Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Vorstand als Dienststellenleiter. Beteiligung eines Beschäftigten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren. leitender Angestellter
Leitsatz (amtlich)
- Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein ist Dienststellenleiter nach § 8 Abs. 5 Satz 1 MBG SH.
- Streiten Dienststelle und Personalrat im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren darüber, ob eine bestimmte Beschäftigte leitende Angestellte nach § 84 Abs. 1 MBG SH ist, so ist diese Beschäftigte nicht am Verfahren zu beteiligen.
- Ein Beschäftigter ist leitender Angestellter im Sinne von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MBG SH, wenn er nach Dienststellung und Dienstvertrag durch die Wahrnehmung von Schlüsselaufgaben kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens ausübt, er dabei eigenen Entscheidungsspielraum hat und die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben seine Tätigkeit prägt.
Normenkette
MBG SH § 8; MBG SH § 84
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 18.04.2005; Aktenzeichen 12 LB 7/04) |
VG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 11.11.2004; Aktenzeichen 19 A 30/04) |
Tenor
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Mitbestimmungssachen/Land – vom 18. April 2005 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die am … geborene Beschäftigte … B… ist seit 24. November 1997 in der Rechtsabteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein tätig. Seit 1. Juni 1999 ist sie auf Grund des Dienstvertrages vom gleichen Tage auf unbestimmte Zeit angestellt. Durch den 2. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 1. April 2001 wurde sie in Vergütungsgruppe BAT IIa, Fallgruppe 1a, eingruppiert. Nach dem 3. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 1. Januar 2004 bemisst sich ihre Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT Ib. Der 4. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 29. September 2004 lautet wie folgt:
“Mit diesem Nachtrag zum Dienstvertrag wird Ihre Position als leitende Angestellte, die von Ihnen de facto seit 01. April 2001 in der täglichen Arbeit wahrgenommen wird, vertraglich nachvollzogen. Mit diesem Nachtrag wird den Erfordernissen aus § 84 Absatz 1 des Mitbestimmungsgesetzes entsprochen, eine Änderung Ihrer bisher wahrgenommenen Verantwortung und Arbeitsbereiche ist damit nicht verbunden.
Die leitende Position drückt sich in Ihrem Aufgabenfeld insbesondere in folgenden Bereichen aus:
– Weisungsbefugnis gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rechtsabteilung mit Ausnahme gegenüber den Herren RA S…, B… und gegenüber Frau M… und Frau H….
– freie Gestaltung und Einteilung Ihrer Arbeitszeit
– eigenverantwortliche Terminwahrnehmungen vor allen Gerichtsinstanzen
– Generalprozessvollmacht für alle Instanzen
– eigenverantwortliche Terminwahrnehmung vor dem Berufungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein
– selbständige Erledigung aller Ihnen übertragenen Rechtsangelegenheiten
– eigenverantwortliche Kostenverhandlungen mit den gegnerischen Anwälten in gerichtlichen Angelegenheiten und bei den Vorverfahren
– geschäftsmäßige Betreuung des Plausibilitätsausschusses zusammen mit Frau H….
Diese Punkte sind keine abschließende Aufzählung. Schwerpunkte können von Ihnen eigenverantwortlich gesetzt werden, soweit die Rahmenvorgaben und Weisungen des Vorstandes und der Geschäftsführung beachtet sind.”
Zugleich formulierte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer folgende Stellenbeschreibung:
“Diese Stellenbeschreibung mit Stand von September 2004 stellt die wesentlichen Aufgaben von Frau B… dar. Frau B… ist direkt dem Justitiar unterstellt. In der Abwesenheit des Justitiars ist Frau B… dessen fachliche Stellvertreterin und nimmt die Abwesenheitsstellvertretung des Leiters der Rechtsabteilung in Personalverwaltungsangelegenheiten wahr.
Aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen und bewiesenen Befähigung bearbeitet Frau B… die ihr übertragenen Rechtsangelegenheiten selbständig. Dies gilt insbesondere für die gerichtlichen Angelegenheiten, welche Sie eigenverantwortlich einschließlich der Terminwahrnehmung bearbeitet. Sie hat Generalprozessvollmacht bis hin zum Bundessozialgericht. Sie berät in konkreter und persönlicher Zuordnung den Plausibilitätsausschuss.
Frau B… nimmt die Termine vor dem Berufungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein wahr und führt aufgrund ihrer kostenrechtlichen Kenntnisse sowohl hinsichtlich der gerichtlichen Angelegenheiten als auch hinsichtlich der Vorverfahrenskosten die Kostenverhandlungen mit den beteiligten gegnerischen Anwälten. Diese Kosten machen eine relevante und regelhaft sechsstellige Summe innerhalb des Haushalts der KV aus.
Frau B… nimmt zur Zeit – kommissarisch – und weisungsungebunden die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten wahr.
Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung wird auch von Frau B… – unbeschadet der Federführung des Justitiars – die Aufzeigung von rechtlichen Handlungspositionen für die Kassenärztliche Vereinigung erwartet. In dieser Hinsicht steht Frau B… Vorstand und Geschäftsführung zur Verfügung.
Sie nimmt im Hause eine besondere Vertrauensstellung ein, so dass sie in Entscheidungsvorbereitungen des Vorstandes und der Geschäftsführung einbezogen werden kann. Frau B… ist in der Gestaltung und der Priorisierung ihrer Aufgaben eigenverantwortlich.”
Mit Schreiben vom 11. November 2003 erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer insgesamt 24 Beschäftigte – darunter den Justitiar und Leiter der Rechtsabteilung, Herrn S…, die Leiterin der Widerspruchsabteilung, Frau M…, sowie Frau B… – zu leitenden Mitarbeitern im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH. Dem trat der Antragsteller mit Schreiben vom 25. November 2003 entgegen. Da sich in der Folgezeit eine Einigung nicht erzielen ließ, hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht angerufen und dort beantragt
festzustellen, dass die bei der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein beschäftigte Mitarbeiterin … B… keine leitende Mitarbeiterin im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH ist, und
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich aller personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die genannte Mitarbeiterin betreffen, nachträglich einzuleiten.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Mitarbeiterin … B… keine leitende Angestellte im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH ist. In den Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses heißt es am Ende: “Damit unterliegen sämtliche Maßnahmen im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 MBG der Beteiligten, die die Angestellte … B… betreffen, gemäß der gesetzlichen Regelung des § 51 Abs. 1 MBG der Mitbestimmung durch den Antragsteller, ohne dass es hierzu eines gerichtlichen Ausspruches bedarf.”
