Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan, der Eingriffe in Natur und Landschaft erwarten läßt. Genehmigungsfähigkeit des Bebauungsplans. rechtliche Vollzugshindernisse. Artenschutz. Waldrodungsverbot. Befreiung. Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung
Leitsatz (amtlich)
Ein Bebauungsplan ist kraft Bundesrechts nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die für die Verwirklichung von Festsetzungen erforderliche Befreiung von den artenschutzrechtlichen Verboten in § 20 f Abs. 1 BNatSchG oder die für die Rodung von Wald erforderiche Genehmigung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG; hier: in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 HessForstG) im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan noch nicht vorliegen. Ein Bebauungsplan ist jedoch rechtswidrig, soweit seine Verwirklichung an naturschutzrechtlichen oder forstrechtlichen Hindernissen scheitern würde.
Normenkette
BauGB § 11 Abs. 2, § 6 Abs. 2; BNatSchG § 20f Abs. 1, § 31 Abs. 1; BWaldG § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 29.07.1996; Aktenzeichen 4 N 1068/94) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtvorlage der Rechtssache in dem Normenkontrollverfahren, in dem das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 1996 ergangen ist, wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist der von der Antragsgegnerin am 30. Oktober 1989 beschlossene Bebauungsplan Nr. 910.1 „In den Waldwiesen”, dessen nördlicher Teilbereich im wesentlichen aus einer vegetationsbestandenen Freifläche besteht, auf der sich besonders geschützte und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten angesiedelt und inselartige Biotope (offene Binnendüne, Trockenrasen) entwickelt haben, an die sich nordwestlich Wald- und Wiesenflächen anschließen. Der Bebauungsplan weist den gesamten Planbereich als (reines oder allgemeines) Wohngebiet mit einer neuen Erschließungsstraße, mehreren Verbindungswegen und zahlreichen Grünzonen aus. Die entsprechenden Festsetzungen erfassen auch die Lebensräume der zuvor genannten Tier- und Pflanzenarten sowie die Biotop- und Waldflächen.
Das Regierungspräsidium Darmstadt (obere Naturschutzbehörde) erteilte der Antragsgegnerin mit Bescheid vom Juni 1996 zur Errichtung von Erschließungsanlagen im Plangebiet die naturschutzrechtliche Befreiung von den Vorschriften zum Schutz besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten und der vorgenannten Biotope. Eine von der Antragsgegnerin (im Dezember 1993) beantragte forstrechtliche Genehmigung zur Waldumwandlung ist bis zum Abschluß des Normenkontrollverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht erteilt worden. Der Antragsteller hat seinen Normenkontrollantrag im wesentlichen darauf gestützt, daß die geplante Bebauung nachteilige bioklimatische Auswirkungen auf sein Wohngrundstück haben würde, das außerhalb des Plangebiets nahe der östlichen Plangrenze liegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Beschluß vom 29. Juli 1996 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Waldrodungs- und Waldumwandlungsgenehmigung sowie die naturschutzrechtliche Befreiung von den Verboten des Biotop- und Artenschutzes seien keine gegenüber dem Satzungsbeschluß über den Bebauungsplan vorgreiflichen Verwaltungsakte, deren Nichtvorliegen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses den Bebauungsplan nichtig mache. Auf die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans durchschlagende Abwägungsfehler seien nicht ersichtlich. Angesichts des gewichtigen öffentlichen Interesses, die Wohnversorgung der Bevölkerung durch die planerische Bereitstellung von Grundstücken für den Wohnungsbau zu fördern, erscheine es nicht unangemessen, die klimatologischen Bedenken und Belange zurückzustellen und dem Wohnungsbau, verknüpft mit nicht unerheblichen Grünfestsetzungen und Pflanzgeboten, den Vorrang einzuräumen. Dasselbe gelte für die in der Abwägung zurückgesetzten Belange von Natur und Landschaft in bezug auf die seltenen und besonders geschützten Tier- und Pflanzenarten (wie Grasnelke und Moorbläuling) und die geschützten Biotope.
Hiergegen richtet sich die Nichtvorlagebeschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II.
Die noch nach § 47 Abs. 7 VwGO a.F. statthafte Beschwerde (vgl. Art. 10 Abs. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996, BGBl I S. 1626) bleibt ohne Erfolg.
