Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag, Erfordernis vorherigen -s an den Dienstherrn vor Schadenersatzklage eines Soldaten. Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigung des Beförderungsbegehrens eines Soldaten, auch hilfsweise, keine Klageänderung. Klageänderung, Fortsetzungsfeststellungsklage keine –. Personalratsmitglied, Beförderung eines als – freigestellten Soldaten. Schadenersatz wegen abgelehnter Beförderung eines Soldaten, vorheriger Antrag an Dienstherrn
Leitsatz (amtlich)
1. Die Schadenersatzklage eines Soldaten aus dem Dienstverhältnis setzt einen vor Klageerhebung an den Dienstherrn zu stellenden Antrag als nicht nachholbare Klagevoraussetzung voraus (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Bei Erledigung eines ursprünglich auf Beförderung gerichteten Klagebegehrens kann der Soldat – auch hilfsweise und in der Revisionsinstanz – unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen.
3. Das Verbot der Beeinträchtigung freigestellter Personalratsmitglieder in ihrem beruflichen Werdegang gilt auch für freigestellte Soldatenvertreter. Das Verfahren zur Verwirklichung dieses Grundsatzes, insbesondere im Hinblick auf fehlende dienstliche Beurteilungen, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn.
4. Verwaltungsvorschriften sind nicht wie Rechtsnormen aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der anordnenden Stelle unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handhabung auszulegen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Normenkette
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 142; SG § 3 (vgl. BBG § 23, § 172 sowie BRRG § 126), § 59 (vgl. BBG § 23, § 172 sowie BRRG § 126); SG – F. 1975 – § 35a; BPersVG §§ 8, 46 Abs. 3 S. 6; BGB § 133
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 1994 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. August 1993 wird insoweit zurückgewiesen, als der Kläger beantragt, ihn so zu stellen, als wäre er zum 1. April 1991 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden.
Wegen des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags des Klägers wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der 1940 geborene Kläger war bis zu seinem Dienstzeitende am 31. März 1993 Berufssoldat. Zuletzt war er bis einschließlich Mai 1985 als Hauptfeldwebel auf dem für Stabsfeldwebel bzw. Hauptfeldwebel vorgesehenen Dienstposten „Sanitätsfeldwebel …” beim … eingesetzt. Seit dem 1. Juni 1985 war er als Mitglied des Personalrates dieses Krankenhauses von der dienstlichen Tätigkeit freigestellt; er wurde dort auf einer Planstelle A 9/A 8 m.A. „zbV” geführt. Am 1. Oktober 1989 wurde er zum Stabsfeldwebel befördert.
Zum 30. September 1984 wurde der Kläger letztmals dienstlich beurteilt; er erhielt die Gesamtbewertung „2 C”. Diese Beurteilung wurde, da der Kläger inzwischen freigestellt War, zu den nachfolgenden Beurteilungsterminen „fortgeschrieben”, und zwar zum 30. September 1986 mit der Gesamtbewertung „2 C”, zum 30. September 1988 mit dem „Durchschnittssummenwert 2,4” und „drei Ausprägungsgraden B” und zum 30. September 1990 mit dem „Durchschnittssummenwert 2,0” und „vier Ausprägungsgraden B”.
Unter dem 22. März 1991 suchte der Kläger um seine Beförderung zum Oberstabsfeldwebel zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach. Er begründete den Antrag damit, daß er nach der fiktiven Laufbahnnachzeichnung für freigestellte Personalratsmitglieder schon seit einiger Zeit zur Beförderung anstehe; schon am 1. Mai 1990 hätte er fiktiv auf einen Oberstabsfeldwebeldienstposten versetzt werden müssen. Diesen Antrag lehnte die Stammdienststelle des Heeres mit Bescheid vom 7. Mai 1991 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Kläger sei zu seinem letztmöglichen Beförderungstermin am 1. April 1991 in das Beförderungsauswahlverfahren zum Oberstabsfeldwebel einbezogen worden. Dabei sei er mit den nicht freigestellten Stabsfeldwebeln/Oberstabsfeldwebeln seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe unter Heranziehung der fiktiv fortgeschriebenen Beurteilungen als Bewertungskriterien verglichen worden. Mit dem sich aus diesen Beurteilungen ergebenden Leistungsbild sei es nicht möglich gewesen, ihn fiktiv auf einen Oberstabsfeldwebeldienstposten zu versetzen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies der Bundesminister der Verteidigung mit Bescheid vom 27. April 1992 zurück.