Auf die Beschwerde der Hauptgeschäftsführung hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Frau B… sei leitende Angestellte im Sinne von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH. Die Organe der Kassenärztlichen Vereinigung dürften eigenständig entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Verantwortung delegierten. Das Gesetz stelle lediglich darauf ab, ob die Mitarbeiterin im Wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnehme, also faktisch.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei es grundsätzlich nicht ausreichend, wenn der Angestellte nur rein tatsächlich die in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH genannten Befugnisse wahrnehme, ohne dafür nach dem Dienstvertrag berechtigt zu sein. Für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH sei auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur im Wesentlichen gleich lautenden Vorschrift des § 5 Abs. 3 BetrVG zurückzugreifen. Danach sei Voraussetzung für die Einstufung als leitender Angestellter die Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben in der Nähe des Leiters der Dienststelle. Das sei nur dann der Fall, wenn der Angestellte Aufgaben von einer gewissen Breite für die Dienststelle wahrnehme, die ihm im Rahmen eines erheblichen eigenen Entscheidungsspielraums Einwirkungsmöglichkeiten auf den Bestand und die Entwicklung der Dienststelle eröffneten, ihm also eine Schlüsselposition verschafften, in der er selbstständig Führungsentscheidungen treffe oder sie jedenfalls in solcher Weise maßgeblich beeinflusse, dass sie nicht unbeachtet gelassen werden könnten. Diese Voraussetzungen träfen auf die Mitarbeiterin B… nicht zu. Sie sei dem Justitiar unterstellt und nehme lediglich seine Stellvertretung wahr. Sie sei nur eingeschränkt weisungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis sei ihr nicht in allen, sondern nur in den ausdrücklich festgelegten Rechtsangelegenheiten übertragen. Ihre Aufgaben beschränkten sie auf beratende Tätigkeit und Entscheidungsvorbereitung. Auch wenn es für die Zahl der leitenden Angestellten innerhalb einer Dienststelle keine Höchstgrenze gebe, sondern im Einzelfall auf Größenordnung und Struktur sowie innere Aufgabenverteilung abzustellen sei, so sei doch ein Anteil leitender Angestellter von 10 % der Gesamtzahl der Beschäftigten der Dienststelle nicht mehr nachvollziehbar.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. April 2005 aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 11. November 2004 zurückzuweisen.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Die Vertreterin des Bundesinteresses hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte ≪Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein – MBG SH –≫ vom 11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. S. 577, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. Juni 2004, GVOBl Schl.-H. S. 165, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er ist daher aufzuheben; die Sache ist zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein anzuwenden. Denn die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ist eine der Aufsicht des Landes Schleswig-Holstein unterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit (§ 1 Abs. 1 MBG SH i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5, § 78 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – vom 20. Dezember 1988, BGBl I S. 2477, zuletzt geändert durch Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2005, BGBl I S. 3686).
2. Streitgegenstand in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist ausschließlich noch das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, dass die Beschäftigte B… nicht leitende Angestellte ist.
Zwar hat das Verwaltungsgericht über den zweiten, auf Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens gerichteten Antrag des Antragstellers im Tenor seines Beschlusses nicht förmlich entschieden. Im letzten Satz der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses ist aber eine sinngemäße Ablehnung dieses Begehrens wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zu erblicken. Da der Antragsteller dagegen kein Rechtsmittel ergriffen hat, ist der ablehnende Teil des erstinstanzlichen Beschlusses rechtskräftig geworden.
3. Beteiligter Dienststellenleiter ist hier der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein.
Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 MBG SH handelt für die Dienststelle ihr Leiter (Dienststellenleitung). Er kann sich durch die ihn ständig vertretenden oder in der Sache entscheidungsbefugten Beschäftigten vertreten lassen (§ 8 Abs. 5 Satz 2 MBG SH). Wer danach Dienststellenleiter ist, bestimmt sich nach dem einschlägigen Organisationsrecht (vgl. Beschluss vom 26. August 1987 – BVerwG 6 P 11.86 – Buchholz 250 § 7 BPersVG Nr. 2 S. 3 f.). Seit 1. Januar 2005 hat die Kassenärztliche Vereinigung einen hauptamtlichen Vorstand, der die Körperschaft verwaltet und sie gerichtlich und außergerichtlich vertritt, soweit Gesetz oder sonstiges Recht nichts Abweichendes bestimmen (§ 79 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 SGB V). In der Satzung oder im Einzelfall durch den Vorstand kann bestimmt werden, dass auch einzelne Mitglieder des Vorstandes die Körperschaft vertreten können (§ 79 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Derartige Bestimmungen finden sich in § 23 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein vom 28. April 2004. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein als Dienststellenleitung im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 1 MBG SH anzusehen ist. Zwar wird in der Gesetzesbegründung und in der Kommentierung die Auffassung vertreten, der Vorstand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit könne eines seiner Mitglieder zum Dienststellenleiter bestimmen (vgl. LTDrucks 12/996 S. 74; Fuhrmann/Neumann/Thorenz/Witt, Personalvertretungsrecht Schleswig-Holstein, 5. Aufl. 2000, § 8 Rn. 14). Ob dem zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Denn eine derartige Bestimmung hat der Vorstand hier soweit ersichtlich nicht getroffen. Aus dem mit Schriftsatz vom 13. April 2005 überreichten Organigramm ergibt sich vielmehr, dass der Vorstand den Hauptgeschäftsführer zum Dienststellenleiter bestimmt hat. Dies steht jedoch mit Wortlaut und Systematik der Regelungen in § 8 Abs. 5 MBG SH nicht in Einklang. Danach kann die Eigenschaft des Dienststellenleiters nicht im Wege der Delegation auf einen Angestellten übertragen werden. Der Sache nach hat der Vorstand hier entschieden, sich vom Hauptgeschäftsführer in den Verhandlungen mit dem Personalrat ständig vertreten zu lassen. Dies ist nach § 8 Abs. 5 Satz 2 MBG SH unbedenklich, lässt aber die Dienststellenleitereigenschaft des Vorstandes unberührt.
Der Senat hat daher im Anhörungstermin das Passivrubrum im Einvernehmen mit den Beteiligten umgestellt.