1. Die von der Beschwerde erhobenen Divergenz- und Grundsatzrügen zielen zunächst auf das Verhältnis des angegriffenen Bebauungsplans zur naturschutzrechtlichen Befreiung von den Verboten des Arten- und Biotopschutzes.
1.1. Die Divergenzrügen greifen nicht durch.
Eine Divergenz im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO a.F. liegt nur vor, wenn das Normenkontrollgericht – unabhängig von der tatsächlichen Würdigung des Einzelfalles – in einer entscheidungserheblichen abstrakten Rechtsfrage bei Anwendung derselben revisiblen Rechtsvorschrift eine der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder anderer in § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO a.F. genannter Gerichte widersprechende Rechtsauffassung vertreten hat (vgl. BVerwGE, Beschluß vom 31. März 1988 – BVerwG 7 B 46.88 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 260 zu dem vergleichbaren § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dazu muß die Beschwerde jeweils einen abstrakten Rechtssatz der miteinander in Widerspruch stehenden Entscheidungen herausarbeiten. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde entnimmt dem Normenkontrollurteil den Rechtssatz, daß ein Bebauungsplan mit Festsetzungen, die den naturschutzrechtlichen Vorschriften über den Arten- und Biotopschutz (§ 20 f Abs. 1 BNatSchG, § 20 c BNatSchG i.V.m. § 23 Hessisches Naturschutzgesetz i.d.F. vom 16. April 1996, GVBl I S. 145) widersprechen, gemäß § 11 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sei, ohne daß im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan eine Befreiung von den Verboten des Arten- und Biotopschutzes erteilt sein müsse. Der Antragsteller sieht hierin eine Abweichung von dem Beschluß des erkennenden Senats vom 28. November 1988 – BVerwG 4 B 212.88 – (Buchholz 406.11 § 6 BBauG/BauGB Nr. 5 = NuR 1989, 225) mit dem Leitsatz, ein Bebauungsplan, dessen Festsetzungen den Regelungen einer Landschaftsschutzverordnung widersprechen, verstoße gegen bindendes Recht und sei deswegen nicht genehmigungsfähig (vgl. NuR 1989, 225). Hiervon weicht der angeführte Rechtssatz des Normenkontrollurteils nicht ab; denn er betrifft nicht das Verhältnis zwischen den Festsetzungen eines Bebauungsplans und einer Landschaftsschutzverordnung. Entgegen der Beschwerde weicht der angeführte Rechtssatz des Normenkontrollurteils auch der Sache nach nicht von dem vorgenannten Senatsbeschluß vom 28. November 1988 ab. Dieser Beschluß enthält zwar den – in der Beschwerdebegründung auch zitierten – Rechtssatz, es widerspreche nicht Bundesrecht, einem Bebauungsplan die erforderliche Genehmigung dann zu versagen, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens seiner Verwirklichung dauernde Hindernisse rechtlicher Art entgegenstünden. Diesen Rechtssatz stellt das Normenkontrollgericht jedoch nicht in Frage; denn es beschränkt sich auf die Aussage, ein Bebauungsplan sei nicht schon deshalb nichtig, weil die für seinen Vollzug erforderlichen Befreiungen von den Verboten des Biotop- und Artenschutzes im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Plan (noch) nicht erteilt seien.
Mit ihrer Rüge, das Normenkontrollurteil weiche von den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Februar 1990 – Bf II 212/86 N – (NuR 1991, 239), den Urteilen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 1988 (3 UE 1870/84) und vom 25. Juli 1990 (3 UE 100/86) sowie von den Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. März 1989 (4 TH 2205/87) und vom 3. Juni 1986 (4 OE 69/83, NuR 1986, 344) ab, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 47 Abs. 7 Satz 3 VwGO a.F. Die vorgenannten Urteile befassen sich mit der Genehmigungsfähigkeit (Nichtigkeit) eines Bebauungsplans, dessen Festsetzungen im Widerspruch zu einer Landschaftsschutzverordnung stehen. Die genannten Beschlüsse betreffen die Vorgreiflichkeit einer landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung im Baugenehmigungsverfahren. In der Beschwerdebegründung wird nicht dargelegt, daß das Normenkontrollurteil Rechtssätze enthält, die von den vorbezeichneten Entscheidungen abweichen. Der Sache nach greift die Beschwerde mit dieser Divergenzrüge die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts zum Ergebnis der Prüfung des Bebauungsplans „In den Waldwiesen” im Anzeigeverfahren an. Mit der Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung ist eine Abweichung im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO a.F. jedoch nicht dargetan. Das gilt auch, soweit die Beschwerde zur Begründung der Divergenzrüge das Senatsurteil vom 27. September 1990 – BVerwG 4 C 44.87 – (BVerwGE 85, 348) heranzieht.
