Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 23.01.1998; Aktenzeichen 8 S 2430/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die allein geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt sind.
1. Das Berufungsgericht schließt die Anwendbarkeit der nach § 173 Abs. 3 BauGB 1960 übergeleiteten früheren Festsetzung einer Baulinie wegen eingetretener Funktionslosigkeit aus. Das hiergegen gerichtete Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts besteht nicht.
Die Ermittlung der Bedeutung der Festsetzungen der Baulinie gehört dem irrevisiblen Recht an. Eine klärungsfähige Frage stellt sich insoweit nicht (vgl. § 137 Abs. 1, 173 VwGO, § 572 ZPO). Das Beschwerdegericht wäre in einem Revisionsverfahren nicht befugt, die Festsetzungen der Baulinie selbständig zu beurteilen. Das gilt auch für die Frage der vom Berufungsgericht angenommenen Funktionslosigkeit dieser Festsetzungen. Ohnedies beurteilt das vorinstanzliche Gericht insoweit lediglich einen Einzelfall. Das nimmt der von der Beschwerde vorgetragenen Frage auch die für eine Revisionszulassung erforderliche Rechtsgrundsätzlichkeit.
Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang bezeichnete Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gehört allerdings dem revisiblen Recht an. Die Beschwerde weist indes nicht auf, welche klärungsbedürftige Frage sich insoweit zur Auslegung der genannten Verfassungsvorschrift ergeben könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Weder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthält eine inhaltliche Aussage darüber, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen eine bauplanungsrechtliche Rechtsvorschrift funktionslos wird. Die Beschwerde weist hierzu eine klärungsbedürftige Frage auch nicht auf. Das Vorbringen, die Auslegung und die Anwendung durch das Berufungsgericht sei mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar, genügt dazu nicht. Ob der vorkonstitutionelle Gesetzgeber befugt war, den Inhalt der seinerzeitigen Baulinie zu ändern, ist ebenfalls keine Frage der Inhaltsbestimmung des “nachkonstitutionellen” Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und gehört damit nicht dem Bereich des revisiblen Rechts an.
2. Die Beschwerde hält es ferner für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 14 GG und mit § 1 Abs. 4 BBauG vereinbar sei, wenn dem klägerischen Grundstück ohne Prüfung und Abwägung des öffentlichen Interesses entgegen § 173 Abs. 3 BBauG die Baulandeigenschaft genommen werde. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision.
Rechtsfragen zu § 173 Abs. 3 BBauG stellen sich von vornherein nicht. Das Berufungsgericht hat die bundesgesetzliche Überleitungsvorschrift zugunsten der Klägerin angewandt. Die Klägerin scheitert mit ihrem beabsichtigten Vorhaben vielmehr aus anderen Gründen. Das Berufungsgericht nimmt wegen veränderter Straßenführung die Funktionslosigkeit der übergeleiteten Festsetzung der Baulinie an. Die mit der Funktionslosigkeit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen sind im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indes nicht klärungsbedürftig, weil in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits geklärt.
Der Fortfall einer bauplanungsrechtlichen Festsetzung durch Funktionslosigkeit ist Rechtens. Das Beschwerdegericht hat sich dazu wiederholt geäußert. Es hat die näheren tatbestandlichen Voraussetzungen einer Funktionslosigkeit umschrieben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5; Urteil vom 17. Juni 1993 – BVerwG 4 C 7.91 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 30 = NVwZ 1994, 281; Beschluß vom 31. August 1989 – BVerwG 4 B 161.88 – NVwZ-RR 1990, 121; Beschluß vom 7. Februar 1997 – BVerwG 4 B 6.97 – NVwZ-RR 1997, 513; = BRS 49 Nr. 16). Auch übergeleitete Pläne können funktionslos werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 – III ZR 41/91 – BGHR BauGB § 10 Funktionslosigkeit 1). Die Rechtsprechung hat eine vorgehende “Abwägung” – wie die Beschwerde sie fordert – nicht verlangt. Eine vorherige Abwägung wäre auch nicht möglich. Die Funktionslosigkeit beruht grundsätzlich auf einer tatsächlichen Entwicklung. Diese steht der Realisierung der ursprünglichen bauplanungsrechtlichen Zielsetzung nunmehr entgegen. Die Frage einer Interessenabwägung stellt sich daher nicht, weil ein eingetretener objektiver Umstand die Verwirklichung der ursprünglichen Planungskonzeption verhindert. Die veränderte tatsächliche Entwicklung würde es übrigens auch rechtfertigen, die bauplanungsrechtliche Rechtsvorschrift ausdrücklich aufzuheben. Die Beschwerde weist nicht auf, welcher über die bisherige Rechtsprechung hinausführende Klärungsbedarf besteht. Ihr Vorbringen greift der Sache nach vielmehr nur die tatrichterliche Würdigung an, daß eine Funktionslosigkeit eingetreten sei. Damit wirft die Beschwerde jedoch lediglich die Frage auf, ob gerade im vorliegenden Fall von einer Funktionslosigkeit auszugehen ist. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich daraus nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Hien
Fundstellen
NVwZ-RR 1998, 711 |
ZfBR 1998, 324 |