4. Die Beschäftigte B… ist nicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren zu beteiligen.
Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist Beteiligter, wer durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechtsposition berührt wird. Dies ist bei einem einzelnen Beschäftigten nicht der Fall, wenn Personalrat und Dienststelle darüber streiten, ob in einer Personalangelegenheit dieses Beschäftigten ein Mitbestimmungsrecht besteht. Denn in einem solchen Verfahren sind die kollektiv-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Personalrat und Dienststellenleiter zu klären; die individuelle Rechtsposition einzelner Beschäftigter bleibt davon grundsätzlich unberührt (vgl. Beschluss vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 4.75 – BVerwGE 50, 186, 193 f.; Beschluss vom 3. Juni 1977 – BVerwG 7 P 2.76 – Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 2 S. 7; zum Betriebsverfassungsrecht: BAG, Beschluss vom 27. Mai 1982 – 6 ABR 105/79 – BAGE 39, 102, 103 f.; Beschluss vom 17. Mai 1983 – 1 ABR 5/80 – BAGE 42, 386, 389 f.; Beschluss vom 3. Dezember 1985 – 4 ABR 80/83 – BAGE 50, 241, 244; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 83 Rn. 47; Dörner, in GK-ArbGG § 83 Rn. 81).
Im vorliegenden Verfahren geht es zwar nicht um eine einzelne Personalangelegenheit. Wesentlicher Kern des Verfahrens ist jedoch auch hier die Mitbestimmungspflichtigkeit von Personalangelegenheiten. Denn darauf zielt die in § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH normierte Rechtsfolge ab, und darum geht es dem Antragsteller mit der von ihm begehrten Feststellung. Der Sache nach wird im vorliegenden Fall um das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in den Personalangelegenheiten eines Beschäftigten gestritten. Während es sonst üblicherweise um eine einzelne Personalangelegenheit geht, wirkt sich die streitige Feststellung hier auf alle Personalangelegenheiten des betroffenen Beschäftigten aus. Dessen ungeachtet betrifft auch der vorliegende Rechtsstreit allein die Rechtsbeziehung zwischen Personalrat und Dienststelle. Individuelle Rechtspositionen der Beschäftigten werden nicht unmittelbar berührt.
Freilich ist der Beschäftigte in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar berührt, wenn es um sein passives Wahlrecht geht (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 1977 – BVerwG 7 P 23.75 – Buchholz 238.32 § 13 BlnPersVG Nr. 1 S. 3). Die hier streitige Feststellung hat jedoch keine präjudizielle Wirkung für die Wählbarkeit der Beschäftigten B… zur Personalvertretung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. Letztere bestimmt sich nach § 12 Abs. 3 Satz 1 MBG SH, dessen Gesamtregelung nicht deckungsgleich ist mit derjenigen in § 84 Abs. 1 MBG SH. Zudem verfolgen beide Vorschriften unterschiedliche Ziele: Während die Regelung in § 12 Abs. 3 Satz 1 MBG SH der Vermeidung von Interessenkollisionen dient, steht im Rahmen von § 84 Abs. 1 MBG SH eher die Unabhängigkeit der Personalentscheidung der Dienststelle sowie die Unabhängigkeit des Beschäftigten im Vordergrund (vgl. zu § 77 Abs. 1 BPersVG: Beschluss vom 20. März 2002 – BVerwG 6 P 6.01 – Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 5 und 7).
Allerdings pflegt das Bundesarbeitsgericht die Beteiligungsbefugnis der Arbeitnehmer, für die vom Betriebsrat die Feststellung begehrt wird, dass sie nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind, zu bejahen (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – BAGE 51, 1, 4). Doch geht die in § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorgesehene Rechtsfolge über diejenige hinaus, welche die Eigenschaft als leitender Angestellter nach § 84 Abs. 1 MBG SH auslöst. § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bestimmt nämlich, dass das Betriebsverfassungsgesetz auf leitende Angestellte grundsätzlich keine Anwendung findet. Dies bedeutet nicht nur, dass die Mitbestimmung in Angelegenheiten dieser Angestellten gänzlich ausgeschlossen ist, sondern auch, dass ihnen das aktive und passive Wahlrecht zum Betriebsrat verwehrt ist. Die gerichtliche Feststellung zu § 5 Abs. 3 BetrVG ist somit eine echte Statusentscheidung. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich grundlegend von der hier zu § 84 Abs. 1 MBG SH zu treffenden Entscheidung, die das Wahlrecht unberührt lässt.
Ob die im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ergehende Entscheidung für einen Individualrechtsstreit insofern präjudizielle Wirkung entfaltet, als dort die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats in Rede steht, haben im Streitfall die Arbeitsgerichte zu entscheiden (vgl. zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einerseits: Urteil vom 15. Januar 1987 – 6 AZR 589/84 – AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG Blatt 956R, 957; andererseits: Urteil vom 3. Juli 1996 – 2 AZR 813/95 – BAGE 83, 266, 274 ff.; Urteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 658/97 – AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG 1979 Blatt 17 f.).
5. Die Begründetheit des streitigen Feststellungsbegehrens beurteilt sich nach § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH. Danach gelten die Vorschriften über die Mitbestimmung der Personalräte nicht für Personalangelegenheiten der leitenden Angestellten der Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit, wenn sie nach Dienststellung und Dienstvertrag
1. zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Beschäftigten der Dienststelle berechtigt sind oder
2. Generalvollmacht oder Prokura haben oder
3. im Wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnehmen, die ihnen regelmäßig wegen ihrer Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung der Dienststelle im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind, wenn man von der Ersetzung der Begriffe “Arbeitnehmer” und “Betrieb” durch “Beschäftigte” und “Dienststelle” absieht, wortgleich mit § 5 Abs. 3 BetrVG vom 15. Januar 1972, BGBl I S. 13, in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung. Schon dieser Umstand spricht dafür, die zu § 5 Abs. 3 BetrVG ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung des § 84 Abs. 1 MBG SH sinngemäß heranzuziehen.
b) Dieser Ansatz wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Die Sonderregelungen für Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit hat der Gesetzgeber getroffen, “um den besonderen Bedürfnissen dieser Einrichtungen, die zum Teil im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen, gerecht zu werden” (LTDrucks 12/996 S. 134). Der Gesetzgeber sieht demnach bei diesen Körperschaften eine Nähe zur Privatwirtschaft. Es war daher folgerichtig, den Kreis der leitenden Angestellten in Anlehnung an die Vorschrift zu beschreiben, die für die entsprechende Abgrenzung im Bereich der Privatunternehmen einschlägig ist. Auch diese bewusste Hinwendung zum Betriebsverfassungsrecht lässt es geboten erscheinen, sich bei der Auslegung des § 84 Abs. 1 MBG SH maßgeblich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 3 BetrVG zu orientieren.
c) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beansprucht auch Berücksichtigung, soweit sie zu der seit 1. Januar 1989 geltenden Neufassung der Vorschrift, jetzt in der Fassung der Bekanntmachung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 25. September 2001, BGBl I S. 2518, ergangen ist. Denn bei der Auslegung der Neufassung knüpft das Bundesarbeitsgericht jedenfalls weitgehend an seine bisherige Rechtsprechung an (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 1989 – 7 ABR 60/88 – BAGE 63, 200, 202 f.; Beschluss vom 22. Februar 1994 – 7 ABR 32/93 – juris Rn. 21; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 23. Aufl. 2006, § 5 Rn. 352).
d) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war zunächst von einem Oberbegriff des leitenden Angestellten ausgegangen und hatte jeweils die Feststellung verlangt, dass zwischen dem Angestellten und der übrigen Arbeitnehmerschaft eine Interessenpolarität bestehen müsse (vgl. Beschluss vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73 – BAGE 26, 36, 51, 57 f.; Beschluss vom 19. November 1974 – 1 ABR 20/73 – BAGE 26, 345, 351, 354; Beschluss vom 17. Dezember 1974 – 1 ABR 131/73 – BAGE 26, 403, 413; Beschluss vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73 – BAGE 27, 374, 379, 384). Daran hat das Gericht später – unter Bestätigung seiner Rechtsprechung im Übrigen – nicht festgehalten (vgl. Beschluss vom 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79 – BAGE 32, 381, 386 ff.). Die demgemäß modifizierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG lässt sich wie folgt zusammenfassen:
aa) Der Angestellte muss vornehmlich unternehmerische Aufgaben wahrnehmen, wobei räumlich oder fachlich begrenzte Teilaufgaben genügen. Das Merkmal ist erfüllt, wenn der Angestellte kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische, personelle oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens ausübt. Dabei ist unbeachtlich, ob der Angestellte die maßgebenden Entscheidungen selbst trifft (Linienfunktion) oder in Ausfüllung einer “Stabsfunktion” nur die Voraussetzungen schafft, an denen die Unternehmensleitung nicht vorbeigehen kann (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 384).
bb) Der Angestellte muss im Rahmen seiner unternehmerischen Teilaufgaben einen erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum haben. Dieser wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Richtlinien und Rechtsvorschriften zu beachten sind. Er ist auch im Team mit gleichberechtigten Mitarbeitern denkbar (vgl. BAG a.a.O.).
cc) Der Angestellte muss die unternehmerischen Teilaufgaben nach Dienststellung und Dienstvertrag wahrnehmen. Die tatsächliche Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und die rechtsverbindliche Übertragung im Arbeitsvertrag müssen sich decken. Die Befugnis zur Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben bedarf dabei keiner ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Es genügt, wenn ein darauf gerichteter Wille der Vertragsparteien hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Ein solcher Wille kann sich grundsätzlich auch aus der praktischen Durchführung eines Vertragsverhältnisses ergeben, weil die tatsächlich geübte Vertragspraxis Rückschlüsse auf das von den Arbeitsparteien vertraglich Vereinbarte erlaubt (BAG, Beschluss vom 5. März 1974 a.a.O. S. 54; Beschluss vom 19. November 1974 a.a.O. S. 354; Beschluss vom 16. April 2002 – 1 ABR 23/01 – BAGE 101, 53, 58; Fitting u.a., a.a.O. Rn. 329).
dd) Eine Gesamtwürdigung der Tätigkeit des Angestellten muss ergeben, dass die unternehmerischen Teilaufgaben den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden und ihr das Gepräge geben. Erforderlich ist, dass jedenfalls ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht wird. Es muss eine mehr als gelegentliche Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben vorliegen. Feststellungen zum quantitativen Anteil dieser Aufgabenzuweisung sind allerdings verzichtbar (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 385; Beschluss vom 23. Januar 1986 a.a.O. S. 10; Beschluss vom 25. Oktober 1989 a.a.O. S. 205; Beschluss vom 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94 – BAGE 79, 80, 92).
ee) Bei der gebotenen funktionsbezogenen Abgrenzung der leitenden Angestellten lässt sich nicht an die Gesamtzahl der Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen anknüpfen. Der Gesetzgeber hat keine Quotenlösung gewählt. Wie viele Angestellte unternehmerische Aufgaben mit erheblichem Entscheidungsspielraum wahrnehmen, hängt davon ab, wie stark die Unternehmensleitung zentralisiert oder dezentralisiert ist (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 394).
ff) Ähnliches gilt für die Leitungsebene, der der einzelne Angestellte im Rahmen der unternehmerischen Hierarchie zuzuordnen ist. Je nach der Delegationsbereitschaft des Unternehmens können noch auf der vierten Leitungsebene Entscheidungen zu treffen sein, die in manchen Konzernunternehmen nicht einmal Vorstandsmitgliedern vorbehalten sind (BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 384). Andererseits gilt: Je tiefer die konkrete Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume auf den höheren Entscheidungsstufen bereits verbraucht werden. Von welcher Delegationsstufe ab leitende Angestellte im Unternehmen nicht mehr angenommen werden können, lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall bestimmen (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 8; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 22/82 – BAGE 51, 19, 24).
gg) Da die Eigenschaft als leitender Angestellter allein von dessen Funktion zu bestimmen ist, entzieht sie sich der Festlegung durch Einkommensgrenzen oder zahlenmäßig fixierte Sachverantwortung (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 394; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 6 f.).
hh) Es kann nicht ohne Weiteres vom Umfang der Personalverantwortung, insbesondere in Abhängigkeit von der Zahl der unterstellten Arbeitnehmer, auf Entscheidungsspielraum und eigenverantwortliche Identifikation mit unternehmerischen Zielsetzungen geschlossen werden. Eine schlichte Vorgesetztenstellung gegenüber einer größeren Zahl unterstellter Arbeitnehmer ist für eine Qualifikation als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht ausschlaggebend. Überwachungsfunktionen allein genügen nicht, die Eigenschaft als leitender Angestellter zu begründen. Die Einsatzlenkung von Arbeitnehmern zur Erfüllung oder Gewährleistung arbeitstechnischer Abläufe nach vorgegebenen Daten kann nur dann als unternehmerische Teilaufgabe eingeschätzt werden, wenn der andere Arbeitnehmer führende Angestellte als Vorgesetzter auch eigenverantwortlich, d.h. mit erheblichem Entscheidungsspielraum versehen, verbindliche Entscheidungen auf personellem und sozialem Gebiet trifft, die eine Beteiligung des Betriebsrats erforderlich machen (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 394; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 8 f.).
