Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung wegen Änderung eines Schienenweges. Schallschutz. Vorrang des aktiven Lärmschutzes. Verhältnismäßigkeitsprüfung. Abwägung. Angebot einer Eigenbeteiligung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erst im Prozeß erklärte Bereitschaft, die Kosten für eine Wanderhöhung und -verlängerung mit zu finanzieren, kann nicht nachträglich zur Rechtswidrigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG führen.
2. Unter welchen Voraussetzungen eine finanzielle „Eigenbeteiligung”, die von Lärmbetroffenen im Planfeststellungsverfahren angeboten wird, in die behördliche Abwägung einzustellen ist, bleibt offen.
Normenkette
BImSchG § 41 Abs. 2
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahn-Bundesamtes – Außenstelle Hamburg – vom 29. September 1997, der für den Abschnitt V b der Eisenbahnstrecke Hamburg-Büchen-Berlin u.a. die Elektrifizierung der Fernbahn und die Verlegung getrennter S-Bahngleise gestattet. Sie begehrt weitergehenden Lärmschutz sowie Erschütterungsschutz, hilfsweise – dem Grunde nach – eine Entschädigung u.a. für die Wertminderung des Grundbesitzes und die Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs.
Die Klägerin betreibt in der Gemeinde Aumühle ein in den Jahren 1984 bis 1986 errichtetes Altenheim. Das ca. 33 000 qm große Grundstück, das mit zwei- bis viergeschossigen Gebäuden bebaut ist, grenzt im Süden an die vorhandene Eisenbahntrasse, im Norden an eine Straße und im Westen an die Bille, die dort bei km 261,803 von einer Eisenbahnbrücke überquert wird. Der östliche Gebäudekomplex, in dem sich überwiegend Geschäfte, Arztpraxen, Gemeinschaftseinrichtungen (Schwimmbad, Andachtsraum usw.) sowie Büroräume befinden, liegt im Geltungsbereich eines 1969 erlassenen Bebauungsplans, der die Flächen als Mischgebiet ausweist. Das übrige Grundstück mit dem westlichen Gebäudekomplex, in dem sich ausschließlich Appartements befinden, ist in einem von der Gemeinde am 23. Juni 1983 beschlossenen Bebauungsplan, der nicht rechtswirksam geworden sein soll, als „Sondergebiet Wohnstift” ausgewiesen. Aufgrund eines Gestattungsvertrages mit der Beigeladenen unterhält die Klägerin auf dem Bahngelände nördlich der Trasse eine ca. 3,5 m hohe Schallschutzwand.
Das Planfeststellungsverfahren für den Streckenausbau wurde im August 1994 eingeleitet. Die Planungsunterlagen wurden nach entsprechender Bekanntmachung, die auf den Ablauf der Einwendungsfrist am 4. November 1994 und den Ausschluß verspäteter Einwendungen hinwies, in der Zeit vom 21. September 1994 bis einschließlich 21. Oktober 1994 öffentlich ausgelegt.
Der Rechtsvorgänger der Klägerin erhob am 4. November 1994 Einwendungen gegen das Ausbauvorhaben. Damit machte er u.a. geltend, er befürchte schwerwiegende Beeinträchtigungen des Wohnstifts durch Lärm und Erschütterungen. Die von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Deutschen Bahn AG (DB AG), vorgesehene Lärmschutzwand reiche bei weitem nicht aus, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zu gewährleisten. Dies werde selbst bei Errichtung einer 6 m hohen Lärmschutzwand nicht der Fall sein, die aus vielerlei Gründen unzumutbar sein und deswegen allenfalls hilfsweise beantragt werde. In erster Linie werde die Errichtung eines Tunnels gefordert.
Im März 1995 begann die Anhörungsbehörde – der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein – mit der Erörterung der von Privaten erhobenen Einwendungen. Der letzte Erörterungstermin wurde am 6. Juni 1996 abgehalten. Auf einen entsprechenden Antrag vom März 1996 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt unter dem 24. Juni 1996 der DB AG eine Plangenehmigung, die ihr bereits vor Abschluß des Planfeststellungsverfahrens die Elektrifizierung des Streckenabschnitts, die Durchführung von Linienkorrekturen und den Abriß von Stellwerksgebäuden gestattete. Der Rechtsvorgänger der Klägerin hat gegen diese Plangenehmigung im Verfahren BVerwG 11 A 32.96 Klage erhoben. Dieses Verfahren ist in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, nachdem ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom Senat durch Beschluß vom 27. August 1996 – BVerwG 11 VR 10.96 – (Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 14) abgelehnt worden war. Die genannten Maßnahmen – insbesondere die Elektrifizierung des Streckenabschnitts – sind inzwischen durchgeführt worden.
Während des Planfeststellungsverfahrens hat die DB AG ihr Schallschutzkonzept mehrfach überarbeitet und außerdem ihre ursprüngliche Planung aufgegeben, die S-Bahn bis zum Bahnhof Aumühle, wo diese endet, zweigleisig zu führen. Zwischen dem Bahnhof Aumühle und dem Haltepunkt Wohltorf soll nur eine eingleisige S-Bahn gebaut werden. Von dort aus in Richtung Hamburg beginnt eine zweigleisige S-Bahn-Strecke.
Der Rechtsvorgänger der Klägerin unterrichtete das Eisenbahn-Bundesamt mit Schreiben vom 18. Dezember 1996 davon, er habe der DB AG angeboten, sich mit insgesamt maximal 4 Mio. DM an den Kosten des Baus eines Tunnels zu beteiligen. Die DB AG hatte dieses Angebot mit der Begründung abgelehnt, daß „die Mehrkosten eines Tunnels trotz einer Eigenbeteiligung” unverhältnismäßig blieben.
Nachdem der Senat in seinem Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – (BVerwGE 104, 123 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25 = UPR 1997, 295 = NuR 1997, 435 = DVBl 1997, 831) das Schallschutzkonzept des für den benachbarten Streckenabschnitt V a erlassenen Planfeststellungsbeschlusses beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, über den Schallschutz ohne Berücksichtigung eines Gleispflegeabschlags von 3 dB(A) neu zu entscheiden, gab die DB AG erneut eine schalltechnische Untersuchung in Auftrag. Das beauftragte Ingenieurbüro entwickelte in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 23. September 1997 eine Konzeption, die für das Wohnstift neben einer 2 m hohen Schallschutzwand nördlich des S-Bahn-Gleises zusätzlich eine bis zu 5 m hohe Mittelwand zwischen den S- und den Fernbahngleisen vorsieht. Damit könne eine Überschreitung der für den Tag geltenden Immissionsgrenzwerte vermieden werden. Soweit nachts die Immissionsgrenzwerte in einzelnen Bereichen des Wohnstifts überschritten würden, sei der Rechtsvorgänger der Klägerin auch unter Berücksichtigung der von ihm angebotenen „Eigenbeteiligung” auf passiven Lärmschutz zu verweisen. Dieses Lärmschutzkonzept, das sich die DB AG zu eigen machte, beruhte auf einer umfangreichen Kosten-Nutzen-Analyse und sieht für den Streckenabschnitt die Anwendung des Verfahrens „Besonders überwachtes Gleis” (BüG) vor.
Durch Beschluß vom 29. September 1997 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben fest. Er läßt das Verfahren BüG mit einem Pegelabschlag von 2 dB(A) und der Maßgabe zu, daß ein ergänzendes Genehmigungsverfahren nach § 18 AEG durchzuführen ist, falls bei Inbetriebnahme eine Aufnahme dieses Verfahrens in die Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV oder eine Anerkennung durch das Eisenbahn-Bundesamt als anerkannte Regel der Technik nicht erfolgt sein sollte.
Die Einwendungen, mit denen der Rechtsvorgänger der Klägerin weitergehenden Schallschutz durch eine Einhausung forderte, wurden zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung aller technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Belange wäre eine Einhausung nicht verhältnismäßig. Konkret sei bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt worden, daß u.a. in Aumühle die vorhandene Vorbelastung (ohne Schallschutzmaßnahmen) um durchschnittlich 4 dB(A) über der prognostizierten Lärmvorbelastung durch den planfestgestellten Streckenausbau liege. Im Prognosejahr 2010 würde die Schallbelastung ohne die planfestgestellten Maßnahmen (bei gleicher Streckenauslastung, aber mit Diesellokomotiven) sogar um durchschnittlich 9 dB(A) über der planfestgestellten Lösung einschließlich des aktiven Schallschutzes liegen. Zudem hätte durch eine Erweiterung des aktiven Schallschutzes die Lärmbelastung in der Nacht nur noch unwesentlich verringert werden können, so daß der planfestgestellte passive Lärmschutz weitgehend hätte erhalten bleiben müssen. Eine weitere Wanderhöhung wirke sich auch zunehmend negativ auf die übrigen Schutzgüter der Umwelt aus. Zu nennen seien in diesem Zusammenhang die Sichtbeziehungen der Anlieger, die Verschattung, die Zerschneidungseffekte und die Beeinträchtigungen des Stadtbildes.
