Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung eines Sicherheitsrisikos in einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) beim Streitkräfteamt nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, aus einer Zahlungsunfähigkeit des betroffenen Soldaten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SÜG abzuleiten. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung im Übrigen insbesondere bei der Prognose die notwendige einzelfallbezogene Würdigung der Indizwirkung der Zahlungsunfähigkeit für ein mögliches Sicherheitsrisiko enthält.
Normenkette
SÜG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) durch die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt.
Der 1971 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2026 enden wird. Er wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2011 zum Stabsfeldwebel ernannt. Seit dem 1. Oktober 2007 wird er als Stabsdienstfeldwebel Streitkräfte und S 5-Feldwebel bzw. Zivil-Militärische Zusammenarbeit Feldwebel Bundeswehr beim … in N. verwendet.
Für den Antragsteller wurde zuletzt am 17. August 2007 eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) ohne Einschränkungen abgeschlossen.
Mit Beschluss vom 24. März 2009 (Az.: …) eröffnete das Amtsgericht M. über das Vermögen des Antragstellers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren und bestellte einen Treuhänder. Nach dem „Schuldenbereinigungsplan für das gerichtliche Verfahren” hatte der Antragsteller bei fünf Gläubigern Schulden in Gesamthöhe von 56.611,86 EUR. Zu den Gläubigern gehörte die …bank mit einer Hauptforderung im Umfang von rund 35.000 EUR. Dies meldete der zuständige Sicherheitsbeauftragte mit Nachbericht vom 10. Juli 2009 dem Militärischen Abschirmdienst (MAD).
Nachdem der MAD den Antragsteller zu dem Sachverhalt befragt hatte, hörte die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt den Antragsteller mit Schreiben vom 13. Oktober 2010 zu folgenden sicherheitserheblichen Erkenntnissen an:
In einer im Jahr 2009 vom MAD durchgeführten Befragung habe der Antragsteller erklärt, er habe Anfang 2009 einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Aus den von ihm vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass das Amtsgericht M. mit Beschluss vom 24. März 2009 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und dass er bei diversen Gläubigern Schulden in Höhe von insgesamt ca. 56.600 EUR habe. Am 21. Januar 2010 habe die für ihn zuständige gebührnisbearbeitende Stelle (Wehrbereichsverwaltung West) dem MAD mitgeteilt, dass seit Januar 2007 eine gegen den Antragsteller bestehende Forderung der …bank im Wege einer in Vollzug gesetzten Gehaltsabtretung zwangsbedient werde. Die Forderung (Restschuld ca. 35.400 EUR) werde noch bis März 2011 bedient und fließe dann mit in das Insolvenzverfahren ein. Die Ermittlungen des MAD hätten ergeben, dass der Antragsteller im Zeitraum von September 1996 bis November 2009 an insgesamt zwölf Auslandseinsätzen teilgenommen habe. Der MAD habe errechnet, dass der Antragsteller in dieser Zeit neben seinen regulären Dienstbezügen ca. 124.000 EUR an Auslandsverwendungszuschlägen erhalten habe. Es bestehe die Absicht, ein Sicherheitsrisiko nach Nr. 2414 Nr. 1 und Nr. 2 ZDv 2/30 festzustellen. Die dargelegten Umstände begründeten Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Geheimnisträger. Das Finanzgebaren des Antragstellers lasse besorgen, dass er auch bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht immer die gebotene Sorgfalt walten lassen werde. Wegen der finanziellen Situation des Antragstellers bestehe außerdem Anlass zur Besorgnis, dass ein fremder Nachrichtendienst sich diese als Ansatzpunkt für einen Anbahnungs- und Werbungsversuch zunutze machen könnte.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Februar 2011 machte der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Bis 1998 habe er keine besonderen finanziellen Belastungen gehabt. Seit 1999 sei er in seiner ersten Ehe der Alleinverdiener gewesen. 