Verfahrensgang
VG Berlin (Aktenzeichen 31 A 4.01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. März 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 484 880 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht, ist sie unbegründet.
1. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde bezeichnet sinngemäß die Fragen als grundsätzlich bedeutsam, ob von einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG auch dann ausgegangen werden kann, wenn im Falle einer ausreisebedingten Veräußerung eines Grundstücks der Veräußerer sich durch die Ausreise „von der Durchführung des gegen ihn gerichteten, im Übrigen nicht zu beanstandenden Strafverfahrens freikaufen wollte”, und ob auch in diesen Fällen der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit Ausreisefällen entwickelte Anscheinsbeweis gilt.
Diese Fragen können anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bejaht werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urteile vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 59.94 – BVerwGE 100, 310 ≪313 f.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 68 S. 191 ≪193 f.≫, vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 16.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 131 S. 401 ≪402 f.≫ und vom 29. September 1999 – BVerwG 8 C 8.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 4 S. 13 ≪14 f.≫ sowie Beschlüsse vom 6. Juni 2000 – BVerwG 8 B 98.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 14 und vom 26. Juni 2000 – BVerwG 7 B 26.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 15) ist eine unlautere Machenschaft in Gestalt einer Nötigung und gleichzeitig eines Machtmissbrauchs in den Fällen des ausreisebedingten Verlustes von Grundstücken und Gebäuden dann gegeben, wenn staatliche Stellen die Erteilung der Genehmigung zur ständigen Ausreise von der vorherigen Aufgabe des Grundeigentums durch Verkauf, Schenkung oder Verzicht abhängig gemacht haben. Bei der ausreisebedingten Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden streitet im Regelfall eine Vermutung dafür, dass diese auf eine staatliche Nötigung und damit auf Machtmissbrauch zurückzuführen ist. Die Vermutung erstreckt sich darauf, dass erstens die staatlichen Organe in dieser Weise Druck ausgeübt haben und dass zweitens dieses Vorgehen ursächlich für den durch Veräußerung oder Verzicht hergeführten Vermögensverlust war.
Nach dieser Rechtsprechung, von der das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgegangen ist, ist das Motiv für den Ausreiseentschluss – sei er politischer, familiärer, gesundheitlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art – rechtlich unerheblich. Der Annahme einer unlauteren Machenschaft und der Anwendung des Anscheinsbeweises steht daher auch nicht entgegen, wenn der Ausreisewunsch dazu dienen soll, die Voraussetzungen für die Einstellung eines bereits eingeleiteten Strafverfahrens zu schaffen. In diesem Zusammenhang kann entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufforderung zur Veräußerung von Grundbesitz mit der Rechtsordnung der DDR vereinbar war. Sofern besondere Umstände des Einzelfalles zu einem anderen Ergebnis führen sollten, könnte gegebenenfalls der Anscheinsbeweis erschüttert sein. Klärungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich aber insoweit nicht.
2. Die weiter erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) entspricht schon nicht den Darlegungsanforderungen. Diese setzen nämlich voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr läuft die Beschwerdebegründung auf die Behauptung hinaus, dass das Verwaltungsgericht die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze nicht oder fehlerhaft angewandt habe. Mit einer derartigen Begründung kann aber die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden. Dafür ist es nämlich unerheblich, ob die Vorinstanz im konkreten Einzelfall eine den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchweg entsprechende Entscheidung getroffen hat (Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – a.a.O. m.w.N.).
3. Soweit die Beschwerde schließlich meint, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO), verkennt sie, dass eine derartige Rüge nur dann Erfolg haben kann, wenn die zu ermittelnden Tatsachen auf der Grundlage der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich waren. Daran fehlt es hier schon. Wie bereits oben dargelegt, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob für die Ausreise ausschließlich der Wunsch maßgeblich war, der erwartenden Bestrafung zu entgehen. Ebenso unerheblich ist, wie das gegen den früheren Beigeladenen eingeleitete Strafverfahren wegen eines Zoll- und Devisenvergehens ausgegangen wäre, sofern die Anklage nicht im Zusammenhang mit der Ausreise zurückgenommen worden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Golze, Postier
Fundstellen