Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücktritt des Personalrats, Unerheblichkeit der Motive für die Wirksamkeit des Beschlusses über –. keine gerichtliche Überprüfung des Beschlusses über – auf Ermessensfehler
Leitsatz (amtlich)
Tritt der Personalrat zurück, so sind die Motive, welche die Mehrheit zum Rücktritt bewogen haben, für die Wirksamkeit des Beschlusses ohne Bedeutung. Eine gerichtliche Überprüfung des Beschlusses auf Ermessensfehler findet nicht statt.
Normenkette
BlnPersVG § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 11. Dezember 1990 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die für den Rücktrittsbeschluß eines Personalrats maßgeblichen Gründe der gerichtlichen Prüfung unterliegen.
Die Antragsteller waren aufgrund der Wahl vom Dezember 1989 Mitglieder des Personalrats bei der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport, des Beteiligten zu 1). An dieser Wahl hatten die 800 Auszubildenden bei dem Berufsamt Berlin, das der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport zugeordnet ist, nicht teilnehmen können. Nachdem aufgrund zweier Gesetzesänderungen vom 23. Oktober 1989 (GVBl. S. 1845) und 2. April 1990 (GVBl. S. 721) eine Rechtsgrundlage für eine Beteiligung der Auszubildenden an den Wahlen für den bei der Senatsverwaltung gebildeten Personalrat geschaffen worden war, beschloß der Beteiligte zu 1) am 25. April 1990 mit 6: 5 Stimmen seinen Rücktritt. Damit sollte der Weg zu einer Neuwahl eröffnet werden.
Die Neuwahl hat im Juli 1990 stattgefunden und ist von den Antragstellern angefochten worden. Über diesen erstinstanzlich erfolglosen Antrag ist noch nicht rechtskräftig entschieden.
Im vorliegenden Beschlußverfahren greifen die Antragsteller den Rücktrittsbeschluß des Beteiligten zu 1) an. Sie haben die Auffassung vertreten, die beiden Änderungsgesetze vom 23. Oktober 1989 und 2. April 1990 verstießen gegen zwingendes Bundesrecht und seien daher nichtig. Demgemäß sei auch der von der Gültigkeit dieser Änderungsgesetze ausgehende Rücktrittsbeschluß nichtig oder doch jedenfalls rechtswidrig.
Das Verwaltungsgericht hat den Rücktrittsbeschluß antragsgemäß aufgehoben. Es hat ausgeführt, die beanstandeten Gesetzesänderungen seien nichtig. Sie verstießen gegen Bundesrecht, weil sie den personellen Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes für das Land Berlin über denjenigen hinaus ausweiteten, der für das Bundespersonalvertretungsgesetz und seine rahmenrechtlichen Bestimmungen maßgeblich sei. Ein Rücktrittsbeschluß, dessen Zweck es sei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß diese Gesetzesänderung alsbald verwirklicht werden könne, sei ermessensfehlerhaft.
Hiergegen haben beide Beteiligte mit Erfolg Beschwerde erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag abgelehnt. Es hat seine Entscheidung damit begründet, der Rücktrittsbeschluß könne selbst dann nicht beanstandet werden, wenn die ihm als Motiv zugrundeliegenden Gesetzesänderungen aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen nichtig seien. Die für einen Rücktrittsbeschluß inhaltlich maßgeblich gewesenen Gründe seien in einem gerichtlichen Verfahren nicht zu überprüfen. Gründe, die (sonst) zur Nichtigkeit des Rücktrittsbeschlusses führen könnten, seien hier nicht erkennbar.
Die Antragsteller haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde erhoben und beantragen,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 11. Dezember 1990 aufzuheben und die Beschwerden der Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bln) – vom 27. Juni 1990 zurückzuweisen.
Sie rügen sinngemäß eine Verletzung des § 24 BlnPersVG. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, daß die Ermessensentscheidung eines Rücktrittsbeschlusses, der auf einer nichtigen Gesetzesvorschrift beruhe, einer richterlichen Nachprüfung zugänglich sei. Darüber hinaus habe es die Unvereinbarkeit der für Berlin neugeschaffenen Gesetzeslage mit den rahmenrechtlichen Regelungen in § 95 Abs. 1, 1. Halbsatz in Verbindung mit § 98 Abs. 2 BPersVG übersehen.
Die Beteiligten verteidigen den angefochtenen Beschluß und beantragen, die Rechtsbeschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Motive, die dem Rücktrittsbeschluß des Beteiligten zu 1) vom 25. April 1990 zugrunde gelegen haben, inhaltlich auf Ermessensfehler zu überprüfen. Zutreffend hat es auch die Nichtigkeit dieses Beschlusses verneint.