1999 habe er mit seiner damaligen Ehefrau ein Haus als Kapitalanlage gekauft und im Zuge dieser Maßnahme von seinen Eltern einen zinslosen Kredit über 50.000 DM erhalten. Nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau im Jahr 2001 sei das Haus verkauft worden. Er habe an seine erste Ehefrau und die gemeinschaftliche Tochter Unterhalt zahlen und zugleich den Kredit an seine Eltern zurückführen müssen. Seine monatlichen Belastungen hätten sich auf 700 EUR belaufen. Nach der Scheidung im Jahr 2003 habe sich sein Nettoeinkommen auf 1.800 EUR im Monat reduziert. Davon habe er monatlich Verbindlichkeiten von 700 EUR und – neben den allgemeinen Lebenshaltungsaufwendungen – zusätzlich 300 EUR für Fahrtkosten bestreiten müssen. Zeitweilig sei er deshalb dazu übergegangen, auftretende finanzielle Engpässe mittels Kreditkarten und eines weiteren Kredits zu stopfen. Nach Rückkehr von seinen Auslandseinsätzen habe er aufgelaufene Verbindlichkeiten mithilfe des Auslandsverwendungszuschlags getilgt, um so seine Schulden zu vermindern. Im Jahr 2007 habe er seine jetzige Ehefrau geheiratet, mit der er einen gemeinsamen Sohn habe. Auch in dieser Ehe sei er Alleinverdiener. Im gleichen Jahr habe er einen Beamtenkredit aufgenommen, um die alten Darlehen zu tilgen. Im Jahr 2009 habe ihn und seine Ehefrau die Sorge befallen, alle Verbindlichkeiten neben den regulären Kosten der Lebensführung nicht dauerhaft tragen zu können. Deshalb habe er sich an den Sozialdienst der Bundeswehr gewandt, der ihm geraten habe, einen Verbraucherinsolvenzantrag zu stellen. Dieser Ratschlag sei ihm plausibel und sinnvoll erschienen, obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt keine einzige Rechnung nicht bezahlt habe und keine einzige Forderung nicht bedient habe. Der Schuldenrahmen von ca. 56.413 EUR sei ohne Weiteres überschaubar und bedienbar gewesen. Er werde alsbald die Wohlverhaltensphase antreten können. Es bestehe Aussicht auf eine vorzeitige Restschuldbefreiung. Er habe seine Schulden nicht leichtfertig gemacht und die Insolvenz zeitnah dem Dienstherrn angezeigt. Außerdem lägen unter Berücksichtigung des Beschlusses des Senats vom 15. Dezember 2009 (BVerwG 1 WB 58.09) keine Umstände vor, die die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigten. Denn er sei noch bis November 2009 im Auslandseinsatz gewesen und mit sicherheitsrelevanten Aufgaben von seinem Dienstherrn betraut worden, obwohl die Privatinsolvenz bekannt gewesen sei. Auch in diesem Auslandseinsatz sei er ebenso zuverlässig und mit besonderer Auszeichnung tätig gewesen wie in den früheren Auslandseinsätzen. Eine negative Zukunftsprognose sei nicht gerechtfertigt.
Mit weiterem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. März 2011 vertiefte der Antragsteller sein Vorbringen; er wies darauf hin, dass er von Juli bis November 2010 einen weiteren Auslandseinsatz ohne Beanstandung absolviert und im Übrigen in der Sicherheitserklärung keine falschen Angaben über seine finanzielle Situation gemacht habe. Den von der Geheimschutzbeauftragten angeforderten Schlussbericht des Treuhänders konnte der Antragsteller bis zum 31. Mai 2011 nicht vorlegen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 2011, dem Antragsteller am 22. Juni 2011 eröffnet, stellte die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2/A 2) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Entscheidung schließe auch einen Einsatz in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 (Verschlusssachenschutz) aus. Die Entscheidungsgründe folgen im Wesentlichen dem Inhalt der Anhörungsschreiben der Geheimschutzbeauftragten vom 13. Oktober 2010 und vom 18. Februar 2011.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 30. Juni 2011 Beschwerde ein, die der Bundesminister der Verteidigung – PSZ I 7 – mit Bescheid vom 9. November 2011 zurückwies. Im Beschwerdebescheid ist unter anderem ausgeführt: Tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG beruhten darauf, dass dieser in eine hohe Verschuldung geraten sei, weil er in der Vergangenheit sein Ausgabe- und Konsumverhalten nicht an seine Einnahmen angepasst habe. Dies lasse auf Sorglosigkeit und Nachlässigkeit in seiner Lebensführung und – wegen der Unteilbarkeit des Charakters – auch auf Zuverlässigkeitsdefizite bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit schließen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe die Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers fest. Es sei noch offen, ob es tatsächlich zu der von ihm beantragten Restschuldbefreiung kommen werde. Allein die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens beinhalte daher noch nicht eine positive Aussage über die zukünftige Entwicklung seiner finanziellen Verhältnisse. Zwar sei nachvollziehbar, dass es durch Trennung oder Ehescheidung zu finanziellen Engpässen kommen könne. Im Fall des Antragstellers sei jedoch zu berücksichtigen, dass er bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an zwölf besonderen Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen und dadurch neben seinen