Eisenbahnbetriebsanlagen in Form eines ehemaligen Bahnhofsgebäudes, eines Bahnsteigs und einer Ladestraße. Die Fläche grenzt an die durchgehende Bahnstrecke Landshut Hbf. – Rottenburg (Laaber).
Den Betrieb dieser Strecke hatte die Deutsche Bahn AG auf Grund einer ihr von dem beklagten Amt erteilten Genehmigung nach § 11 AEG im Oktober 1999 eingestellt. Unter dem 7. Juli 2005 erteilte hierfür das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie der Klägerin gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 AEG eine Genehmigung zum Betrieb von Eisenbahninfrastruktur, die die hier in Rede stehenden Grundstücke nicht umfasst.
Die Klage, die die Klägerin gegen den an den Beigeladenen gerichteten Freistellungsbescheid nach erfolglos durchlaufenem Widerspruchsverfahren erhoben hat, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil es sie mangels Klagebefugnis der Klägerin für unzulässig erachtet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, die Klage habe wegen einer nicht gegebenen Verletzung der Klägerin in ihren Rechten in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die von dem Verwaltungsgerichtshof versagte Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
1. Die Klägerin fragt zunächst nach der Reichweite des § 13 Abs. 1 AEG und möchte sinngemäß geklärt wissen, ob die Vorschrift „immer dann entsprechend anzuwenden (ist), wenn zwei aneinander angrenzende Eisenbahnbetriebsflächen unterschiedlichen Eigentümern gehören”, wobei hier die „Konstellation einer Serviceeinrichtung an einer Eisenbahnstrecke” bestehe.
Eine Rechtsfrage mit einem derartigen Inhalt hat sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt und war nicht Grundlage seiner Entscheidung. Sie kann deshalb mangels Klärungsfähigkeit nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen (vgl. hierzu allgemein mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Beschluss vom 4. Oktober 2013 – BVerwG 6 B 11.13 – juris Rn. 19).
Der Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 25 f.) hat ausgeführt, dass eine – überhaupt nur in Betracht kommende – analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 AEG im vorliegenden Fall deshalb ausscheide, weil die von der Klägerin geltend gemachte Verpflichtung des Beigeladenen, die Nutzung von nicht mehr in Betrieb stehenden ehemaligen Eisenbahnbetriebsanlagen auf seinen Grundstücken zu gewähren, diese also zuvor wieder in Betrieb zu nehmen, mit dem der Vorschrift des § 13 AEG zu Grunde liegenden Ziel, funktionierende, im vorgegebenen gesetzlichen Rahmen durch verschiedene Unternehmen betriebene Anlagen möglichst effektiv zu nutzen, nichts gemein habe. Diese für die Entscheidung des Berufungsgerichts erhebliche, auf die Stilllegung der ehemaligen Eisenbahnbetriebsanlagen auf den Grundstücken des Beigeladenen abstellende Begründung unterscheidet sich wesentlich von der seitens der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam beschriebenen Rechtsfrage.
2. Die Klägerin stellt ferner die Frage
„nach dem Verhältnis der Stilllegung einer Eisenbahninfrastruktur nach § 11 AEG zur Freistellung derselben Infrastruktur von Bahnbetriebszwecken nach § 23 AEG”.
Sie führt hierzu aus, § 23 AEG wäre faktisch überflüssig, ginge man mit dem Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Eigentümer einer Bahnbetriebsfläche nach deren Stilllegung die Nutzung zu Bahnbetriebszwecken nicht mehr gestatten müsse. Ein Nutzungsanspruch bestehe deshalb auch in Bezug auf eine stillgelegte, aber noch nicht von Bahnbetriebszwecken freigestellte Infrastruktur. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Zusammenhang verkannt, dass sich aus der Verpflichtung des Eigentümers, die Nutzung einer Eisenbahnbetriebsfläche zu dulden, noch keine Betriebspflicht ergebe.
Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage kommt mangels Klärungsbedürftigkeit eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu, denn die jeweiligen Funktionen einer Stilllegungsgenehmigung nach § 11 AEG und einer Freistellungsentscheidung nach § 23 AEG sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Dieser Rechtsprechung lässt sich zudem deutlich entnehmen, dass für die von der Klägerin umschriebene Problematik das in § 14 Abs. 1 AEG, § 3 Abs. 1 EIBV geregelte Recht auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur, das die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung unter Missachtung des Darlegungserfordernisses aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unerwähnt lässt, von entscheidender Bedeutung ist.
Hiernach hebt die Stilllegungsgenehmigung nach § 11 AEG für die in der Vorschrift genannte Schieneninfrastruktur die Betriebspflicht auf (Urteil vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 Rn. 193, vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 – BVerwG 3 C 51.06 – BVerwGE 129, 381 = Buchholz 442.09 § 11 AEG Nr. 1 Rn. 23 ff.).