Die Begutachtung der Erschütterungen habe ergeben, daß diese durch das planfestgestellte Vorhaben nicht verstärkt würden. Eher sei infolge der Untergrundsanierung und der zunehmenden Modernisierung des Zugmaterials im Nahbereich mit einer Verringerung der Erschütterungen zu rechnen. Besondere Maßnahmen zur Minderung der betriebsbedingten Erschütterungen seien nicht angezeigt.
Der Planfeststellungsbeschluß, dem eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, wurde durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt; die Auslegung erfolgte in der Zeit vom 17. Oktober bis zum 31. Oktober 1997.
Am 13. November 1997 hat der Rechtsvorgänger der Klägerin Klage erhoben und gleichzeitig im Verfahren BVerwG 11 VR 13.97 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Der erkennende Senat hat diesen Antrag mit Beschluß vom 1. April 1998 (Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 63) abgelehnt.
In seiner Klagebegründung hat der Rechtsvorgänger der Klägerin einen neuen Klageantrag formuliert, ohne den in seiner Klageschrift als Hauptantrag bezeichneten Antrag, den Planfeststellungsbeschluß aufzuheben, zu wiederholen. Zuletzt hat die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluß der Beklagten vom 29. September 1997 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten,
zum Schutz des der Klägerin gehörigen Wohnstiftes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche bei dem Bau und Betrieb des Schienenweges sicherzustellen, daß der Beurteilungspegel die folgenden Immissionsgrenzwerte auf dem Grundstück der Klägerin nicht übersteigt,
tags 57 dB(A), nachts 47 dB(A),
- durch geeignete Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen sicherzustellen, daß von der planfestgestellten Maßnahme keine für die Klägerin unzumutbaren Erschütterungen ausgehen;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über die von der Klägerin geforderten
- aktiven Schallschutzmaßnahmen,
- Maßnahmen zum Schutz vor Erschütterungen,
wiederum hilfsweise, dem Grunde nach über die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Entschädigung
- für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen,
- wegen Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Betriebes Wohnstift,
- wegen Wertminderung des Grundstückes,
- wegen Abwehr von beeinträchtigenden Erschütterungen,
erneut unter Beachtung der Rechtsauffasssung des Gerichts zu entscheiden.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre im Anhörungsverfahren erhobenen Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie hat umfangreiche Unterlagen eingereicht, die belegen sollen, daß für eine Einhausung der alten Gewölbebrücke (Baujahr 1868), auf der die Fernbahn die Bille überquert, technische Lösungen zu finden sind, die unter Berücksichtigung der angebotenen „Eigenbeteiligung” wirtschaftlich vertretbar sind. Sie stützt sich ferner auf gutachtliche Äußerungen eines Ingenieurbüros, das den Lärmminderungseffekt einer Erhöhung und Verlängerung der sog. Mittelwand untersucht hat.
Die Beklagte und die Beigeladene treten diesem Vorbringen entgegen und beantragen,
die Klage abzuweisen.
Das Eisenbahn-Bundesamt – Zentrale Bonn – hat unter dem 16. März 1998 verfügt (VerkBl 1998, 262), daß das Verfahren BüG gemäß der Fußnote zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes mit einem Pegelabzug von 3 dB(A) berücksichtigt werden darf.
Der Oberbundesanwalt hat sich zur Anwendbarkeit des Verfahrens BüG befürwortend geäußert.
Der Senat hat das Umweltbundesamt um eine Stellungnahme zum Verfahren BüG gebeten. Die daraufhin im November und Dezember 1999 erteilten amtlichen Auskünfte sowie die übrigen dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen sind in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 1999 mit den vom Umweltbundesamt entsandten Fachleuten und dem im Forschungs- und Technologiezentrum der DB AG mit der Entwicklung des Verfahrens befaßten Ingenieur erörtert worden.
Der Senat hat ferner durch seinen Berichterstatter einen Ortstermin durchgeführt, dessen Ergebnis in einer Niederschrift festgehalten ist.
Entscheidungsgründe
II.
Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Klägerin ihre ursprünglichen Klageanträge nicht weiterverfolgt (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im übrigen ist die Klage abzuweisen, weil sie unbegründet ist.
1. Der Klageantrag, die Beklagte zu einer Nachbesserung des aktiven Lärmschutzes zu verpflichten, bleibt ohne Erfolg, weil die Klägerin hierauf keinen Anspruch hat.
1.1 Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV, unter denen Ansprüche auf Lärmschutz bei einer wesentlichen Änderung eines Schienenweges entstehen können, sind im Fall der Klägerin erfüllt. Es liegt eine bauliche Erweiterung des Schienenwegs i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV vor, weil die eingleisige S-Bahn-Trasse nördlich an die vorhandenen Fernbahngleise angebaut wird.
Die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 16. BImSchV) betragen 57 dB(A) am Tage und 47 dB(A) in der Nacht. Auf dem klägerischen Anwesen ist der Tageswert tagsüber und auch nachts nicht mehr überschritten, wenn das Verfahren BüG mit 2 dB(A) Gleispflegeabschlag berücksichtigt wird. Nach den Ermittlungen des von der Beigeladenen beauftragten Ingenieurbüros (Anlage 6.3.1, S. 4 – 11 des Gutachtens vom 23. September 1997) liegen jedoch die prognostizierten Beurteilungspegel des Ausbauzustands unter Berücksichtigung der Lärmminderung durch die Lärmschutzwände und des Pegelabzugs für das Verfahren BüG am ungünstigsten Aufpunkt des Wohntrakts nachts bei maximal 54,6 dB(A).
Diese Lärmprognose begegnet keinen Bedenken (nachfolgend 1.2). Nachdem der Gleispflegeabschlag im wesentlichen unstreitig geworden ist (nachfolgend 1.3), stellt sich nur wegen der Überschreitung des für die Nachtzeit geltenden Immissionsgrenzwertes die Frage, ob die Klägerin verbesserten aktiven Lärmschutz beanspruchen kann. Dies ist zu verneinen, weil es unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG nicht zu beanstanden ist, wenn die Planfeststellungsbehörde unter Hinweis auf § 41 Abs. 2 BImSchG darauf verzichtet hat, die von der Klägerin geforderten weitergehenden Lärmschutzmaßnahmen anzuordnen (nachfolgend 1.4).
1.2 Die der Planfeststellung zugrundeliegende Lärmprognose ist vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 11 A 44.97 – (Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 24) überprüft und gebilligt worden. Außerdem hat der Senat bereits wiederholt – unter Auswertung der insoweit dokumentierten Forschungsergebnisse – die Kritik am sog. Schienenbonus (Korrektursummand S in der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV) zurückgewiesen (vgl. BVerwGE 104, 123 ≪131 ff.≫; 106, 241 ≪246 ff.≫). Zumal die Klägerin in Kenntnis dieser Urteile ihre gegen die Zuverlässigkeit der Lärmprognose zielenden Einwände nicht erneuert hat, sieht der Senat in diesem Punkt keinen weiteren Klärungsbedarf und legt seiner rechtlichen Prüfung die Pegelwerte zugrunde, die dem Gutachten vom 23. September 1997 zu entnehmen sind. Sollte sich infolge der veränderten Transrapidplanung – wie die Klägerin befürchtet – die Lärmprognose nachträglich als falsch erweisen, wäre dies ein Umstand, der nicht der Planfeststellung entgegengehalten werden könnte; er könnte unter den Voraussetzungen von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur im Rahmen eines Antrages auf nachträgliche Schutzvorkehrungen erheblich werden.
1.3 Die Klägerin hat die Rechtmäßigkeit des planfestgestellten aktiven Lärmschutzes ursprünglich unter Hinweis darauf in Zweifel gezogen, daß für das Verfahren BüG der Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung um 2 dB(A) nicht erbracht sei. In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 1999 hat die Beklagte erklärt, daß die Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 mit ihrem Erlaß Bestandteil des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses geworden ist, jedoch mit der Maßgabe, daß hier eine Pegelminderung von 2 dB(A) für die Bemessung des aktiven und passiven Schallschutzes zugrunde gelegt wird und die Schienenlaufflächen geschliffen werden, wenn eine Messung im Schallmeßwagen den Pegel von Lm = 50 dB(A) erreicht; die Kalibrierung des Schallmeßwagens werde unverändert so beibehalten, daß sie etwa 1 dB(A) über den gemessenen Außenpegeln liegt. Die Beigeladene hat erklärt, daß diese Maßgabe von ihr für den in Rede stehenden Streckenabschnitt akzeptiert wird.
