Entscheidungsstichwort (Thema)
Standortzwischenlager. Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen. Zuständigkeit des Bundesamts für Strahlenschutz. Schadensvorsorge. Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter. Auslegungsstörfall. auslegungsüberschreitendes Ereignis. Restrisiko. gezielter Flugzeugabsturz. Hohlladungsbeschuss von Castorbehältern. Drittschutz. Kontrolldichte
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift über die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes eines Standortzwischenlagers gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) dient auch dem Schutz individueller Rechte eines in der Nähe des Zwischenlagers wohnenden Drittbetroffenen. Der Drittschutz ist nicht auf die erforderliche Schadensvorsorge gegen Auslegungsstörfälle beschränkt.
Soweit die Behörde Schadensvorsorge für erforderlich hält, steht dem Drittbetroffenen ein entsprechender Genehmigungsabwehranspruch zur Verfügung, wenn er einen hinreichend wahrscheinlichen Geschehensablauf vorträgt, bei dem eine Verletzung in seinen Rechten möglich erscheint. Der Schutzanspruch des Drittbetroffenen aus § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG endet dort, wo eine Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit praktisch ausgeschlossen ist.
Über das Maß des erforderlichen Schutzes gegen terroristische Anschläge auf ein Standortzwischenlager entscheidet die Genehmigungsbehörde in eigener Verantwortung. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt.
Normenkette
AtG § 1 Nrn. 2-3, § 6 Abs. 1, 2 Nrn. 2, 4, Abs. 3, § 7 Abs. 1, 2 Nrn. 3, 5, § 9a Abs. 2 S. 3, § 12 Abs. 1 Nrn. 2, 10; StrlSchV § 3 Abs. 1 Nr. 28 S. 1, §§ 47, 49; AtVfV §§ 1, 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 31.01.2007; Aktenzeichen 4 KS 2/04) |
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2007 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel im zugehörigen Standortzwischenlager. Nach der auf 40 Jahre befristeten Genehmigung vom 28. November 2003 darf die Beigeladene innerhalb des abgeschlossenen Geländes des Kernkraftwerks bestrahlte Brennelemente in bis zu 80 Transport- und Lagerbehältern der Bauart Castor V/52 in einem Lagergebäude aus Stahlbeton trocken aufbewahren. Zweck der Aufbewahrung ist die Zwischenlagerung nach Maßgabe näher bestimmter Antragsunterlagen und Auflagen bis zur Einlagerung in ein Endlager.
Der Kläger, der mit seiner Ehefrau ein rund 6 km vom Gelände des Kernkraftwerks entferntes Eigenheim bewohnt, sieht sich in seinen Rechten verletzt, weil die Genehmigung für das Zwischenlager auf unzutreffender Rechtsgrundlage beruhe und die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebotene Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe sowie der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht gewährleistet seien. Drittschutz könne er auch gegen das Gefährdungspotential terroristischer Anschläge wie eines gezielten Flugzeugabsturzes oder eines Beschusses von Castorbehältern mit panzerbrechenden Waffen beanspruchen, die zur Überschreitung der Störfallplanungswerte und der Eingreifrichtwerte für den Katastrophenschutz führten.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, weil hinreichend dargelegt worden sei, dass Rechte des Klägers bei Störfällen und bei Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter durch Überschreitung einschlägiger Grenzwerte oder aufgrund eines entsprechenden Ermittlungsdefizits verletzt werden könnten, habe aber in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Genehmigung sei zu Recht vom Bundesamt für Strahlenschutz erteilt worden. Dessen sachliche Zuständigkeit werde durch die hier maßgebliche Rechtsgrundlage für die Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in einem gesonderten Lagergebäude verfassungsrechtlich einwandfrei eröffnet. Das Erfordernis einer befristeten Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Standortzwischenlagern stelle das Endlagerkonzept nicht in Frage, setze kein individuelles Bedürfnis für ein Zwischenlager voraus und habe keine drittschützende Wirkung. Die Überzeugung des Bundesamts, dass die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe getroffen sei, lasse bei der Risikoermittlung und -bewertung keine Fehler zum Nachteil des Klägers erkennen. Das gelte namentlich für die vom Kläger gerügten Mängel bei der Ermittlung und Bewertung der Langzeitsicherheit der Aufbewahrung, der Widerstandsfähigkeit der Castorbehälter in auslegungsbestimmenden Störfällen und der Eignung des Konzepts zur Behälterreparatur.
Das Gefährdungspotential terroristischer Anschläge mittels eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Lagergebäude oder eines Hohlladungsbeschusses der Castorbehälter sei nach dem normativen Maßstab des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) zu beurteilen. Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, dass der hiernach gebotene Schutz nicht gewährleistet sei. Zwar sei die Beigeladene als Anlagenbetreiberin verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz gegen terroristische Anschläge insbesondere durch baulich-technische Vorkehrungen und durch organisatorische Maßnahmen “bis zum Eintreffen der Polizei” zu treffen. Diese Pflicht bestehe aber nur im allgemeinen Interesse und bezwecke nicht auch den Schutz individueller privater Rechte Dritter. Terroristische Anschläge der in Rede stehenden Art zielten auf den Staat und die Allgemeinheit, um die Bevölkerung zu verunsichern oder den Staat zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen zu nötigen. Ein von der Allgemeinheit abgrenzbarer Personenkreis geschützter Dritter sei dabei nicht bestimmbar. Dem generellen Ziel terroristischer Anschläge entsprechend diene die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter jedenfalls insoweit ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit. Individuelle Rechtsgüter würden – ähnlich wie bei der Restrisikominimierung – nur im Sinne einer Reflexwirkung des Schutzes der inneren Sicherheit geschützt. Ein individueller Anspruch auf bestimmte Schutzvorkehrungen des Staates gegen Terroranschläge sei der Rechtsordnung fremd. Welche vorsorgenden Schutzmaßnahmen gegen terroristische Anschläge die staatlichen Behörden selbst zu treffen hätten und welche Vorkehrungen sie dem Anlagenbetreiber zu diesem Zweck auferlegen könnten oder müssten, sei einem Kontrollanspruch Dritter entzogen.