regulären Dienstbezügen steuerfreie Auslandsverwendungszuschläge in Höhe von mehr als 100.000 EUR erhalten habe. Auch unter Berücksichtigung der Ehescheidung, der Unterhaltsverpflichtung und der Tatsache, dass der Antragsteller zeitweise Alleinverdiener gewesen sei, habe er mit diesem Einkommen bei einem angepassten Konsumverhalten ein finanziell geregeltes Leben führen können. Dass er trotz der Auslandsverwendungszuschläge mit seinen Einkünften nicht ausgekommen sei, ein „Beamtendarlehen” habe aufnehmen und letztlich sogar das Verbraucherinsolvenzverfahren habe beantragen müssen, lasse den Schluss zu, dass er über einen längeren Zeitraum deutlich über seine finanziellen Möglichkeiten gelebt habe. Seine Aussage, er habe immer alle Rechnungen bezahlt und jede Forderung bedient, sei nicht nachvollziehbar, weil die Forderung der … Bank nach Gehaltsabtretung zwangsbedient werden müsse.
Zusätzlich sei ein Sicherheitsrisiko auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG festzustellen, weil die finanzielle Situation des Antragstellers ihn einer besonderen Gefährdung aussetze, dass fremde Nachrichtendienste ihn durch Versprechen von finanziellen Zuwendungen zur Mitarbeit bewegen könnten. Da die Entstehungsgeschichte von Verbindlichkeiten regelmäßig mit der Erhöhung des Lebensstandards einhergehe und dieser höhere Lebensstandard während der Dauer der Wohlverhaltensphase nicht gehalten werden könne, könnten Situationen einer erhöhten Ansprechbarkeit auch im Rahmen der Verbraucherinsolvenz nicht ausgeschlossen werden. Die Beschlüsse des zuständigen Amtsgerichts im Rahmen des Insolvenzverfahrens würden im Internet veröffentlicht. Dadurch werde einem angreifenden Nachrichtendienst eine Identifizierung erleichtert. Der Antragsteller könne deshalb im Interesse der militärischen Sicherheit, aber auch zu seinem Schutz und dem seiner Familie nicht in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verwendet werden. Eine positive Prognose darüber, dass der Antragsteller seine derzeitige finanzielle Situation – insbesondere auch ohne die Gewährung von Auslandsverwendungszuschlägen – in den Griff bekommen werde, könne derzeit noch nicht gestellt werden. Zur Zeit sei noch keine verlässliche Aussage dazu möglich, wie sich in den kommenden Jahren seine finanzielle Situation entwickeln und wie er mit möglichen Angeboten finanzieller Zuwendungen umgehen werde. Es bedürfe eines längeren Zeitabschnitts als der bisher verstrichenen Zeit, um darüber eine gesicherte Aussage treffen zu können. Der Umstand, dass der Disziplinarvorgesetzte den Antragsteller als pflichtbewusst und zuverlässig bezeichnet habe, sei als positiver Aspekt zu werten, ohne die sicherheitserheblichen Bedenken im Grundsatz zu entkräften. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller nach Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Rahmen seiner Auslandseinsätze weiter in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit eingesetzt worden sei, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Der Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit bis zur Feststellung des Sicherheitsrisikos könne das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung nicht vorwegnehmen. Die Disziplinarvorgesetzten, die über die Teilnahme des Antragstellers am Auslandseinsatz entschieden hätten, seien im Gegensatz zur Geheimschutzbeauftragten nicht an den Maßstab des § 14 SÜG gebunden. Zudem sei ihnen in der Regel nicht bekannt, wie die einzelnen sicherheitserheblichen Umstände unter Berücksichtigung des § 14 SÜG zu bewerten seien. Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2009 könne sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, weil das Bundesverwaltungsgericht dort lediglich bemängelt habe, dass der Aspekt der beanstandungsfreien fortgesetzten Tätigkeit in einer sicherheitsempfindlichen Verwendung nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in den Ausführungen zur Prognose überhaupt nicht aufgegriffen worden sei. Andererseits habe das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem das Bundesministerium der Verteidigung diesen Aspekt im Rahmen der Prognose gewürdigt habe, den Antrag des betroffenen Soldaten zurückgewiesen (Beschluss vom 21. Juli 2010 – BVerwG 1 WB 68.09 –). Da der Insolvenzverwalter am 21. Oktober 2011 mitgeteilt habe, dass die Wohlverhaltensphase voraussichtlich am 24. März 2015 ende, werde der Beschwerde insoweit abgeholfen, als eine Wiederholungsüberprüfung abweichend von dem sonst üblichen Fünfjahreszeitraum bereits für März 2015 zugelassen werde.