Durch ihre Protokollerklärung hat die Beklagte den angefochtenen Planfeststellungsbeschluß geändert (vgl. BVerwG, Beschluß vom 7. März 1996 – BVerwG 4 B 254.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 111). Hierdurch sind etwaige Bedenken, die dagegen erhoben werden konnten, wie das Verfahren BüG in die Regelung des Planfeststellungsbeschlusses einbezogen worden war, ausgeräumt worden. Der Senat hält ferner den Nachweis für erbracht, daß das Verfahren BüG gemäß der Fußnote zur Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV als eine besondere Vorkehrung zu gelten hat, mit der „eine weitergehende dauerhafte Lärmminderung” erzielt wird, die zusätzlich zu den Korrekturwerten D(Fb) zu berücksichtigen ist. Hierzu ist folgendes zu bemerken:
1.3.1 Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV enthält Korrekturwerte zur Berücksichtigung unterschiedlicher Fahrbahnarten, die in die Gleichungen zur Berechnung der Beurteilungspegel eingehen. Die zugehörige Fußnotenregelung geht zurück auf die zeitlich parallele Regelung in Tabelle 5 (Einfluß der Fahrbahnarten) in der Schall 03 (Ausgabe 1990). Diese führt die Fahrbahn „Schotterbett – Betonschwelle, besonders überwacht” mit einer gleichlautenden Fußnote auf, wobei es in der zugehörigen Anmerkung heißt:
„Unter besonders überwachten Gleisen … wird verstanden, daß diese Gleise in regelmäßigen Abständen (6 – 12 Monate) auf evtl. Schallpegelzunahme überprüft und ggf. geschliffen werden.”
Anlaß dazu, eine Gleispflege aus akustischen Gründen vorzusehen, war die Erkenntnis, daß sich beim Befahren der Schienen auf ihrer Lauffläche mit der Zeit wellenartige Unebenheiten (Riffeln) herausbilden, die einen – bei zunehmender Geschwindigkeit proportional ansteigenden – Heulton erzeugen. Dieser erhöht den Fahrgeräuschpegel gegenüber einer glatten Schiene mit eingefahrenem Fahrspiegel um 15 dB(A) und mehr (vgl. schon Materialienband zum Umweltprogramm der Bundesregierung 1971,zu BTDrucks 6/2710, S. 485). Durch die Fußnotenregelung sollte für die damalige Deutsche Bundesbahn ein Anreiz geschaffen werden, das im akustischen Schienenschleifen liegende Emissionsminderungspotential möglichst bald technologisch zu erschließen (vgl. die amtl. Begründung der 16. BImSchV, BRDrucks 661/89, S. 47). Ein auf diesem Sektor erzielter technologischer Fortschritt sollte unverzüglich – auch ohne Änderung der Verordnung – Eingang in die Berechnung der Beurteilungspegel finden.
1.3.2 Welche Anforderungen an den Nachweis des Lärmminderungseffektes des Verfahrens BüG zu stellen sind, ist Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV zu entnehmen. Die dort genannten Fahrbahnarten (Spalte 1) und ihre Einstufung nach der jeweiligen Lärmcharakteristik (Spalte 2) sind als eine Normierung mit Hilfe von Regelbeispielen zu verstehen (vgl. zu Tabelle B der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV BVerwG, Beschluß vom 1. April 1999 – BVerwG 4 B 87.98 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 12). Die hierin liegende Wertung des Verordnungsgebers läßt hinreichend bestimmt erkennen, unter welchen Voraussetzungen das Verfahren BüG zusätzlich zu den Korrekturwerten D(Fb) berücksichtigt werden darf. Sie beantwortet die Frage, mit welchem dB(A)-Wert der lärmmindernde Effekt des akustischen Schienenschleifens zu bewerten ist (nachfolgend 1.3.3), unter welchen Voraussetzungen der lärmmindernde Effekt als dauerhaft anzusehen ist (nachfolgend 1.3.4) und welche Anforderungen an die Überwachung des lärmmindernden Effekts durch den Schallmeßwagen zu stellen sind (nachfolgend 1.3.5).
1.3.3 Der lärmmindernde Effekt des akustischen Schienenschleifens liegt deutlich über 3 dB(A). Dies zeigen die Meßreihen, die vom Forschungs- und Technologiezentrum der DB AG bzw. vom Umweltbundesamt an Streckenabschnitten in Barnstorf, Nörten-Hardenberg und Twistringen auf Betonschwellen im Schotterbett durchgeführt worden sind.
1.3.3.1 Als Vergleichsmaßstab für diese Messungen ist der sog. Grundwert von 51 dB(A) aus dem Diagramm I der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV heranzuziehen, der als gemittelter Emissionspegel (Lm) eines fiktiven Zuges in die Gleichungen zur Ermittlung der Beurteilungspegel eingeht. Dieser Grundwert soll „hinsichtlich der Lärmveränderung durch Riffelbildung einen mittleren Wert” darstellen (vgl. die amtl. Begründung der 16. BImSchV, BRDrucks 661/89, S. 47). Ob diese Aussage mathematisch-naturwissenschaftlich korrekt ist, mag dahinstehen. Sie belegt jedenfalls, daß der Grundwert vom Verordnungsgeber gewissermaßen mit einem „Zuschlag” für eine Riffelbildung festgelegt worden ist, der bei einer akustischen Gleispflege wieder entfallen kann. Dies ist der Sinn der Fußnotenregelung in Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV.
1.3.3.2 Die Messungen an den genannten Streckenabschnitten haben jeweils ein Kollektiv von Meßwerten ergeben, aus dem arithmetische Mittelwerte gebildet werden können. Hierbei zeigt sich, daß der Lärmminderungseffekt des akustischen Schienenschleifens eine Abhängigkeit von den Zugarten (ICE, IC/IR, RE/SE, GZ) aufweist. Diese Abhängigkeit war bei der Festlegung der Korrekturwerte der Tabelle C in Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV (= D(Fb)) bekannt. Damals sind die Korrekturwerte gemittelt über alle Zugarten festgelegt worden. Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers sollte dies die tatsächliche Streckenbelastung hinreichend widerspiegeln. Eine Gewichtung des Anteils der unterschiedlichen Zugarten hat in der Tabelle C nicht stattgefunden; diese Gewichtung sollte sich erst über den Korrekturfaktor DFz nach Tabelle A vollziehen. Bei der Bestimmung des Lärmminderungseffekts des BüG darf kein abweichender, nämlich schärferer Maßstab angelegt werden. Es darf also insbesondere nicht auf die „ungünstigsten” Zugarten (RE/SE; GZ) und ihren Anteil an der konkreten Streckenbelastung abgestellt werden.
1.3.3.3 Eine Mittelung sämtlicher Meßergebnisse ergibt einen Lärmminderungseffekt von 4,5 dB(A). Dabei beeinflussen die klotzgebremsten Nahverkehrszüge (im Mittel 2,8 dB(A)) das Ergebnis negativ; ohne sie wäre im Mittel ein wesentlich größerer Lärmminderungseffekt feststellbar, nämlich in Höhe von 6,5 dB(A). Wenn die klotzgebremsten Nahverkehrszüge – wie die Beigeladene in Aussicht stellt – in naher Zukunft ausgemustert oder zumindest mit Kunststoffklotzbremsen umgerüstet werden, wird eine den Mittelwert nachteilig beeinflussende Lärmbelastung nur von den Güterzügen ausgehen. Bei diesen konnte im Mittel ein Lärmminderungseffekt von 3,8 dB(A) nachgewiesen werden. Bei isolierter Betrachtung der scheibengebremsten Fahrzeuge ergibt sich im Mittel ein Lärmminderungseffekt, der über 6 dB(A) liegt. Die ersten Messungen in Barnstorf und in Nörten-Hardenberg sind zudem ersichtlich dadurch beeinflußt, daß damals das Schleifverfahren sich noch im Versuchsstadium befand. Erst in Twistringen sind die Schienen nach den beiden Verfahren geschliffen worden, die in der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 vorgeschrieben worden sind. Die dort erzielten Lärmminderungseffekte sind noch größer. Die vorstehend wiedergegebenen Mittelwerte liegen daher „auf der sicheren Seite”. Diese Resultate der Meßreihen werden auch vom Umweltbundesamt nicht in Zweifel gezogen. Wenn das Umweltbundesamt „zur statistischen Absicherung” weitere Messungen empfiehlt, hängt dies mit dessen Auffassung zusammen, es sei ein fahrzeugabhängiger Abschlag zu ermitteln. Dem folgt der erkennende Senat nicht (oben 1.3.3.2).