ii) Die Übertragung unternehmerischer Aufgaben muss im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse des Angestellten erfolgen. Ein akademisches Studium oder eine gleichwertige Ausbildung ist dazu allein weder erforderlich noch genügend. Die erforderlichen Kenntnisse können ebenso gut durch längere Tätigkeit oder Selbststudium erworben sein (vgl. BAG, Beschluss vom 9. Dezember 1975 a.a.O. S. 385; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 7). Diese Voraussetzung bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten. Sie wird bei dem Personenkreis, der den leitenden Angestellten zugeordnet werden könnte, praktisch immer vorhanden sein (vgl. Fitting u.a., a.a.O. Rn. 369).
e) § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG in seiner bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung war mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift verstieß insbesondere nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1981 – 2 BvL 4/80 – BVerfGE 59, 104, 114 ff.; BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 396 ff.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, einen erheblichen Teil der Angestellten von der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auszunehmen (a.a.O. S. 115). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH bestehen daher ebenso wenig wie gegen die Neufassung der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.
f) Die vorgenannten Grundsätze sind im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH sinngemäß anzuwenden. An die Stelle der unternehmerischen Aufgaben treten hier die öffentlichen Aufgaben, welche den nicht kommunalen Körperschaften durch Gesetz zugewiesen sind. Der Beschäftigte muss durch die Wahrnehmung von Schlüsselaufgaben kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische, personelle oder wissenschaftliche Führung der Dienststelle ausüben, indem er entweder die maßgebenden Entscheidungen selbst trifft oder die Voraussetzungen schafft, an denen die Dienststellenleitung nicht vorbeigehen kann. Er muss im Rahmen dieser Leitungsaufgaben einen erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum haben. Diese Leitungsaufgaben muss er nach Dienststellung und Dienstvertrag wahrnehmen. Die Gesamtwürdigung seiner Tätigkeit muss ergeben, dass die Leitungsaufgaben den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden und ihr das Gepräge geben.
6. Ob die Beschäftigte B… nach diesem Maßstab leitende Angestellte der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein im Sinne von § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH ist, hängt von noch ausstehenden Tatsachenfeststellungen ab, wie die folgenden Ausführungen ergeben:
a) Ungeklärt ist die Organisationsstruktur der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein.
Diese hat nach § 79 SGB V i.V.m. §§ 9 ff. ihrer Satzung vom 28. April 2004 zwei Organe, nämlich die aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Vertreterversammlung (in der Terminologie der Satzung: die Abgeordnetenversammlung) als Selbstverwaltungsorgan sowie den hauptamtlichen Vorstand. Sieht man von der Abgeordnetenversammlung als dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung obersten Organ der Kassenärztlichen Vereinigung ab und konzentriert sich auf deren hauptamtliche Verwaltung, so bildet der Vorstand die oberste Leitungsebene, welche sich nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Satz 3 der Satzung in drei Geschäftsbereiche gliedert.
§ 17 der Satzung enthält spezielle Bestimmungen zur Rechtsberatung. Danach können sich die Organe der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Durchführung ihrer Aufgaben in rechtlichen Fragen vom Justitiar beraten lassen. Dieser kann zu den Sitzungen des Vorstandes, der Abgeordnetenversammlung und der durch diese Gremien gebildeten Ausschüsse beratend hinzugezogen werden. Im Rahmen der Beratungstätigkeit ist der Justitiar unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Er wird vom Vorstand angestellt. Nach der Satzung hat der Justitiar demnach eine starke Stellung. Er ist ausschließlich der obersten Leitungsebene gegenüber verantwortlich. Demgegenüber wird der Hauptgeschäftsführer in der Satzung nicht erwähnt. Rechtsgrundlage für seine Funktion ist offensichtlich § 14 Abs. 3 Satz 2 der Satzung, wonach der Vorstand zur Erledigung der laufenden Geschäfte eine Geschäftsstelle unterhalten kann.
Die weitere Organisation der Kassenärztlichen Vereinigung ist offenbar im Fluss und bedarf der Aufklärung hinsichtlich ihrer Struktur zum für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Es existieren derzeit nicht weniger als drei Modelle, die jeweils voneinander abweichen: das mit Schriftsatz vom 4. November 2004 überreichte Organigramm, das mit Schriftsatz vom 13. April 2005 überreichte Organigramm sowie das der Verfügung des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers vom 11. November 2003 zu Grunde liegende Schema. Davon weicht wiederum die aus den Internetseiten ersichtliche Gliederung ab.
b) Ungeklärt ist ebenfalls die Arbeitsteilung innerhalb der Rechtsabteilung. Die Beschäftigte B… ist nach der für sie maßgeblichen Stellenbeschreibung direkt dem Justitiar unterstellt. Geht man davon aus, dass dieser – auch in seiner Eigenschaft als Leiter der Rechtsabteilung – direkt dem Vorstand unterstellt ist, dann befindet sich die Beschäftigte B… auf der dritten Leitungsebene. Andererseits ist in der Stellenbeschreibung davon die Rede, dass Frau B… zwecks Aufzeigens rechtlicher Handlungsoptionen Vorstand und Geschäftsführung zur Verfügung steht und dass sie in Entscheidungsvorbereitungen des Vorstandes und der Geschäftsführung einbezogen werden kann. Dies könnte dafür sprechen, dass auch der Hauptgeschäftsführer in der Hierarchie der Dienststelle der Beschäftigten B… gegenüber vorgeordnet ist, und zwar nicht nur in dienstlicher, sondern auch in fachlicher Hinsicht. In diesem Fall befindet sie sich auf der vierten Leitungsebene. Die Klärung der Frage ist geboten. Je tiefer in der Hierarchie der Dienststelle sich die Tätigkeit der Beschäftigten vollzieht, umso weniger wahrscheinlich ist es, dass sie noch als Wahrnehmung von Leitungsaufgaben charakterisiert werden kann.