Gegen diese ihm am 18. November 2011 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 12. Dezember 2011 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Den Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung – PSZ I 7 (seit 1. April 2012: R II 2) – mit seiner Stellungnahme vom 21. Februar 2012 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor:
Angesichts des Zeitablaufs könne er Unterlagen über den Verkauf des Hauses im Jahr 2001 und über die in diesem Zusammenhang von ihm an die finanzierende Bank zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr vorlegen. Der Hausverkauf und die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung hätten aber dazu geführt, dass ein finanzielles Fiasko eingetreten sei. Dies sei für ihn angesichts der Scheidung unausweichlich und unverschuldet gewesen. Er verkenne nicht, dass er erhebliche Auslandsverwendungszuschläge bezogen habe. Diese seien einer erhöhten Besteuerung unterworfen und dazu bestimmt gewesen, Unterhalt für die erste Ehefrau und für die Tochter aus erster Ehe zu zahlen. Durch gelegentliche Reisen seiner zweiten Ehefrau in ihre Heimat Kolumbien hätten sich erhöhte Kosten der Lebensführung ergeben. Die Geheimschutzbeauftragte verkenne im Übrigen, dass er durchaus noch zahlungsfähig gewesen sei, als er den Insolvenzantrag gestellt habe. Er habe allerdings seine Zahlungen aufgrund des Hinweises des Sozialdienstes der Bundeswehr eingestellt. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit seien die ihm erteilten förmlichen Anerkennungen aus den Jahren 1994, 2000, 2007 und 2010 zu berücksichtigen. Darüber hinaus verfüge er über das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze (1999) und in Silber (2007) sowie über die Gefechtsmedaille der Bundeswehr (2012).
Der Antragsteller beantragt,
den Bundesminister der Verteidigung unter Aufhebung des Beschwerdebescheids vom 9. November 2011 zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, über das Bestehen eines Sicherheitsrisikos unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts mit der Maßgabe neu zu bescheiden, dass keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründet seien und keine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis einer Erpressbarkeit, bestehe.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verteidigt den Inhalt seines Beschwerdebescheids und trägt ergänzend vor, dass der Antragsteller bis heute keine Angaben dazu gemacht habe, wofür der Erlös des Hausverkaufs sowie die gesamten Auslandsverwendungszuschläge verwendet worden seien. Er habe in den vergangenen Jahren zusätzlich Kredite aufgenommen, um die laufenden Kosten zu bewältigen. Im Übrigen verkenne der Antragsteller, dass eine Voraussetzung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung des jeweiligen Schuldners sei. Die Voraussetzungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens würden durch das zuständige Amtsgericht geprüft. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Antragsteller überschuldet gewesen sei und keine Aussicht bestanden habe, dass diese Situation sich in absehbarer Zeit ändere. Im Übrigen sei nach wie vor die Höhe der vom Antragsteller gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung unklar. Er habe auch nicht erklären können, wofür die gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei gewährten Auslandsverwendungszuschläge verwendet worden seien. Für seine ersten vier Auslandseinsätze in der Zeit von 1996 bis 2001 habe der Antragsteller einen Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von 130 DM bzw. 180 DM pro Tag steuerfrei erhalten. Bei 620 Einsatztagen habe sich dieser Zuschlag allein für die ersten vier Einsätze auf rund 98.000 DM summiert. Für die neun weiteren Einsätze habe der Antragsteller neben seinen regulären Dienstbezügen rund 99.000 EUR steuerfrei erhalten. Dabei sei nicht zu vernachlässigen, dass der Antragsteller in den 1980 Einsatztagen keine bzw. kaum Ausgaben für eigene Lebensunterhaltungskosten zu bestreiten gehabt habe.