Demgegenüber regelt § 23 AEG, wann und unter welchen Voraussetzungen für Bahngrundstücke die Wirkungen der Planfeststellung enden, wann also insbesondere der Fachplanungsvorbehalt des § 38 BauGB durch das allgemeine (Bau-) Planungsrecht abgelöst wird. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – insbesondere in Gestalt des Urteils vom 16. Dezember 1988 – BVerwG 4 C 48.86 – (BVerwGE 81, 111 ff. = Buchholz 406.11 § 38 BBauG/BauGB Nr. 4) – zur „Entwidmung” von Bahnanlagen aufgegriffen. Das Freistellungsverfahren stellt sicher, dass eine bahnfremde Nutzung erst dann möglich ist, wenn die öffentlichen Belange, die für eine Nutzung gemäß der ursprünglichen Zweckbestimmung sprechen, mit Zeitablauf ihr Gewicht nahezu vollständig eingebüßt haben. Die Freistellungsentscheidung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die Rechtswirkungen der Planfeststellung (und der Widmung) beseitigt und den rechtlichen Zustand wiederaufleben lässt, in dem sich das Grundstück vor der Belastung mit dem Fachplanungsvorbehalt befunden hat (Beschluss vom 21. April 2010 – BVerwG 7 B 39.09 – Buchholz 442.09 § 23 AEG Nr. 2 Rn. 18).
Weiterhin hat das Recht der Eisenbahnverkehrsunternehmen und sonstigen Berechtigten auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur einen unterschiedlichen Umfang, je nachdem, ob das nach § 14 Abs. 1 AEG, § 3 Abs. 1 EIBV zur Gewährung von Zugang verpflichtete Eisenbahninfrastrukturunternehmen (auch) Schienenwege im Sinne des § 2 Abs. 3a AEG oder nur sonstige Eisenbahninfrastruktur nach § 2 Abs. 3 AEG betreibt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG, § 3 Abs. 1 Satz 1 EIBV müssen Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Benutzung der von ihnen betriebenen Infrastruktur – die Betreiber der Schienenwege auch die Benutzung dieser Anlagen – und die Benutzung der von ihnen betriebenen Serviceeinrichtungen diskriminierungsfrei gewähren sowie die mit den Serviceeinrichtungen verbundenen Leistungen und die in Nr. 2 der Anlage 1 zu §§ 3, 21 EIBV beschriebenen, zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Zusatzleistungen diskriminierungsfrei erbringen. Die Betreiber der Schienenwege müssen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 AEG, § 3 Abs. 1 Satz 2 EIBV zusätzlich – der zuvor genannten Verpflichtung und dem in ihr enthaltenen Diskriminierungsverbot quasi vorgelagert – die von ihnen betriebenen Schienenwege sowie die zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme und Anlagen zur streckenbezogenen Fahrstromversorgung zur Nutzung bereitstellen, Zugtrassen zuweisen und die in Nr. 1 der Anlage 1 zu §§ 3, 21 EIBV beschriebenen Pflichtleistungen erbringen (Urteil vom 29. September 2011 – BVerwG 6 C 17.10 – BVerwGE 140, 359 = Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 1 Rn. 23). Zugangsrechte bestehen danach nur gegenüber Eisenbahninfrastrukturunternehmen bzw. Betreibern der Schienenwege, die den Betrieb der jeweiligen Infrastruktur nicht in zulässiger Weise eingestellt haben.
3. Die Klägerin trägt überdies vor, der Verwaltungsgerichtshof habe Art. 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang II Nr. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl Nr. L 75 S. 29), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl Nr. L 315 S. 44), unzutreffend ausgelegt. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs sei es für Art. 5 Abs. 1 Satz 1 anders als für Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG irrelevant, ob und durch wen eine Eisenbahninfrastruktureinrichtung betrieben werde. Der Zugangsanspruch im Sinne der erstgenannten Norm sei ausschließlich an die Eigenschaft als Eisenbahninfrastruktureinrichtung geknüpft.
Dieser Vortrag kann schon deshalb nicht Grundlage für die Zulassung der Grundsatzrevision sein, weil er keine ausdrückliche, für grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage formuliert und aus diesem Grund dem in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO enthaltenen Darlegungserfordernis nicht gerecht wird. Zur Revisionszulassung führt es indes auch dann nicht, wenn man annimmt, die Klägerin wolle geklärt wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/14/EG einen Zugangsanspruch nur in Bezug auf in Betrieb stehende Eisenbahninfrastruktur gewährt. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Sie ist, wie bereits ausgeführt, nach dem nationalen Recht zu bejahen. Dieses setzt wiederum die unionsrechtlichen Vorgaben um (Urteil vom 29. September 2011 a.a.O. Rn. 22).
4. Die Klägerin sieht schließlich eine grundsätzliche Bedeutung in der
„Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung, ob (im Sinne des § 23 Abs. 1 AEG) ein Verkehrsbedürfnis zu erwarten ist”.
Die Klägerin trägt hierzu vor, wenn sich nach der letzten Behördenentscheidung die Sachlage dahingehend ändere, dass anders als zuvor eine zweckentsprechende Nutzung einer Eisenbahninfrastruktur für die Zukunft absehbar sei, müsse dies entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs bei der Entscheidung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden.
Die derart beschriebene Fragestellung rechtfertigt die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil sie nicht entscheidungserheblich und ihre Klärung deshalb in einem Revisionsverfahren nicht zu erwarten ist. Denn der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 8) ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass selbst dann, wenn – zu dem von ihm für maßgeblich erachteten Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – die objektiv-rechtlichen Voraussetzungen der angefochtenen Freistellungsentscheidung nicht vorgelegen hätten, subjektive Rechte der Klägerin nicht verletzt worden seien. Die Erwägungen, auf die das Berufungsgericht seine Einschätzung einer nicht bestehenden Verletzung der Klägerin in ihren Rechten gestützt hat, hat die Klägerin – wie ausgeführt – nicht mit durchgreifenden Revisionszulassungsgründen angegriffen.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Neumann, Dr. Möller, Hahn
Fundstellen