An der Spitze der Rechtsabteilung steht Herr S… Es ist zu klären, welche möglicherweise als Leitungsfunktionen zu charakterisierende Aufgaben er sich vorbehalten hat. Wie aus dem 4. Nachtrag zum Dienstvertrag der Beschäftigten B… ersichtlich ist, sind von deren Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern der Rechtsabteilung neben dessen Leiter Frau M… und Frau H… sowie Herr Br.… ausgenommen. Frau M… ist Leiterin der Widerspruchsstelle, welche nach dem Organigramm vom 13. April 2005 als eigene Abteilung erscheint, nach den übrigen Modellen aber der Rechtsabteilung angegliedert ist. Auch für Frau M… behauptet der Beteiligte die Eigenschaft als leitende Angestellte. Hingegen berühmt er sich dessen in Bezug auf Frau H… und Herrn Br.… nicht. Nach Angaben des Beteiligten in der heutigen Anhörung verfügen neben dem Justitiar und Leiter der Rechtsabteilung sowie Frau B… selbst auch die drei anderen genannten Beschäftigten über eine juristische Vorbildung. Sollte es so sein, dass der Justitiar sich die als Leitungsfunktionen in Betracht zu ziehenden Aufgaben der Rechtsabteilung im Wesentlichen vorbehalten und sie im Übrigen im Wesentlichen gleichmäßig auf seine juristischen Mitarbeiter verteilt hat, so ist fraglich, ob die Beschäftigte B… mehr als nur gelegentlich mit Leitungsfunktionen der Dienststelle betraut ist.
c) Für die einzelnen der Beschäftigten B… durch Dienstvertrag übertragenen Aufgaben gilt Folgendes:
aa) Sie vertritt die Kassenärztliche Vereinigung vor Gericht, insbesondere vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Diese entscheiden gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Danach ist der Sozialrechtsweg gegeben für die Rechtsbeziehungen zwischen den Ärzten einerseits und den Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits. Typischer und wohl häufigster Anwendungsfall ist die Klage des Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung wegen seiner Vergütung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, § 51 Rn. 15; Ulmer, in: Hennig, Sozialgerichtsgesetz, § 51 Rn. 24).
Die hoheitlichen Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigung als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unterliegen der gerichtlichen Anfechtung. Die professionelle Vertretung der Kassenärztlichen Vereinigung vor Gericht durch juristische Mitarbeiter kann grundsätzlich nicht als Wahrnehmung einer Führungsaufgabe begriffen werden. Insofern stellen sich die Verhältnisse bei der Kassenärztlichen Vereinigung nicht anders dar als bei jeder anderen Behörde, deren Entscheidungen gerichtlich angegriffen werden können. Die Verteidigung dieser Entscheidungen vor Gericht stellt sich als Aufgabe dar, die im Alltagsgeschäft zu bewältigen ist. Die Heraushebung dieser Aufgabe als Führungsfunktion ist nicht allein deswegen geboten, weil es zu ihrer Erledigung typischerweise juristischen Sachverstandes bedarf. Mit der Prozessvertretung erfüllt die Rechtsabteilung im Verhältnis zu den Leitungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigung (Abgeordnetenversammlung, Vorstand) eine dienende Funktion. Dementsprechend ist auch die Tätigkeit ihrer juristisch qualifizierten Mitarbeiter einzustufen.
Die Prozessvertretung stellt sich im Allgemeinen selbst dann nicht als Wahrnehmung einer Führungsaufgabe dar, wenn Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens Entscheidungen der Abgeordnetenversammlung sind, die diese wegen grundsätzlicher Bedeutung für die Kassenärztliche Vereinigung gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 11 Abs. 3 Buchst. d der Satzung getroffen hat, oder wenn eine Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zum Bundessozialgericht gelangt ist. Auch in solchen Fällen besteht die Prozessvertretung im Kern daran, den Rechtsstandpunkt der Kassenärztlichen Vereinigung vor Gericht zu verteidigen. Damit entbehrt die Tätigkeit der juristischen Mitarbeiterin auch hier des gestaltenden Charakters, der jeder Wahrnehmung von Schlüsselaufgaben nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH eigen ist. Es fehlt dieser Tätigkeit zudem die Ausfüllung eines eigenen erheblichen Entscheidungsspielraums. Denn im Prozess werde die Entscheidung nach Recht und Gesetz vom Gericht getroffen. Auf diese kann die Prozessvertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung zwar durch mündlichen und schriftlichen Vortrag Einfluss nehmen. Damit wird jedoch die unabhängige Entscheidungsfindung durch das Gericht nicht berührt.
An die Wahrnehmung einer Leitungsaufgabe im Rahmen der Prozessvertretung ist allenfalls zu denken, wenn die Mitarbeiterin der Rechtsabteilung befugt ist, in Angelegenheiten, die für die Aufgabenerfüllung durch die Kassenärztliche Vereinigung von erheblicher Bedeutung sind, Vergleiche zu schließen. Die maßgebliche Mitwirkung an der nichtstreitigen Erledigung kann gestaltender Natur sein. Diese Mitwirkung muss jedoch unter Nutzung eines erheblichen eigenen Entscheidungsspielraums geschehen. Insofern genügt es nicht, dass die Beschäftigte B… über eine Generalprozessvollmacht für alle Instanzen verfügt. Dadurch wird lediglich bewirkt, dass ihre Prozesserklärungen im gerichtlichen Verfahren verbindlich sind. Ob sie dabei einen wesentlichen Gestaltungsspielraum ausfüllt, hängt aber davon ab, ob sie auch im Innenverhältnis Entscheidungsfreiheit hat. Insofern ist von Bedeutung, ob sie auch in den hier allein in Betracht zu ziehenden bedeutenden Angelegenheiten zum Vergleichsschluss ohne Rücksprache oder Widerrufsvorbehalt befugt ist. Ist dies nicht der Fall, so scheidet die Prozessvertretung als Wahrnehmung einer Leitungsfunktion gänzlich aus.
bb) Nach dem Dienstvertrag gehört zu den Aufgaben der Beschäftigten B… ferner die eigenverantwortliche Terminwahrnehmung vor dem Berufungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein. Darin kann keine Wahrnehmung von Leitungsfunktionen erblickt werden.