Der Antragsteller hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 8. August 2012 den Schlussbericht des Treuhänders vom 14. November 2011, den Beschluss des Amtsgerichts M. vom 30. Dezember 2011 über die Zustimmung zur Schlussverteilung und den Beschluss des Amtsgerichts M. vom 9. März 2012 über die Ankündigung der Rechtsschuldbefreiung (Bestimmung der Laufzeit der Abtretung bis zum 24. März 2015) vorgelegt. Zu diesen Unterlagen hatte der Bundesminister der Verteidigung Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung – PSZ I 7 – Az.: … – und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1.
Der Sachantrag ist zulässig.
a)
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden (vgl. z.B. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 – BVerwG 1 WB 25.00 – ≪insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 111, 219 und in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9≫, vom 20. Januar 2009 – BVerwG 1 WB 22.08 – Rn. 18 m.w.N., vom 21. Juli 2010 – BVerwG 1 WB 68.09 – Rn. 17 ≪insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23≫ und vom 21. Oktober 2010 – BVerwG 1 WB 16.10 – Rn. 25 ≪insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1≫). Der Aufhebungsantrag des Antragstellers ist danach nicht nur auf den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung, sondern auch auf den Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 1. Juni 2011 zu erstrecken. Das Vorbringen des Antragstellers kann dahin ausgelegt werden, dass er die Aufhebung auch dieses Bescheides begehrt.
b)
Soweit der Antragsteller außerdem die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung zu einer Neubescheidung beantragt, ist der Sachantrag zwar ebenfalls zulässig (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 – BVerwG 1 WB 64.08 – m.w.N.), aber nicht erforderlich. Denn der zuständige Geheimschutzbeauftragte ist, wenn die Feststellung des Bestehens eines Sicherheitsrisikos gerichtlich aufgehoben wird, grundsätzlich von Amts wegen verpflichtet, eine neue Entscheidung über die Frage zu treffen, ob in der Person des betroffenen Soldaten ein Sicherheitsrisiko besteht, sofern dieser wieder in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit verwendet werden soll (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 2009 – BVerwG 1 WB 64.08 – Rn. 20 und vom 15. Dezember 2009 – BVerwG 1 WB 58.09 – Rn. 32, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 22).
2.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom 1. Juni 2011 ist in der Fassung des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom 9. November 2011 rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. In der Fassung des Beschwerdebescheids ist die Entscheidung der Geheimschutzbeauftragten gem. § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu beurteilen.
Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle dieser Bescheide ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch den Bundesminister der Verteidigung beim Senat (stRspr, Beschlüsse vom 27. September 2007 – BVerwG 1 WDS-VR 7.07 – ≪insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13≫, vom 11. März 2008 – BVerwG 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14 Rn. 35, vom 21. Juli 2010 – BVerwG 1 WB 68.09 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23 Rn. 21 und vom 30. Mai 2012 – BVerwG 1 WB 58.11 – Rn. 26).
Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
Zuständig für die Entscheidung, ob in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, ist hier gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG in Verbindung mit Nr. 2416 ZDv 2/30 die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt.
Dem zuständigen Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 15. Februar 1989 – BVerwG 6 A 2.87 – BVerwGE 81, 258 ≪264≫ = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2 und vom 15. Juli 2004 – BVerwG 3 C 33.03 – BVerwGE 121, 257 ≪262≫ = Buchholz 442.40 § 29d LuftVG Nr. 1; Beschlüsse vom 11. März 2008 a.a.O. Rn. 24, vom 1. Oktober 2009 – BVerwG 2 VR 6.09 – […] Rn. 15, vom 21. Oktober 2010 – BVerwG 1 WB 16.10 – Rn. 30 ≪insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1≫, vom 1. Februar 2011 – BVerwG 1 WB 40.10 – Rn. 22 und vom 21. Juli 2011 – BVerwG 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 25 jeweils m.w.N.).