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Die angefochtene Genehmigung sei zu Unrecht auf der Grundlage der Vorschrift über die Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen erteilt worden. Sie hätte nach Maßgabe der Vorschrift über die Genehmigung von Kernkraftanlagen erteilt werden müssen, weil die Realisierung des Zwischenlagers zahlreiche Änderungen der Betriebsgenehmigung insbesondere hinsichtlich des Reparaturkonzepts erfordert habe. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG keine Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalte, sei bundesrechtswidrig. Die Vorschrift sei ebenso wie die Vorschrift über die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG) auch zum Schutz Dritter bestimmt. Ihre drittschützende Wirkung sei durch die staatliche Schutzpflicht für Leben und Gesundheit geboten. Diese setze einen Anspruch des Dritten auf ein einklagbares Schutzniveau voraus. Terroristische Szenarien könnten vom Drittschutz nicht ausgenommen werden, weil der Schutzzweck von der Motivation des Täters unabhängig sei. Der betroffene Personenkreis sei anhand der Auswirkung von Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter abzugrenzen. Das individuelle Betroffensein dürfe nicht in Relation zum zunehmenden kollektiven Gefährdungspotential einer Anlage verneint werden. Der auf individuelle Rechtsgüter bezogene Schutzzweck des Gesetzes stehe der Annahme entgegen, dass der Schutz von Kernkraftanlagen gegen terroristische Anschläge vorrangig der inneren und äußeren Sicherheit des Staates diene und individuelle Schutzgüter nur reflexhaft einbezogen seien. Der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts auf den fehlenden Drittschutz des Gebots der Strahlenminimierung und der Restrisikominimierung liege neben der Sache, weil es dabei um einen Bereich gehe, in dem Risiken praktisch ausgeschlossen seien. Diesem Bereich könnten weder der Hohlladungsbeschuss von Castorbehältern noch der gezielte Flugzeugabsturz zugeordnet werden. Mit seiner Annahme, dass der fehlende Drittschutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter durch die Systematik der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung bestätigt werde, verkenne das Oberverwaltungsgericht die dem Sicherheitsbericht beigemessene Funktion, Dritten die Beurteilung einer Verletzung ihrer Rechte zu ermöglichen. Der Geheimhaltungsbedarf rechtfertige nicht die uneingeschränkte Ablehnung eines Rechtsschutzanspruchs betroffener Dritter. Die Zuordnung des gezielten Flugzeugabsturzes zur “Sicherheitsebene 4”, die den Anlagenbetreiber zu einer nicht drittschützenden Schadensvorsorge verpflichte, widerspreche dem Satz, dass der Drittbetroffene das in Bezug auf die Allgemeinheit erforderliche Maß an Schadensvorsorge einfordern könne und der Bereich des Restrisikos unteilbar sei.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Reichweite des Drittschutzes im Atomrecht ergebe sich nicht unmittelbar aus den Anforderungen an die Schadensvorsorge, sondern aus den Vorschriften über Dosisgrenzwerte und auslegungsbestimmende Störfallplanungswerte. Weder § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG noch andere Gesetze oder Rechtsverordnungen bestimmten Dosisgrenzwerte, die im Fall eines erfolgreichen Terrorangriffs nicht überschritten werden dürften. Die auf anlagenexterne Risiken zielende Schutzrichtung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG lasse darauf schließen, dass die Vorschrift Drittbetroffenen keinen Schutzanspruch einräume. Verfassungsrecht gebiete keinen Anspruch Drittbetroffener auf Überprüfung der Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Anschläge. Ein solcher Anspruch komme allenfalls dann in Betracht, wenn Betreiber und staatliche Behörden keine oder offensichtlich unzulängliche Schutzvorkehrungen getroffen hätten. Drittschutz müsse jedenfalls dort enden, wo nach Maßgabe des Schutzkonzepts eine Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit Drittbetroffener auszuschließen sei. Das sei der Fall, wenn der Evakuierungsrichtwert nach Einschätzung der Beklagten am Wohnort des Klägers nicht überschritten werde. Davon abgesehen komme ein effektiver Schutz Drittbetroffener wegen der geheim zu haltenden Schutzmaßnahmen nicht in Betracht.
Die Beigeladene hält das angegriffene Urteil jedenfalls im Ergebnis für richtig. Das Oberverwaltungsgericht habe den Drittschutz des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG für die vom Kläger geltend gemachten Szenarien terroristischer Anschläge abgelehnt. Unabhängig von einer drittschützenden Wirkung dieser Vorschrift müsse die Klage erfolglos bleiben, weil das Atomgesetz auf derartige Fallkonstellationen nicht anwendbar sei und weil die Szenarien der Sicherheitsebene 4 zuzuordnen seien, die jedenfalls unter dem Aspekt des Drittschutzes zum Bereich des Restrisikos gehöre, dessen Minimierung Dritte nicht beanspruchen könnten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Genehmigung zur Aufbewahrung der Kernbrennstoffe im Zwischenlager auf der Grundlage des § 6 AtG zu erteilen war (1). Unter Verletzung von Bundesrecht hat es jedoch die drittschützende Wirkung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG, wonach der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet sein muss, zumindest teilweise verneint (2). Da es die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat, kann der Senat nicht beurteilen, ob die erteilte Genehmigung dem Schutzerfordernis des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG genügt; das zwingt zur Zurückverweisung (3).
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Aufbewahrungsgenehmigung ist § 6 Abs. 1 AtG. Nach dessen Satz 1 bedarf der Genehmigung, wer Kernbrennstoffe außerhalb der staatlichen Verwahrung aufbewahrt. Zu diesem Personenkreis gehört, wer zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Errichtung eines Standortzwischenlagers innerhalb des abgeschlossenen Geländes einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in einem gesonderten Lagergebäude in Transport- und Lagerbehältern bestrahlte Kernbrennstoffe bis zu deren Ablieferung an eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle aufbewahrt (§ 6 Abs. 3 AtG). Die Verpflichtung trifft die Beigeladene als Betreiberin einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Energie (§ 9a Abs. 2 Satz 3 AtG). Mit der auf die Genehmigungsvoraussetzungen der Nummern 1 bis 4 des Absatzes 2 eingeschränkten Verweisung in § 6 Abs. 3 Satz 2 AtG wird klargestellt, dass das Bedürfnis für die Zwischenlagerung kraft Gesetzes besteht.
