Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.07.1990; Aktenzeichen 15 S 2711/89)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 17. Juli 1990 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts sind nicht gegeben. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts weicht nicht gemäß § 86 Abs. 2 LPVG i.V.m. §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG von einem der in der Beschwerdeschrift angeführten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts ab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 22. Juni 1989 – BVerwG 6 PB 16.88 – ≪PersR 1989, 275≫) besteht eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz im Sinne von § 86 Abs. 2 LPVG BW in Verbindung mit §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nur dann, wenn das Beschwerdegericht seinem Beschluß einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem der bezeichneten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts bzw. eines anderen mit Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht befaßten Gerichts steht, das mit den in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG bezeichneten Gerichten vergleichbar ist.

Der angegriffene Beschluß des Beschwerdegerichts beruht auf der Rechtsauffassung, die Privatisierung von Reinigungsaufgaben unterliege mangels eines entsprechenden Mitbestimmungstatbestandes im Landespersonalvertretungsgesetz nicht der Mitbestimmung, sondern sie berühre allenfalls einen Mitwirkungstatbestand, nämlich den der Auflösung, Einschränkung u.s.w. von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen (a); soweit der Antragsteller davon ausgehe, die Dienststelle habe im Zuge der Teilprivatisierung ein ganzes Maßnahmebündel durchgeführt, das gleich mehrere Mitbestimmungstatbestände betreffe, könnten die Mitbestimmungsrechte an einzelnen in einem Maßnahmebündel enthaltenen Maßnahmen (gegebenenfalls) die Mitbestimmungsbedürftigkeit des gesamten Maßnahmebündels nicht bewirken (b); der trotz eines Hinweises auf entsprechende Bedenken und trotz Aufforderung zur tatsächlichen und rechtlichen Konkretisierung beibehaltene Feststellungsantrag (nämlich festzustellen, daß dem Antragsteller hinsichtlich der Teilprivatisierung des Reinigungsdienstes für die Räumlichkeiten des Kreiskrankenhauses ein Mitbestimmungsrecht zusteht) sei in der gestellten Form mangels Bestimmtheit unzulässig (c).

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde meint, der Beschluß des Beschwerdegerichts weiche mit den Ausführungen zu a) und b) von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 1983 – BVerwG 6 P 11.80 – (≪Buchholz 238.33 § 58 BrPersVG Nr. 2≫) ab, soweit darin der Begriff der Maßnahme definiert wird. Der angegriffene Beschluß enthält jedoch weder eine abweichende Definition dieses Begriffs noch beruht er überhaupt auf der Würdigung, ob es sich bei einer Teilprivatisierung – was auch immer darunter zu verstehen ist – um eine Maßnahme im definierten Sinne handelt. Er läßt es vielmehr offen, ob – entsprechend der Auffassung des Antragstellers – im Zuge der in Rede stehenden Teilprivatisierung ein ganzes Maßnahmebündel durchgeführt worden sei und dieses gleich mehrere Mitbestimmungstatbestände betreffe. Darauf kommt es nämlich für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs deshalb nicht an, weil er der Auffassung ist, die Mitbestimmungsrechte des Antragstellers an einzelnen (nicht etwa: allen) in einem Maßnahmebündel enthaltenen Maßnahmen bewirkten nicht die Mitbestimrnungsbedürftigkeit des gesamten Maßnahmebündels. Der angegriffene Beschluß geht also ausdrücklich von der Möglichkeit aus, daß ein Maßnahmebündel (hier: die Teilprivatisierung) zumindest auch Einzelmaßnahmen einschließt oder einschließen kann, die nicht der Mitbestimmung unterliegen; deren Anteil am Maßnahmebündel hindere gegebenenfalls daran, dieses Bündel als solches undifferenziert für mitbestimmungsbedürftig zu erklären.

2. Ebensowenig weicht der angegriffene Beschluß mit seinen Ausführungen zu a) und b) von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 1987 – BVerwG 6 P 3.84 – ≪Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 51≫ ab, soweit dieser Ausführungen zur Konkurrenz verschiedenartiger Beteiligungsrechte des Personalrats enthält. Auf Überlegungen dazu, ob verschiedenartige Beteiligungsrechte, wenn sie durch ein und dieselbe Maßnahme notwendig ausgelöst werden, nebeneinanderstehen oder einander verdrängen, beruht die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht. Vielmehr verhält sie sich zur Mitbestimmungsbedürftigkeit des gesamten Maßnahmebündels für den Fall, daß an einzelnen darin enthaltenen Maßnahmen Mitbestimmungsrechte bestehen. Diese Rechtsfrage hat der Senat in den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen nicht beantwortet.