Der Kläger hat Klage zunächst mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu seiner Beförderung zum Oberstabsfeldwebel zu verpflichten und festzustellen, daß sie spätestens zum 1. April 1991 zu dieser Beförderung verpflichtet gewesen sei. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand hat der Kläger den Klageantrag dahin gestellt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Mai 1991 und des Beschwerdebescheids vom 27. April 1992 zu verpflichten, ihn so zu stellen, als wäre er zum 1. April 1991 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden.
Diese Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen: Sie sei zwar im vorliegenden Falle ohne vorherigen Antrag an die Beklagte auf Schadenersatz zulässig, aber unbegründet, weil sich jedenfalls nicht feststellen lasse, daß der Kläger bei fehlerfreier Entscheidung der Beklagten befördert worden wäre. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Die Klage auf Schadenersatz sei zulässig. Eines sonst der Klageerhebung vorzuschaltenden besonderen Antrags an den Dienstherrn bedürfe es nicht, wenn – wie hier – bereits ein Verwaltungs- und Vorverfahren betreffend den (Erfüllungs-) Anspruch auf Beförderung zu dem nunmehr dem Schadenersatzbegehren zugrunde gelegten Termin durchgeführt worden sei.
Die Klage sei auch begründet. Das Berufungsgericht habe die Überzeugung gewonnen, daß die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht zum 1. April 1991 zu befördern, auf einem fehlerhaften Auswahlverfahren beruhe und daß die Beklagte bei ordnungsgemäßer Durchführung des Auswahlverfahrens voraussichtlich zugunsten des Klägers entschieden hätte. Der Bundesminister der Verteidigung habe in den einschlägigen Kurzmitteilungen über personelle Grundsatzfragen 1989 und 1991 (PersKM 1/89 und 1/91) Richtlinien zur Förderung vom Dienst freigestellter Soldaten erlassen. Aus diesen Richtlinien sei zu entnehmen, daß von drei dort genannten unterschiedlichen Verfahren zur Vorbereitung der Entscheidung mindestens zwei Verfahren nebeneinander anzuwenden seien. In der Tat werde lediglich eine derartige Kombination der Forderung gerecht, im Spannungsfeld zwischen verbotener Benachteiligung und ebenso untersagter Begünstigung eine vertretbare Lösung zu finden. Demgegenüber habe die Beklagte den Kläger ausschließlich nach der fortgeschriebenen Beurteilung in die Beförderungskampagne zum 1. April 1991 einbezogen und nicht daneben noch eines der beiden weiteren Verfahren angewandt. Das Berufungsgericht gehe – auch aufgrund des Prozeßverhaltens der Beklagten – davon aus, daß die Beklagte bei ordnungsgemäßer Anwendung eines weiteren Verfahrens voraussichtlich zugunsten des Klägers entschieden hätte. Schließlich seien keine Umstände ersichtlich, die es zuließen, den festgestellten Verstoß gegen ausdrückliche Verfahrensvorschriften noch nicht einmal als fahrlässig zu betrachten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der sie beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 1994 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. August 1993 zurückzuweisen.
Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt,
sie zurückzuweisen,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht spätestens zum 1. April 1991 zum Oberstabsfeldwebel zu befördern, rechtswidrig gewesen ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und hinsichtlich des Hauptantrags im Ergebnis zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils erster Instanz, hinsichtlich des Hilfsantrags zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
1. Hinsichtlich des auf Schadlosstellung gerichteten Hauptantrags ist die Klage mangels vorherigen Antrags an den Dienstherrn unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine auf Schadenersatz gerichtete Klage eines Beamten, Richters oder Soldaten aus dem Dienstverhältnis, insbesondere wegen Verletzung der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht oder seiner selbständigen Pflicht, Beförderungsentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen (BVerwGE 80, 123), eine Konkretisierung durch einen vor Klageerhebung an den Dienstherrn zu stellenden Antrag voraus (vgl. für Beamte und Richter etwa die Urteile vom 30. August 1973 – BVerwG 2 C 10.73 – ≪Buchholz 232 § 181 Nr. 6≫; vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 59.73 – ≪ZBR 1978, 33≫; vom 2. Oktober 1986 – BVerwG 2 C 11.85 –; Beschlüsse vom 15. Juli 1977 – BVerwG 2 B 36.76 – ≪Buchholz 232 § 79 Nr. 66≫; vom 27. Juni 1980 – BVerwG 2 B 80.79 –; vom 1. Dezember 1993 – BVerwG 2 B 115.93 – ≪Buchholz 232 § 79 Nr. 110≫; für Soldaten Urteile vom 17. April 1975 – BVerwG 2 C 30.73 – ≪Buchholz 235 § 1 Nr. 1≫ und vom 27. Juni 1986 – BVerwG 6 C 131.80 – ≪BVerwGE 74, 303, 306≫). Von dieser Rechtsprechung sind auch die Vorinstanzen grundsätzlich ausgegangen. Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlaß, sie allgemein oder jedenfalls in bezug auf Soldaten in Frage zu stellen. Es entspricht dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes allgemein sowie insbesondere in bezug auf die genannten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse, daß sowohl das der Klage vorgeschaltete Vorverfahren als auch die Klage selbst die vorherige Konkretisierung des Schadenersatzbegehrens durch einen an den Dienstherrn gestellten Antrag voraussetzen. Dieser gibt dem Dienstherrn Gelegenheit zu zunächst verwaltungsinterner umfassender Prüfung und zu dem Versuch, entweder durch Abhilfe oder durch nähere Begründung seines Standpunktes einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Eine Ausnahme – wie vom Berufungsgericht sowie dem Verwaltungsgericht vertreten – besteht auch nicht, wenn ein Beamter, Richter oder Soldat zunächst einen (Erfüllungs-)Anspruch auf Beförderung geltend gemacht und dieses Begehren sich sodann erledigt hat, sei es durch Beförderung eines Mitbewerbers (BVerwGE 80, 123), durch Eintritt in den Ruhestand – wie hier – oder aus einem anderen Grunde. Bei dem (Erfüllungs-)Anspruch auf Beförderung und dem statt dessen erhobenen Anspruch, im Wege des Schadenersatzes so gestellt zu werden, als ob die Beförderung erfolgt wäre, handelt es sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände mit zu erheblichen Teilen unterschiedlichen Voraussetzungen. Wenn gleichwohl, wie von den Vorinstanzen ausgeführt, die umgestellte Klage nicht unter dem Gesichtspunkt der Klageänderung unzulässig ist, so läßt dies sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen, hier das Erfordernis des vorherigen Antrags an den Dienstherrn, unberührt (vgl. Beschluß vom 14. Juni 1984 – BVerwG 2 B 67.83 –). Im übrigen hat es das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung jeweils gerade nicht als ausreichend erachtet, daß der Beamte sich gegenüber dem Dienstherrn bereits unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem des Schadenersatzes gegen das beanstandete Verhalten gewandt hatte. Auch übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten, daß sie „Verfahren und Vorverfahren als erledigt ansehen und um eine Sachentscheidung bitten”, können den vorherigen Antrag nicht ersetzen (vgl. Beschluß vom 27. Juni 1980 – BVerwG 2 B 80.79 –).
All dies gilt in gleicher Weise auch hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, sein Anspruch finde auch eine Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG, der ihm unmittelbar einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Herstellung des Zustands verleihe, wie er sich bei benachteiligungsfreier Laufbahnnachzeichnung ergeben würde. Hierfür beruft sich der Kläger auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. September 1990 – 7 AZR 208/89 – (BAGE 66, 85). In diesem Urteil ist das Bundesarbeitsgericht – abweichend von früherer Rechtsprechung – davon ausgegangen, daß ein als Personalratsmitglied freigestellter Arbeitnehmer, der ohne seine Freistellung in eine Position mit höherer Vergütungsgruppe aufgestiegen wäre, den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung einer Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe in Anspruch nehmen könne, ohne daß es dafür – wie bei einem Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB – auf ein Verschulden des Arbeitgebers ankäme. Indessen würde, wenn ein solcher unmittelbarer Zahlungsanspruch auch für Beamte und – wie hier – Soldaten materiellrechtlich in Betracht käme, dafür das Erfordernis der vorherigen Konkretisierung durch einen Antrag an den Dienstherrn in gleicher Weise gelten wie für den Schadenersatzanspruch. Die hierfür dargelegten Gründe hängen nicht von dem Gesichtspunkt der Verschuldenshaftung ab. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht in Fällen, in denen anstatt oder neben einem Schadenersatzanspruch das Klagebegehren auch auf einen – vermeintlichen – verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsanspruch gestützt wurde, in gleicher Weise einen vorherigen Antrag gefordert (vgl. Urteile vom 17. April 1975 und vom 4. November 1976 sowie Beschluß vom 15. Juli 1977 ≪jeweils a.a.O.≫). Für den hier geltend gemachten vermeintlichen unmittelbaren Herstellungsanspruch gilt nichts anderes. – Im übrigen läßt sich die angeführte Erwägung des Bundesarbeitsgerichts über einen unmittelbaren Zahlungsanspruch nicht auf die gesetzlich abschließend geregelte Besoldung und Versorgung von Beamten und Soldaten übertragen, die sich nach dem derzeit bzw. zuletzt innegehabten statusrechtlichen Amt oder Dienstgrad richtet (§§ 16, 19 BBesG; § 4 Abs. 3, § 5 BeamtVG; §§ 16 bis 18 SVG). Für einen unmittelbaren Zahlungsanspruch auf Besoldung oder Versorgung aus einem nicht übertragenen Amt oder Dienstgrad ist kein Raum.