1.3.4 Das Erfordernis der Fußnote zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, eine „dauerhafte” Lärmminderung nachzuweisen, ist dahin gehend zu interpretieren, daß die Verbesserung der Lärmsituation „aufgrund besonderer Vorkehrungen” ebenso anhaltend sein muß wie die Entscheidung, die die Beigeladene bei der Wahl einer Fahrbahnart trifft. Die akustische Gleispflege muß deswegen lärmwirksam sein, solange die Strecke mit ihrer Fahrbahnart in Betrieb ist. Dem wird die in der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 getroffene Regelung zur Überwachung des Gleiszustandes und zum Nachschleifen der Gleise gerecht.
1.3.4.1 Durch diese Nebenbestimmungen der Verfügung vom 16. März 1998 wird die akustische Gleispflege bautechnischen Lärmschutzmaßnahmen (wie Lärmschutzwänden und Schallschutzfenstern) gleichwertig. Dem steht nicht entgegen, daß beim Verfahren BüG – nur – eine diskontinuierliche Messung der maßgeblichen Immissionskenngrößen stattfindet. Wenn die im Wege der Eigenüberwachung des Betreibers gewonnenen Meßergebnisse – wie es die Verfügung vom 16. März 1998 fordert – für die zuständige Aufsichtsbehörde zuverlässig dokumentiert werden, ist damit eine Überwachung sichergestellt, die seit jeher dem Standard im Bereich der industriellen Anlagenüberwachung entspricht; mehr kann auch im Bereich des Verkehrslärmschutzes nicht gefordert werden. Zu den Meßergebnissen haben im übrigen die Lärmbetroffenen auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) freien Zugang. Obwohl es – im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme – sinnvoll erscheinen mag, wenn ihnen der Zugang zu diesen Umweltdaten noch weitergehend erleichtert würde, kann der Fußnotenregelung ein dahin gehender Anspruch nicht entnommen werden.
1.3.4.2 Was die Standzeit des Lärmminderungseffekts angeht, hat die Beweisaufnahme keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die vorgesehenen Kontrollen in Abständen von sechs Monaten unzulänglich sein könnten. Auch das Umweltbundesamt fordert ein Nachschleifen frühestens nach einem oder einem halben Jahr. Soweit das Umweltbundesamt in diesem Zusammenhang bemängelt, die bisher vorliegenden Nachmessungen wiesen eine zu geringe zeitliche Distanz zum Schleifvorgang auf (2 bis 3 Jahre), ist das kein Einwand gegen die Intervalle der vorgeschriebenen Kontrollmessungen.
1.3.5 Der Schallmeßwagen ist vom Umweltbundesamt als effektives Meßinstrument anerkannt worden. Die praktische Eignung des Schallmeßwagens als Überwachungsinstrument steht damit außer Zweifel. Auch unter Berücksichtigung der unvermeidbaren Streuung der registrierten Meßwerte ist darüber hinaus die „Eingriffsschwelle” für das Nachschleifen in rechtlich unbedenklicher Weise festgelegt worden.
1.3.5.1 Die Meßgenauigkeit des Schallmeßwagens reicht aus. Seine Kalibrierung rechtfertigt die Erwartung, daß die Meßergebnisse nicht zum Nachteil der Lärmbetroffenen von vergleichenden Außenmessungen abweichen werden. Es liegen Korrelationsmessungen vor, die belegen, daß die Anzeige im Schallmeßwagen ca. 1 dB(A) über den Werten der Außenmessung liegt. Das Umweltbundesamt hat dem nicht widersprochen, sondern nur pauschal die Aussagefähigkeit der Korrelationsmessungen im Hinblick auf die verbleibende Streuung der Werte angezweifelt. Diese Meßungenauigkeit soll aber gerade durch die erwähnte Kalibrierung ausgeglichen werden. Das Umweltbundesamt hat nicht überzeugend dargelegt, daß dafür 1 dB(A) nicht ausreichen würde. Insofern ist auch die Forderung des Umweltbundesamtes, daß ein Mittelwert aus mindestens drei Überfahrten zu bilden sei, nicht berechtigt. Diese Forderung würde zudem das Verfahren BüG nahezu unpraktikabel machen. Die Beigeladene hat nachvollziehbar und unwidersprochen dargelegt, daß sich die Meßfahrten in den Streckenfahrplan „einpassen” müssen; wegen der Abstände zwischen den Bahnhöfen, die dem Schallmeßwagen eine Wendemöglichkeit böten, wenn er eine Meßfahrt wiederholen müsse, seien drei Überfahrten regelmäßig nicht an einem Tag durchführbar.
Zu berücksichtigen ist, daß die Kalibrierung des Schallmeßwagens nach der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 in Abständen von jeweils zwei Jahren durch Korrelationsmessungen zu überprüfen ist. Dieses Verfahren gewährleistet, daß die – für die Lärmbetroffenen günstige – Kalibrierung auf Dauer erhalten bleibt.
1.3.5.2 Die Festlegung einer „Eingriffsschwelle” soll sicherstellen, daß Schleifarbeiten durchgeführt werden, bevor durch eine Verriffelung der Schienen der lärmmindernde Effekt des Verfahrens BüG verlorengeht. Die Fußnote zur Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV fordert allerdings nicht eine „Eingriffsschwelle”, die jede Schwankung in der Lärmbelastung vermeidet. Es geht vielmehr darum, die „Eingriffsschwelle” so zu bestimmen, daß ein Wert nicht überschritten wird, der als sog. Gleispflegeabschlag in das Lärmschutzkonzept eingeht, das der jeweiligen Planfeststellung zugrunde liegt. Im vorliegenden Fall ist dies nur eine Pegelminderung von 2 dB(A). Diese ist nach der Protokollerklärung der Beklagten für die Bemessung der aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen maßgeblich. Damit korrespondiert der in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 1999 durch die Protokollerklärung zur Bestimmung des Schleifzeitpunktes festgelegte Meßwert von Lm = 50 dB(A).
1.3.5.3 Das Umweltbundesamt hat bei Betonschwellen im Schotterbett gegen eine „Eingriffsschwelle” in der Größenordnung von 2 dB(A) keine Einwände erhoben, falls der Gleispflegeabschlag mit 3 dB(A) anzuerkennen ist. Diese Aussage in der amtlichen Auskunft vom November 1999 steht allerdings im Zusammenhang mit einer sog. Regressionsanalyse, die das Umweltbundesamt unter Verwendung von Daten vollzogen hat, die nur an oberbautechnisch geschliffenen Gleisen erhoben worden sind. Die Beigeladene hat diese Regressionsanalyse als nicht aussagefähig angegriffen. In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 1999 hat für das Umweltbundesamt Herr Dr. F. auf Nachfrage klargestellt, daß die Qualität des akustischen Schienenschleifens, das beim Verfahren BüG Anwendung finde, besser sei und deswegen die „Eingriffsschwelle” auch höher als 2 dB(A) angesetzt werden könne.
Hiervon ausgehend hat der Senat im Grundsatz keine Bedenken dagegen, wenn in der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 eine Eingriffsschwelle bei Lm = 51 dB(A) angesetzt worden ist. Hierdurch entsteht zwischen zwei Schleifzyklen zwar eine sog. Sägezahnkurve. Eine am Mittelwert orientierte Betrachtung, wie sie die Fußnote zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV zuläßt (vgl. oben 1.3.3.2), zeigt aber, daß der Lärmminderungseffekt des akustischen Schienenschleifens zumindest dann, wenn man die – noch im Einsatz befindlichen – klotzgebremsten Nahverkehrszüge vernachlässigt, dafür hinreichenden Spielraum läßt. Der Lärmanstieg nimmt dann nämlich seinen Ausgang von -6,5 dB(A), so daß auch bei einer Zunahme des Lärms um 3 dB(A) – an der Spitze der „Sägezahnkurve” – noch ein rechnerischer Lärmminderungseffekt von mehr als 3 dB(A) verbleibt. Wenn im vorliegenden Fall die „Eingriffsschwelle” auf Lm = 50 dB(A) festgesetzt worden ist (oben 1.3), wirkt sich dies zugunsten der Lärmbetroffenen als ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag aus. Dieser ist so groß, daß der Senat nicht der Frage nachzugehen brauchte, ob der Beigeladenen darin gefolgt werden kann, daß schon im gegenwärtigen Zeitpunkt sicher sei, daß der Einfluß der klotzgebremsten Nahverkehrszüge prognostisch nicht zu berücksichtigen ist (vgl. oben 1.3.3.3).