1.2. Die Beschwerde bezeichnet ferner sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage: Ist ein Bebauungsplan gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig, wenn der Inhalt des Bebauungsplans den Verboten des § 20 f Abs. 1 BNatSchG widerspricht und eine artenschutzrechtliche Befreiung nach § 20 f Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 BNatSchG im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan nicht vorlag? Diese Frage ist in einem Vorlageverfahren nicht klärungsbedürftig. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. hat eine Rechtssache (nur) dann, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im Vorlageverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten läßt. So liegt es hier.
Nach dem Beschwerdevorbringen ist die aufgeworfene Frage zunächst dahin zu präzisieren, ob ein Bebauungsplan mit Festsetzungen, deren Verwirklichung den artenschutzrechtlichen Verboten in § 20 f Abs. 1 BNatSchG widersprechen würde, genehmigungsfähig ist, wenn eine Befreiung von diesen Verboten im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (noch) nicht vorgelegen hat. Diese Frage ist zu bejahen. Dabei ist von der Einsicht auszugehen, daß die Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten in § 20 f Abs. 1 BNatSchG, die gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar gelten, Zugriffs- und Beeinträchtigungsverbote enthalten, die bestimmte Tathandlungen untersagen. Nicht der Bebauungsplan oder einzelne seiner Festsetzungen, sondern erst deren Verwirklichung stellt somit den untersagten Eingriff dar. Nach § 31 Abs. 1 BNatSchG befreiungsbedürftig ist deshalb das Bauvorhaben, dessen Realisierung mit den artenschutzrechtlichen Vorschriften kollidiert, nicht der Bebauungsplan, auf dessen Grundlage das Vorhaben verwirklicht werden soll. Die Verbote des § 20 f Abs. 1 BNatSchG unterwerfen die planerischen Festsetzungen, deren Vollzug dem in dieser Vorschrift normierten Artenschutz widersprechen würde, keinem naturschutzrechtlichen Befreiungsvorbehalt. Adressat der Befreiungsvorschrift in § 31 BNatSchG ist nicht der Plangeber, sondern derjenige, der den Plan in die Tat umsetzen will.
Ein Befreiungsvorbehalt zu Lasten des Plangebers würde der Sache nach auch dann konstruiert, wenn man verlangte, daß eine für die Verwirklichung eines Bauvorhabens erforderliche artenschutzrechtliche Befreiung nach § 31 Abs. 1 BNatSchG bereits im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan vorliegen müsse. Eine derartige zeitliche Vorverlagerung der Befreiungsentscheidung, die im Vorgriff auf einen noch nicht in Kraft getretenen Bebauungsplan ergehen müßte, verlangen die artenschutzrechtlichen Verbote in § 20 f Abs. 1 BNatSchG nicht. Dem Schutzzweck dieser Verbote kann und muß auf einem anderen rechtlichen, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits angelegten Weg Rechnung getragen werden. Der beschließende Senat hat bereits entschieden, daß ein Bebauungsplan, der aus Rechtsgründen der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die mit seinem Erlaß gesetzte Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag und deshalb gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB enthaltene Verbot der Erforderlichkeit der Planung verstößt. Ferner erweist sich in einem solchen Fall die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB nochmals konkretisierte Aufgabe der Bauleitplanung als undurchführbar (Beschluß vom 24. Oktober 1990 – BVerwG 4 NB 29.90 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 23 S. 27). Auch rechtsstaatliche Grundsätze sind berührt; denn Recht, dessen Vollzugsunfähigkeit im Zeitpunkt seines Erlasses feststeht, ist sinnlos. Die Rechtsfolge dieses Verstoßes ist die Nichtigkeit.