Die Regelung des § 6 Abs. 3 AtG verdrängt als lex specialis die Vorschriften des § 7 AtG über die Anlagengenehmigung. Sie wurde durch das Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351) eigens zu dem Zweck eingeführt, die Zwischenlagerung von bestrahlten Brennelementen innerhalb des abgeschlossenen Geländes einer nach § 7 AtG genehmigten Kernkraftanlage dem Erfordernis einer Aufbewahrungsgenehmigung zu unterwerfen (BTDrucks 14/6890 S. 20). Mit der Neuregelung ist klargestellt, dass ein Zwischenlager im Sinne des § 6 Abs. 3 AtG, in dem Kernbrennstoffe in Transport- und Lagerbehältern in einem gesonderten Lagergebäude trocken aufbewahrt werden, kein Teil der genehmigten Kernkraftanlage ist und damit keiner Änderungsgenehmigung nach § 7 AtG bedarf, wie es vor der Neuregelung nahegelegen hätte (vgl. Urteile vom 19. Dezember 1985 – BVerwG 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 ≪328 ff.≫ und vom 4. Juli 1988 – BVerwG 7 C 88.87 – BVerwGE 80, 21 ≪25 ff.≫).
Unter einem “gesonderten Lagergebäude” ist ein als Lager bestimmtes Gebäude zu verstehen, das baulich nicht in den Gebäudekomplex der Kernkraftanlage integriert und deshalb einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Daran ändert sich nichts, wenn beim Betrieb des räumlich getrennten Lagergebäudes andere Anlageneinrichtungen mitbenutzt werden oder sonstige funktionelle Überschneidungen bestehen. Von einem solchen Nutzungs- und Funktionszusammenhang geht das Gesetz vielmehr aus, weil es den Betreiber der Kernkraftanlage zur Errichtung eines Standortzwischenlagers innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Kernkraftanlage und zur Aufbewahrung der bestrahlten Brennelemente in dem Zwischenlager bis zu deren Ablieferung an ein Endlager verpflichtet, um den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks zu sichern (Beschluss vom 24. August 2006 – BVerwG 7 B 38.06 – Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 1). Davon abgesehen lassen sich die Tatbestände der Anlagengenehmigung und der Aufbewahrungsgenehmigung nach dem Genehmigungsgegenstand abgrenzen. Das Genehmigungserfordernis nach § 7 Abs. 1 AtG erfasst außer dem Reaktor auch alle mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen, die seinen gefahrlosen Betrieb im Sinne des auf Erzeugung, Bearbeitung, Verarbeitung, Spaltung oder (Wieder-) Aufarbeitung von Kernbrennstoffen gerichteten Arbeitsprozesses einschließlich Einlagerung der Brennelemente und anlageninterner Kompaktlagerung im Abklingbecken ermöglichen (Urteile vom 19. Dezember 1985, a.a.O. S. 329 und vom 4. Juli 1988, a.a.O. S. 26 f.). Demgegenüber ist Gegenstand der Aufbewahrungsgenehmigung die trockene Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente in Transport- und Lagerbehältern in einem von der Kernkraftanlage gesonderten Lagergebäude, die nicht mehr als Teil des Spaltungsvorgangs, sondern als erster Schritt der Entsorgung anzusehen ist (Koch/Roßnagel, NVwZ 2000, 1 ≪8≫; vgl. auch Böwing, in: 10. Deutsches Atomrechtssymposium, 2000, S. 323 ≪326 f.≫; Roller, ebd. S. 307 ≪309 f.≫).
Wie das Oberverwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, entspricht die angefochtene Genehmigung den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AtG. Das Lagergebäude mit Nebenanlagen ist innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Kernkraftanlage zu errichten, von dem es wiederum durch einen Betriebszaun abgegrenzt wird. Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten sowie das Betriebsregime für das Zwischenlager sind eigenständig geregelt und gegenüber dem Kernkraftwerk abgegrenzt. Dass der Betrieb des Zwischenlagers die vorhandenen organisatorischen und betrieblichen Strukturen für bestimmte Dienstleistungen aus dem Kernkraftwerk nutzt, die während der gesamten Aufbewahrungszeit zur Verfügung stehen, steht mit dem Gesetzeszweck in Einklang und stellt das Merkmal eines “gesonderten Lagergebäudes” nicht in Frage. Die gegenteilige Auffassung der Revision, die mit sicherheitstechnisch bedeutsamen Rückwirkungen, Auswirkungen von Störfällen und Unfällen sowie einer “Verzahnung” des Behälterreparaturkonzepts zwischen dem Kernkraftwerks- und Lagerbetrieb begründet wird, verwechselt den Genehmigungsgegenstand mit den Genehmigungsvoraussetzungen. Wechselwirkungen dieser Art sind im Rahmen der jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen zu berücksichtigen, eröffnen aber für die Genehmigung der Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in dem Standortzwischenlager keine andere Rechtsgrundlage als die des § 6 AtG.
Die Genehmigungsvoraussetzung, dass die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe getroffen ist (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG), hat das Bundesamt für Strahlenschutz in dem angefochtenen Bescheid als erfüllt angesehen. Es hat seine Beurteilung auf der Grundlage von Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt zum Standortzwischenlager und zur Lagerung bestrahlter Brennelemente in Lagerbehältern der Bauart Castor V/52, des TÜV Süddeutschland zur sicherheitstechnischen Eignung, zum Transport und zur Handhabung dieser Behälter zur Aufbewahrung im Zwischenlager, des Öko-Instituts Darmstadt zur Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen sowie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover zu einem seismologischen Standortgutachten vorgenommen. Das Oberverwaltungsgericht hat die von der Genehmigungsbehörde zu verantwortende Risikoermittlung und -bewertung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 19. Dezember 1985, a.a.O. S. 316 f.; vom 22. Oktober 1987 – BVerwG 7 C 4.85 – BVerwGE 78, 177 ≪180 f.≫ und vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪120 f.≫) dahin überprüft, ob sie auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt. Anhand dieses Kontrollmaßstabs ist es zu dem Ergebnis gelangt, die Genehmigungsbehörde habe von Rechts wegen überzeugt sein dürfen, dass nach Maßgabe einer bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge Schäden namentlich in Bezug auf die Langzeitsicherheit der genehmigten Aufbewahrung, die Widerstandsfähigkeit der Behälter bei auslegungsbestimmenden Störfällen und Unfällen sowie das Konzept der Behälterreparatur praktisch ausgeschlossen sind. Hiermit setzt sich die Revision nicht näher auseinander. Sie begnügt sich – im Rahmen ihrer Angriffe gegen die maßgebliche Rechtsgrundlage der Genehmigung – mit der Wiederholung ihres Klagevorbringens. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, Fragen der erforderlichen Schadensvorsorge im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG nachzugehen.