Rechtsgrundlage für die Beurteilung der strittigen Rechtsfrage ist § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BlnPersVG. Danach wird für einen Rücktritt des Personalrats als besonderer Grund für eine Neuwahl lediglich vorausgesetzt, daß der Personalrat ihn mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschlossen hat. Eine Bindung an bestimmte Gründe sieht das Gesetz nicht vor. Es regelt nur die verfahrensmäßigen Voraussetzungen des vom Gesetzgeber als selbstverständlich und uneinschränkbar vorausgesetzten Rücktrittsrechts. Eine Begründung des Beschlusses wird dabei nicht verlangt. Danach muß davon ausgegangen werden, daß die Motive, welche die Mehrheit zum Rücktritt bewogen haben, für die Wirksamkeit des Beschlusses ohne Bedeutung sind (vgl. Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 27 Rdnr. 14; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 33; Fischer/Goeres in Fürst, GKÖD V, K § 27 BPersVG Rz. 29; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 27 Rdnr. 29; Germelmann, PersVG Bln, § 24 Rdnr. 26; mit unklaren Ermessenseinschränkungen: BayVGH, Beschluß vom 31. Juli 1985 – Nr. 17 C 85 A. 1173 – ZBR 1986, 89; VG Ansbach, Beschluß vom 12. Juli 1976 – Nr. AN 319 PV 76 – PersV 1977, 228; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 27 Rdnr. 20). Dementsprechend ist kein Raum für eine Überprüfung auf Ermessensfehler (vgl. für das Betriebsverfassungsrecht auch: BAG, Beschluß vom 3. April 1979 – 6 ABR 64/76 – AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG 1972). Die Frage, ob die erkennbar gewordenen Motive billigenswert sind, hat allein der Wähler und nicht das Gericht zu beantworten (vgl. auch schon Beschluß vom 26. September 1969 – BVerwG 7 P 13.68 – Buchholz 238.3 § 10 PersVG Nr. 6). Ihm ist es überlassen, durch sein Votum sicherzustellen, daß die von ihm gewählte Vertretung von ihrem Rücktrittsrecht keinen exzessiven, für die Vertretenen unzuträglichen Gebrauch macht.
Für diese Auslegung sprechen vor allem Gründe der Rechtsklarheit. Die Fragen, ob ein besonderer Grund für Neuwahlen besteht oder aber der bisherige Personalrat etwa in veränderter Form die Geschäfte weiterzuführen hat, dulden – insbesondere auch mit Blick auf die Beteiligungsrechte – keine Ungewißheiten. Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend hervorgehoben. Mit Recht hat es im Anschluß an den schon genannten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 1969 – BVerwG 7 P 13.68 – auch auf Praktikabilitätsbedenken hingewiesen. Diese folgen nicht nur daraus, daß der Rücktrittsbeschluß nicht begründet werden muß, was eine Überprüfung bereits erheblich erschwert. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten noch schwerer wiegt, daß eine solche Überprüfung sinnvolle Ergebnisse schon allein deshalb nicht hervorbringen wird, weil kein Personalratsmitglied gezwungen werden kann, gegen seinen Willen im Amt zu bleiben. Damit aber besteht für die rücktrittswillige Mehrheit in aller Regel die Möglichkeit, Neuwahlen auf andere Weise herbeizuführen: Die Personalratsmitglieder und gegebenenfalls die mit ihnen – z.B. über eine Liste – verbundenen Ersatzmitglieder können ihr Amt niederlegen (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 BlnPersVG) und auf diese Weise bewirken, daß die Gesamtzahl der Mitglieder des Personalrats um mehr als ein Viertel der vorgeschriebenen Zahl sinkt. Ist dies der Fall, so schreibt § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BlnPersVG – ebenso wie bei einem Rücktritt des Personalrats – eine Neuwahl aus besonderen Gründen vor.
Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, daß hier Nichtigkeitsgründe für den Rücktrittsbeschluß nicht in Betracht kommen. Der Rücktrittsbeschluß ist unbedingt und unmißverständlich gefaßt worden. Als nur vorbereitender Akt mit dem Ziel der Umsetzung der neuen formellen Gesetzeslage wäre er selbst dann nicht unwirksam gewesen, wenn das Landesgesetz wegen eines etwaigen Verstoßes gegen Bundesrecht nichtig wäre. Denn auch bei dieser Zielsetzung lassen sich die vermeintlich bundesrechtswidrigen Gesetzesbestimmungen nicht als Rechtsgrundlage des Rücktrittsbeschlusses qualifizieren, deren rechtliches Schicksal der Beschluß gegebenenfalls teilen müßte. Auch sonst ist weder ein Gesetzesverstoß noch ein Willensmangel erkennbar. Unter diesen Umständen durfte es das Beschwerdegericht offenlassen, ob derartige Nichtigkeitsgründe – soweit sie überhaupt denkbar sind – den Bestand eines Rücktrittsbeschlusses in Frage stellen können.
Soweit die Rechtsbeschwerde schließlich meint, der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts habe zu Unrecht die Wirksamkeit des Landesrechts positiv festgestellt und beruhe auch darauf, kann dies zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem in Rede stehenden Gültigkeitsproblem nicht führen. Die diesbezüglichen Rügen verkennen den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Der angegriffene Beschluß enthält solche Ausführungen nicht. Vielmehr stellt er klar, daß der „Rücktrittsbeschluß des Beteiligten zu 1) rechtlich auch dann nicht beanstandet werden kann, wenn die ihn motivierenden Änderungen des Personalvertretungsgesetzes vom 23. Oktober 1989 und 2. April 1990 aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen nichtig sein sollten”.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Nettesheim, Seibert, Albers, Vogelgesang
Fundstellen