Eine unzumutbare Erschwerung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzes ergibt sich aus dem Antragserfordernis nicht, wie im Beschluß des Senats vom 1. Dezember 1993 – BVerwG 2 B 115.93 – (a.a.O.) ausgeführt. Hat ein Beamter, Richter oder Soldat zunächst – wie hier – auf Aufhebung der seine Beförderung ablehnenden Bescheide sowie ggf. auf Verpflichtung des Dienstherrn zur Beförderung oder zur Neubescheidung geklagt, so kann er unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen.
Nach dem vorliegend festgestellten Sachverhalt hat der Kläger vor Klageerhebung keinen Antrag auf Schadenersatz oder eine entsprechende Leistung an die Beklagte gestellt. Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Der Antrag des Klägers vom 22. März 1991 war ausdrücklich und allein auf Beförderung zum Oberstabsfeldwebel gerichtet, seine Beschwerde vom 23. Mai 1991 ausweislich der Begründung vom 30. Juli 1991 auf Aufhebung des seinen Beförderungsantrag ablehnenden Bescheides. Auch inhaltlich ist den Schreiben kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß und ggf. ab wann der Kläger neben oder anstatt der begehrten Beförderung – notfalls – Ersatz der durch deren Unterbleiben entgangenen oder noch entgehenden erhöhten Bezüge verlange. Soweit der Kläger Ausführungen dahin gehend gemacht hat, daß er bereits früher hätte befördert werden müssen, kann dem nicht mehr als eine Bekräftigung seines vorgetragenen Beförderungsverlangens entnommen werden. Demgemäß beschränkten sich der angegriffene Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten darauf, „den Antrag auf Beförderung zum Oberstabsfeldwebel” abzulehnen bzw. die „Beschwerde gegen die Ablehnung Ihrer Beförderung zum Oberstabsfeldwebel” zurückzuweisen. Auch war die Beförderung bis zum Eintritt des Klägers in den Ruhestand rechtlich grundsätzlich möglich.
2. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten zur Nichtbeförderung des Klägers ist zulässig, bedarf jedoch erneuter tatsächlicher Prüfung.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist keine Klageänderung und damit auch in der Revisionsinstanz, unbeeinträchtigt durch § 142 VwGO, noch möglich (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 ZPO; vgl. BVerwGE 59, 148 ≪158 f.≫; 65, 167 ≪168 f.≫; Urteil des Senats vom 15. November 1984 – BVerwG 2 C 56.81 – ≪Buchholz 310 § 113 Nr. 145≫). Ein solcher Feststellungsantrag kann nicht nur als Hauptantrag, sondern auch als Hilfsantrag gestellt werden, nachdem das ursprüngliche Begehren auch im Berufungsverfahren (mit-) verfolgt worden ist (vgl. BVerwGE 61, 128; Urteil des Senats vom 25. August 1988 – BVerwG 2 C 62.85 – ≪Buchholz 237.6 § 8 Nr. 4 S. 7, insoweit in BVerwGE 80, 127 nicht abgedruckt≫). Das erforderliche Feststellungsinteresse kann dem Kläger angesichts seines im Verfahren bereits geltend gemachten Schadenersatzbegehrens und des bisherigen Prozeßverlaufs nicht abgesprochen werden.
Der zulässige Hilfsantrag hat zur Folge, daß der Senat auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil auch darauf zu prüfen hat, ob der festgestellte Sachverhalt die – gegenüber dem ergangenen Leistungsausspruch weniger weitgehende – begehrte Feststellung rechtfertigt. Das ist nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtbeförderung die von ihm herangezogenen Richtlinien der Beklagten wie Rechtsnormen aus sich heraus ausgelegt. Dadurch ist es zur Auffassung gelangt, die Beklagte hätte schon nach ihren eigenen Richtlinien zum Vergleich des Klägers mit nicht freigestellten Soldaten neben der (fiktiven) Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung des Klägers mindestens ein weiteres der in ihren einschlägigen Richtlinien (Nr. 2.4 Abs. 5 der PersKM 1/89) genannten Vergleichsverfahren anwenden müssen.
