Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Festsetzungen über Einzelhandelsbetriebe. Branchendifferenzierung. Typenlehre
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Festsetzung eines Bebauungsplans, die in einem Gewerbegebiet die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben bestimmter Branchen (hier: Haushaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren, Sportartikel mit Ausnahme von Großteilen wie Booten) ausschließt, bestehen gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO keine Bedenken, wenn die Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht.
Normenkette
BauNVO § 1 Abs. 9
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.04.1998; Aktenzeichen 8 C 12485/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. April 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die allein geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt sind.
1. Das Normenkontrollgericht erachtet den angegriffenen Bebauungsplan einschließlich der angeführten textlichen Festsetzungen für rechtswirksam. Der Plan setzt ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO fest. Nach seinen textlichen Festsetzungen sind nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts im Plangebiet folgende Vorhaben nicht zulässig: Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO, Einzelhandelsbetriebe der Branchen Haushaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren, Sportartikel (außer Großteile wie Boote, Sportgeräte, ect.) und Textilien jeweils in der Größenordnung auch unter 1.200 qm Geschoßfläche gemäß § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO, Anlagen für sportliche Zwecke gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO, Vergnügungsstätten gemäß § 1 Abs. 6 BauNVO, Gebäude und Räume für freie Berufe gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO.
Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, ob mit der textlichen Festsetzung, mit der Einzelhandelsbetriebe der Branchen Haushaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren, Sportartikel (außer Großteile wie Boote, Sportgeräte, etc.) und Textilien jeweils in der Größenordnung auch unter 1.200 qm Geschoßfläche gemäß § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO ausgeschlossen werden, ein bestimmter Anlagentyp bezeichnet wird und ob diese Festsetzung somit von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO gedeckt sei.
2. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist diesem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage fehlt die für eine Zulassung der Revision erforderliche Klärungsbedürftigkeit.
2.1 Zweifelhaft kann sein, ob die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage hinreichend genau bezeichnet und damit ihrer Darlegungspflicht entsprochen hat. Das Vorbringen der Beschwerde setzt sich überwiegend nur mit der Rechtsauffassung des vorinstanzlichen Gerichts auseinander, welche die Beschwerde als fehlerhaft ansieht. Es ist zwar unschädlich, die Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung bereits im Zulassungsverfahren darzulegen. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, genügt der Zulässigkeitsanforderung einer Grundsatzrüge indes nicht (vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = ZOV 1997, 427 = DÖV 1998, 117 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluß vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 53 ≪55≫). Zudem ist nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, daß der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten läßt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. Mai 1997 – BVerwG 4 B 91.97 – Buchholz 407.4 § 5 FStrG Nr. 10 = UPR 1997, 468 = NVwZ 1998, 172). So liegt es jedenfalls hier.
2.2 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß die Planungsfreiheit der Gemeinden nach § 1 Abs. 9 BauNVO dadurch begrenzt ist, daß sich die festgesetzten Differenzierungen auf bestimmte Anlagentypen beziehen müssen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Dezember 1989 – BVerwG 4 NB 26.89 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 7 = ZfBR 1990, 99 = NVwZ-RR 1990, 229 = UPR 1990, 220; ebenso BVerwG, Beschluß vom 3. Mai 1993 – BVerwG 4 NB 13.93 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16).
Wird diese Voraussetzung gewahrt, ist auch ein “isolierter Einzelhandel” zulässiger Gegenstand einer planerischen Festsetzung. Es muß sich dabei jeweils um eine tatsächlich vorhandene Nutzungsart handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 = DVBl 1987, 1004 = NVwZ 1987, 1074 = ZfBR 1987, 251). § 1 Abs. 9 BauNVO erweitert die Festsetzungsweise auf Nutzungsunterarten, welche die Baunutzungsverordnung selbst nicht angeführt hat. Ziel des § 1 Abs. 9 BauNVO ist gerade, die allgemeinen Differenzierungsmöglichkeiten der Baugebietstypen nochmals einer “Feingliederung” unterwerfen zu können, falls sich hierfür besondere städtebauliche Gründe ergeben, um die Vielfalt der Nutzungsarten im Plangebiet zu mindern. Auch hier muß sich der Ausschluß jedoch – wie zu betonen ist – auf eine Nutzungsart beziehen, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt. § 1 Abs. 9 BauNVO eröffnet also der Gemeinde keine Befugnis, neue Nutzungsarten zu “erfinden”. Mischformen darf sie ebenfalls nicht festsetzen. Mit dieser Einschränkung will der Verordnungsgeber verhindern, daß die Gemeinde in die Gefahr gerät, konkrete Projekte durch planerische Festsetzungen zu ermöglichen oder auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Dezember 1989 – BVerwG 4 NB 26.89 – a.a.O.). Die planerischen Festsetzungen müssen – um vor den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Bestand zu haben – vielmehr hinreichend abstrakt getroffen werden. Diesen Anforderungen dient die vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegte sog. Typenlehre.
Das Normenkontrollgericht hat diese Erfordernisse des § 1 Abs. 9 BauNVO nicht verkannt. Es hat sich die Frage vorgelegt, ob die angegriffenen planerischen Festsetzungen in der Weise hinreichend abstrakt sind, so daß sie Nutzungsunterarten entsprechen, die sich nach objektiven Kriterien bestimmen lassen und die zudem in der Realität vorzufinden sind. Dies hat es bejaht. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beschwerde betrifft nicht die vom Normenkontrollgericht zugrunde gelegte Auslegung des § 1 Abs. 9 BauNVO, sondern die tatrichterliche Würdigung der konkreten Festsetzung. Das Normenkontrollgericht weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß zwischen der Wirksamkeit der Festsetzung und seiner Anwendung zu unterscheiden sei. Ein Teil der von der Beschwerde vorgetragenen Bedenken betrifft nicht die Frage, ob und in welcher Hinsicht die sog. Typenlehre ggf. zu entwickeln ist. Vielmehr greift die Beschwerde der Sache nach die Bestimmtheit der konkreten Festsetzung an. Daran lassen sich jedoch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im Streitfall ohnehin nicht beantworten. Insoweit – sollte dies der eigentliche Kritikpunkt der Beschwerde sein – fehlt es an der Klärungsfähigkeit. Daß ein auf Branchen bezogenes Hauptsortiment grundsätzlich geeignet ist, eine Nutzungsunterart darzustellen, liegt auf der Hand und bedarf nicht erst einer Bestätigung in dem erstrebten Revisionsverfahren.
Soweit die Beschwerde die besondere städtebauliche Rechtfertigung der angegriffenen Festsetzung vermißt, hat sie dazu eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgeworfen. Es entspricht übrigens einer legitimen städtebaulichen Zielsetzung, wenn bestimmte Einzelhandelsbetriebe in einem Bebauungsplan mit der Begründung ausgeschlossen werden, diese seien geeignet, den bisherigen Charakter eines Stadtteilkerns negativ zu beeinflussen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel
Fundstellen
Haufe-Index 1445609 |
BauR 1998, 1122 |
BauR 1998, 1197 |
NVwZ-RR 1999, 9 |
DÖV 1999, 169 |
GewArch 1998, 491 |
NJ 1999, 46 |
ZfBR 1998, 317 |
BRS 1999, 97 |
DVBl. 1998, 1301 |
UPR 1998, 459 |
FSt 1999, 782 |