Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 06.02.2002; Aktenzeichen 2 K 1520/98 GE) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 6. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 4 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Grundsatzbedeutung) gestützte Beschwerde ist unbegründet, auch wenn zugunsten der Kläger unterstellt wird, den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO sei durch die Beschwerdebegründung genügt.
1. Die Beschwerde sieht die Klärung des Tatbestandsmerkmals „Wegnahme zu Reparationszwecken” als geboten an mit der Begründung, weder den einschlägigen gesetzlichen Regelungen noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien Hinweise dafür zu entnehmen, welche näheren Voraussetzungen unter den Bedingungen der sowjetischen Besatzungszeit in der SBZ erfüllt sein mussten, um die Beschlagnahme eines Vermögenswertes als „Wegnahme zu Reparationszwecken” zu bewerten. Diese Behauptung samt deren Begründung trifft auch dann nicht zu, wenn die – für sich gesehen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende – vorbezeichnete Fragestellung auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die nicht zulässig und begründet angegriffen worden sind und daher den beschließenden Senat binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), in eine revisionsgerichtlich klärungsfähige Rechtsfrage umformuliert wird. Die hiernach im Streitverfahren zu beantwortende Rechtsfrage, ob der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG – eingreift, wenn ein privater Schleppkahn im Herbst 1945 durch sowjetische Militärbehörden beschlagnahmt worden ist, während der Folgezeit einer sowjetischen Dampfschifffahrts-Aktiengesellschaft auf dem Fluss Oder übergeben und unterstellt war, wobei der Schiffseigner auf dem Schiff gegen Lohn beschäftigt war, und das Schiff 1951 einem VEB übergeben und 1955 in Volkseigentum überführt worden ist, ist aufgrund der heranzuziehenden Vorschriften und früher ergangener Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Reparationsschädengesetz – RepG – eindeutig so zu beantworten, wie das Verwaltungsgericht entschieden hat:
2. Ausgleichsleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1, 1 a und 2 AusglLeistG werden gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG nicht gewährt für Schäden, die durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern auf Veranlassung der Besatzungsmacht entstanden sind, sofern diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden oder bei der Wegnahme eine dahin gehende Absicht bestand (Reparationsschäden im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7 RepG). § 2 Abs. 1 Nr. 2 RepG definiert als Reparationsschaden einen solchen, der im Zusammenhang mit den Ereignissen und Folgen des zweiten Weltkriegs, namentlich auch der Besatzungszeit, dadurch entstanden ist, dass Wirtschaftsgüter weggenommen worden sind im Gebiet des Deutschen Reichs westlich der Oder-Neiße-Linie durch Maßnahmen oder auf Veranlassung der Besatzungsmächte …, sofern diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt worden sind oder bei der Wegnahme eine dahin gehende Absicht bestand.
a) Erfüllt eine Maßnahme die vorgenannten Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 RepG, so folgt hieraus zwingend, dass sie nicht zugleich zu einem Anspruch auf Ausgleichsleistungen im Sinne des Ausgleichsleistungsgesetzes führen kann. Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 RepG bestimmt – insoweit in inhaltlicher Übereinstimmung mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG – unmissverständlich, dass Reparationsschäden (sowie andere dort benannte Schäden) ausschließlich durch das Reparationsschädengesetz geregelt werden. Folgerichtig bemerkt die Begründung zu § 1 Abs. 3 AusglLeistG (BTDrucks 12/4887 S. 38), dass es in dieser Vorschrift um Kriegs-, Kriegsfolgen- oder Währungsschäden gehe, auf die sich Ziff. 1 der gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 ohnehin nicht beziehe, weil es sich um „allgemein gültige, d.h. nicht diskriminierende Enteignungsmaßnahmen” gehandelt habe, also mit anderen Worten auf Vermögensgegenstände zugegriffen wurde unabhängig von den Personen der jeweiligen Eigentümer.
b) Nach den vorstehenden Darlegungen kann im Streitverfahren allenfalls fraglich sein, ob der Schleppkahn, für welchen Ausgleichsleistungen beansprucht werden, „weggenommen” und ggf. „der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurde oder bei der Wegnahme eine dahin gehende Absicht bestand”. Beide Fragen sind auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu bejahen.
aa) Über den Fall hinaus, dass eine Wegnahme von Wirtschaftsgütern bereits in einer unmittelbar durch entsprechende Normen generell angeordneten Enteignung deutschen Vermögens liegen konnte, wenn der frühere Eigentümer aufgrund dieser Bestimmungen keine Möglichkeit mehr hatte, tatsächlich über sein enteignetes Vermögen rechtlich wirksam zu verfügen (vgl. etwa Urteil vom 7. Juli 1977 – BVerwG III C 68.76 – BVerwGE 54, 159), ist es in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass auch durch (womöglich auf entsprechenden Vorschriften beruhende) Einzelakte Wegnahmen erfolgen konnten, wenn entweder das Eigentum formell entzogen oder eine Verfügungsbeschränkung ausgesprochen wurde, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen dem förmlichen Entzug entsprach (vgl. Urteil vom 3. Juli 1969 – BVerwG III C 26.67 – BVerwGE 32, 287).