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit oder eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SÜG). Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 – BVerwG 1 WB 54.01 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 S. 17, vom 8. März 2007 – BVerwG 1 WB 63.06 – Rn. 22, vom 22. Juli 2009 – BVerwG 1 WB 53.08 – Rn. 24 und vom 30. Mai 2012 – BVerwG 1 WB 58.11 – Rn. 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 ≪353≫).
Die Feststellung im Bescheid vom 1. Juni 2011, dass in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, hält in der Fassung des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom 9. November 2011 die Grenzen des vorbezeichneten Beurteilungsspielraums ein.
Die Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen.
Bei der Sachverhaltserfassung hat sie im Einzelnen die Entwicklung der angespannten finanziellen Verhältnisse des Antragstellers seit seiner Ehescheidung im Jahr 2003 sowie die Eröffnung und die Modalitäten des Verbraucherinsolvenzverfahrens des Antragstellers dokumentiert. Dabei hat sie auch die Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung West vom 21. Januar 2010 über die Forderung der …bank berücksichtigt, die im Wege einer in Vollzug gesetzten Gehaltsabtretung zwangsbedient wurde. Den Inhalt der Stellungnahmen des Antragstellers hat die Geheimschutzbeauftragte ebenso berücksichtigt wie die zugunsten des Antragstellers abgegebene positive Äußerung seines Disziplinar-vorgesetzten vom 26. Oktober 2010. Auch die vorläufige Weiterverwendung des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit im Rahmen eines Auslandseinsatzes hat die Geheimschutzbeauftragte in ihre Abwägung einbezogen. Weitere Gesichtspunkte, insbesondere das Ende der Wohlverhaltensphase voraussichtlich am 24. März 2015, hat der Bundesminister der Verteidigung im Beschwerdebescheid aufgegriffen und gewürdigt. In diesem Zusammenhang ist es rechtlich unschädlich, dass die Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Amtsgerichts M. vom 9. März 2012 erst nachträglich in das Verfahren eingeführt worden ist. Denn den materiellen Inhalt dieser Ankündigung hat der Bundesminister der Verteidigung seiner rechtlichen Bewertung im Beschwerdebescheid bereits zugrunde gelegt.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Geheimschutzbeauftragte in dem wirtschaftlichen Verhalten des Antragstellers und in seiner finanziellen Situation – auch noch nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens – hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste erkannt hat. Mit dieser Einschätzung hat die Geheimschutzbeauftragte weder den anzuwendenden Begriff noch den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt. Sie hat insoweit auch keine sachfremden Erwägungen angestellt. In der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung sind auch allgemein gültige Wertmaßstäbe eingehalten worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) und/oder eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, aus einer hohen Verschuldung des Betroffenen ergeben (vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 119.00 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10, vom 6. September 2007 – BVerwG 1 WB 61.06 – und vom 15. Dezember 2009 – BVerwG 1 WB 58.09 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 22). Aus der Tatsache einer erheblichen Schuldenlast allein kann allerdings noch nicht zwingend auf das Bestehen eines Sicherheitsrisikos geschlossen werden, jedenfalls solange nicht, wie der Soldat seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt und eine seiner Dienststellung entsprechende Lebensführung sicherstellen kann. Deshalb ist stets – auch in Fällen eines Insolvenzverfahrens des Betroffenen – eine wertende Beurteilung des Einzelfalls erforderlich (Beschlüsse vom 6. September 2007 – BVerwG 1 WB 61.06 – und vom 15. Dezember 2009 a.a.O.).
