Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.06.1997; Aktenzeichen 1 K 21/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulasung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob es als Korrektiv zu der seit 1. Januar 1997 geltenden erschwerten Antragsbefugnis in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderlich ist, die Anforderungen an den Inhalt des Rechtsschutzbedürfnisses herabzusetzen, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Der Senat hat zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. ausgeführt, daß der Begriff des für die Antragsbefugnis damals maßgeblichen Nachteils weit auszulegen sei. Dem sei auch bei der Beurteilung der Frage Rechnung zu tragen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Dem weiten Nachteilsbegriff korrespondiere ein entsprechend weites Verständnis des Rechsschutzinteresses. Das Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses dürfe nicht als Umweg benutzt werden, um Normenkontrollanträge, die dem weiten Nachteilsbegriff gerecht würden, gleichwohl regelmäßig an Zulässigkeitshürden scheitern zu lassen. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei ein solcher Normenkontrollantrag deshalb nur dann, wenn die Feststellung der Nichtigkeit nichts dazu beizutragen vermöge, das Rechtsschutzziel zu erreichen (vgl. Beschluß vom 25. Mai 1993 – BVerwG 4 NB 50.92 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 79 = BRS 55 Nr. 25). Der Senat hat damit – wegen des weiten Nachteilsbegriffs und der damit gegebenen weiten Antragsbefugnis – zum Schutz des Antragstellers strenge Anforderungen an die Verneinung des Rechtsschutzinteresses gestellt. Es läge in der Konsequenz dieses Gedankens, wegen der nunmehr seit 1. Januar 1997 auf das Vorliegen einer Rechtsverletzung eingeengten Antragsbefugnis das Rechtsschutzinteresse nicht erst unter derart engen Voraussetzungen zu verneinen. Die Beschwerde geht offenbar umgekehrt davon aus, daß durch die Rechtsänderung in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Voraussetzungen für die Verneinung des Rechtsschutzinteresses – zu ihren Gunsten – erhöht werden müßten. Damit verfehlt die Beschwerde den der bisherigen Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden logischen Zusammenhang und verkennt, daß das dem bisherigen weiten Nachteilsbegriff korrespondierende Verständnis des Rechtsschutzinteresses bereits das für den Antragsteller denkbar günstigste war. Die Formulierung, daß das Rechtsschutzinteresse für einen Normenkontrollantrag nur dann fehlt, wenn die Feststellung der Nichtigkeit der Norm nichts dazu beizutragen vermag, das Rechtsschutzziel des Antragstellers zu erreichen, ist zugunsten des Antragstellers schlechterdings nicht mehr steigerbar.
Sollte also das Verständnis des Rechtsschutzinteresses für einen Normenkontrollantrag durch die Änderung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ebenfalls einer Veränderung bedürfen, so könnte diese kaum zugunsten des Antragstellers ausfallen. Eine abschließende Entscheidung dieser Frage ist hier indes entbehrlich, weil das Normenkontrollgericht seiner Entscheidung ohnehin die für die Antragsteller günstigste Auffassung zugrundegelegt hat. Soweit die Antragsteller darauf abstellen, das Rechtsschutzinteresse sei hier zu bejahen, weil sie – neben der Erschließungsfrage – ein weiteres rechtliches Interesse verfolgten, gehen sie von einem Sachverhalt aus, den das Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat und der deshalb in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht zugrundegelegt werden könnte (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Von einem Pflanzgebot, dessen Beseitigung die Antragsteller in der Beschwerde als weiteres rechtliches Interesse erwähnen, war in dem bisherigen Verfahren nicht die Rede.
Die Frage,
ob im Rahmen der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses bei der Beurteilung der Erreichbarkeit des Rechtsschutzziels darauf abzustellen ist, ob der Satzungsgeber seine Bereitschaft zu erkennen gibt, bei einer Neuplanung die Anliegen des Antragstellers berücksichtigen zu wollen oder ob diese Erklärung dann unberücksichtigt bleiben müsse, wenn sich der Antragsgegner jeglichen Änderungen grundsätzlich verweigert, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision, weil sie durch die bisherige Rechtsprechung bereits geklärt ist. Danach ist jedenfalls dann von einem Rechtsschutzbedürfnis auszugehen, wenn die Gemeinde bei einem Erfolg der Normenkontrolle nach § 1 Abs. 3 BauGB objektiv-rechtlich zur Neubeplanung verpflichtet ist oder ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das die Prognose rechtfertigt, sie werde unabhängig davon, ob sie hierzu rechtlich verpflichtet ist oder nicht, einen neuen Bebauungsplan aufstellen, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Festsetzungen enthält (vgl. etwa Beschluß vom 17. Dezember 1992 – BVerwG 4 N 2.91 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 58 = DVBl 1993, 444 = BRS 54 Nr. 38). Daraus folgt, daß allein die „subjektive” Erklärung der Gemeinde, das Anliegen des Antragstellers auch bei einer Neubeplanung nicht berücksichtigen zu wollen, für die Verneinung des Rechtsschutzinteresses jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn objektiv ein Planungserfordernis im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB vorliegt. Das Normenkontrollgericht hat auch nicht allein auf die Erklärung der Antragsgegnerin abgestellt, sondern zusätzlich berücksichtigt, daß der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig verwirklicht ist, daß auch eine geänderte planerische Festsetzung für die Erschließung gegen den Willen der betroffenen anderen Grundstückseigentümer realistischerweise nicht durchsetzbar wäre und daß schließlich ein rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts von 1992 vorliegt, wonach die Antragsteller keinen Anspruch auf die von ihnen geforderte Änderung der Zuwegung haben.
Die Einschätzung des Normenkontrollgerichts, daß bei dieser Fallgestaltung die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans nichts zur Erreichung des Rechtsschutzziels der Antragsteller beitragen kann, wirft angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Senats keinen weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Hierbei ist es unerheblich, aus welchen Gründen der Bebauungsplan nichtig wäre. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die für die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses erforderlichen Voraussetzungen auch dann gelten, wenn der angegriffene Bebauungsplan aufgrund einer fehlerhaften Baugebietsfestsetzung nichtig wäre, ist daher ohne weiteres zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Hien, Halama
Fundstellen