1.4 Die nachts verbleibende Grenzwertüberschreitung ist – trotz Berücksichtigung eines Gleispflegeabschlags von 2 dB(A) – mit 7,6 dB(A) nicht unbeträchtlich. Die Klägerin rügt deswegen einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 41 Abs. 2 BImSchG, wonach aktiver Lärmschutz nur unterbleiben darf, „soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden”. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des 4. Senats des erkennenden Gerichts, wonach § 41 BImSchG insgesamt striktes Recht enthält (vgl. BVerwGE 108, 248 ≪256 ff.≫). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nicht an (nachfolgend 1.4.1). Die Klägerin muß sich entgegenhalten lassen, daß die Entscheidung über die Höhe der zu errichtenden Lärmschutzwände auf einem Lärmschutzkonzept beruht, das zumindest in ihrem Fall im Ergebnis nicht zu beanstanden ist (nachfolgend 1.4.2). Obwohl sie eine „Eigenbeteiligung” an den notwendigen Kosten eines verbesserten Lärmschutzes angeboten hat, durfte die Klägerin auf passiven Lärmschutz verwiesen werden (nachfolgend 1.4.3).
1.4.1 In seinem Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – (BVerwGE 104, 123 ff.) hat der Senat den Standpunkt vertreten, die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG sei untrennbar mit der allgemeinen fachplanerischen Abwägung verbunden. Dementsprechend dürfe und müsse die Planungsbehörde sämtliche öffentlichen und privaten Belange, die einer Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten aktiven Schallschutzes entgegenstünden, bei ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen. Der der Planungsbehörde insoweit zustehende Abwägungsspielraum sei vom Gericht nur auf die Einhaltung seiner rechtlichen Grenzen hin zu überwachen (a.a.O. S. 139).
Der 4. Senat hat sich in seinem Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – (BVerwGE 108, 248) gegen diese Auffassung des erkennenden Senats ausgesprochen. § 41 Abs. 2 BImSchG sei nicht Bestandteil der planerischen Abwägung. Die Vorschrift des § 41 BImSchG beinhalte (insgesamt) nicht lediglich eine Abwägungsdirektive, sondern striktes Recht. Dementsprechend stehe dem Entscheidungsträger auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG ein planerischer Gestaltungsspielraum nicht zu. Keinesfalls habe der Gesetzgeber jedes andere öffentliche Interesse als gegenläufigen Belang zulassen wollen. Dahinstehen könne, ob Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes – losgelöst von Kostengesichtspunkten – auch dann unterbleiben könnten, wenn sie, etwa aus Gründen der Landschafts- oder Stadtbildpflege oder zur Wahrung sonstiger öffentlicher Belange, mit dem Vorhaben unvereinbar seien (a.a.O., S. 256 ff.). In einem Beschluß vom 22. September 1999 – BVerwG 4 B 68.98 – hat der 4. Senat erneut auf die Unterschiede seiner Auffassung gegenüber der Auffassung des 11. Senats hingewiesen.
Den erkennenden Senat überzeugen die gegen seine Rechtsprechung geäußerten Bedenken nicht. Er hält deswegen an seiner bisherigen Auffassung – mit den nachstehend erläuterten Klarstellungen – fest. Da der 4. Senat seine Auffassung nicht in einem entscheidungstragenden Teil seiner Urteils- und Beschlußbegründungen verlautbart hat, kommt eine Vorlage an den Großen Senat nach § 11 Abs. 2 VwGO nicht in Betracht (vgl. BVerwGE 16, 273 ≪277≫; 47, 330 ≪363≫). Von der Möglichkeit einer Vorlage nach § 11 Abs. 4 VwGO macht der erkennende Senat keinen Gebrauch, weil nicht absehbar ist, ob der 4. Senat seine Auffassung bei erneuter Überprüfung und bei Berücksichtigung der nachfolgenden Klarstellungen aufrechterhalten wird. Im einzelnen ist der Auffassung des 4. Senats folgendes entgegenzuhalten:
1.4.1.1 § 41 Abs. 2 BImSchG normiert den Vorrang des aktiven Lärmschutzes vor Maßnahmen des passiven Lärmschutzes (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 BImSchG). Die Vorschrift hat für die Fachplanung eine Schrankenfunktion. Dem Gesetzgeber ging es darum, für den Bereich des Verkehrslärmschutzes eine äußerste Grenze aufzuzeigen, die nicht im Wege der fachplanerischen Abwägung überwindbar ist. Die Ergebnisoffenheit, die für die fachplanerische Abwägung kennzeichnend ist, gilt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG nicht. Es wäre ein Mißverständnis, wenn man der Aussage, die Verhältnismäßigkeitsprüfung sei untrennbar mit der allgemeinen fachplanerischen Abwägung verbunden (BVerwGE 104, 123 ≪139≫), Gegenteiliges entnehmen wollte. Der Planungsträger hat bei der Entscheidung, in welchem Umfang die Lärmbetroffenen auf passiven Lärmschutz verwiesen werden dürfen, auch nicht annähernd diejenige Wahlfreiheit, die bei einer Auswahl zwischen Varianten sonst für die fachplanerische Abwägung typisch ist. Unterschiede in der Auslegung des § 41 Abs. 2 BImSchG zwischen den beiden Senaten sind in diesem Punkt nicht erkennbar.
1.4.1.2 Ob der Vorrang des aktiven Lärmschutzes als strikter Rechtssatz zu werten ist, mag letztlich offenbleiben. Dies würde nämlich nichts daran ändern, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG sich auf der Grundlage einer planerischen Abwägung vollziehen muß. Der Träger des Vorhabens ist gehalten, mit planerischen Mitteln ein Lärmschutzkonzept zu entwickeln, das den konkreten örtlichen Gegebenheiten angemessen Rechnung trägt. Diese Lärmschutzplanung erschöpft sich nicht in einer Machbarkeitsstudie, mit der festgestellt wird, was der Stand der Lärmschutztechnik ohne Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften hergibt (vgl. § 41 Abs. 1 BImSchG). Aufgrund von § 41 Abs. 2 BImSchG ist immer zugleich die Kostenfrage aufzuwerfen mit der möglichen Folge, daß Abschläge gegenüber einer optimalen Lösung, d.h. der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung, im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt erscheinen können (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1999 – BVerwG 11 A 50.97 – UA S. 26).
Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt nicht individuell auf den jeweiligen Lärmbetroffenen in der Nachbarschaft ab. Es ist nicht zu beanstanden, wenn lediglich abgrenzbare „Schutzbereiche” einer gesonderten Betrachtung unterworfen (Senatsurteil vom 21. April 1999, UA. S. 17 f.), im übrigen aber überschlägig die Gesamtkosten der Schutzanlagen im Planfeststellungsabschnitt ermittelt und hinsichtlich des damit erzielbaren Lärmschutzeffektes bewertet werden. Ziel dieser Bewertung muß eine Lärmschutzkonzeption sein, die auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Lärmbetroffenen vertretbar erscheint. Im Ergebnis kann dies dazu führen, daß etwa der „Schutz eines Einzelhauses durch eine aufwendige Lärmschutzwand” entfällt (vgl. BTDrucks 8/1671, S. 20). Zumindest darf aber bei einer Streusiedlung im Außenbereich (vgl. § 35 BauGB), die zudem durch Verkehrslärm vorbelastet ist, der Aufwand für eine weitere Erhöhung der Lärmschutzwand eher als unverhältnismäßig eingestuft werden als in einem Baugebiet i.S. von § 34 BauGB (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 11 A 44.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 24). Innerhalb dieser Baugebiete sind zusätzliche Differenzierungen nach der Zahl der Lärmbetroffenen zulässig und geboten. So wird bei einer stark verdichteten Bebauung mit einer weiteren Erhöhung der Lärmschutzwand noch eher ein nennenswerter Schutzeffekt zu erzielen sein als bei einer aufgelockerten Bebauung, die auf eine entsprechend geringe Zahl von Bewohnern schließen läßt. Höhere Kosten sind schließlich auch beim Schutz derjenigen besonders störanfälligen Objekte in Kauf zu nehmen, die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 16. BImSchV genannt sind. Nur im Rahmen einer differenzierten Kosten-Nutzen-Analyse kann schließlich topographischen Schwierigkeiten (Trasse abwechselnd in Dammlage oder im Einschnitt, Brückenbauwerke usw.) planerisch angemessen Rechnung getragen werden. Der vorliegende Planfeststellungsabschnitt ist ein beredtes Beispiel für die Vielfalt der Probleme, die insoweit einer ausgewogenen Lösung zugeführt werden müssen.