3. Die oben zu c) wiedergegebenen Ausführungen in dem angegriffenen Beschluß lassen ebenfalls eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erkennen. Soweit in dieser Rechtsprechung (BVerwGE 1, 222; 12, 189; 66, 347; 74, 273) davon ausgegangen wird, daß Rechtsmittelanträge auszulegen sind, wird dies vom Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede gestellt. Es trifft zwar zu, daß nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des Antrages auch der (gesamte) Sachvortrag des Rechtsmittelführers heranzuziehen ist. Dies ist jedoch nur sinnvoll möglich, solange der Sachvortrag den Verfahrensgegenstand wenigstens nach Inhalt und Abgrenzung bestimmt genug erkennen läßt. Davon, daß sich eine Bestimmheit oder (zumindest) eine Bestimmbarkeit sowohl unter dem einen als auch unter dem anderen Gesichtspunkt entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. dazu BAGE 44, 226 ≪232 f.≫; 56, 114 ≪116≫) erübrigen könnte, ist das Bundesverwaltungsgericht in keiner der genannten Entscheidungen ausgegangen. Unter beiden Gesichtspunkten aber hat der Verwaltungsgerichtshof die Bestimmtheit verneint. Dabei handelt es sich um eine Würdigung der Umstände des Einzelfalles, die sich einer Divergenz im hier vorausgesetzten Sinne naturgemäß entzieht. Wenn die Beschwerde meint, das „Ziel des Antrages des Antragstellers war für den Verwaltungsgerichtshof auch dann klar zu erkennen, wenn der Antrag zu weit, zu unbestimmt gefaßt gewesen wäre”, greift sie damit eben diese Würdigung an. Damit kann sie jedoch allenfalls im (zugelassenen) Rechtsbeschwerdeverfahren, nicht aber im Zulassungsverfahren gehört werden.

Hiervon abgesehen bezog sich der Sachvortrag des Antragstellers in den ersten beiden Rechtszügen sowohl nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts als auch nach seinem eigenen Vorbringen zumindest teilweise auf Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits abgeschlossen waren. Dies hätte nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats bei der Fassung der Sachanträge berücksichtigt werden müssen. Danach muß nämlich ein Antragsteller, der eine Entscheidung nicht nur über einen bestimmten, konkreten Vorgang, sondern außerdem über die dahinterstehende personalvertretungsrechtliche Frage begehrt, dies spätestens mit seinem in der letzten Tatsacheninstanz gestellten Antrag deutlich machen (BVerwGE 74, 100 ≪102≫; 74, 273 ≪274 f.≫).

4. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Untersuchungsgrundsatz nicht hinreichend beachtet (Urteil vom 28. Juli 1977 – BVerwG 3 C 17.74 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 111), macht sie in Wahrheit nicht eine Divergenz geltend, sondern einen Verfahrensmangel. Das wird namentlich auch an dem Rechtssatz deutlich, auf den sich die Beschwerdeschrift bezieht. Danach folgt aus dem Untersuchungsgrundsatz die Verpflichtung der Tatsacheninstanz, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Wenn die Nichtzulassungsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht habe hier die danach erforderliche Aufklärung unterlassen, so liegt darin eine Aufklärungsrüge.

Mit dieser Rüge erstrebt die Beschwerde eine nicht statthafte Zulassung der Rechtsbeschwerde außerhalb der in § 92 a Satz 1 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ArbGG gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe. Für das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren werden mit den genannten Vorschriften die Möglichkeiten einer nachträglichen Eröffnung der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde abschließend aufgezählt (vgl. zu § 72 a ArbGG: Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 5. August 1986 – 3 AZN 9/86 – AP Nr. 24 zu § 72 a ArbGG 1979; Beschlüsse des Senats vom 13. Juni 1988 – BVerwG 6 PB 5.88 – und vom 9. Januar 1991 – BVerwG 6 PB 7.90 –). Soweit sich verwaltungsgerichtliche Verfahren in Personalvertretungssachen nach diesen Verfahrensvorschriften richten, kann daher die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg auf Verfahrensmängel gestützt werden (vgl. Beschluß vom 23. August 1989 – BVerwG 6 PB 10.89 – ≪Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 49≫ m.w.N.), auch nicht etwa auf eine Aufklärungsrüge. Art. 103 Abs. 1 GG setzt dieser Auslegung für die Anwendung im vorliegenden Fall keine Grenzen. Denn das Beschwerdegericht hat den Antragsteller auf seine Bedenken hingewiesen und ihm auch nahegelegt, daß „die Einzelmaßnahmen, bei denen Mitbestimmungsrechte geltend gemacht werden, im Antrag näher umschrieben und dabei das jeweils geltend gemachte Mitbestimmungsrecht angegeben werden sollten”.

 

Unterschriften

Dr. Niehues, Nettesheim, Albers

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214370

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