Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Rechtsmitteleinlegungsfrist und Rechtsmittelbegründungsfrist. Jahresfrist
Leitsatz (amtlich)
Ist die im angefochtenen Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung sowohl in bezug auf das statthafte Rechtsmittel (hier: Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision) als auch in bezug auf die zu beachtende Begründungsfrist unrichtig erteilt, so muß der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht nur einlegen, sondern auch begründen.
Normenkette
VwGO § 58 Abs. 2, § 133 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Berlin (Entscheidung vom 23.09.1998; Aktenzeichen 2 A 63.97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. September 1998 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat die maßgebliche Beschwerdebegründungsfrist nicht eingehalten.
Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist hat hier gemäß § 58 Abs. 1 VwGO nicht zu laufen begonnen, weil der Kläger darüber im Urteil des Verwaltungsgerichts ebensowenig wie über das statthafte Rechtsmittel selbst unterrichtet worden ist. Da die im angefochtenen Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung unrichtig ist, tritt an die Stelle der Zweimonatsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Kläger hätte daher innerhalb eines Jahres seit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sowohl einlegen als auch begründen müssen. Dagegen kann nicht etwa eingewandt werden, die Beschwerdebegründungsfrist schließe sich an die Frist zur Einlegung der Beschwerde an und beginne erst mit deren Ablauf. Vielmehr normiert § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine selbständige Zweimonatsfrist, die von der Einlegungsfrist unabhängig ist und deshalb jedenfalls grundsätzlich mit der Zustellung des angegriffenen Urteils beginnt (Beschluß vom 2. März 1992 – BVerwG 9 B 256.91 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 2; Beschluß vom 20. April 1993 – BVerwG 9 B 235.93 –; Beschluß vom 25. November 1993 – BVerwG 1 B 178.93 – Buchholz a.a.O. Nr. 14; vgl. aber zu Besonderheiten im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe: Beschluß vom 18. März 1992 – BVerwG 5 B 29.92 – a.a.O. Nr. 3). Daß im Falle des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Frist für die Begründung des Rechtsmittels zum gleichen Zeitpunkt endet wie diejenige für dessen Einlegung, ist durch Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Denn die Jahresfrist ist so bemessen, daß innerhalb dieses langen Zeitraums die Beteiligten in aller Regel in der Lage sind, das zur Herbeiführung einer gerichtlichen Sachentscheidung Notwendige zu veranlassen (Beschluß vom 8. Februar 1968 – BVerwG 3 C 20.67 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 13).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist hier dem Kläger mit einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung am 15. Oktober 1998 zugestellt worden. Dieser hätte daher die allein statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bis zum 15. Oktober 1999 nicht nur einlegen, sondern auch begründen müssen. Letzteres ist nicht geschehen. Daß dies dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger infolge höherer Gewalt un möglich war, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Niehues, Büge, Graulich
Fundstellen
NVwZ-RR 2000, 325 |
SGb 2001, 183 |