2. Bundesrechtswidrig ist indes die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, als Drittbetroffener könne der Kläger – jedenfalls hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Szenarien eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager und eines Hohlladungsbeschusses der Transport- und Lagerbehälter – nicht beanspruchen, dass bei der genehmigten Aufbewahrung bestrahlter Kernbrennstoffe der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist. Die einschlägige Vorschrift (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) schließt, was das Oberverwaltungsgericht richtig erkannt hat, Risiken aus terroristischen Anschlägen auf atomrechtliche Anlagen ein (a). Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entfaltet die Vorschrift grundsätzlich Schutzwirkung zugunsten Drittbetroffener (b). Ein Schutz Drittbetroffener kann allerdings nur für solche Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter erforderlich sein, die von der dafür verantwortlichen Genehmigungsbehörde in fehlerfreier Risikoermittlung und -bewertung nicht dem Bereich des Restrisikos zugerechnet werden durften (c).
a) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der Genehmigungstatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG objektiv den erforderlichen Schutz gegen einen gezielten Flugzeugabsturz auf ein Zwischenlager und einen Hohlladungsbeschuss der Castorbehälter umfasst.
Terroristische Anschläge auf eine atomrechtliche Anlage sind als Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG einzustufen. Der Genehmigungstatbestand konkretisiert ebenso wie die gleich lautende Vorschrift zur Anlagengenehmigung (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG) den in § 1 Nr. 2 AtG umschriebenen Zweck des Gesetzes, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen und durch Kernenergie oder ionisierende Strahlen verursachte Schädigungen auszugleichen. Die Begriffe der “Störmaßnahmen” und “sonstige(n) Einwirkungen Dritter” sind denkbar weit gefasst, um entsprechend dem Gebot des dynamischen Grundrechtsschutzes (BVerfGE 49, 89 ≪137≫) auch gegenüber neuen Bedrohungsformen durch Handeln Dritter den erforderlichen Schutz bei atomrechtlichen Anlagen zu gewährleisten. Der Tatbestand schließt den Schutz vor Terror- und Sabotageakten sowie vor anderen Gefahren beispielsweise aus einem Flugzeugabsturz oder aus dem Transport gefährlicher Güter auf an der Anlage vorbeiführenden Verkehrswegen ein (Urteil vom 19. Januar 1989 – BVerwG 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 ≪192≫). Die Weite des Tatbestands ist durch das außerordentlich hohe Risikopotential atomrechtlicher Anlagen für Einzelne und für die Allgemeinheit gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 49, 89 ≪139 f.≫).
Die Einbeziehung terroristischer Anschläge in die Tatbestände der § 6 Abs. 2 Nr. 4 und § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise mit der Begründung abgelehnt, Terrorakte kämen nach ihrer Art und Schwere Kriegshandlungen gleich und seien deshalb ebenso wie diese vom Anwendungsbereich der genannten Vorschriften nicht erfasst (OVG Lüneburg, DVBl 2006, 1044; Ossenbühl, NVwZ 2002, 290; von Danwitz, RdE 2002, 113; Wagner, in: Pelzer (Hrsg.), Brennpunkte des Atomenergierechts, 2003, S. 41 ≪43 ff.≫; Czajka, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2004, 2005, S. 69 ≪75 f.≫; Leidinger, DVBl 2004, 95 ≪98≫; differenzierend Sendler, NVwZ 2002, 681 ≪682 f.≫; a.A. VGH München, ZUR 2006, 427; Koch/John, DVBl 2002, 1578 ≪1579 f.≫; P… M… Huber, ZUR 2004, 1 ≪4≫; eingehend Otten, Eigensicherung, 2006, S. 285 ff., bes. S. 305 ff.; jeweils m.w.N.). Es kann offen bleiben, ob die Prämisse einer Ausgrenzung kriegsbedingter Einwirkungen aus dem atomrechtlichen Normprogramm tragfähig ist (vgl. Koch/John, a.a.O. S. 1580; Gaßner/Fischer, in: Brennpunkte des Atomenergierechts, a.a.O., S. 53 ≪55 f.≫). Kriegsbedingte Einwirkungen sind aus völkerrechtlicher Sicht (vgl. Tomuschat, EuGRZ 2001, 535 ≪536≫), aus faktischen Gründen (Koch/John, a.a.O. m.w.N.) und mangels klarer begrifflicher Differenzierungskriterien mit terroristischen Anschlägen nicht ohne weiteres gleichzustellen. Jedenfalls bieten Wortlaut und Schutzzweck des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG keinen Anhaltspunkt dafür, Sicherungsmaßnahmen ausgerechnet gegen terroristische Anschläge als besonders schwerwiegende Einwirkungen auf atomrechtliche Anlagen aus dem Regelungsbereich des Gesetzes auszunehmen (ebenso Beschluss des Länderausschusses für Atomkernenergie – Hauptausschuss – vom Juli 2002, zitiert nach Vorwerk, in: 12. Deutsches Atomrechtssymposium, 2004, S. 237 ≪239≫). Zwar ist die Abwehr terroristischer Gefahren vorrangig eine staatliche Aufgabe. Das schließt aber nicht die Verpflichtung des Betreibers einer atomrechtlichen Anlage aus, wegen der von ihr im Fall eines terroristischen Anschlags ausgehenden Gefährdungen den erforderlichen Schutz bestmöglich zu gewährleisten. Die staatliche Terrorbekämpfung entbindet nicht von der Verpflichtung zu Maßnahmen zum erforderlichen Schutz der Anlage und ihres Betriebs, die in den Verantwortungsbereich des Anlagenbetreibers fallen.
b) Bundesrecht verletzt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Genehmigungstatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG entfalte jedenfalls insoweit keine Schutzwirkung zugunsten Dritter, als er den Betreiber zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Risiken infolge eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager oder eines Hohlladungsbeschusses der Castorbehälter verpflichte.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Drittschutz nur solche Rechtsvorschriften vermitteln, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen. In diesem Sinn drittschützend ist eine Norm, die das geschützte Recht sowie einen bestimmten und abgrenzbaren Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt. Aus dem Atomgesetz ergibt sich nicht das Recht, vor jedweder von einem Kernkraftwerk ausgehenden ionisierenden Strahlung geschützt zu sein. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gewährleistet bezüglich des Betriebs einer Kernkraftanlage “die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge”. Für den mit dieser Vorschrift übereinstimmenden Genehmigungstatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG gilt nichts anderes. Die Schadensvorsorge schließt die Hinnahme eines nach den Maßstäben praktischer Vernunft nicht mehr in Rechnung zu stellenden “Restrisikos” ein. Welches Risiko hiernach bei Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung Drittbetroffenen zugemutet werden darf, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 oder § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 1 Nr. 2 AtG die Exekutive dazu ermächtigt, näher zu bestimmen, welche Vorsorge zu treffen ist, damit bestimmte Strahlendosen und Konzentrationen radioaktiver Stoffe in der Luft und im Wasser nicht überschritten werden. Von der Ermächtigung zu regeln, auf welche Weise der Schutz bestimmter Anlagen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter zu gewährleisten ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 10 AtG), hat der Verordnungsgeber demgegenüber keinen Gebrauch gemacht.
