Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Anspruch auf die Verwendungszulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG auch dann bestehen kann, wenn die Aufgaben eines höherwertigen Amtes 18 Monate vor In-Kraft-Treten der Vorschrift am 1. Juli 1997 vorübergehend vertretungsweise übertragen und ununterbrochen wahrgenommen worden sind.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, Lehrerin im Beamtenverhältnis zum Beklagten (Bes.-Gr. A 13), wurde im Jahre 1994 mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben eines Konrektors (Bes.-Gr. A 13 mit Amtszulage) beauftragt, so lange die Konrektorenstelle an ihrer Schule vakant sei. Die Klägerin nahm die Aufgaben eines Konrektors vom 19. August 1994 bis zum 31. Juli 1998 wahr. Der Beklagte lehnte es ab, der Klägerin eine Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG zu gewähren. Die Klage war vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Im Revisionsverfahren begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten, ihr für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Juli 1998 die Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG zu gewähren.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat hält die zulässige Revision für begründet. Die Klägerin erfüllte während des Anspruchszeitraums die Voraussetzungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung des Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) in Verbindung mit Art. III § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts des Haushalts (Haushaltsstrukturgesetz 1996 – HStrG 1996) vom 15. April 1996 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin S. 126). Der Klägerin sind die – gemessen an ihrem Statusamt als Lehrerin höherwertigen – Aufgaben eines Konrektors wirksam übertragen worden. Sie sollte diese Aufgaben vorübergehend und vertretungsweise, nämlich bis zur Besetzung der vakanten Stelle sowie statt der ihrem Statusamt zugeordneten Aufgaben und anstelle des noch nicht ernannten Amtsinhabers wahrnehmen. Während der gesamten Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Juli 1998 lagen auch die laufbahnrechtlichen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für eine Beförderung der Klägerin zur Konrektorin vor. Die Wartefrist von einem Jahr nach Übertragung des höherwertigen Aufgabengebietes, vor deren Ablauf nach Art. III § 1 Abs. 1 Satz 1 HStrG 1996 eine Beförderung nicht vorgenommen werden darf, war verstrichen. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin erfüllt die Wartefrist und damit auch die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG in Berlin auch derjenige, dem die höherwertige Funktion nicht mit der Intention, ihn zu befördern, übertragen worden ist.
Da die Klägerin die ihr zum 19. August 1994 übertragenen Aufgaben eines Konrektors am 1. Juli 1997, als § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG n.F. in Kraft trat (vgl. Art. 15 § 3 Abs. 1 Reformgesetz), länger als 18 Monate ununterbrochen wahrgenommen hatte, stand ihr ab diesem Zeitpunkt bis zum 31. Juli 1998, als sie die Funktion des Konrektors aufgab, die Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG zu. Der Senat möchte deshalb der Revision stattgeben. Daran sieht er sich aber durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehindert, weil er von dieser Rechtsprechung abweichen würde.
Das Bundesarbeitsgericht hat in den Urteilen vom 26. April 2001 in den Verfahren 8 AZR 281/00 und 8 AZR 472/00, in denen § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG auf Angestellte des öffentlichen Dienstes entsprechend angewendet worden ist, einen Anspruch auf die Zulage nach dieser Vorschrift mit der Begründung verneint, die 18-Monats-Frist laufe erst ab dem 1. Juli 1997. Das Bundesarbeitsgericht begründet dies damit, § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG sei erst am 1. Juli 1997 in Kraft getreten, es fehle eine Übergangsvorschrift und im Tatbestand der Vorschrift werde die Gegenwartsform (“werden … die Aufgaben … übertragen”) statt der Vergangenheitsform (“sind übertragen worden”) gebraucht.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung der bezeichneten Rechtsfrage vorzulegen (§§ 2, 11 RsprEinhG).
III.
Nach der Auffassung des für das Beamtenbesoldungsrecht zuständigen Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu bejahen.