Speziell für einen Schleppkahn ist im vorbezeichneten Urteil vom 3. Juli 1969 zwar eine Wegnahme nicht schon darin gesehen worden, dass der Eigentümer gezwungen wurde, sein Schiff in einen bestimmten Hafen zu fahren, dort mit Demontagegut beladen zu lassen und beladen an einen anderen Ort zu bringen (a.a.O. S. 291), aber als Verlust der Verfügungsgewalt beurteilt worden, dass der Eigentümer sein Schiff hat endgültig verlassen müssen (a.a.O. S. 290).
Vor diesem Hintergrund durfte das Verwaltungsgericht im Streitverfahren vor allem aus dem Umstand, dass der fragliche Schleppkahn in den Jahren 1945 bis 1951 in der Verfügungsgewalt einer sowjetischen Dampfschifffahrts-Aktiengesellschaft auf dem Fluss Oder stand und der Geschädigte lediglich noch als Lohnabhängiger auf ihm tätig sein durfte, bedenkenfrei ableiten, der Geschädigte habe seine Verfügungsbefugnis über das Schiff in einer Weise verloren gehabt, dass dies dem förmlichen Entzug des Eigentums bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleichstand.
bb) Nicht ernstlich anzuzweifeln ist auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Wirtschaftsgut Schleppkahn der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt worden ist bzw. bei der Wegnahme eine dahin gehende Absicht bestand.
Das Verwaltungsgericht hat – gegründet auf einschlägiges Schrifttum – in nachvollziehbarer Weise angenommen, dass es sich bei einer Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine auf dem Boden der SBZ tätige sowjetische Aktiengesellschaft, wie es nach den vorstehenden Darlegungen im Streitverfahren der Fall war, um einen für einen Reparationsvorgang typischen Geschehensablauf gehandelt habe. Solches sei vornehmlich in Fällen geschehen, in denen ein Abtransport der Wirtschaftsgüter in die Sowjetunion unzweckmäßig gewesen wäre. Auf diese Weise seien in der gesamten Besatzungszone insgesamt ca. 200 sowjetische Aktiengesellschaften tätig gewesen. Auch im Binnenschifffahrtswesen sei entsprechend verfahren worden; ca. 200 zuvor requirierte Schiffe mitsamt Besatzungen seien in die vorerwähnte Dampfschifffahrts-Aktiengesellschaft eingegliedert worden. Bestätigt werde dieser Befund dadurch, dass der in Rede stehende Schleppkahn in den Jahren 1945 bis 1955 in keinem deutschen Schiffsregister eingetragen gewesen sei.
Hiergegen ist aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Soweit die Beschwerde hiergegen Einwände erhebt, greift sie überwiegend nur entweder die getroffenen tatsächlichen Feststellungen an oder legt Tatsachen zugrunde, die so vom angefochtenen Urteil gerade nicht festgestellt worden sind. Im Übrigen stellt der Umstand, dass der in Rede stehende Vermögensgegenstand ab 1951 an einen (deutschen) VEB übergeben und später in Volkseigentum überführt wurde, nicht die tatsächliche und rechtliche Annahme des angefochtenen Urteils infrage, in den Jahren 1945 bis 1951 sei er der Volkswirtschaft der Sowjetunion zugeführt worden bzw. es habe zumindest eine dahin gehende Absicht bestanden. Es ist nämlich zumindest nicht fern liegend anzunehmen, die Sowjetunion habe erst im Laufe der Jahre in einzelnen Teilbereichen von ursprünglich gehegten oder umgesetzten Reparationsvorstellungen Abstand genommen (vgl. das vom Verwaltungsgericht und der Beschwerde herangezogene Werk von Dünner/Knoll, 50 Jahre deutsche Binnenreederei, S. 50; hiernach soll die Sowjetunion im Jahre 1952 „auf weitere Reparationen verzichtet” haben, was in der Übergabe der im angefochtenen Urteil erwähnten 200 sowjetischen Aktiengesellschaften, darunter auch die Dampfschifffahrts-Aktiengesellschaft, an die DDR zum Ausdruck gekommen sein soll).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat der tatsachengerichtlichen Festsetzung.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn
Fundstellen