Wer an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen will, muss dazu als niedergelassener Arzt zugelassen oder als angestellter Krankenhausarzt ermächtigt sein (§ 95 Abs. 1 – 4, § 116 SGB V). Die Entscheidung trifft ein paritätisch aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen bestehender Zulassungsausschuss (§ 96 Abs. 1 und 2 SGB V). Gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses können die am Verfahren beteiligten Ärzte, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenverbände den Berufungsausschuss anrufen (§ 96 Abs. 4 SGB V). Der Berufungsausschuss ist ebenfalls paritätisch besetzt, wird aber von einem Vorsitzenden mit der Befähigung zum Richteramt geleitet; das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gilt als Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG (§ 97 Abs. 1 – 3 SGB V). Gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG der Sozialrechtsweg eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 – BSGE 72, 148; Keller a.a.O. § 51 Rn. 15; Ulmer a.a.O. § 51 Rn. 28). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist Klagegegenstand allein der Bescheid des Berufungsausschusses (vgl. Urteil vom 27. Januar 1993 – 6 RKa 40/91 – SozR 3-2500 § 96 SGB V Nr. 1). Beklagter ist der Berufungsausschuss, der durch seinen Vorsitzenden vertreten wird (§ 70 Nr. 4, § 71 Abs. 4 SGG). Klagt die Kassenärztliche Vereinigung, so ist der Arzt, klagt dieser, so ist die Kassenärztliche Vereinigung gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 26/95 – SozR 3-2500 § 116 SGB V Nr. 14 S. 73 f.).
Die Wahrnehmung von Terminen vor dem Berufungsausschuss durch juristische Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung gehört zu den Alltagsgeschäften; Leitungsaufgaben sind dies nicht. Für die Mitwirkung im Vorverfahren kann nichts anderes gelten wie für diejenige im anschließenden Gerichtsverfahren. Im Übrigen gilt für Zulassungssachen das im vorherigen Abschnitt Gesagte.
cc) Nach dem Dienstvertrag gehört zu den Aufgaben der Beschäftigten B… weiter die “geschäftsmäßige Betreuung des Plausibilitätsausschusses zusammen mit Frau H…”. In der Stellenbeschreibung heißt es, dass Frau B… in konkreter und persönlicher Zuordnung den Plausibilitätsausschuss berät. Auch dies stellt sich nicht als Wahrnehmung einer Leitungsaufgabe dar.
Gemäß § 106a Abs. 1 SGB V prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnung auf Plausibilität. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes (§ 106a Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 3 bis 7 enthalten weitere Detailregelungen zur Plausibilitätsprüfung. Bei festgestellter Unplausibilität kann die Kassenärztliche Vereinigung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V beantragen (§ 106a Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 SGB V). In einem derartigen Fall geht das Verfahren auf die nach § 106 Abs. 4 SGB V zuständigen Prüfinstanzen über. Es handelt sich dabei um den Prüfungsausschuss und den Beschwerdeausschuss. Beide Gremien sind wiederum paritätisch mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen sowie jeweils einem unparteiischen Vorsitzenden besetzt. Gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses können u.a. der betroffene Arzt und die Kassenärztliche Vereinigung den Beschwerdeausschuss anrufen (§ 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V).
Die rechtliche Beratung des Plausibilitätsausschusses, der bei der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein die beschriebenen Aufgaben nach § 106a SGB V wahrnimmt, durch die hauptamtlichen juristischen Mitarbeiter gehört zu den Alltagsgeschäften. Soweit die Plausibilitätsprüfung und eine sich etwa anschließende Wirtschaftlichkeitsprüfung zu den Sozialgerichten gelangt, gelten wiederum die Ausführungen in Abschnitt 6c, aa.
dd) Der Dienstvertrag weist der Beschäftigten B… als Aufgabe ferner eigenverantwortliche Kostenverhandlungen mit den gegnerischen Anwälten in gerichtlichen Angelegenheiten und bei den Vorverfahren zu. Die Stellenbeschreibung verweist in diesem Zusammenhang auf die kostenrechtlichen Kenntnisse der Beschäftigten. Die hier in Rede stehenden Kosten sind unselbstständige Rechtsfolgen, die mit den im gerichtlichen Verfahren und im Vorverfahren ergangenen Sachentscheidungen verbunden sind. Deren Bearbeitung gehört nicht zu den bei der Kassenärztlichen Vereinigung wahrzunehmenden Führungsaufgaben.
Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, welcher Entscheidungsspielraum hier bei der Bearbeitung kostenrechtlicher Vorgänge besteht. In den Prozessen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung vor den Sozialgerichten zu führen sind, gilt die kostenrechtliche Vorschrift des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach sind die §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden. Nach diesen Bestimmungen werden die Kostenfolgen durch die gerichtlichen Entscheidungen ausgesprochen. Es ist nicht erkennbar, was insoweit Gegenstand von Verhandlungen sein kann. Dasselbe gilt für die Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren nach § 63 SGB X. Diese Vorschrift ist direkt anzuwenden, wenn z.B. der Widerspruch des Arztes gegen die ablehnende Entscheidung des Zulassungsausschusses vor dem Berufungsausschuss Erfolg hat. Sie ist analog anzuwenden, wenn der durch den Bescheid des Zulassungsausschusses begünstigte Arzt sich vor dem Berufungsausschuss erfolgreich gegen den Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung verteidigt. Dieselben Grundsätze gelten für das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 6 RKa 33/95 – SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 9; Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 80/97 R – SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 12). Angesichts dessen wird sich die Tätigkeit der Beschäftigten B… darauf beschränken, die Höhe der von der Kassenärztlichen Vereinigung zu erstattenden Anwaltskosten zu überprüfen. Dies setzt Sachverstand voraus, ist aber angesichts der Vorgaben in den kostenrechtlichen Bestimmungen nicht mit nennenswertem Gestaltungsspielraum verbunden. Der Hinweis in der Stellenbeschreibung, wonach diese Kosten den Haushalt der Kassenärztlichen Vereinigung regelmäßig mit einer sechsstelligen Summe belasten, führt nicht weiter. Eine erhebliche Sachverantwortung ohne Entscheidungsspielraum reicht für die Eigenschaft als leitender Angestellter nicht aus.