In dem angefochtenen Bescheid wird eine Schuldensituation des Antragstellers festgestellt, die es diesem unmöglich macht, seinen finanziellen Verpflichtungen uneingeschränkt und in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Mit der am 24. März 2009 erfolgten Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens steht – wie das Amtsgericht ausdrücklich ausgeführt hat – die Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers fest (§ 17 i.V.m. § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO). Mit seinem entgegenstehenden Vorbringen verkennt der Antragsteller, dass nach § 18 Abs. 1 InsO auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ein möglicher Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Schuldners sein kann. In seinem Eröffnungsbeschluss dokumentiert das zuständige Insolvenzgericht aber in eigener Zuständigkeit, aus welchem Grund es das Insolvenzverfahren eingeleitet hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kann bereits der Umstand der Zahlungsunfähigkeit eines Soldaten die Annahme eines Sicherheitsrisikos durch den zuständigen Geheimschutzbeauftragten rechtfertigen, wenn die Entscheidung im Übrigen insbesondere bei der Prognose die notwendige einzelfallbezogene Würdigung der Indizwirkung der Zahlungsunfähigkeit für ein mögliches Sicherheitsrisiko enthält (vgl. z.B. Beschlüsse vom 6. September 2007 – BVerwG 1 WB 61.06 – und vom 24. April 2012 – BVerwG 1 WB 62.11 – Rn. 29).
Diesen Erfordernissen entsprechen die angefochtenen Bescheide. In ihnen ist berücksichtigt, dass die Hauptforderung des …bank vom Antragsteller nicht freiwillig, sondern nach einer im Jahr 2007 erfolgten Gehaltsabtretung zwangsbedient wurde. Ferner hat die Geheimschutzbeauftragte mit Recht hervorgehoben, dass insbesondere die Verwendung der steuerfrei gezahlten Auslandsverwendungszuschläge vom Antragsteller nicht plausibel erläutert worden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Einwand mangelnder Sorgfalt eines Soldaten im Umgang mit Geld im Rahmen der prognostischen Erwägungen dadurch als widerlegt angesehen werden, dass der Betroffene nachvollziehbar darlegt, wie und in welchem Umfang er seine Einkünfte und die ihm zustehenden Geldmittel verwendet hat, und dass er dabei ein planvolles Wirtschafts- und Finanzverhalten an den Tag gelegt hat (vgl. Beschluss vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 119.00 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10). Eine solche spezifizierte Darlegung hat der Antragsteller nicht erbracht. Er hat obendrein irreführend versucht, eine angebliche Steuerbelastung der Auslandsverwendungszuschläge zu seinen Gunsten geltend zu machen. Ebenso hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso und in welchem Umfang er nach der 2003 erfolgten Scheidung im für die rechtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt (Februar 2012) neben dem Unterhalt für seine Tochter noch Unterhalt für seine erste Ehefrau zu leisten hat.
Die zutreffenden Ausführungen der Geheimschutzbeauftragten und des Bundesministers der Verteidigung zu den Zweifeln an der sicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers und zu seiner Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste lassen sich nicht durch das Vorbringen des Antragstellers entkräften, dass er den Sozialdienst der Bundeswehr über seine finanzielle Situation rechtzeitig informiert habe. Dass – wie in den angefochtenen Bescheiden unterstellt – dieser Aspekt nicht genügt, um eine positive Prognose zu rechtfertigen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Wenn ein Soldat umfassende Bemühungen unternimmt, seine aus der Balance geratene Finanzlage nachhaltig zu konsolidieren, und wenn er seine Situation von sich aus einer Stelle offenbart, die für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zuständig ist oder in dem Sicherheitsüberprüfungsverfahren zuständigkeitshalber mitwirkt, kann das allerdings ein Indiz darstellen, das eine positive Prognose rechtfertigen könnte (Beschluss vom 24. April 2012 – BVerwG 1 WB 62.11 – Rn. 33). Diese Voraussetzungen sind im Fall des Antragstellers jedoch nicht erfüllt. Er hat sich nicht dem MAD oder der Geheimschutzbeauftragten frühzeitig offenbart und hat im Übrigen vor dem Insolvenzantrag keine profunden Initiativen zu einer nachhaltigen Bereinigung seiner prekären Finanzsituation unternommen.