Verwaltungsvorschriften sind jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht wie Rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der anordnenden Stelle unter Berücksichtigung der tatsächlichen Handhabung auszulegen (vgl. etwa Urteile vom 2. Februar 1995 – BVerwG 2 C 19.94 – ≪Buchholz 237.6 § 75 Nr. 3 = ZBR 1995, 240≫ und vom 2. März 1995 – BVerwG 2 C 17.94 – ≪Buchholz 240 § 17 Nr. 7 = ZBR 1995, 238≫, jeweils m.w.N.; im gleichen Sinne z.B. Urteil vom 17. Januar 1996 – BVerwG 11 C 5.95 – ≪NJW 1996, 1766≫). Demgemäß hätte das Berufungsgericht erforschen müssen, in welchem Sinne die Beklagte die von ihr herausgegebenen Richtlinien in dem hier maßgebenden Punkte verstanden wissen wollte und tatsächlich verstanden und angewandt hat. Dazu bestand um so mehr Anlaß, als schon der Wortlaut jedenfalls nicht zwingend für die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung spricht. So mögen z.B. das Wort „können” und die Betonung der zu treffenden „Einzelfallentscheidung” auch eine Handhabung in Betracht ziehen lassen, daß mit dem vom Berufungsgericht als maßgebend herangezogenen Satzteil „von denen keines allein die eigentliche Entscheidung selbst darstellen darf” lediglich ein rein schematisches Vorgehen ausgeschlossen und eine zumindest kontrollierende Würdigung des Einzelfalles darauf, ob dessen Umstände ein Abweichen vom rechnerisch ermittelten Ergebnis veranlassen, geboten werden sollen.
Soweit das Bundesministerium der Verteidigung das Verfahren für freigestellte Soldatenvertreter abweichend von den vom Bundesministerium des Innern zur unmittelbaren Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes herausgegebenen Richtlinien geregelt hat, sieht der Senat dagegen aus den vom 1. Wehrdienstsenat (BVerwGE 93, 188) dargelegten Gründen, denen auch das Berufungsgericht gefolgt ist, keine Bedenken. Der Kläger verkennt bei seinen neuerlichen Einwänden gegen die Befugnis des Bundesministeriums der Verteidigung zu einer solchen Regelung schon, daß es sich nicht um die unmittelbare Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes handelt, sondern lediglich um eine Anwendung im Rahmen der Verweisung des § 35 a SG a.F. bzw. des Soldatenbeteiligungsgesetzes. Denn das Bundespersonalvertretungsgesetz regelt selbst nur die Vertretung der in seinem § 4 als Beschäftigte genannten Beamten, Angestellten und Arbeiter sowie ggf. Richter.
Es ist auch nicht zu erkennen, daß nur das vom Berufungsgericht für geboten gehaltene Verfahren dem Gesetz gerecht würde. Allerdings gilt der Grundsatz der Vermeidung sowohl von Benachteiligungen wie von Begünstigungen nach §§ 8, 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG gemäß § 35 a SG in der bis zum Inkrafttreten des Soldatenbeteiligungsgesetzes – SBG – am 22. Januar 1991 geltenden Fassung bzw. gemäß dem Soldatenbeteiligungsgesetz auch für freigestellte Soldatenvertreter in einem Personalrat. Indessen liegt das Verfahren zur Verwirklichung dieses Grundsatzes, insbesondere im Hinblick auf fehlende dienstliche Beurteilungen, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Dabei darf sie in typisierender Weise vorgehen und den Verwaltungsaufwand zur Ermittlung einer fiktiven Laufbahnentwicklung in praktikablen Grenzen halten sowie die Erörterung von Personalangelegenheiten anderer Soldaten auf das unvermeidliche Maß beschränken. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen grundsätzlichen Verstoß der im Verfahren erörterten „Fortschreibung” der letzten tatsächlichen dienstlichen Beurteilung gegen die gesetzliche Regelung, sofern in irgendeiner Weise, etwa durch die Art der Fortschreibung oder durch die anschließende – in der Richtlinie hervorgehobene – Einzelfallentscheidung, auch der Gesichtspunkt einer durchschnittlich zu erwartenden Leistungssteigerung berücksichtigt wird.
Die Prüfung des letzteren Gesichtspunktes erfordert ebenso wie die gebotene Art der Auslegung der Verwaltungsvorschriften eine erneute tatsächliche Prüfung, deretwegen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Dr. Müller, Dr. Bayer, Dr. Schmutzler
Fundstellen
Haufe-Index 1213618 |
ZBR 1998, 46 |
DÖV 1998, 256 |
PersR 1997, 533 |
DVBl. 1998, 191 |