1.4.1.3 Selbst durch eine noch so differenzierte Kosten-Nutzen-Analyse läßt sich nicht ein bestimmter Punkt ausmachen, an dem die unverhältnismäßigen Kosten (hier z.B. der Maximalvariante der Arbeitsgruppe Lärmschutz) in verhältnismäßige Kosten umschlagen. Wie noch zu erörtern sein wird (unten 1.4.2.5), ist es auch nicht zulässig, das Ergebnis der Lärmschutzplanung generell an einer „Verhältnismäßigkeitsschwelle” zu messen, die sich aus den Kosten des aktiven und des passiven Lärmschutzes errechnet. Ebensowenig können in dieser Beziehung allein die sog. Sprungkosten entscheidend sein (unten 1.4.2.6). Den Ausschlag muß vielmehr geben, ob bei einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände das Lärmschutzkonzept dem Vorrang des aktiven Lärmschutzes (oben 1.4.1.1) in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Hierbei verbleibt dem Träger des Vorhabens ein Abwägungsspielraum, der einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr zugänglich ist. Etwaige Abwägungsfehler können dementsprechend unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unschädlich sein.
Es überzeugt nicht, wenn gegen dieses Auslegungsergebnis eingewandt wird, in anderen rechtlichen Zusammenhängen werde durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung kein planerischer Gestaltungsspielraum eröffnet, so daß deren Ergebnis in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar sei. § 41 BImSchG enthält keine Festlegung in diese Richtung. Die Regelung, die im Regierungsentwurf (BTDrucks 7/179) noch nicht enthalten war, geht auf einen Vorschlag des Innenausschusses des Bundestages zurück (BTDrucks 7/1508, S. 22). In dem Bericht dieses Ausschusses wird in diesem Zusammenhang zwar der Anspruch erhoben, erstmalig eine lückenlose Regelung des Lärmschutzes vorzusehen (BTDrucks 7/1513, S. 3). Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Bundesgesetzgeber zugleich ein bemerkenswertes „Maß an gesetzgeberischer Entscheidungsabstinenz” an den Tag gelegt hat (so Korbmacher, DÖV 1976, 1 ≪5≫). Insofern sind Wortlaut und Entstehungsgeschichte für die vom erkennenden Senat vertretene Auffassung offen.
Der 4. Senat hat zudem schon in seinem Urteil vom 11. Dezember 1981 – BVerwG 4 C 69.78 – (BVerwGE 64, 270 ≪273≫) zutreffend ausgeführt, in seinem Anwendungsbereich trage „das Abwägungsgebot in einer für planerische Entscheidungen spezifischen Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung, dem bei planerischen Entscheidungen gerade durch die Beachtung des Abwägungsgebots genügt werde”. Nach dieser Rechtsprechung (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89, S. 91 m.w.N.) kann somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz speziell durch eine planerische Abwägung entsprochen werden. Damit fehlt ein zwingender Anhaltspunkt dafür, daß der Bundesgesetzgeber bei der Normierung von § 41 Abs. 2 BImSchG den Ausschluß jedes Abwägungsspielraums angestrebt haben könnte.
1.4.2 Hiervon ausgehend ist die Entscheidung der Beklagten, die aktiven Schallschutzmaßnahmen auf den planfestgestellten Umfang zu begrenzen, zumindest im Fall der Klägerin im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gegen eine teilweise Einhausung oder eine weitere Erhöhung der Schallschutzwände hat die Beklagte mit Recht u.a. ins Feld geführt, daß hierdurch sehr hohe (weitere) Kosten anfielen, ohne daß sich dadurch die Lärmbelastung noch angemessen verringern würde. Das ist eine im Rahmen von § 41 Abs. 2 BImSchG zulässige Argumentation, die zusätzliches Gewicht dadurch erhält, daß sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die zunehmend negativen Auswirkungen berufen konnte, die eine weitere Wanderhöhung auf andere Schutzgüter wie etwa das Orts- und Landschaftsbild haben würde. Das in erster Linie tragende Kostenargument wird in dem Planfeststellungsbeschluß zwar nur knapp behandelt, ist durch die Verwaltungsvorgänge nach Auffassung des erkennenden Senats aber nachvollziehbar belegt. Im einzelnen ist hierzu folgendes zu bemerken:
1.4.2.1 Das planfestgestellte Lärmschutzkonzept ist nicht insofern rechtlich zu beanstanden, als den Streckenanliegern ihre Lärmvorbelastung entgegengehalten worden ist.
Aus § 41 Abs. 2 BImSchG ergibt sich, daß es nicht ausreichen würde, wenn beim Ausbau einer vorhandenen Strecke die aktiven Schallschutzmaßnahmen generell so bemessen würden, daß sie nur den Lärmzuwachs kompensieren, der durch das planfestgestellte Vorhaben verursacht wird. In Übereinstimmung mit § 41 Abs. 1 BImSchG begründet ein Streckenausbau, der – wie hier der Bau der S-Bahn – die Voraussetzungen des § 1 der 16. BImSchV erfüllt, eine Sanierungsverpflichtung des Planungsträgers. Trotz ihrer Vorbelastung können die Streckenanlieger sich im Falle der Grenzwertüberschreitung nunmehr darauf berufen, durch den zu erwartenden Lärmanstieg schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt zu sein (vgl. Urteil vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 C 26.93 – BVerwGE 97, 367 ≪375 f.≫). Das Ziel, nach dem Ausbau die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV einzuhalten, steht allerdings unter dem Vorbehalt des § 41 Abs. 2 BImSchG. Sind aktive Schallschutzmaßnahmen unverhältnismäßig teuer, müssen sich die Streckenanlieger auf passiven Lärmschutz verweisen lassen. Die tatsächliche und/oder plangegebene Vorbelastung wirkt sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insoweit schutzmindernd aus. Denn eine vorgefundene, rechtmäßig verursachte Vorbelastung muß an sich grundsätzlich als zumutbar hingenommen werden (stRspr; z.B. Urteil vom 20. Oktober 1989 – BVerwG 4 C 4 12.87 – BVerwGE 84, 31 ≪39≫). Es war nicht die Intention des Gesetz- und Verordnungsgebers, diesen Rechtsgrundsatz außer Kraft zu setzen. Aus diesem Grunde ist beim Ausbau vorhandener Strecken der Vorbelastung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen.
1.4.2.2 Diesem Erfordernis ist im vorliegenden Fall dadurch genügt worden, daß die Einhaltung der Tagesgrenzwerte am Tag wie auch in der Nacht angestrebt worden ist.
Dieses Konzept hat für die Lärmbetroffenen den Vorteil, daß sie bei einer Nutzung ihrer Außenwohnbereiche keinen verkehrsbedingten Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt sein werden, die als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen wären. Die nachts verbleibenden Lärmbeeinträchtigungen sind hinnehmbar, weil sie durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes auf ein zumutbares Maß vermindert werden können. Die Einhaltung der Tagesgrenzwerte zur Nachtzeit bewirkt im vorliegenden Fall zugleich, daß die Schwelle von nachts 60 dB(A), die der Verordnungsgeber in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 der 16. BImSchV aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes als kritisch bewertet hat, in den Wohngebieten nach dem planfestgestellten Ausbau nicht mehr überschritten sein wird.
1.4.2.3 Insofern ist der Streckenausbau mit einer Lärmsanierung verbunden. Die hierzu im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß enthaltenen Aussagen lassen einen relevanten Abwägungsfehler nicht erkennen.
Dies gilt zum einen für die Aussage, daß die tatsächliche Vorbelastung ohne jegliche aktive Schallschutzmaßnahmen hinsichtlich der Schallimmissionen um durchschnittlich 4 dB(A) über der prognostizierten, planfestgestellten Lärmbelastung liege. Entgegen der Meinung der Klägerin war es sachgerecht, für diesen Vergleich die tatsächliche Vorbelastung im Jahre 1992 zu ermitteln. Es ist unstreitig, daß der Zugverkehr auf dieser Strecke nach der Wiedervereinigung zugenommen hat und somit etwa im Jahre 1989 eine niedrigere Vorbelastung hätte ermittelt werden können. Da die Vorbelastung anzeigt, welcher Eisenbahnlärm von den Streckenanliegern ohne den Ausbau grundsätzlich als zumutbar hingenommen werden muß (oben 1.4.2.1), läuft das Argument der Klägerin, die Vorbelastung hätte richtigerweise für das Jahr 1989 ermittelt werden müssen, darauf hinaus, daß sie den Lärmanstieg, der durch die nach der Wiedervereinigung eingetretene Verkehrszunahme zu verzeichnen war, für unzumutbar hält. Davon kann aber keine Rede sein.