Die erforderliche Vorsorge dafür, dass bestimmte Strahlendosen und bestimmte Konzentrationen radioaktiver Stoffe in Luft und Wasser nicht überschritten werden, wird durch die Bestimmung der Dosisgrenzwerte (§ 47 StrlSchV) und Störfallplanungswerte (§ 49 StrlSchV) konkretisiert. Die Werte konkretisieren die Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil sie die äußerste, nicht mehr überschreitbare Grenze der erforderlichen Schadensvorsorge bestimmen und damit nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Einzelnen vor den Gefahren und Risiken der Kernenergie bewahren sollen. Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik dem Einzelnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehen darf, hat es auch mit dem Drittschutz sein Bewenden. Mehr als die erforderliche Vorsorge, die auf den praktischen Ausschluss eines sich als Grundrechtsverletzung darstellenden Schadens hinausläuft, kann ein Dritter nicht verlangen. Insbesondere gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexposition (vgl. Urteile vom 22. Dezember 1980 – BVerwG 7 C 84.78 – BVerwGE 61, 256 ≪262 ff.≫; vom 19. Dezember 1985, a.a.O. S. 318 ff. und vom 22. Januar 1997 – BVerwG 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 ≪46 ff.≫).
Drittschützend sind auch die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (Urteil vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – Buchholz 451.171 AtG Nr. 11 S. 3 ≪7≫). Der Senat hat in seinem Urteil vom 19. Januar 1989 (a.a.O. S. 191 f.) den Genehmigungstatbeständen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG einen übereinstimmenden Vorsorge- und Schutzstandard beigemessen. Danach ist das Gefährdungspotential, um dessen uneingeschränkte Beherrschung es in beiden Vorschriften geht, ein und dasselbe; der Unterschied liegt nur darin, dass § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG Gefahren und Risiken betrifft, die sich unmittelbar aus der Errichtung und dem Betrieb der Anlage ergeben können, während § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG Gefahren und Risiken erfasst, die aus Einwirkungen Dritter auf die Anlage und damit – mittelbar – ebenfalls aus der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entstehen können. Nach beiden Vorschriften kommen als Maßnahmen der erforderlichen Vorsorge oder des erforderlichen Schutzes in erster Linie baulich-technische und ergänzend organisatorisch-administrative Vorkehrungen in Betracht, die sowohl Vorsorgezwecken der Nr. 3 als auch Schutzzwecken der Nr. 5 dienen und sich häufig gar nicht voneinander trennen lassen. Angesichts dessen ergäbe es keinen Sinn, wäre mit nach Nr. 3 erforderlichen Maßnahmen die bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu gewährleisten, während mit Maßnahmen nach Nr. 5 nur weniger weitreichende Sicherheitsanforderungen gestellt werden könnten. Der Senat hat deshalb § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG dahin ausgelegt, dass der “erforderliche Schutz” ebenso wie in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ein “vorsorgender” Schutz und das Maß des Erforderlichen auch hier “nach dem Stand von Wissenschaft und Technik” zu bestimmen ist. Demgemäß müssen Gefahren und Risiken auch durch Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter praktisch ausgeschlossen sein (Urteil vom 19. Januar 1989, a.a.O.). Daraus folgt, dass die erforderliche Schadensvorsorge im Rahmen des § Abs. 2 Nr. 5 AtG von Drittbetroffenen ebenso eingefordert werden kann wie bei § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Dasselbe gilt für die gleichlautende Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG und ihr Verhältnis zu § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG.
Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts besteht kein hinreichender Grund, bei Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter in der Gestalt eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager oder eines Hohlladungsbeschusses der Castorbehälter den Drittschutz der erforderlichen Schadensvorsorge zu verneinen. Die in § 3 Abs. 1 AtVfV vorgenommene Differenzierung, wonach der Sicherheitsbericht Drittbetroffenen die Beurteilung einer Verletzung in ihren Rechten ermöglichen soll (Nr. 1), während dies bei Angaben zum Schutz der Anlage und ihres Betriebs gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht vorgesehen ist (Nr. 3), gibt als untergesetzliche Regelung für das verfassungsrechtlich gebotene Maß des Drittschutzes im Rahmen der erforderlichen Schadensvorsorge nichts her, ganz abgesehen davon, dass diese Regelung auf die Genehmigung eines Zwischenlagers jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. § 1 AtVfV). Der von einem terroristischen Anschlag auf ein Zwischenlager betroffene Personenkreis ist nach dem Einwirkungsbereich, d.h. den möglichen Auswirkungen eines derartigen Ereignisses, insbesondere der potentiellen Freisetzung der von dem Zwischenlager ausgehenden ionisierenden Strahlung bestimmbar. Die subjektive Motivation terroristischer Täter, die nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts auf Tod und Gesundheitsverletzung einer unbestimmten Vielzahl von Menschen abzielen, stellt den aus der erforderlichen Schadensvorsorge als einem objektiven Kriterium abgeleiteten Drittschutz der Bewohner im Einwirkungsbereich des Zwischenlagers nicht in Frage.
Mit dem Hinweis auf den auf die innere oder äußere Sicherheit gerichteten Schutzzweck (§ 1 Nr. 3 AtG) lässt sich der auch grundrechtlich abgesicherte, auf den Schutz von Leben und Gesundheit zielende Gesetzeszweck (§ 1 Nr. 2 AtG) nicht überspielen. Soweit die Genehmigungsbehörde die dem Einzelnen gegenüber erforderliche Schadensvorsorge nicht als getroffen ansieht, geht das Individualrecht des Drittbetroffenen nicht in einem möglichen, seinerseits nicht wehrfähigen Kollektivrisiko unter (a.A. Renneberg, ZUR 2006, 431). Das Individualrisiko wird durch die Zahl der von diesem Risiko betroffenen Personen weder erhöht noch vermindert (Urteil vom 22. Dezember 1980, a.a.O. S. 266). Wenn ein absoluter Schutz gegen terroristische Anschläge auf atomrechtliche Anlagen unmöglich ist, schließt das nicht den nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schutz aus. Der Drittbetroffene kann hiernach keine bestimmten Schutzvorkehrungen beanspruchen; einen derartigen Anspruch macht der Kläger hier auch nicht geltend. Legt er einen Geschehensablauf dar, der eine Lücke im Konzept zur Beherrschung sonstiger Einwirkungen Dritter aufzeigt, der zugleich so wahrscheinlich ist, dass er nicht mehr dem Restrisiko zugerechnet werden darf, und dessen Folgen geeignet sind, die äußerste Grenze der erforderlichen Schadensvorsorge zu überschreiten, darf er die Gewährleistung des entsprechenden Schutzniveaus verlangen. Der Umstand, dass die gerichtliche Überprüfung namentlich wegen notwendiger Geheimhaltung von Einzelheiten des Sicherungs- und Schutzkonzepts eingeschränkt ist, rechtfertigt es nicht, dem Drittbetroffenen Rechtsschutz im Bereich der erforderlichen Schadensvorsorge gegen terroristische Einwirkungen Dritter vollständig zu versagen. Über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Vorlage von Akten, der Übermittlung elektronischer Dokumente und der Erteilung von Auskünften ist im Fall der Entscheidungserheblichkeit zurückgehaltener Erkenntnismittel in dem dafür bestimmten Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zu entscheiden (vgl. Beschlüsse vom 24. November 2003 – BVerwG 20 F 13.03 – BVerwGE 119, 229 ≪230 f.≫ und vom 21. Februar 2008 – BVerwG 20 F 2.07 – amtl. Umdruck S. 5 ff.≪≪ zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen≫≫).
c) Ein Schutzanspruch Drittbetroffener auf Schadensvorsorge gegen terroristische Anschläge wie einen gezielten Flugzeugabsturz auf das Zwischenlager oder einen Beschuss der Castorbehälter mit panzerbrechenden Waffen besteht allerdings nur unter der Voraussetzung, dass solche Ereignisse nicht dem Bereich des Restrisikos zugeordnet werden dürfen.
aa) Über das Maß des erforderlichen Schutzes gegen terroristische Einwirkungen Dritter auf ein Zwischenlager entscheidet die Genehmigungsbehörde in eigener Verantwortung. Aus der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ergibt sich, dass die Exekutive für die Risikoermittlung und -bewertung, also auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden, allein verantwortlich ist (Urteil vom 14. Januar 1998, a.a.O. m.w.N.). Die in diesem Funktionsvorbehalt zum Ausdruck gebrachte Verantwortung der Exekutive bezieht sich nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Januar 1989, a.a.O.) gleichermaßen auf die Schadensvorsorge (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG) und auf die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG). Angesichts der hiermit übereinstimmenden Normstruktur des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG gilt das in gleicher Weise für die Genehmigung einer atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung im Sinne des § 6 Abs. 3 AtG. Demgemäß unterliegen behördliche Risikoermittlung und -bewertung einschließlich des hinzunehmenden Restrisikos auch im Bereich des erforderlichen Schutzes gegen terroristische Anschläge auf ein Zwischenlager einer eingeschränkten Nachprüfung. Es ist nicht Aufgabe der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, die der Exekutive zugewiesene Bewertung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, die Behörde also im Hinblick auf die Ergebnisse des von ihr durchgeführten Genehmigungsverfahrens “diese Überzeugung von Rechts wegen haben durfte” (Urteil vom 22. Oktober 1987, a.a.O.).
bb) Die in Rede stehenden Szenarien terroristischer Anschläge sind nach geltendem Recht nicht dem Bereich der auslegungsbestimmenden Störfälle zuzurechnen. Infolgedessen ist die erforderliche Schadensvorsorge nach der Rechtsprechung des Senats hier nicht nach den Störfallplanungswerten zu bemessen (Beschluss vom 24. August 2006 – BVerwG 7 B 38.06 – Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 1). Der in § 49 Abs. 1 StrlSchV für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift verwendete Begriff des Störfalls ist in § 3 Abs. 1 Nr. 28 Satz 1 StrlSchV als Ereignisablauf definiert, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind. Damit knüpft die Vorschrift der Sache nach an die Störfall-Leitlinien vom 18. Oktober 1983 an (Handbuch Reaktorsicherheit und Strahlenschutz ≪Stand: Dezember 2003≫, Nr. 3.33; im Folgenden: RSK-Handbuch), deren Gegenstand die Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 (und des § 6 Abs. 2 Nr. 2) AtG betrifft, nicht dagegen näher bestimmte andere Ereignisse, z.B. Ereignisse infolge Flugzeugabsturzes, “die wegen ihres geringen Risikos keine Auslegungsstörfälle sind”. Dem entspricht, dass die Genehmigungsbehörde nach § 49 Abs. 1 Satz 3 StrlSchV diese Vorsorge insbesondere dann als getroffen ansehen kann, wenn der Antragsteller bei der Auslegung der Anlage die Störfälle zugrunde gelegt hat, die nach den veröffentlichten Sicherheitskriterien und Leitlinien für Kernkraftwerke die Auslegung eines Kernkraftwerkes bestimmen müssen.
Zu derartigen “auslegungsbestimmenden” Störfällen im Sinn dieser Vorschrift gehören Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter auch deswegen nicht, weil sie nicht allein dem von der Anlage ausgehenden Betriebsrisiko zuzurechnen sind, sondern maßgeblich durch gleichermaßen zielgerichtetes wie schwer berechenbares Verhalten von Terroristen bestimmt werden. Angesichts dessen kann der vorsorgende Schutz nur durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen des Kraftwerkbetreibers und der staatlichen Sicherheitskräfte nach einem integrierten Sicherungs- und Schutzkonzept gewährleistet werden, wie es den – unveröffentlichten – SEWD-Richtlinien (vgl. Bekanntmachung vom 6. Dezember 1995, RSK-Handbuch Nr. 3.57.3) zugrunde liegt (Vorwerk, a.a.O., S. 237 ≪239≫). Ein solches Konzept unterscheidet sich grundlegend von dem für Auslegungsstörfälle maßgeblichen Konzept der Störfallplanungswerte, die aufgrund weitgehend deterministischer Szenarien auf bauliche und technische Schutzmaßnahmen sowie auf innerbetriebliche Tätigkeiten zielen und deren Anwendbarkeit deshalb auf die Planung der Anlage beschränkt ist. Infolgedessen wäre es systemwidrig, trotz der qualitativen Unterschiede zwischen Auslegungsstörfällen einerseits und Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter andererseits von der Notwendigkeit eines einheitlichen Vorsorgewerts auszugehen. Die Anwendungsbeschränkung des auf die Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 1 Nr. 2 AtG gestützten § 49 Abs. 1 StrlSchV auf Auslegungsstörfälle wird dadurch bestätigt, dass das Atomgesetz für die Regelung des Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter eine besondere Ermächtigungsgrundlage in § 12 Abs. 1 Nr. 10 AtG enthält.
cc) Das deterministische Konzept der Auslegungsstörfälle (§ 49 Abs. 1 StrlSchV) regelt nur die Schadensvorsorge gegen – radiologisch relevante – Störfälle und schließt damit die erforderliche Vorsorge für auslegungsüberschreitende Ereignisse nicht aus. Die erforderliche Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 5 sowie des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG beschränkt sich nicht auf Auslegungsstörfälle (Urteil vom 19. Januar 1989, a.a.O. S. 190). Allerdings ordnete die frühere Genehmigungspraxis Maßnahmen wie die Auslegung der Anlage gegen Flugzeugabstürze oder gegen auslegungsüberschreitende Unfälle dem behördlichen Versagungsermessen (§ 7 Abs. 2 AtG) zu, weil für diese Ereignisse aufgrund der extrem niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit eine Schadensvorsorge nicht für erforderlich gehalten wurde (Roller, VerwArch 95 ≪2004≫, 63 ≪66≫ m.w.N.).
In der aktuellen Genehmigungspraxis wird die erforderliche Schadensvorsorge durch ein vierstufiges, deterministische und probabilistische Elemente enthaltendes Sicherheitskonzept realisiert. Die ersten beiden Sicherheitsebenen umfassen die Störfallverhinderung im Normalbetrieb der Anlage und bei Betriebsstörungen. Der Sicherheitsebene 3 sind die Beherrschung von Auslegungsstörfällen durch das Reaktorschutzsystem und die sonstigen Sicherheitseinrichtungen zugeordnet. Die Sicherheitsebene 4 dient der “Risikominimierung” von auslegungsüberschreitenden Unfällen. Sie ist in drei weitere Ebenen unterteilt. Der Sicherheitsebene 4a unterfällt die “Beherrschung spezieller, sehr seltener Ereignisse”, zu denen zivilisationsbedingte Einwirkungen wie ein Flugzeugabsturz oder eine chemische Explosion gerechnet werden (Roller, in: 12. Deutsches Atomrechtssymposium, a.a.O. S. 115 ≪117 f.≫). Bei einem gezielten Flugzeugabsturz auf atomrechtliche Anlagen besteht nach Einschätzung des Länderausschusses für Atomkernenergie – Hauptausschuss – eine gewisse Parallele zur Sicherheitsebene 4, die die Annahme rechtfertigen soll, dass sich der durch die Betreiber zu gewährleistende erforderliche Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter auf Maßnahmen beschränke, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Strahlenexposition im Ereignisfall “minimieren bzw. begrenzen” (Vorwerk, a.a.O. S. 241).
Nach Auffassung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gehören Maßnahmen der Sicherheitsebene 4 grundsätzlich zu der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG; die Abgrenzung des insoweit durch Vorsorge verminderten Risikos vom sogenannten Restrisiko, gegen dessen Verwirklichung keine behördlichen Maßnahmen erforderlich sind, erfolgt hiernach in den jeweiligen Verwaltungsverfahren, d.h. im Einzelfall. Diese Auffassung ist Grundlage der Bundesaufsicht, die ein entsprechendes Verwaltungshandeln der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden erwartet (Schadensvorsorge außerhalb der Auslegungsstörfälle, Rundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 15. Juli 2003, RSK-Handbuch Nr. 3.79). Dem Rundschreiben liegt ein Bericht über die Sitzung des Länderausschusses für Atomkernenergie – Hauptausschuss – vom 3./4. Juli 2003 zugrunde, aus dem hervorgeht, dass einige Ländervertreter der Auffassung der Bundesaufsicht, die Sicherheitsebene 4 gehöre – vorbehaltlich der Entscheidung im Einzelfall – zu der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge, kritisch gegenüberstehen; Vorsorgemaßnahmen gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse müssten der “Restrisikominimierung” jenseits der tatbestandlichen Schadensvorsorge und damit dem “Versagungsermessen” der Genehmigungsbehörde nach § 7 Abs. 2 AtG zugerechnet werden.
Die Meinung, die eine tatbestandliche Schadensvorsorge gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse ablehnt, sieht sich durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1997, a.a.O. bestätigt. Darin wurde die Grenze zwischen Auslegungsstörfällen und auslegungsüberschreitenden Ereignissen beim Restrisiko angesiedelt. Nach dem – drittschützenden – Konzept der Störfallbeherrschung seien die “anzunehmenden”, d.h. auslegungsbestimmenden Störfälle zu ermitteln, deren Beherrschung die Anlage diene. Die verbleibenden “hypothetischen” Störfälle, die allzu unwahrscheinlich seien, um sie noch bei der Auslegung der Anlage zu berücksichtigen, seien dem Restrisiko zugeordnet. Der Gesetzgeber fordere zwar in § 7 Abs. 2a Satz 1 AtG, der durch Nr. 1 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 19. Juli 1994 (BGBl I S. 1622) eingefügt und durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351) wieder aufgehoben wurde, für Neuanlagen auch die Beherrschung auslegungsüberschreitender Ereignisse. Die entsprechenden Anforderungen dienten aber der “weiteren Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit” (§ 7 Abs. 2a Satz 1 AtG a.F.). Damit sei klargestellt, dass – wie bei Altanlagen – auch bei Neuanlagen Maßnahmen zur Beherrschung von Unfällen nur der Restrisikominimierung dienten und insoweit ein Drittschutz nicht Platz greife; das werde durch die Begründung des Regierungsentwurfs bestätigt (BTDrucks 12/6908, S. 16). Das Urteil beschränkt sich allerdings auf Aussagen zu Störfallrisiken im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Zu auslegungsüberschreitenden Ereignissen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG äußert es sich nicht, damit also auch nicht zu der hier interessierenden Frage der erforderlichen Schadensvorsorge gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (vgl. im Übrigen zum Drittschutz auch Urteil vom 22. Januar 1997, a.a.O. S. 48).
Soweit das Urteil vom 22. Januar 1997, a.a.O. gleichwohl dahin zu verstehen sein sollte, dass Risikovorsorge gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse generell als Restrisikominimierung einzustufen ist, kann sich der inzwischen für das Atomrecht zuständige erkennende Senat dem nicht anschließen. Eine solche Einstufung passt nicht zu dem bereits im Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O. S. 315 f. entwickelten Verständnis des Begriffs der erforderlichen Schadensvorsorge. Dieser einheitliche und umfassende Begriff geht über die Gefahrenabwehr im polizeirechtlichen Sinn hinaus und schließt den Gefahrenverdacht sowie das “Besorgnispotential” ein. Wenn schon gegen Besorgnispotentiale Vorsorgemaßnahmen erforderlich sind, können auslegungsüberschreitende Ereignisse wie Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nicht von vornherein aus dem Tatbestand der erforderlichen Schadensvorsorge ausgeblendet werden. Es wäre widersinnig, Vorsorge dort zu verlangen, wo nur ein Besorgnispotential besteht, aber klar erkannte Unfallszenarien nur im Rahmen des Versagungsermessens zu berücksichtigen. Der weite Begriff der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge ist die Konsequenz des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge. Mit diesem Grundsatz wird die erforderliche Schadensvorsorge von dem Restrisiko abgegrenzt, das als unentrinnbar hinzunehmen ist, weil seine Realisierung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, während bereits eine entfernte Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Risiken die staatliche Schutzpflicht auslöst. Die Anknüpfung der erforderlichen Schadensvorsorge an den Stand von Wissenschaft und Technik trägt dazu bei, den Schutzzweck des Gesetzes jeweils bestmöglich zu verwirklichen. Dem kann nur durch laufende Anpassung der für eine Risikobeurteilung maßgeblichen Umstände an den jeweils neuesten Erkenntnisstand genügt werden (BVerfGE 49, 89 ≪137 ff.≫). Wie die neuere Entwicklung zeigt, hat das Risikopotential im Bereich der auslegungsüberschreitenden Ereignisse zugenommen. Aus der Einfügung der Sicherheitsebene 4 in das gestaffelte Schutzkonzept ergibt sich, dass nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik auch gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse Vorsorgemaßnahmen verlangt werden. Nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Sicherheitsmaßnahmen können nicht außerhalb des Tatbestands der Schadensvorsorge liegen. Sie lassen sich auch nicht unter den Begriff der “Restrisikominimierung” subsumieren, da das Restrisiko durch einen nicht weiter minimierbaren, “unentrinnbaren” Rest gekennzeichnet ist. Mit dem vom Bundesverfassungsgericht verlangten Konzept des dynamischen Grundrechtsschutzes ist es nicht vereinbar, die tatbestandliche Schadensvorsorge an das statische Konzept der Auslegungsstörfälle zu binden und Maßnahmen gegen Risiken durch auslegungsüberschreitende Ereignisse dem Versagungsermessen zuzuordnen (vgl. Roller, in: 12. Deutsches Atomrechtssymposium, a.a.O. S. 124 ff.). Das gilt umso mehr, als Risikovorsorge gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse auch im Rahmen der Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen zu treffen ist und die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 6 AtG ein Versagungsermessen nicht vorsieht.
Hiernach lässt sich auch die drittschützende Wirkung der Vorschriften über die erforderliche Schadensvorsorge nicht verneinen. Der Begriff der Schadensvorsorge ist im Hinblick auf den gesetzlichen Schutzzweck auszulegen, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen (§ 1 Nr. 2 AtG). Die erforderliche Schadensvorsorge zielt damit jedenfalls auch auf den Schutz Drittbetroffener. Das schließt es aus, die Schadensvorsorge in drittschützende und nicht drittschützende Bereiche aufzuspalten (Steinberg/Roller, in: Schadensvorsorge im Atomrecht zwischen Genehmigung, Bestandsschutz und staatlicher Aufsicht, 1991, S. 9 ≪82≫). Soweit die Behörde Schadensvorsorge für erforderlich hält, steht dem Drittbetroffenen ein entsprechender Genehmigungsabwehranspruch zur Verfügung, wenn er einen hinreichend wahrscheinlichen Geschehensablauf vorträgt, bei dem trotz der getroffenen Vorsorge eine Verletzung in seinen Rechten möglich erscheint. Die drittschützende Wirkung der Vorschriften über die erforderliche Schadensvorsorge lässt sich auch nicht mit dem Argument verneinen, Maßnahmen gegen Risiken durch auslegungsüberschreitende Ereignisse dienten der Abwehr eines Kollektivrisikos. Erforderlich, aber auch ausreichend für den Drittschutz ist, dass die einschlägige Vorschrift auch die Rechte des Einzelnen schützt. Dass sie vorrangig den Interessen des Allgemeinwohls dient, ändert daran nichts. So verhält es sich bei § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 und § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG.
3. Das Oberverwaltungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Kläger durch die angegriffene Genehmigung unter dem Aspekt der Szenarien eines gezielten Flugzeugabsturzes auf das Zwischenlager oder eines Hohlladungsbeschusses der Castorbehälter in seinen Rechten verletzt wird oder ob das nicht der Fall ist, weil diese Risiken durch aufeinander abgestimmte Schutzmaßnahmen des Betreibers und Schutzvorkehrungen des Staates praktisch ausgeschlossen sind. Es wird diese tatsächlichen Feststellungen im Rahmen der ihm obliegenden erneuten Prüfung nachzuholen haben. Dabei wird es beachten müssen, dass sich die gerichtliche Kontrolle der von der Exekutive zu verantwortenden Risikoermittlung und -bewertung darauf beschränkt, ob diese auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt. Anhand dieses Maßstabs wird es namentlich zu beurteilen haben, ob die Genehmigungsbehörde willkürfrei annehmen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken einer Leben oder Gesundheit des Klägers möglicherweise gefährdenden Freisetzung ionisierender Strahlen – erstens – durch Beschuss der Castorbehälter mit verfügbaren panzerbrechenden Waffen sowie – zweitens – durch einen gezielten Flugzeugabsturz auf das Zwischenlager, der nach Einschätzung des Bundesministeriums des Innern zwar außerhalb des Wahrscheinlichen liegt, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen und nicht dem Restrisiko zugeordnet werden kann, nach Maßgabe des integrierten Sicherungs- und Schutzkonzepts gewährleistet ist und damit die Risiken “praktisch ausgeschlossen” sind.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Krauß, Neumann, Guttenberger
Fundstellen
BVerwGE 2009, 129 |
BauR 2008, 1427 |
VR 2008, 323 |
ZUR 2008, 363 |
DVBl. 2008, 853 |
NordÖR 2008, 211 |
UPR 2008, 349 |
ZNER 2010, 417 |
KommP BY 2009, 30 |