Hieraus folgt, daß ein Bebauungsplan nicht genehmigungsfähig (§ 11 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB) ist, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt seines Inkrafttretens dauerhafte Hindernisse auch rechtlicher Art entgegenstehen würden (vgl. auch Beschluß vom 24. Oktober 1990 a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Es ist nicht zweifelhaft, daß ein derartiges rechtliches Hindernis auch in den Zugriffs- und Beeinträchtigungsverboten des § 20 f Abs. 1 BNatSchG liegen kann. Für die Beurteilung der Vollzugsfähigkeit eines Bebauungsplans kommt es somit darauf an, ob die Verwirklichung der in ihm vorgesehenen Festsetzungen durch Erteilung einer artenschutzrechtlichen Befreiung nach § 31 Abs. 1 BNatSchG ermöglicht werden kann. Nicht die Befreiung als solche, wohl aber das Vorliegen einer Befreiungslage ist daher Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Plans. Insoweit sichert das Erfordernis der Vollzugsfähigkeit des Plans die Beachtung naturschutzrechtlicher Handlungsverbote bereits im Verfahren der Planaufstellung. Liegt eine Befreiungslage vor, ist es dem Plangeber nicht aus Gründen des Artenschutzes verwehrt, in diese „hineinzuplanen”. Ein Bebauungsplan, dessen Festsetzungen nicht auf eine artenschutzrechtliche Befreiungslage im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG treffen würden, kann somit (insgesamt oder teilweise) nicht genehmigt werden (oder sich später als nichtig erweisen), weil er seine Aufgabe, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorzubereiten und planerisch zu leiten (vgl. § 1 Abs. 1 BauGB) nicht zu erfüllen vermag. Dem Plangeber obliegt es deshalb, im Verfahren der Planaufstellung vorausschauend zu ermitteln und zu beurteilen, ob die vorgesehenen Festsetzungen auf überwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse treffen würden, und von Festsetzungen, denen ein dauerhaft rechtliches Hindernis in Gestalt artenschutzrechtlicher Verbote entgegenstünde, Abstand zu nehmen.
1.3. Die Beschwerde wirft weiterhin sinngemäß die Rechtsfrage auf, ob ein Bebauungsplan gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig ist, „wenn sein Inhalt gegen § 20 c BNatSchG in Ausbildung der landesrechtlichen gesetzlichen Biotopvorschriften (hier: § 23 Abs. 4 HENatG) i.V.m. § 31 Abs. 1 BNatSchG verstößt und eine erforderliche Befreiung oder sonstige Genehmigung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan nicht vorliegt”. Diese Frage ist in einem Vorlageverfahren nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Der zum Schutz bestimmter Biotope erlassene § 20 c BNatSchG enthält Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung (§ 4 Satz 1 BNatSchG). Diese Rahmenregelung wird durch § 23 HENatG ausgefüllt. § 23 Abs. 1 Nr. 2 HENatG stellt u.a. offene Binnendünen und Trockenrasen unter den besonderen Schutz des Gesetzes. Diese Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des hessischen Naturschutzrechtes vom 19. Dezember 1994 (GVBl I S. 775) in das hessische Naturschutzgesetz eingefügt und ist am 28. Dezember 1994 in Kraft getreten (vgl. Art. 8 des Änderungsgesetzes). Im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan „In den Waldwiesen” war § 20 c BNatSchG noch nicht in das hessische Landesrecht umgesetzt worden. Das in § 23 Abs. 3 Satz 1 HENatG enthaltene Verbot von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der geschützten Biotope führen können, konnte deshalb im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den hier angegriffenen Plan noch keine Beachtung finden.
2. Die Beschwerde erhebt ferner eine Divergenz- und eine Grundsatzrüge, die auf die Rechtsansicht des Normenkontrollgerichts zielen, der hier umstrittene Bebauungsplan sei rechtmäßig, obwohl die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Forstgesetzes in der Fassung vom 4. Juli 1978 (GVBl I S. 424) erforderliche Genehmigung zur Rodung und Umwandlung der im nordwestlichen Planbereich gelegenen Waldflächen im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Plan nicht erteilt gewesen sei. Beide Rügen greifen nicht durch.
2.1. Der Antragsteller rügt zunächst eine Abweichung von dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Dezember 1993 – 3 S 2356/91 – (NuR 1994, 354), in dem der Rechtssatz aufgestellt werde, daß ein Bebauungsplan, der für eine Waldfläche eine andere Nutzung vorsehe, ohne daß dafür eine nach § 11 Abs. 2 des baden-württembergischen Landeswaldgesetzes erforderliche Waldumwandlungserklärung vorgelegen habe, wegen Verstoßes gegen zwingende Rechtsvorschriften nichtig sei. Einen hiervon abweichenden Rechtssatz des Normenkontrollurteils legt die Beschwerde jedoch nicht dar. Der Sache nach kritisiert sie lediglich die Ansicht des Normenkontrollgerichts, die genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei nicht einschlägig, weil sie auf der Auslegung und Anwendung von Landesrecht beruhe, das in Hessen nicht gelte. Die Divergenzrüge greift diese Auffassung mit Rechtsausführungen an, die die Auslegung von irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts betreffen und schon deshalb keine Divergenz im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO a.F. begründen können. Abgesehen davon ist mit dem Vorwurf der fehlerhaften Rechtsanwendung eine Divergenz nicht dargetan.