Im Ergebnis ist auch die Gegenüberstellung der plangegebenen, für das Jahr 2010 prognostizierten Schallbelastung ohne den Ausbau mit den Prognosewerten für den Ausbau mit Schallschutz nicht zu beanstanden. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 21. April 1999 – BVerwG 11 A 50.97 – (UA S. 24 f.) für den benachbarten Planfeststellungsabschnitt die dort angegebene Lärmminderung um ca. 9,5 dB(A) als nicht nachvollziehbar bezeichnet, weil die durch den Ausbau erzielte Erhöhung der Streckenkapazität nicht in die Berechnung eingegangen sei. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. Dezember 1999 aber eine Ausarbeitung überreicht und unter Bezugnahme hierauf die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß enthaltene Aussage, es sei hier mit einer Pegelminderung „um durchschnittlich 9 dB(A)” zu rechnen, dahin gehend korrigiert, daß die Pegelminderung durchschnittlich nur 8 dB(A) betragen werde. Die Erhöhung der Streckenkapazität ist dabei rechnerisch in der Weise berücksichtigt worden, daß ohne den Ausbau mit einem größeren Anteil von Nahverkehrszügen (als Ersatz für die S-Bahn) zu Lasten des Anteils an Güterzügen gerechnet wurde. Der damit erkennbar gewordene Korrekturbedarf ist so geringfügig, daß er nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG als unschädlich anzusehen ist.
Die allgemeine Aussage, der Streckenausbau sei mit einer Lärmsanierung verbunden, gilt im Fall der Klägerin allerdings nur eingeschränkt. Denn die tatsächliche Vorbelastung des Wohnstifts lag laut dem Gutachten vom 23. September 1997 am ungünstigsten Aufpunkt des Wohntrakts nachts mit 52,2 dB(A) unter dem für den planfestgestellten Ausbauzustand prognostizierten Wert von 54,6 dB(A). Nur gegenüber der plangegebenen Vorbelastung (Ist-Zustand mit Zugzahlen 2010), die am genannten Aufpunkt mit etwa 59,2 dB(A) anzusetzen ist, tritt demnach eine Verbesserung ein. Ursache hierfür ist, daß der auf das Wohnstift einwirkende Schienenverkehrslärm schon bisher durch die von der Klägerin errichtete Schallschutzwand beeinflußt war. Diese schmälert den Lärmminderungseffekt, der mit Errichtung der neuen Schallschutzwände (Mittelwand und Nordwand) erzielt werden kann. Immerhin werden aber im Wohntrakt insgesamt nur an 13 Aufpunkten nächtliche Beurteilungspegel auftreten, die noch zwischen 50,7 und 54,6 dB(A) liegen. Die für das Jahr 1992 ermittelten Beurteilungspegel erreichten an immerhin 10 Aufpunkten ebenfalls Werte in diesem Bereich (50,0 bis 52,2 dB(A)). Per Saldo erweist sich somit die Verschlechterung gegenüber der tatsächlichen Vorbelastung als eher geringfügig. Die Verbesserung gegenüber der plangegebenen Vorbelastung fällt dagegen deutlich aus. In die Prognose der plangegebenen Vorbelastung ist dabei der Gleispflegeabschlag mit 2 dB(A) eingegangen, obwohl ohne den Ausbau mit der Anwendung des Verfahrens BüG nicht zu rechnen wäre. Somit liegt die gegenüber der plangegebenen Vorbelastung prognostizierte Lärmreduzierung auch im Fall der Klägerin „auf der sicheren Seite”.
1.4.2.4 Auch die „Prüfungsreihenfolge” des Abwägungsvorschlags der Beigeladenen läßt die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht fehlerhaft erscheinen. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 21. April 1999 – BVerwG 11 A 50.97 –. Dort (UA S. 25 f.) hat der Senat für den benachbarten Planfeststellungsabschnitt zwar kritisiert, daß nicht untersucht worden sei, was für eine optimale Schutzanlage zu veranschlagen wäre, um dann durch „schrittweise Abschläge” den „gerade noch verhältnismäßigen Aufwand” zu ermitteln. Diese Kritik kann aber angesichts der im vorliegenden Planfeststellungsabschnitt geleisteten Vorarbeiten nicht erneuert werden.
Ermittelt worden sind hier durch die Arbeitsgruppe Lärmschutz (Bericht von September 1995) zunächst die Kosten des aktiven Lärmschutzes (in TDM) für folgende sechs Varianten:
SU-Variante (= ausgelegte Planung) |
8 941 |
Mittelwandvariante DB |
14 358 |
Grundlagenvariante Arbeitsgruppe |
14 739 |
Orientierungsvariante Städteplaner |
64 126 |
Maximalvariante (mit tw. Einhausung) |
122 433 |
Maximalvariante (nur Lärmschutzwände) |
75 807 |
Die durch das planfestgestellte Lärmschutzkonzept verursachten Kosten für den aktiven Lärmschutz sind sodann auf 27 996 TDM geschätzt worden (Anlage 8.1.2 zum Gutachten vom 23. September 1997). Eine generelle Erhöhung der Lärmschutzwände (ohne Nordwand) um 1 m soll diese Kosten auf 33 441 TDM steigen lassen (Anlage 8.1.3 zum Gutachten vom 23. September 1997).
Ohne daß es in diesem Zusammenhang auf die ermittelten Zahlen ankommt – deren Verläßlichkeit von der Klägerin angezweifelt wird –, ist somit festzuhalten, daß hier insgesamt acht Varianten untersucht worden sind. Diese Variantenuntersuchung war auch jeweils mit einer lärmtechnischen Bewertung verbunden, die Aussagen zum Umfang der erzielbaren Pegelminderung enthielt. Es kann nicht beanstandet werden, wenn – nach Art einer Grobanalyse – auf eine nähere Betrachtung weiterer Varianten verzichtet worden ist. Das vom Senat statuierte Erfordernis der „schrittweisen Abschläge” ist nicht so zu verstehen, daß – unabhängig von dem Ergebnis der Variantenuntersuchung – für jeden Meter oder gar halben Meter Wandhöhe eine Kosten-Nutzen-Analyse geliefert werden muß. Wie noch zu erörtern ist (unten 1.4.2.6), zeichnete sich im vorliegenden Fall schon nach dem Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse der Arbeitsgruppe Lärmschutz ab, daß Wandhöhen über 4 m nur noch ausnahmsweise als verhältnismäßig anzusehen waren. Deswegen konnte sich die weitere Kosten-Nutzen-Analyse auf Wandhöhen in diesem Bereich beschränken. Zugleich durfte auch darauf verzichtet werden, Vorschläge für eine teilweise Einhausung des Streckenabschnitts weiter zu untersuchen.
1.4.2.5 Die Kosten-Nutzen-Analyse der Beigeladenen umfaßt ferner eine getrennte Betrachtung einzelner Bereiche (z.B. Aumühle Nord, Aumühle Süd) innerhalb des Planfeststellungsabschnitts. Darüber hinaus hat innerhalb dieser Bereiche eine nähere Untersuchung der lärmschutztechnischen Auswirkungen der Wandhöhen und -längen auf die Lärmbetroffenen stattgefunden. Dem Wohnstift der Klägerin ist im Gutachten vom 23. September 1997 ein gesonderter Abschnitt gewidmet (S. 25 – 28). Dabei sind die folgenden Kriterien verwendet worden (Anlage 5.1.1 zum Gutachten vom 23. September 1997):
Diese Kriterien waren zuvor auch Grundlage der Entwicklung der Varianten, die zum Gegenstand der Gesamtbetrachtung (oben 1.4.2.4) gemacht wurden. Ziel der Detailuntersuchung war es, das Lärmschutzkonzept unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten (Trasse im Einschnitt, Dammlage, Zahl der betroffenen Anwohner, Ortsbild, technische Machbarkeit usw.) weiter zu optimieren. Im Rahmen dieser Detailuntersuchung ist das Kostenverhältnis zwischen dem Mehraufwand für eine Wanderhöhung um 1 m und dem entsprechenden Minderaufwand für passiven Lärmschutz ermittelt worden. Hier wurde eine „Verhältnismäßigkeitsschwelle von 4: 1” angenommen, die nicht überschritten werden sollte.
