Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 13.07.2010; Aktenzeichen 10 S 470/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Juli 2010 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 177 951,29 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine – im Wege der Ersatzvornahme bereits vollstreckte – abfallrechtliche Anordnung der Beklagten vom 5. April 2007 zur Rückholung und ordnungsgemäßen Entsorgung von Abfällen, die im Zeitraum von August 2006 bis Dezember 2006 als Abfälle der Grünen Liste deklariert und ohne Notifizierung nach Ungarn verbracht worden sind.
Rz. 2
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen: Die Verbringung der streitgegenständlichen Abfälle nach Ungarn sei ohne die erforderliche Notifizierung und daher illegal erfolgt. Bei den Abfällen habe es sich schon kategorial nicht um solche der Grünen Liste gehandelt. Abfälle aus verschiedenen Stoffgruppen der Grünen Liste könnten auch nicht ohne Weiteres als einheitliche Abfallfraktion grün gelistet werden.
Rz. 3
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 4
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
Rz. 5
Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1) noch wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2) zuzulassen.
Rz. 6
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Rz. 7
In der Beschwerdebegründung werden weder konkrete Rechtsfragen formuliert noch wird dargelegt, warum diese in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und -fähig wären und in ihrer Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall hinausgehen. Der Inhalt der Beschwerdebegründung erschöpft sich vielmehr darin, die rechtliche Würdigung durch den Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung als fehlerhaft anzugreifen, der Verwaltungsgerichtshof habe die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 25. Juni 1998 (– Rs. C-192/96, Beside BV und I.M. Besselsen – Slg. 1998, I-4029) und vom 21. Juni 2007 (– Rs. C-259/05, Omni Metal Service – Slg. 2007, I-04945) zur Grünlistung von Abfallgemischen zu restriktiv interpretiert. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan.
Rz. 8
Sollte die Klägerin bei wohlwollender Auslegung der Beschwerdebegründung die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig aufwerfen wollen, ob die Zuordnung von Abfällen zur Grünen Liste “Sortenreinheit” voraussetzt und bis zu welchem prozentualen Fremdstoffanteil hiervon (noch) ausgegangen werden kann, ist schon nicht dargetan, dass diese Frage sich in einem Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Zuordenbarkeit der streitgegenständlichen Abfälle zur Grünen Liste nicht deshalb verneint, weil diese mit anderen Materialien in einem Ausmaß kontaminiert sind, dass sie auf die Gelbe oder Rote Liste gesetzt werden müssen. Die angegriffene Entscheidung beruht entscheidungstragend vielmehr auf der Annahme, dass das nach Ungarn verbrachte Abfallgemisch als solches keiner Kategorie der Grünen Liste zugeordnet werden kann und auch ein Abfallgemisch, das eine Kombination aus in der Grünen Liste enthaltenen Stoffen darstellt, nicht ohne Weiteres grün gelistet werden kann. Die Kontamination eines bestimmten (grün gelisteten) Abfalls mit Fremdstoffen ist auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit der Zusammensetzung eines Abfallgemischs aus verschiedenen Stoffen, die wesentliche Bestandteile des Abfallgemischs darstellen, nicht zu vergleichen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2007 a.a.O. Rn. 40). Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.
Rz. 9
2. Die Rüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof sei von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2007 (– BVerwG 7 C 5.07 – BVerwGE 129, 93 ff. = Buchholz 451.221 § 16 KrW-/AbfG Nr. 2) zur anteiligen Verantwortlichkeit eines Entsorgungspflichtigen bei Vermischung von Abfällen mit Abfällen anderer Entsorgungspflichtiger abgewichen, ist ebenfalls nicht schlüssig erhoben. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712 = Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9; stRspr). Eine Divergenz ist daher nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn neben der Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, auch die miteinander unvereinbaren Rechtssätze gegenübergestellt werden. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde arbeitet aus dem angefochtenen Urteil keinen Rechtssatz heraus, der zu einem Rechtssatz aus der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Widerspruch steht. Vielmehr wirft sie dem Verwaltungsgerichtshof vor, er habe zu Unrecht angenommen, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2007 auf den vorliegenden Fall übertragbar sei. Widersetzt sich die Vorinstanz einem höchstrichterlichen Rechtssatz nicht, sondern wendet sie ihn – wie die Klägerin meint – lediglich fehlerhaft an, liegt aber eine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vor.
Rz. 10
Soweit die Klägerin ohne nähere Begründung auch eine Abweichung von den oben unter 1. genannten Urteilen des EuGH (“Beside BV und I.M. Besselsen”; “Omni Metal Service”) geltend macht, übersieht sie schon, dass dieser nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichten gehört und angesichts der eindeutigen Aufzählung für eine analoge Anwendung der Vorschrift kein Raum ist (Beschluss vom 26. Januar 2010 – BVerwG 9 B 40.09 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 2).
Rz. 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Rz. 12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Schipper, Brandt
Fundstellen