2.2. Die Beschwerde wirft ferner sinngemäß die Rechtsfrage auf, ob ein Bebauungsplan nach § 11 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sei, wenn im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die nach § 11 HessForstG erforderliche Waldrodungs- und Umwandlungsgenehmigung nicht vorliege. Diese Rechtsfrage hat ebenfalls nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimißt.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 HessForstG, nach dem Wald nur mit Genehmigung der oberen Forstbehörde gerodet und in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden darf, gehört dem irrevisiblen Landesrecht an, über dessen Auslegung in einem Vorlageverfahren nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO a.F. nicht zu entscheiden wäre. Die Vorschrift dient zwar der Umsetzung der Rahmenregelung in § 9 BWaldG, die dem Landesrecht einen zur Ausfüllung bestimmten Rahmen vorgibt. Ob sich das Verständnis des § 11 Abs. 1 Satz 1 HessForstG, das dem Normenkontrollurteil zugrunde liegt, innerhalb der Grenzen hält, die durch das Rahmenrecht gezogen werden, beurteilt sich nach Inhalt und Reichweite der bundesrechtlichen Regelung, deren Bestimmung dem Senat obliegt. Die Beschwerde wirft jedoch keine klärungsbedürftigen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu Inhalt und Reichweite des § 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG auf, der das Roden von Wald und dessen Umwandlung in eine andere Nutzungsart der (landesrechtlich umzusetzenden) Genehmigungspflicht unterwirft.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG statuiert insbesondere kein Genehmigungserfordernis für die Festsetzungen eines Bebauungsplans, deren Verwirklichung die Rodung und Umwandlung einer Waldfläche voraussetzen würde. Die Vorschrift stellt die Waldumwandlung als solche unter einen Genehmigungsvorbehalt. Die planerische Festsetzung einer anderen Nutzungsart für eine Waldfläche bildet nur eine Vorstufe der vorgesehenen Waldumwandlung; sie ist nicht mit dieser gleichzusetzen. Der Schutzzweck der Walderhaltung (vgl. § 1 BWaldG) gebietet auch nicht, § 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG dahin auszulegen, daß eine für den Vollzug eines Bebauungsplans erforderliche Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung bereits im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorliegen müsse. Wie oben (unter II. 1.2) ausgeführt, kann sich ein Bebauungsplan allerdings ganz oder teilweise als rechtswidrig erweisen, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt seines Inkrafttretens dauernde Hindernisse rechtlicher Art entgegenstehen. Ein Vollzugshindernis dieser Art kann auch darin liegen, daß die in § 9 BWaldG rahmenrechtlich vorgegebenen Voraussetzungen für die forstrechtliche Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung bei Inkrafttreten des Bebauungsplans dauerhaft nicht erfüllt sind. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Wald für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die forstwirtschaftliche Erzeugung oder die Erholung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung ist. Es ist Aufgabe des Plangebers, die von ihm vorgesehenen, auf die Umwandlung von Waldflächen abzielenden Festsetzungen einer entsprechenden vorausschauenden Beurteilung zu unterziehen. Ergänzend wird hierzu auf die vorstehenden Ausführungen (vgl. II 1.2) zur artenschutzrechtlichen Befreiung nach § 31 Abs. 1 BNatSchG verwiesen.
3. Die Beschwerde kritisiert weiterhin, der Verwaltungsgerichtshof habe sich in den Gründen seines Urteils nicht mit dem Einwand des Antragstellers auseinandergesetzt, die Antragsgegnerin habe die nach dem Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB erforderliche Bestandsaufnahme hinsichtlich der Tier- und Pflanzenwelt im Plangebiet erst nach der Beschlußfassung über den Bebauungsplan vorgenommen. Sie verbindet dieses Vorbringen mit einer Divergenz- und einer Grundsatzrüge, die beide erfolglos bleiben.
