Verfahrensgang
VG Leipzig (Aktenzeichen 3 K 1462/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 22. August 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 873 EUR (entspricht 33 000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger beanspruchen nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung eines Mehrfamilienhaus-Grundstücks an eine Erbengemeinschaft, der neben anderen auch der Beigeladene angehört. Der Beigeladene hat das Grundstück aufgrund eines notariellen Erbauseinandersetzungsvertrags vom 14. September 1972 erworben. Bei Abschluss dieses Vertrags handelte die Mutter des Beigeladenen im eigenen Namen und in dessen Vertretung. Für die übrigen Erben handelte der Rat der Stadt Bad L. als staatlicher Treuhänder. Er wurde durch Frau Gertraude S. vertreten, die in der Vertragsurkunde als „amtierender Bürgermeister” bezeichnet ist. Das Grundstück wurde an den Beigeladenen auf der Grundlage des Einheitswerts veräußert. Der Kaufpreis wurde durch Übernahme zweier Buchhypotheken, durch Anrechnung nicht durch Mieteinnahmen gedeckter privater Verwaltungskosten des Rechtsvorgängers des Beigeladenen aus den Jahren 1953 bis 1972 sowie durch Anrechnung des Werts bisheriger und künftiger Grabpflegearbeiten belegt.
Den Rückübertragungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, der Beigeladene habe das Grundstück redlich erworben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Aufhebung seines vorangegangenen Urteils durch den Senat erneut abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht gegeben. Das angegriffene Urteil leidet nicht an dem von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler unzureichender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2001 von den Klägern gestellten Beweisanträge zu Recht abgelehnt. Angesichts dessen sind die Kläger durch die Ablehnung der Beweisanträge auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪36≫).
Entscheidungsgründe
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts braucht die Tatsacheninstanz unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachzugehen. Unsubstantiiert sind nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch solche Anträge, die dazu dienen sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage aufgestellt werden. Einem Prozessbeteiligten ist es nicht erlaubt, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzustellen, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Zwar darf eine Behauptung nicht schon dann als unbeachtlich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Behauptungen, die aus der Luft gegriffen sind und durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte gestützt werden, braucht das Gericht jedoch nicht nachzugehen. Beweisanträge, denen derartige Behauptungen zugrunde liegen, lösen als sogenannte Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge keine Pflicht des Gerichts zur Beweiserhebung aus (vgl. Beschluss vom 25. Januar 1988 – BVerwG 7 CB 81.87 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196; Beschluss vom 5. Oktober 1990 – BVerwG 4 B 249.89 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6; Beschluss vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 266).
Hiernach ist die Ablehnung des Antrags, eine Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zum Beweis dafür einzuholen, dass die Mutter des Beigeladenen Inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes war, nicht zu beanstanden. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hatte diese Behauptung nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt. Nach dem Beschwerdevorbringen hatte sie sich auf die Angabe beschränkt, „dass diese Tatsache den Beschwerdeführern zugetragen wurde von Personen, die nicht genannt werden möchten”. Eine Behauptung, die auf nicht näher dargestellte Informationen ungenannter Dritter gestützt wird, entbehrt der erforderlichen tatsächlichen Grundlage. Eine solche Behauptung löst die Beweiserhebungspflicht nicht aus, weil sie nicht erkennen lässt, dass für ihren Wahrheitsgehalt wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Fehlende tatsächliche Anhaltspunkte für die Behauptung einer IM-Tätigkeit lassen sich nicht durch die bloße und damit gleichfalls unsubstantiierte Behauptung ersetzen, die Tatsache der IM-Tätigkeit sei dem Behauptenden durch anonyme Dritte zugetragen worden. Ebenso wenig können die erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte unterstellt werden, wenn ein Prozessbevollmächtigter jede nähere Angabe unter Hinweis auf sein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht ablehnt, dies zumal dann, wenn er selbst zuvor die Notwendigkeit gesehen hat, die ihm gemachten Informationen „überprüfen” zu müssen. Wer tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit einer Behauptung unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verschweigt, enthält dem in einem verwaltungsprozessualen Verfahren gestellten Beweisantrag die erforderliche Grundlage vor. Eine derartige Wahrnehmung des Zeugnisverweigerungsrechts bedingt den Verlust des entsprechenden Aufklärungsanspruchs.
Unsubstantiiert war auch der Antrag, Frau Gertraude S. als Zeugin zum Beweis der Behauptung zu vernehmen, dass sie am 14. September 1972 nicht amtierender Bürgermeister war. Die auf Anfrage der Klägerin zu 3 erteilte Auskunft der Stadtverwaltung Bad L. vom 25. November 1999, wonach Frau S. „die Funktion des Bürgermeisters in der Stadt Bad L. nicht ausgeübt hat”, war durch das Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Bad L. vom 17. Dezember 1999 an das Verwaltungsgericht überholt. Aus den mit diesem Schreiben übermittelten Unterlagen ergab sich, dass Frau S. im Jahr 1970 als hauptamtlicher Stadtrat gewählt worden war und am 26. Oktober 1972 eine Sitzung des Rats der Stadt als amtierender Bürgermeister geleitet hatte. Ferner lag dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten ein Arbeitsvertrag vom 14. Juni 1971 vor, der für den Rat der Stadt von Frau S. mit der Amtsbezeichnung „amt. Bürgermeister” unterschrieben worden war. Im Einklang hiermit ging aus der notariellen Urkunde hervor, dass Frau S. bei Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags vom 14. September 1972 als amtierender Bürgermeister für den Rat der Stadt aufgetreten war. Angesichts dieser übereinstimmenden urkundlichen Nachweise war die in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2001 unter Beweis gestellte Behauptung der Kläger bar jeder tatsächlichen Substanz und damit nicht geeignet, das Verwaltungsgericht zur Beweiserhebung zu verpflichten.