Aus dem Wortlaut der Vorschrift, dem im Besoldungsrecht gesteigerte Bedeutung für die Auslegung zukommt (stRspr des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. Urteil vom 22. März 1990 – BVerwG 2 C 11.89 – Buchholz 240 § 19 a BBesG Nr. 10 m.w.N.), ergibt sich keine Einschränkung des zeitlichen Geltungsumfangs des § 46 Abs. 1 BBesG. Die Verwendung des Präsens im Tatbestand des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG ist kein Hinweis darauf, dass Übertragungsakte, die vor dem In-Kraft-Treten der Vorschrift stattgefunden haben, die Rechtsfolge nach der Vorschrift nicht auslösen. Die Zeitform der Verben im Tatbestand einer Gesetzesvorschrift trifft in aller Regel keine Aussage darüber, ob als tatbestandsmäßige Handlung eine gegenwärtige oder eine bereits geschehene Handlung gefordert ist. Da im Tatbestand die Umstände aufgeführt sind, die verwirklicht sein müssen, damit die vorgesehene Rechtsfolge eintritt, sind diese Umstände einschließlich der Handlungen und Geschehnisse immer als bereits geschehen beschrieben. So liegen aus der Sicht des Zeitpunkts, in dem nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG der Anspruch auf die Verwendungszulage bestehen kann, sowohl die Übertragung als auch die Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes prinzipiell – und nicht nur bezogen auf das Datum “1. Juli 1997” – in der Vergangenheit. Deshalb besagt auch umgekehrt die Perfektform in § 46 Abs. 1 Satz 2 BBesG nicht, dass anspruchsberechtigt nach dieser Bestimmung nur Beamte sein sollen, denen das höherwertige Amt vor dem In-Kraft-Treten dieser Vorschrift übertragen worden ist.
Aus dem Datum, an dem die Norm in Kraft getreten ist, ergibt sich ebenfalls nichts für einen bestimmten Zeitpunkt, an dem oder von dem ab die tatbestandliche Handlung vorgenommen sein musste. Der Tag des In-Kraft-Tretens einer Rechtsvorschrift markiert den Zeitpunkt, von dem an die Regelung des Gesetzgebers Wirkung entfaltet, also die in der Norm vorgesehene Rechtsfolge eintritt, falls die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Tatbestand braucht hingegen nicht unter der Geltung der Norm verwirklicht worden zu sein. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass ein gesetzlich erfasster Sachverhalt nur dann die gesetzliche Rechtsfolge auslöst, wenn er unter der zeitlichen Geltung der Vorschrift eingetreten ist, besteht nicht. Art. 103 Abs. 2 GG betrifft nur strafrechtliche Normen. Ihm kann nicht entnommen werden, dass eine neu geschaffene besoldungsrechtliche Norm eine günstige Rechtsfolge nicht an einen Sachverhalt knüpfen kann, der vor ihrem In-Kraft-Treten verwirklicht worden ist. Vielmehr ist der vorlegende Senat in ständiger Rechtsprechung, mit der die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht vereinbar ist, davon ausgegangen, dass normgemäß ebenfalls ein Anspruch begründet wird, wenn der gesetzliche Tatbestand vor In-Kraft-Treten der Vorschrift verwirklicht worden ist, wenn nicht ausdrücklich etwas Abweichendes bestimmt ist (z.B. Urteil vom 14. März 2002 – BVerwG 2 C 26.01 – Buchholz 240 § 13 BBesG Nr. 4 S. 2 zur Ruhegehaltfähigkeit einer Zulage nach einer zulageberechtigenden Verwendung von mindestens zehn Jahren). Eine den zeitlichen Geltungsbereich des § 46 Abs. 1 BBesG n.F. einschränkende Regelung, die typischerweise im Besoldungs- und Versorgungsrecht als Übergangsvorschrift formuliert wäre, ist nicht getroffen worden.
Schließlich lässt sich der Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber Ansprüche nach der neu geschaffenen Vergütungsregelung erst eineinhalb Jahre nach dem In-Kraft-Treten der Vorschrift hat zur Entstehung bringen wollen. Die finanziellen Belange der Anstellungskörperschaften erfordern keinen “Vorlauf” von 18 Monaten. Zahlungsansprüche bestehen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG wegen des Vorbehalts, dass die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ohnehin nur, wenn eine dem Beförderungsamt, dessen höherwertige Funktionen der Beamte wahrnimmt, zugeordnete freie Planstelle vorhanden ist. Mit der Besetzung dieser Planstelle mit dem höherwertig Beschäftigten, die durch die Regelung des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG gefördert werden soll, vermag er den Anspruch auf den Verwendungszuschlag zu beseitigen.
Die Auffassung des Senats steht im Einklang mit der Auffassung des für das Besoldungsrecht zuständigen Bundesministers des Innern, der seine abweichende frühere Ansicht (vgl. RdSchr vom 24. November 1997, GMBl S. 839 ≪846≫) nach der Übereinkunft der Fachreferenten des Bundes und der Länder (vgl. Protokoll der 1./2003 Sitzung des Arbeitskreises für Besoldungsfragen vom 11. bis 13. März in Berlin S. 11 f. – Anlage) aufgegeben hat.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen