Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 27.09.2000; Aktenzeichen 5 A 4916/98) |
VG Köln (Urteil vom 14.09.1998) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. September 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 2. bzw. 7. Mai 2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der OMEGA Spielhallen- und Automatenaufstellungs-GmbH (im Folgenden: OMEGA GmbH) ernannt. Er begehrt die Aufhebung einer Ordnungsverfügung der Beklagten, mit der der OMEGA GmbH untersagt wurde, in dem von ihr betriebenen “Laserdrome” bestimmte Spielabläufe zu ermöglichen bzw. zu dulden, die ein “spielerisches Töten” von Menschen zum Gegenstand haben.
Die OMEGA GmbH ist Pächterin des in B… gelegenen bebauten Grundstücks B… Str…; Eigentümer des Grundstücks sind der Geschäftsführer der OMEGA GmbH und seine Mutter. In dem Gebäude wurde früher eine Glaserei betrieben. Mit Schreiben vom 7. September 1992 stellte die OMEGA GmbH eine Bauvoranfrage für die beabsichtigte Nutzungsänderung “von Glaserei in Wettkampfstudio ‘Laserdrome’”. Zur Begründung führte sie aus, es handele sich um einen nicht genehmigungspflichtigen Ausbau der Betriebshalle mit realistischen Kulissen, in denen mit Laserzielgeräten sportliche Wettkämpfe ausgetragen werden sollten. Die Beklagte forderte die OMEGA GmbH im Hinblick auf mögliche “gesellschafts- und sozialrelevante” Bedenken gegen die beantragte Nutzungsart auf, eine nachvollziehbare Betriebs- und Einrichtungsbeschreibung vorzulegen. Die daraufhin am 1. März 1993 von der OMEGA GmbH vorgelegte Betriebsbeschreibung kennzeichnet das Vorhaben als “Einrichtung mit sechs Schießbahnen mit elektronischen Laserzielgeräten”. Am 15. März 1993 erteilte die Beklagte auf dieser Grundlage den Bauvorbescheid.
Die OMEGA GmbH beantragte mit Schreiben vom 30. April 1993 für eine beabsichtigte Nutzungsänderung sowie den Einbau einer Zwischendecke eine Baugenehmigung. Zur Begründung wurde angegeben, dass in dem Wettkampfstudio sechs Schießbahnen sowie mobile Kulissen unterschiedlicher Art angeordnet werden sollten. Ausweislich der Bauzeichnung sollten die sechs Schießbahnen jeweils ca. 15 m lang und 5 m breit sein. Auf dieser Grundlage erteilte die Beklagte am 7. September 1993 die Baugenehmigung.
In der Öffentlichkeit kam es noch vor Inbetriebnahme des Laserdromes zu Protesten. In Unterschriftslisten wandten sich Bürger gegen die Eröffnung der Einrichtung. Ebenso kam es zu parlamentarischen Anfragen im nordrhein-westfälischen Landtag sowie im Deutschen Bundestag.
Zu Beginn des Jahres 1994 forderte die Beklagte die OMEGA GmbH zu einer genauen Beschreibung des beabsichtigten Spielablaufs auf und drohte ihr mit Schreiben vom 22. Februar 1994 den Erlass einer Ordnungsverfügung für den Fall an, dass in dem sog. Laserdrome ein “spielerisches Töten” von Menschen ermöglicht werde. Es sei zu befürchten, dass die Betriebsstätte der OMEGA GmbH in ähnlicher Art wie das Laserdrome in G… betrieben werden solle. Dafür spreche das unternehmerische Konzept, wonach Anlagen mit der Bezeichnung Laserdrome im sog. Franchise-Verfahren betrieben würden, bei dem ein “spielerisches Töten” von Menschen vertraglich vorgeschrieben sei. Daraufhin erwiderte die OMEGA GmbH am 28. März 1994, ihr Vorhaben entspreche weder dem Laserdrome in G…, noch werde ihr Laserdrome im Franchise-Verfahren betrieben. Vielmehr sei Gegenstand des Vorhabens ausweislich der Betriebsbeschreibung ein Wettkampfstudio mit Schießbahnen, die durch Kulissen gestaltet würden. Auf den Schießbahnen würden feste Objekte installiert, die von einem Laserzielgerät getroffen werden müssten. Ein “spielerisches Töten” finde nicht statt.
Die Anlage wurde am 1. August 1994 eröffnet. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass darin auch auf Menschen “geschossen” wurde. In einer rund 500 m(2) großen Halle war nach diesen Feststellungen mit Hilfe von Stellwänden ein weitläufiges Labyrinth aufgebaut. Als Ausrüstung für die Spieler waren maschinenpistolenähnliche Laserzielgeräte sowie Stoffwesten vorgesehen, an denen im Brust- und im Rückenbereich jeweils ein Sensorempfänger befestigt war. Zusätzlich waren in der Halle zehn feste Sensorempfänger installiert, die von den Spielern gefunden werden mussten. Zur optischen Darstellung der “Schüsse” wurde zugleich mit einem Infrarotstrahl ein Laserstrahl projiziert. Treffer wurden durch den Infrarotstrahl erzielt und durch ein akustisches und optisches Signal angezeigt. Ziel des Wettkampfes war es, innerhalb einer vorgegebenen Spielzeit von 15 Minuten eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Für jeden Treffer auf einen fest installierten Empfänger erhielten die Spieler Punkte. Getroffene Spieler wurden mit Punktabzügen belastet. Ein Spieler, der fünf Treffer erhalten hatte, musste an einer Ladestation sein Zielgerät neu aufladen.
Die Beklagte erließ gegenüber der OMEGA GmbH am 14. September 1994 eine Verfügung, mit der dieser untersagt wurde, “in ihrer … Betriebsstätte Spielabläufe zu ermöglichen bzw. zu dulden, die ein gezieltes Beschießen von Menschen mittels Laserstrahl oder sonstiger technischer Einrichtungen (wie zum Beispiel Infrarot), also aufgrund einer Trefferregistrierung ein sog. ‘spielerisches Töten’ von Menschen, zum Gegenstand haben”. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde der OMEGA GmbH ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 DM angedroht. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliege. Die simulierten Tötungshandlungen und die damit einhergehende Verharmlosung von Gewalt verstießen gegen die grundlegenden Wertvorstellungen der Allgemeinheit.
Der dagegen von der OMEGA GmbH eingelegte Widerspruch wurde von der Bezirksregierung Köln mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 1995 zurückgewiesen. Die Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung seines Urteils wird auf den Tatbestand des Senatsbeschlusses vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 6 C 3.01 – (BVerwGE 115, 189) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die OMEGA GmbH Revision eingelegt.
Mit dem bereits erwähnten Beschluss vom 24. Oktober 2001 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu folgender Frage eingeholt:
“Ist es mit den Vorschriften des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft über den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr vereinbar, dass nach nationalem Recht eine bestimmte gewerbliche Betätigung – hier der Betrieb eines so genannten Laserdromes mit simulierten Tötungshandlungen – untersagt werden muss, weil sie gegen die grundgesetzlichen Wertentscheidungen verstößt?”
Mit Urteil vom 14. Oktober 2004 – Rs. C-36/02 – (Slg. 2004 I-9609 ≪I-9641≫) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Vorlagefrage wie folgt beantwortet:
“Das Gemeinschaftsrecht steht einem nationalen Verbot einer in der gewerblichen Veranstaltung von Spielen mit simulierten Tötungshandlungen an Menschen bestehenden wirtschaftlichen Tätigkeit, das zum Schutz der öffentlichen Ordnung wegen einer in dieser Tätigkeit gesehenen Verletzung der Menschenwürde ergeht, nicht entgegen.”
Zur Begründung der Revision erhebt der Kläger zahlreiche Verfahrensrügen und führt in der Sache aus: Die OMEGA GmbH habe ein subjektives Recht auf Betrieb des Laserdromes aus dem Bauvorbescheid und der Bau- und Benutzungsgenehmigung. Die Untersagungsverfügung greife in ihre Grundrechte ein. Sie werde in ihrem nach Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt. Außerdem werde ihr Grundrecht auf freie Berufswahl aus Art. 12 GG verletzt; für den Betrieb von sechs elektronischen Zielständen gebe es keinen Markt. Hingegen machten die untersagten Laserdrome-Westen mit Empfangssensoren den besonderen sportlichen Reiz aus. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG werde dadurch verletzt, dass sie gegenüber anderen Laserdrome-Betreibern in Deutschland benachteiligt werde; in Berlin, München und Stuttgart würden Laserdrome-Anlagen betrieben.
Der Eingriff in ihre Rechte sei auch aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Ordnungsverfügung sei zu unbestimmt. Darüber hinaus gebe es für die Ordnungsverfügung keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Der Begriff der öffentlichen Ordnung in § 14 OBG NW sei ebenfalls zu unbestimmt und könne daher keine taugliche Ermächtigungsgrundlage abgeben. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, ein Gesetz gegen Laserdromes zu schaffen, obwohl es entsprechende Gesetzesentwürfe gegeben habe. Ferner verstoße der Betrieb des Laserdromes nicht gegen die moralischen Grundüberzeugungen der Allgemeinheit; die Simulation von Gewalt sei etwas Alltägliches.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. September 2000 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. September 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 6. November 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung habe keine inhaltlich bestimmte, allgemein bekannte Vorstellung von dem Spielgeschehen in einem Laserdrome bestanden. Keineswegs habe dem Begriff Laserdrome entnommen werden können, dass dieses mit dem Schießen auf Menschen verbunden sei. Die von der Revision in Bezug genommenen Veröffentlichungen zu dem Thema seien ihr nicht bekannt gewesen. Der Kläger gehe offenbar selbst davon aus, dass es verschiedene Typen von solchen Einrichtungen gebe.
Im Bauantrag habe die OMEGA GmbH die Einrichtung eines Wettkampfstudios mit sechs Schießbahnen angekündigt. Aus ihrem Schreiben vom 28. März 1994 gehe hervor, dass das beantragte Laserdrome nicht demjenigen in G… entspreche und dass kein spielerisches Töten stattfinde. Sie, die Beklagte, habe im Baugenehmigungsverfahren auch nicht gegen ihre Beratungspflicht verstoßen, denn es sei Sache des Antragstellers, durch seinen Genehmigungsantrag das Vorhaben und damit den Gegenstand der Genehmigung festzulegen.
Abwegig sei die Behauptung, die Verbotsverfügung wolle indirekt einen anderen Interessenten an dem Betriebsgrundstück begünstigen. Dessen Interesse habe schon im Zeitpunkt der Baugenehmigung für die OMEGA GmbH nicht mehr bestanden. Soweit der Kläger ihr unterstelle, sie bleibe gegenüber Gotcha- und Paintballspielen untätig, sei er die erbetene Konkretisierung schuldig geblieben. Der Vorwurf der Aktenvernichtung oder -manipulation sei zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
1. Der Senat kann nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten über die Revision gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Rechtsstreit war aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OMEGA GmbH gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Nach diesen Vorschriften wird das Verfahren im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Das vorliegende Verfahren betrifft die Insolvenzmasse, welche das gesamte Vermögen umfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 InsO). Ein anhängiges Verfahren betrifft die Insolvenzmasse, wenn es zu ihr in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht. Auch ordnungsrechtliche Verwaltungsakte können die Insolvenzmasse betreffen. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für ein Spielgerät verkörpert unbeschadet ihres ordnungsrechtlichen Charakters einen wirtschaftlichen Wert, der es rechtfertigt, den hierauf gerichteten Anspruch als zur Insolvenzmasse gehörend anzusehen (Urteil vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 6 C 1.01 – BVerwGE 115, 179 ≪181≫). Dementsprechend kann auch ein Anspruch auf Aufhebung einer ordnungsrechtlichen Untersagungsverfügung, die den Gewerbebetrieb des Schuldners betrifft, einen zur Insolvenzmasse gehörenden wirtschaftlichen Wert darstellen. Jedenfalls dann, wenn die ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung wirtschaftlich wesentliche Elemente der Geschäftstätigkeit des Schuldners und damit Vermögenswerte betrifft, aus denen er seine Gläubiger zu befriedigen hat, wirkt sich die Untersagung unmittelbar auf das Vermögen des Schuldners aus (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 21. November 2005 – 6 TG 1992/05 – ZIP 2006, 923 ≪924≫).
Die Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 Satz 1 ZPO setzt weiterhin voraus, dass die ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung – anders als eine Gewerbeuntersagung (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 21. November 2002 – 8 UE 3195/01 – NVwZ 2003, 626 und BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2006 – BVerwG 6 C 21.05 – NVwZ 2006, 599 ≪600≫) – nicht lediglich die berufliche Betätigung des Schuldners betrifft. Das ist der Fall, wenn die Untersagungsverfügung nicht auf in der Person des Schuldners liegende Gründe gestützt wird, sondern sich gegen bestimmte Varianten des Betriebsablaufs als solchen – unabhängig von der Person des Betreibers – richtet. Nach diesen Grundsätzen wird eine Anfechtungsklage, die gegen eine Ordnungsverfügung gerichtet ist, mit der die gewerbliche Betätigung des Schuldners wegen einer hierin gesehenen Gefahr für die öffentliche Ordnung ganz oder teilweise untersagt wird, gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 240 Satz 1 ZPO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers unterbrochen. So liegt es hier. Die Klage der OMEGA GmbH hat sich gegen eine Ordnungsverfügung der Beklagten gerichtet, mit der wesentliche Bestandteile ihres Gewerbebetriebes “Laserdrome” wegen einer hierin gesehenen Gefahr für die öffentliche Ordnung untersagt werden. Hierbei handelt es sich um wirtschaftlich wesentliche Elemente ihrer Geschäftstätigkeit. Das vorliegende Verfahren betrifft daher gemäß § 240 Satz 1 ZPO die Insolvenzmasse.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der nachfolgenden Aufnahme des Prozesses durch den Kläger ist dieser als Rechtsnachfolger der OMEGA GmbH im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels im vorliegenden Verfahren Partei geworden. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 80 InsO) erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen.
2. Die zulässige Revision ist unbegründet. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Oktober 2001 in der vorliegenden Sache verwiesen, an dessen Ergebnis und Begründung insoweit festgehalten wird. Die Revision ist aber auch unbegründet, soweit die Verletzung von materiellem Bundesrecht geltend gemacht wird.
Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die Voraussetzungen der ordnungsrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NW im Streitfall vorliegen, da die untersagte Spielvariante eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift einschließlich der Frage, ob dabei auf Wertmaßstäbe des Grundgesetzes, insbesondere die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde zurückzugreifen ist, betrifft Landesrecht und ist damit gemäß § 137 Abs. 1 VwGO der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Der revisonsgerichtlichen Prüfung unterliegt allein die Auslegung der Garantie der Menschenwürde selbst; insoweit steht das Berufungsurteil mit Bundesrecht im Einklang.
a) Der erkennende Senat bekräftigt die im Beschluss vom 24. Oktober 2001 dargelegte Auffassung, wonach die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde durch das von der OMEGA GmbH, der damaligen Klägerin, angebotene Laserdrome-Spiel verletzt wird. Er hält an den nachfolgend zitierten Ausführungen in der Begründung seines Beschlusses (a.a.O. S. 199 – 202) ausdrücklich fest und sieht sich dabei hinsichtlich der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 GG an die tragenden Erwägungen der in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG):
“Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als tragendes Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte (vgl. BVerfGE 6, 32 ≪36, 41≫ 45, 187 ≪227≫). Mit ihm ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell infrage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern auch die Würde des Menschen als Gattungswesen (BVerfGE 87, 209 ≪228≫).
Da das Grundgesetz den Schutz der Menschenwürde unabhängig davon garantiert, ob der Eingriff vom Staat oder von privater Hand ausgeht (vgl. Dreier in: Dreier, Hrsg., Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 1996, Art. 1 Rn. 88), können auch gewerbliche Unterhaltungsspiele gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen. Ein solcher Verstoß ist in erster Linie dann anzunehmen, wenn durch die Spielhandlungen konkrete Personen in ihrer Menschenwürde verletzt werden. Davon kann im vorliegenden Fall freilich nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen in der Tatsacheninstanz ist das von der Beklagten verbotene Spiel im Laserdrome der Klägerin durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Die Spieler tragen maschinenpistolenähnliche Schusswaffen (Laserzielgeräte) und Stoffwesten, an denen im Brust- und im Rückenbereich jeweils ein Sensorempfänger befestigt ist. Zusätzlich sind in der Halle zehn feste Sensorempfänger installiert, die von den Spielern gefunden werden müssen. Ziel des Wettkampfes ist es, innerhalb einer Spielzeit von 15 Minuten eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Für jeden Treffer auf einen fest installierten Empfänger erhalten die Spieler Punkte. Getroffene Gegner werden mit Punktabzügen belastet. Ein Spieler, der fünf Treffer erhalten hat, wird ‘blockiert’ und muss an einer Ladestation sein Zielgerät neu aufladen. Darin liegt keine entwürdigende Behandlung eines Mitspielers selbst. Die Treffer auf den Sensoren der Spielanzüge erinnern zwar an Verletzungen oder Tötungen von Menschen. Doch stehen sich die Spieler in diesem Kampfgeschehen prinzipiell ‘chancengleich’ gegenüber. Dies legt es nicht nahe, in dem einen Mitspieler ein Objekt zu sehen, welches dem anderen hilflos ausgeliefert ist.
Unterhaltungsspiele können aber auch dadurch gegen die verfassungsrechtliche Garantie der Menschenwürde verstoßen, dass beim Spielteilnehmer eine Einstellung erzeugt oder verstärkt wird, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. Das geschieht insbesondere dann, wenn Gewaltakte gegen Menschen in der Absicht dargestellt werden, den Beteiligten ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln. Denn eine solche Tendenz schließt die Vorstellung von der Verfügbarkeit des Menschen als bloßes Objekt ein, in dessen Leben und körperliche Integrität nach Belieben eingegriffen werden kann. Darum kann neben der realen Gewaltausübung auch die Darstellung fiktiver Gewaltakte zu Spiel- und Unterhaltungszwecken das Gebot zur Achtung der Würde des Menschen verletzen (vgl. für Gewaltdarstellungen in Filmen BVerfGE 87, 209 ≪228≫). Demnach ist ein gewerbliches Unterhaltungsspiel, das auf die Identifikation der Spielteilnehmer mit der Gewaltausübung gegen Menschen angelegt ist und ihnen die lustvolle Teilnahme an derartigen – wenn auch nur fiktiven – Handlungen ermöglichen soll, wegen der ihm innewohnenden Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung der Gewalt und wegen der möglichen Auswirkungen einer solchen Tendenz auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft mit der verfassungsrechtlichen Menschenwürdegarantie unvereinbar (vgl. BVerfGE a.a.O. S. 228 ff.). So verhält es sich nach den im Revisionsverfahren maßgeblichen Tatsachenfeststellungen und deren Würdigung durch das Berufungsgericht im vorliegenden Fall.
Das Oberverwaltungsgericht sieht den hauptsächlichen Reiz des untersagten Spiels im Laserdrome der Klägerin in dem ‘Vergnügen an simulierten Tötungshandlungen’. Es spricht von einem ‘im Spiel erlebten Macht- und Lustgewinn’ durch solche Handlungen und begründet dies im Einzelnen wie folgt: Das Spiel sei nach seinen Regeln darauf angelegt, dass nicht nur auf fest installierte Ziele, sondern auch und gerade auf Menschen ‘geschossen’ werde und damit Tötungshandlungen simuliert würden. Der Schütze müsse stets auf die Körpermitte des Gegners zielen, damit der Treffer zähle. Die Spieler würden so zu kriegsähnlichen, nahkampfgleichen Verhaltensmustern gezwungen. Die durch das reale körperliche Gegenüber mehrerer Menschen gekennzeichnete Spielsituation werde durch die Ausstattung realitätsnah ergänzt. Die benutzten Laserwaffen wiesen große Ähnlichkeit mit einer Maschinenpistole auf. Die von den Spielern getragene Weste erwecke den Eindruck einer passiven Bewaffnung. Die in der Halle aufgebauten Hindernisse und Tarnmöglichkeiten erweiterten die Variationsmöglichkeiten des simulierten Nahkampfes. Der Einsatz von Tarnnetzen und Nebeleffekten verstärke die Kampfatmosphäre.
Während das Oberverwaltungsgericht somit die Nähe des umstrittenen Spiels zu einem realen körperlichen Kampfgeschehen mit Tötungshandlungen hervorhebt und es damit zugleich von der rollengebundenen Aufführung von Gewaltszenen im Theater oder in ähnlichen Spielstätten und von der Ausübung formalisierter und ritualisierter traditioneller Kampfsportarten wie Fechten und Boxen abhebt, betont die Klägerin in ihrem Revisionsvorbringen die fiktiven Elemente des Spiels und rückt es in die Nähe eines sportlichen Wettkampfs. Sie übersieht dabei jedoch, dass das Revisionsgericht nicht befugt ist, die Sachverhaltswürdigung des Tatsachengerichts durch eine eigene Würdigung zu ersetzen; die im Berufungsverfahren vorgenommene Feststellung und Würdigung der Tatsachen ist vielmehr grundsätzlich der Überprüfung im Revisionsverfahren entzogen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Nur wenn die Würdigung des Tatrichters gegen revisible Rechtssätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstößt, ist sie vom Revisionsgericht zu beanstanden (vgl. BVerwGE 81, 74 ≪76≫). Das Vorbringen der Klägerin läuft darauf hinaus, dass das umstrittene Spiel im Gegensatz zu den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts bei lebensnaher Würdigung der Gesamtumstände mit der Realität nichts zu tun habe und dass daher von einem ‘spielerischen Töten’ nicht die Rede sein könne. Ein revisionsrechtlich erheblicher Mangel des Berufungsurteils ist damit nicht aufgezeigt; er ist auch sonst nicht ersichtlich.
Hiernach ist das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass das verbotene Spiel im Laserdrome der Klägerin von der Beklagten in der angefochtenen Verfügung zutreffend mit dem Begriff des ‘spielerischen Tötens’ umschrieben worden ist und dass es gerade von daher seinen besonderen Reiz für die Spieler empfängt. Ein solches simuliertes Töten zu Unterhaltungszwecken wird nach dem Gesagten dem gebotenen Respekt vor der Individualität, Identität und Integrität der menschlichen Persönlichkeit nicht gerecht. Es banalisiert und trivialisiert gerade diejenigen Rechtsgüter, an deren Schutz dem Grundgesetz in besonderem Maße gelegen ist. Zu den Höchstwerten der Verfassung ist nämlich neben der Menschenwürde insbesondere auch das menschliche Leben zu zählen; dieses hat der Verfassungsgeber des Jahres 1949 mit Blick auf die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes als die vitale Basis der Menschenwürde und zugleich Voraussetzung für alle anderen Grundrechte in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich unter gesonderten Grundrechtsschutz gestellt (vgl. BVerfGE 39, 1 ≪36, 42≫). Zu dieser Grundaussage der Verfassung setzen sich Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland in Widerspruch, wenn sie Unterhaltungsspiele der hier in Rede stehenden Art dulden. Die Freiwilligkeit der Teilnahme sowie das gegenseitige Einvernehmen der Spieler ist rechtlich unerheblich, weil die aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Wertordnung der Verfassung nicht im Rahmen eines Unterhaltungsspiels zur Disposition steht. Der Verstoß der Spielvariante gegen Art. 1 Abs. 1 GG führt zwingend zu ihrem Verbot. Verstöße gegen die Menschenwürde können vom Staat allenfalls unter besonderen Umständen hingenommen werden; im Regelfall – und so auch hier – sind sie zu unterbinden. Raum für eine Ermessensabwägung unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verbleibt nicht. Angesichts dessen kann es der Klägerin nach dem Grundsatz ‘keine Gleichheit im Unrecht’ nicht zum Vorteil gereichen, sollte die Beklagte in ihrem Zuständigkeitsbereich Unterhaltungsspiele vergleichbarer Art dulden oder in zurechenbarer Weise fördern.”
b) Nach dem auf Vorlage des Senats in dem vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Oktober 2004 – Rs. C-36/02 (Slg. 2004, I-9609 ≪I-9641≫) steht auch das Gemeinschaftsrecht einem nationalen Verbot einer in der gewerblichen Veranstaltung von Spielen mit simulierten Tötungshandlungen an Menschen bestehenden wirtschaftlichen Tätigkeit, das zum Schutz der öffentlichen Ordnung wegen einer in dieser Tätigkeit gesehenen Verletzung der Menschenwürde ergeht, nicht entgegen. Die vorstehend dargestellte rechtliche Bewertung des streitbefangenen Laserdrome-Spiels aufgrund des deutschen Verfassungsrechts steht also mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang.
c) Die Bundesregierung hat aus dem Beschluss des Senats vom 24. Oktober 2001 gefolgert, dass Spiele, bei denen es im Wesentlichen darum geht, die Verletzung oder Tötung von Mitspielern mit Laser- oder Farbpistolen zu simulieren, wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde aufgrund der ordnungsrechtlichen Generalermächtigung regelmäßig zu verbieten seien, und deshalb – jedenfalls zunächst – keinen zusätzlichen Regelungsbedarf gesehen (BTDrucks 15/88 vom 14. November 2002, S. 14). Dies gibt dem Senat Anlass zu folgender Klarstellung:
In dem vorgenannten Beschluss (a.a.O. S. 193 f.) hat der Senat ausgeführt, die Generalermächtigung scheide im vorliegenden Fall als Befugnisnorm nicht deshalb aus, weil der mit der Ordnungsverfügung verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfe. Er hat allerdings unter Hinweis auf das Urteil vom 23. Februar 1960 – BVerwG 1 C 240.58 – (BVerwGE 10, 164 ≪165≫) hinzugefügt, dass der Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nach Möglichkeit entsprechend den Belangen der jeweils berührten Lebensgebiete durch fachlich orientierte Gesetze auszufüllen ist. Die polizeiliche Generalklausel reicht als Eingriffsgrundlage dann nicht aus, wenn die Entscheidung darüber, ob die betreffende Berufstätigkeit die öffentliche Ordnung verletzt, “von einer verwickelten, in das Gebiet der Weltanschauungen hineinreichenden, abwägenden Wertung einer Mehrzahl verschiedener Schutzinteressen” abhängt.
Soweit die anschließenden Erwägungen des Senats die Annahme nahe legen, dass die mit der Untersagung von Laserdromes zusammenhängenden rechtlichen Fragen nach Ablauf einer dem Gesetzgeber zuzubilligenden Beobachtungszeit gesetzlich geregelt werden müssen und Verbotsverfügungen nur übergangsweise auf die Generalermächtigung gestützt werden dürfen, kann daran nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Falls die gewerbliche Veranstaltung eines Spiels nach den konkreten Umständen die Garantie der Menschenwürde verletzt, wie dies hier aufgrund der den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall ist, bleibt für eine normative Abwägung ebenso wenig Raum wie für Ermessenserwägungen im Einzelfall. Soweit die Voraussetzungen der ordnungsrechtlichen Generalermächtigung vorliegen, weil bei ihrer Auslegung und Anwendung auf den bundesverfassungsrechtlichen Wertmaßstab des Art. 1 Abs. 1 GG zurückzugreifen ist, ist die Ordnungsbehörde in derartigen Fällen zum Einschreiten verpflichtet. Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen besitzt, unter denen er bestimmte Arten von Spielen als verbotswürdig erachtet. Ohne eine solche gesetzliche Regelung hängt die Rechtmäßigkeit einer auf die Generalermächtigung gestützten Untersagungsverfügung stets davon ab, ob die konkret betroffene Spielvariante nach den im Einzelfall getroffenen Feststellungen in einem solchen Maße geeignet ist, den Respekt vor der Würde des Mitmenschen zu mindern und der Verrohung Vorschub zu leisten, dass sie mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Menschenwürde schlechthin unvereinbar ist. So verhielt es sich hier, wie das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil unter Hinweis auf den von den Spielern erlebten “Macht- und Lustgewinn” in tatsächlicher Hinsicht abschließend festgestellt hat.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich, Dr. Bier
Fundstellen
Haufe-Index 1721028 |
GewArch 2007, 247 |