2. Auch in der Ablehnung des Antrags, Frau S. als Zeugin zum Beweis dafür zu vernehmen, dass diese und die Mutter des Beigeladenen sich bereits vor Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags „persönlich” kannten, liegt kein Verfahrensfehler, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.
Die im Verhandlungstermin vom 11. November 1999 als Zeugin vernommene Mutter des Beigeladenen hatte ausgesagt, sie habe Frau S. „nur als Bürgermeisterin und nicht persönlich” gekannt. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil durch die Zeugenaussage bereits das Gegenteil der Behauptung bewiesen sei. Diese Erwägung könnte für sich genommen Anlass zu der Annahme geben, die Vorinstanz habe in der Unwahrscheinlichkeit einer Falschaussage der Mutter des Beigeladenen einen hinreichenden Grund für die Ablehnung des Beweisantrags gesehen. Wäre dem so, läge darin eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Die Unwahrscheinlichkeit einer behaupteten und unter Beweis gestellten Tatsache rechtfertigt es nicht, von einer Beweisaufnahme abzusehen (Beschluss vom 22. September 1992 – BVerwG 7 B 40.92 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 71; Urteil vom 19. März 1998 – BVerwG 2 C 5.97 – BVerwGE 106, 263 ≪265 f.≫). Aus dem Zusammenhang der Begründung des angegriffenen Urteils ergibt sich jedoch, dass die Ablehnung einer Vernehmung der Frau S. entscheidungstragend auf der mangelnden Substantiierung der dem Beweisantrag zugrunde liegenden tatsächlichen Behauptung beruhte. Das Verwaltungsgericht hat den Standpunkt vertreten, die Kläger hätten nichts dafür dargelegt, dass die Mutter des Beigeladenen zu dem in Rede stehenden Punkt die Unwahrheit gesagt haben könnte. Anhaltspunkte hierfür seien auch aus dem zwischen der Mutter des Beigeladenen und der Rechtsvorgängerin der früheren Kläger zu 1 und 2 in den Jahren 1972/73 geführten Briefwechsel nicht ersichtlich. Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine mögliche Falschaussage der Mutter des Beigeladenen musste das Verwaltungsgericht dem entsprechenden Beweisantrag nicht nachgehen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich mit derartigen unsubstantiierten Behauptungen zu befassen.
Die Beschwerde hat ihr Vorbringen zu dem Beweisantrag gegenüber dem Senat dahin ergänzt, die Klägerin zu 3 werde in einer Parteivernehmung aussagen, dass sich die Mutter des Beigeladenen und Frau S. privat gekannt hätten, „da beide zur selben Zeit im selben Haus arbeiteten in einer Bank bzw. in der Stadtverwaltung als Stadträtin”. Es mag offen bleiben, ob mit diesem Vorbringen eine gewisse Wahrscheinlichkeit der in Rede stehenden Behauptung dargelegt ist, so dass ein so begründeter Beweisantrag als hinreichend substantiiert anzusehen wäre. War ein in der Tatsacheninstanz gestellter Beweisantrag unsubstantiiert, ändert sich daran nichts, wenn er im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde durch Tatsachen und Behauptungen nachgebessert wird. Ebenso wenig lässt sich die Aufklärungsrüge mit neuem tatsächlichen Vorbringen begründen, das ein anwaltlich vertretener Kläger in der Vorinstanz unterlassen hat.
3. Ohne Verletzung seiner Aufklärungspflicht hat das Verwaltungsgericht schließlich den Antrag abgelehnt, zum Beweis dafür, dass die in die Verrechnung des Kaufpreises eingeflossenen Grabkosten angesichts der Beisetzung ihres Kindes in der Grabstelle ganz überwiegend die Eltern des Beigeladenen betrafen, eine Auskunft der Friedhofsverwaltung einzuholen. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag aus mehreren selbständig tragenden Gründen abgelehnt, unter anderem deswegen, weil im Erbauseinandersetzungsvertrag nur ein Teil der Grabpflegekosten in Ansatz gebracht worden sei und weil es sich dabei um die Pflege des Grabs der Großeltern der Kläger gehandelt habe, so dass selbst dann, wenn auch der Bruder des Beigeladenen in diesem Grab beigesetzt sei, nicht von einer überwiegenden Kostentragungspflicht der Eltern des Beigeladenen ausgegangen werden könne. Das Verwaltungsgericht hat damit die Behauptung der Kläger, dass in dem Grab auch der Bruder des Beigeladenen beigesetzt sei, als wahr unterstellt. Die Wahrunterstellung ist nicht zu beanstanden, weil die entsprechende Behauptung der Kläger aus der rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts unerheblich war. Unbegründet ist der Vorwurf der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe die Beweiswürdigung mit seiner Annahme vorweggenommen, dass auch bei dieser Wahrunterstellung die Grabpflegekosten jedenfalls nicht ganz überwiegend den Eltern des Beigeladenen zuzurechnen gewesen seien. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung vertreten, dass es unter den gegebenen Umständen für die Höhe und die Verteilung der Grabpflegekosten nicht darauf ankomme, dass in dem Grab auch der Bruder des Beigeladenen beigesetzt sei. Darin liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Kley, Herbert
Fundstellen