ee) Als Wahrnehmung einer Schlüsselfunktion durch juristische Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung kommt allerdings die außergerichtliche rechtliche Gestaltung in Betracht. Darauf bezieht sich die Bemerkung in der Stellenbeschreibung, dass von Frau B… auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung die Aufzeigung von rechtlichen Handlungsoptionen für die Kassenärztliche Vereinigung erwartet wird. Als Tätigkeitsfelder rechtlicher Gestaltung kommen vor allem die Verträge in Betracht, welche die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen zur medizinischen Versorgung der Versicherten und zur Vergütung der ärztlichen Leistungen abzuschließen haben (§ 72 Abs. 2 SGB V). Hier sind zunächst die regelmäßig zu vereinbarenden Gesamtverträge zu nennen (§ 82 Abs. 2, § 83 SGB V), deren Bestandteil die von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Bundesmantelverträge einschließlich des einheitlichen Bewertungsmaßstabes sowie der Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses sind (§ 82 Abs. 1, §§ 87, 92 SGB V). Für die Vergütung der ärztlichen Leistungen gilt im Jahre 2006 § 85c SGB V, für die Zeit ab 1. Januar 2007 gelten die Regelungen in §§ 85a, 85b und 85d SGB V. Als Verträge, welche die Kassenärztlichen Vereinigungen abschließen oder abschließen können, kommt ferner in Betracht: die Arzneimittelvereinbarung nach § 84 SGB V, Modellvorhaben nach § 63 SGB V und Strukturverträge nach § 73a SGB V. Die einschlägigen Regelwerke sind hoch kompliziert (vgl. dazu kritisch: Lindemann, in: Wannagat, SGB V, § 82 Rn. 4 sowie §§ 85a – 85d Rn. 14) und unterliegen ständiger Novellierung durch den Gesetzgeber. Die rechtliche Durchdringung dieses Regelwerks und die Herausarbeitung rechtlicher Handlungsspielräume zu Gunsten der Kassenärztlichen Vereinigung erfordert hohen juristischen Sachverstand. Insofern erscheint es nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht ausgeschlossen, dass kompetente juristische Mitarbeiter Entscheidungsvorschläge entwickeln, an denen die Leitungsorgane der Kassenärztlichen Vereinigung nicht vorbeigehen können. Ob solches bei der Beschäftigten B… der Fall ist und auf welches gesetzliche Aufgabenfeld der Kassenärztlichen Vereinigung sich ihre Tätigkeit gegebenenfalls erstreckt, ist nicht festgestellt. Ebenso wenig ist geklärt, ob die Beschäftigte insoweit über einen erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum verfügt. In der Stellenbeschreibung wird im Zusammenhang mit dem Aufzeigen rechtlicher Handlungsoptionen auf die Federführung des Justitiars verwiesen sowie bemerkt, dass die Beschäftigte B… in Entscheidungsvorbereitungen des Vorstandes und der Geschäftsführung einbezogen werden kann. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich ihre Tätigkeit im Sinne einer bloßen Entscheidungsvorbereitung darin erschöpft, Material aufzuarbeiten, über welche die vorgesetzten Leitungsebenen – Justitiar, Hauptgeschäftsführer und Vorstand – frei verfügen. Nach Dienstvertrag und Stellenbeschreibung ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass sie in den relevanten Aufgabenfeldern direkt an den Vorstand oder sogar an die Abgeordnetenversammlung berichtet. Unter diesen Umständen könnte sie insoweit eine – begrenzte – eigenverantwortliche Stellung haben, wenn die Organe der Kassenärztlichen Vereinigung an ihren Stellungnahmen praktisch nicht vorbeigehen können.
ff) In der Stellenbeschreibung heißt es schließlich: “In der Abwesenheit des Justitiars ist Frau B… dessen fachliche Stellvertreterin und nimmt die Abwesenheitsstellvertretung des Leiters der Rechtsabteilung in Personalverwaltungsangelegenheiten wahr”. Die vorübergehende Vertretungstätigkeit für einen leitenden Angestellten macht den Vertretenden nicht dadurch nach Dienststellung oder Dienstvertrag selbst zum leitenden Angestellten (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 17; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 22/82 – a.a.O. S. 24). Andererseits kann es geboten sein, die Vertretung des Justitiars und Leiters der Rechtsabteilung im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MBG SH mit zu berücksichtigen. Insofern kommt es darauf an, ob die Vertretungstätigkeit mit der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen verbunden ist und in welchem Umfang sie die Beschäftigte B… im Verhältnis zu ihren übrigen Tätigkeiten beansprucht (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 22/82 – a.a.O. S. 27).
gg) Für die neue Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr relevant ist, dass die Beschäftigte B… seinerzeit kommissarisch die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten wahrgenommen hat. Denn diese Funktion hat sie nach Angaben der Beteiligten im heutigen Anhörungstermin inzwischen aufgegeben.
d) Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen wird das Oberverwaltungsgericht ergänzende Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Beschäftigte B… überhaupt mit Entscheidungsspielraum Führungsaufgaben wahrnimmt. Bejahendenfalls wird sodann zu prüfen sein, ob die Gesamttätigkeit der Beschäftigten durch von ihr wahrzunehmende Leitungsaufgaben geprägt wird. Dies ist ausgeschlossen, wenn sie nur gelegentlich in leitender Funktion tätig wird.
Dem Oberverwaltungsgericht bleibt ein Beurteilungsspielraum. Die Anwendung der in § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Tatsachengerichte ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob der Bewertungsmaßstab verkannt wurde, die Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände vertretbar ist und keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (vgl. BAG, Beschluss vom 29. Januar 1980 a.a.O. S. 385, 395 f.; Beschluss vom 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – a.a.O. S. 10; Beschluss vom 11. Januar 1995 a.a.O. S. 82 f.; Beschluss vom 16. April 2002 a.a.O. S. 57).
7. Der heutige Anhörungstermin veranlasst den Senat, den Beteiligten Folgendes zu bedenken zu geben: Dem Antragsteller geht es nach seiner Interessenlage ersichtlich nicht darum, zu verhindern, dass einzelne wenige, durch ihre Funktion besonders herausgehobene Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein als leitende Angestellte im Sinne von § 84 Abs. 1 MBG SH eingestuft werden. Denn dadurch werden seine gesetzlichen Beteiligungsrechte nicht in Frage gestellt. Der Beteiligte mag anhand der Ausführungen im vorliegenden Senatsbeschluss erwägen, ob seine Einordnung von Beschäftigten als leitende Angestellte in dem ursprünglich vorgestellten Umfang noch realistisch erscheint. Da beide Beteiligte über die nötigen tatsächlichen Einblicke verfügen, liegt es nahe, dass sie nunmehr auf der Grundlage der Senatsentscheidung im Sinne einer engen und gleichberechtigten Zusammenarbeit (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MBG SH) erneut den Versuch unternehmen, bei der personalvertretungsrechtlichen Einordnung der in Rede stehenden Beschäftigten zu einer einvernehmlichen Rechtsauffassung zu gelangen.
Unterschriften
Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen
ZTR 2006, 397 |
PersV 2006, 384 |
ZfPR 2007, 113 |