Die Divergenzrüge ist unzulässig, da sie nicht der gesetzlichen Darlegungspflicht genügt. Die Beschwerde arbeitet keinen abstrakten Rechtssatz des Normenkontrollurteils heraus, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz in dem bezeichneten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Januar 1991 (4 UE 681, 87) stehen könnte. Geltend gemacht wird nur, daß das Normenkontrollgericht die gebotene Zusammenstellung des Abwägungsmaterials durch die Antragsgegnerin nicht zutreffend gewürdigt habe. Damit beschränkt sich die Beschwerde auf die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung, mit der eine Divergenz im Sinne von § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO a.F. jedoch nicht dargelegt ist.
Die von der Beschwerde formulierte Rechtsfrage, ob ein Bebauungsplan gegen das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB verstößt, wenn eine Bestandsaufnahme hinsichtlich der besonders geschützten Tier- und Pflanzenarten im Plangebiet bis zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht stattgefunden habe, ist in einem Vorlageverfahren nicht entscheidungserheblich; denn die Fragestellung setzt einen Sachverhalt voraus, den das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Im übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß das Abwägungsgebot verletzt wird, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 – BVerwG 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301; stRspr). Der Sache nach greift die Beschwerde mit ihrer auf die besonderen Umstände des vorliegendes Falles zugeschnittenen Rechtsfrage die Ansicht des Normenkontrollgerichts an, die Antragsgegnerin habe das Abwägungsgebot nicht verletzt. Mit solchen Angriffen gegen die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht dargetan.
4. Mit der Beschwerde wird schließlich vorgetragen, der Bebauungsplan „In den Waldwiesen” sei rechtswidrig, weil die Abwägung hinsichtlich der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes fehlerhaft sei. Der Antragsteller unterstellt dem Normenkontrollgericht die Rechtsauffassung, mit dem Bebauungsplan „Waldwiesengebiet” aus dem Jahre 1963, der durch den Bebauungsplan „In den Waldwiesen” ersetzt werden solle, sei bereits eine Vorentscheidung zugunsten einer Bebauung des Plangebiets gefallen; deshalb habe die Antragsgegnerin die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe in der Abwägung „nicht mehr ausführlich und umfassend berücksichtigen” müssen. Die Beschwerde sieht darin zunächst eine Verletzung der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 5. Juli 1974 – BVerwG 4 C 50.72 – (BVerwGE 45, 309) aufgestellten Grundsätze zu einer fehlerhaften Vorabbindung und sachlichen Verkürzung des Abwägungsvorgangs. Die dazu formulierte Divergenzrüge ist unzulässig. Sie erfüllt schon nicht die Anforderungen an die Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze. In der Sache beruht der erhobene Vorwurf auf einer offensichtlichen Fehldeutung des Normenkontrollurteils.
Die in diesem Zusammenhang formulierte Rechtsfrage, ob ein Bebauungsplan gegen § 1 Abs. 6 BauGB verstoße, „wenn er einerseits die Bedeutung der Tier- und Pflanzenwelt in seinem Bebauungsplangebiet anerkennt, dies aber nicht in die Abwägung mit der Begründung einstellt, es sei bereits entschieden, daß er bauen dürfe”, ist der rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Vorlageverfahren nicht zugänglich. Diese Grundsatzrüge bezeichnet wiederum eine aus der Sicht des Antragstellers entscheidungserhebliche, auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles zugeschnittene Rechtsfrage, die sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise klären ließe. In der Sache greift auch diese Grundsatzrüge die Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht an. Dabei übersieht die Beschwerde, daß das Normenkontrollurteil von der Erwägung getragen wird, die Antragsgegnerin habe die Belange von Natur und Landschaft ebenso wie die klimatologischen Belange ohne Abwägungsfehler hinter das gewichtige öffentliche Interesse an der Bereitstellung von Wohngrundstücken zurückgesetzt.
5. Die wegen offenbarer Unrichtigkeit des Urteilstenors erhobenen Rügen sind gegenstandslos, da das Normenkontrollgericht den Urteilstenor durch Beschluß vom 19. März 1997 gemäß § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Halama, Rojahn
Fundstellen
AgrarR 1999, 90 |
DÖV 1998, 71 |
NuR 1998, 135 |
BRS 1997, 107 |
BRS 1998, 107 |
UPR 1998, 69 |