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens die Bemühung des betroffenen Schuldners belegt, seine finanzielle Situation in – gesetzlich – geordnete Bahnen zu führen. Insbesondere ermöglicht die Durchführung dieses Verfahrens auch die Erteilung einer Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (§§ 300, 301 InsO). Das setzt voraus, dass der Schuldner sein pfändbares Einkommen für die Dauer einer sogenannten Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren an einen Treuhänder abtritt und während dieser Zeit weitere Obliegenheiten erfüllt. Insoweit weist der Bundesminister der Verteidigung im Beschwerdebescheid allerdings zutreffend darauf hin, dass es zu einer Restschuldbefreiung nur dann kommt, wenn der Betroffene die ihm gemäß § 295 InsO obliegenden Verpflichtungen erfüllt, sodass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht eine positive Aussage über die zukünftige Entwicklung der finanziellen Verhältnisse indiziert. Nach der Rechtsprechung des Senats löst auch die – hier erfolgte – Ankündigung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht keinen Automatismus aus, sondern eröffnet dem Schuldner lediglich die Chance, durch sein eigenes (Wohl)Verhalten Befreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern zu erlangen (Beschluss vom 6. September 2007 – BVerwG 1 WB 61.06 – Rn. 32). Die endgültige Erteilung der Restschuldbefreiung kann das Insolvenzgericht erst aussprechen, wenn die Insolvenzgläubiger nach ihrer erneuten Anhörung keine Einwände gegen diese Entscheidung erheben.
Gute fachliche Leistungen, die der Antragsteller unter anderem mit Hinweis auf ihm zuerkannte Förmliche Anerkennungen geltend macht, stellen keinen Hinderungsgrund für die Prognose (noch) fehlender sicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeit dar, weil sie persönliche bzw. charakterliche Defizite des betroffenen Soldaten nicht ausgleichen können (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2005 – BVerwG 1 WB 19.05 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 19, Rn. 34, und vom 24. Januar 2006 – BVerwG 1 WB 17.05 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 20, Rn. 33).
Die prognostischen Bewertungen der Geheimschutzbeauftragten, die der Bundesminister der Verteidigung im Beschwerdebescheid weiter ausgeführt hat, begründen insbesondere auch keine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips als eines allgemein gültigen Wertmaßstabs. Vielmehr darf einem Betroffenen noch über eine längere Zeit eine Bewährung abverlangt werden, die belegt, dass eine von ihm eingeleitete Verhaltensänderung nachhaltige Bestätigung finden wird und von Bestand sein wird (vgl. z.B. Beschluss vom 30. Mai 2012 – BVerwG 1 WB 58.11, Rn. 44 m.w.N. –). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat der Bundesminister der Verteidigung hier auch deshalb Rechnung getragen, weil er – anknüpfend an das Ende der Wohlverhaltensphase – gestattet hat, abweichend von dem sonst üblichen Fünf-Jahres-Zeitraum bereits im März 2015 eine Wiederholungsüberprüfung zu veranlassen.
Der Umstand, dass der Antragsteller nach Bekanntwerden des Insolvenzverfahrens (im Juli 2009) noch für weitere Auslandseinsätze eingeplant und dort in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verwendet worden ist, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der S2/Sicherheitsbeauftragte im … hat insoweit in einer Aktennotiz vom 22. Juni 2009 festgehalten, dass er in Absprache mit dem MAD den Kommandeur über die Teilnahme des Antragstellers am Auslandseinsatz 2009 hat entscheiden lassen. Dieser hat den Auslandseinsatz des Antragstellers befürwortet, weil dessen Nichtteilnahme im Hinblick auf das Insolvenzverfahren eine deutlich schlimmere Situation hervorrufen würde als sie derzeit bestehe. Damit ist die Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit lediglich unter dem Aspekt seiner Belastung im Insolvenzverfahren zugelassen worden, nicht aber unter dem Gesichtspunkt einer sicherheitsrechtlich verbindlichen Zuverlässigkeitsaussage. Außerdem dokumentiert diese Aktennotiz, dass ein Kontakt mit der allein insoweit entscheidungsbefugten Geheimschutzbeauftragten nicht stattgefunden hat. Eine Bindungswirkung durch die tatsächliche Weiterverwendung des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit ist für die Geheimschutzbeauftragte deshalb nicht eingetreten. Ihre diesbezüglichen Ausführungen (Seite 7, 4. Absatz) im Bescheid vom 1. Juni 2011 sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt nicht vor. Der Antragsteller hatte gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 und § 6 Abs. 1 SÜG Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
Keine rechtlichen Bedenken bestehen schließlich dagegen, dass die Geheimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch auf die Verwendung des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers und für die Risikoeinschätzung ergeben sich im vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung abweichenden Gesichtspunkte.
Unterschriften
Dr. von Heimburg, Dr. Frentz, Dr. Langer
Fundstellen