Hieran knüpfen die in der letzten mündlichen Verhandlung in den Verfahren BVerwG 11 A 33.97, 11 A 34.97, 11 A 42.97 und 11 A 46.97 gestellten Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Diesem Beweisantrag hat der Senat nicht entsprochen, weil die unter Beweis gestellte Behauptung für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich ist. In der Sache BVerwG 11 A 33.97 hat der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage dazu ausgeführt:
„… Es kann als richtig unterstellt werden, daß die von der Beigeladenen angestellten Berechnungen zum Verhältnis der Mehrkosten für aktiven Schallschutz im Vergleich zu den Einsparungen an Kosten für den passiven Lärmschutz zu anderen Ergebnissen führen würden, wenn die zugrundeliegenden Kostenansätze des Gutachtens vom 23. September 1997 (Anlage 8) einer Überprüfung nicht standhalten. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Die von der Beigeladenen im Rahmen ihrer Kosten-Nutzen-Analyse verwendete ‚Verhältnismäßigkeitsschwelle von 4: 1’ ist für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG nicht maßgeblich.
Ob die Kosten einer Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen, hängt davon ab, welcher Erfolg dem aktiven Lärmschutz zuzuschreiben ist. Dieser Erfolg ist aber nicht an der Einsparung von Kosten für den passiven Lärmschutz zu messen. Die insoweit zu erzielenden Einsparungen haben keinen unmittelbaren Bezug zum Schutzzweck, den der Gesetzgeber als Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung gewählt hat. Hierfür ist vielmehr die Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrslärm (vgl. § 41 Abs. 1 BImSchG) ausschlaggebend. Dies hat die Beigeladene – wie die von ihr verwandten Prüfkriterien erkennen lassen – im Grundsatz zwar nicht verkannt. Sie hat aber den Versuch unternommen, die Verhältnismäßigkeitsprüfung mit der Ermittlung eines ‚Schwellenwertes’ zu verknüpfen, der mit dem gesetzlichen Schutzzweck nichts zu tun hat. Die Beigeladene stützt sich dabei auf die – unbestrittene – Erfahrung, daß der Aufwand für den aktiven Schallschutz mit zunehmender Höhe der Lärmschutzwände stark ansteigt, während die damit erzielbaren Verbesserungen der Lärmsituation zunehmend geringer werden. Ein Nebeneffekt hiervon ist die Beobachtung, daß zunehmend geringere Kosteneinsparungen im Bereich des passiven Lärmschutzes zu erzielen sind, je höhere Lärmschutzwände gebaut werden. Dieser Nebeneffekt läßt sich durch Verhältniszahlen ausdrücken. Es mag vertretbar sein, mit diesen Verhältniszahlen zu argumentieren, wenn es darum geht, den Lärmbetroffenen zu veranschaulichen, daß die Lärmschutzplanung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung eine ausgewogene Lösung darstellt und warum eine weitere Erhöhung der Lärmschutzwand ‚wenig bringt’. Dagegen ist die Aussage, daß bei Überschreitung des Verhältnisses von 4: 1 eine ‚Verhältnismäßigkeitsschwelle’ erreicht sei, dem Gesetz nicht zu entnehmen.”
1.4.2.6 Im Planfeststellungsbeschluß wird das Argument der Beigeladenen, bei einer weiteren Erhöhung der Schallschutzwände werde die „Kostenrelation von aktivem und passivem Schallschutz unverhältnismäßig”, zwar aufgegriffen. Ein hierin etwa liegender Abwägungsfehler wirkt sich jedoch nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG nicht aus. Denn der Planfeststellungsbeschluß stützt sich in diesem Zusammenhang auf das – selbständig tragende – Argument, daß die Kosten für über 2 m hohe Lärmschutzwände überproportional ansteigen, während gleichzeitig der Lärmminderungseffekt, der durch die weitere Wanderhöhung erzielt werden kann, deutlich geringer wird. Zumindest dann, wenn – wie im Bereich der Klägerin – für die sog. Mittelwand bereits Wandhöhen von bis zu 5 m planfestgestellt sind, ist die Schlußfolgerung, daß eine weitere Wanderhöhung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde, naheliegend und deswegen rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zu berücksichtigen ist ferner, daß hier noch zusätzliche Kosten für den Bau der 2 m hohen Nordwand anfallen. Daß die von ihr geforderte Einhausung oder Wanderhöhung unverhältnismäßige Mehrkosten verursachen würden, stellt die Klägerin im Grunde genommen nicht in Abrede. Streitpunkt ist nur, ob diese Mehrkosten durch die von ihr angebotene „Eigenbeteiligung” abgedeckt würden (unten 1.4.3). Im übrigen verweist der Senat auf die nachfolgenden Ausführungen in seinem heutigen Urteil in der Sache BVerwG 11 A 33.97:
„Klarstellend ist zu bemerken, daß der Senat sich damit nicht die ‚Richtwerte’ zu eigen macht, die die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 1999 benannt hat. Der durchschnittliche Aufwand, der für einen Meter Lärmschutzwand im Planfeststellungsabschnitt anfällt, mag eine vergleichende Orientierung ermöglichen, die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ohne Wert ist. So kann die Beklagte damit plausibel darstellen, daß – wegen der Entscheidung für die sog. Mittelwand – für die Nordseite bereits jetzt so hohe Kosten (ca. 4 500 DM/lfd.m) anfallen, daß sie im Vergleich zu den Aufwendungen für die Südseite (ca. 3 500 DM/lfd.m) überproportional erscheinen. Die genannten ‚Richtwerte’ weisen aber – zumindest isoliert betrachtet – keinen Bezug zu dem Schutzzweck auf, den § 41 Abs. 2 BImSchG als Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung gewählt hat.
… Der Senat hat bereits in seinem – den Beteiligten bekannten – Urteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 11 A 44.97 – (a.a.O.) darauf hingewiesen, daß beim Bau von 4 bis 5 m hohen Schallschutzwänden Erschwernisse im Bereich vorhandener Verstärkungs- und Rückleitungen der Oberleitungen kostensteigernd wirken. Zusammen mit den Kosten für eine aufwendigere Gründung treiben diese Erschwernisse die Baukosten für Lärmschutzwände, die Höhen von über 4 m erreichen, überproportional in die Höhe. Eine Wanderhöhung von 4 m auf 5 m verursacht etwa 1 000 DM Mehrkosten pro laufendem Meter. Dem steht – in Abhängigkeit vom Abstand der Gleise zum Immissionsort – ein Lärmminderungseffekt gegenüber, der nur noch bei etwa 2 dB(A) liegt. Bei einer Wanderhöhung von 2 m auf 3 m liegen die Mehrkosten dagegen nur bei etwa 500 DM, während ein Lärmminderungseffekt von etwa 4 dB(A) erreicht werden kann.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß diese Sprungkosten in der Kostengegenüberstellung, die als Anlage 8.1.1 dem Gutachten vom 23. September 1997 beigefügt ist, – zumindest ihrer Größenordnung nach – zutreffend ausgewiesen sind. Der für das Ingenieurbüro tätige Gutachter M. hat in der letzten mündlichen Verhandlung zwar eingeräumt, daß ihm diese Kosten seinerzeit von der Beigeladenen vorgegeben worden seien und er sie ungeprüft übernommen habe. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Beigeladene die Kostenaufstellung zu ihren Gunsten manipuliert haben könnte. Ebensowenig ist ernsthaft daran zu denken, daß in die Kostenaufstellung aus Versehen falsche Angaben aufgenommen worden sein könnten. Während die Kosten für den passiven Schallschutz von den Einwendern gegenüber den bahnseitigen Angaben stets wesentlich höher veranschlagt worden sind, waren die für den Bau der Lärmschutzwände anzusetzenden Kosten kein Streitpunkt, nachdem die Arbeitsgruppe Lärmschutz in ihrem Abschlußbericht vom September 1995 (Anlage 8) verdeutlicht hatte, daß diese Kosten im Sinne einer besseren Begründbarkeit von aktivem Lärmschutz ‚eher zu niedrig als zu hoch geschätzt’ worden seien. So ist etwa auf eine Einrechnung des kapitalisierten Erhaltungsaufwands verzichtet worden, obwohl nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 21. April 1999 – BVerwG 11 A 50.97 – UA S. 18) der Erhaltungsaufwand durchaus anzusetzen gewesen wäre. Ob – wie die Kläger vortragen – durch die Wartung der Lärmschutzwände (außer im Falle einer Begrünung) keine nennenswerten Kosten anfallen, mag dahinstehen; denn der Erhaltungsaufwand, um den es hier geht, umfaßt auch Kosten, mit denen deshalb zu rechnen ist, weil jedes Bauwerk nur über eine begrenzte Haltbarkeit verfügt.
Ein Bedarf für eine weitere Sachaufklärung besteht auch nicht deswegen, weil die Kläger die Kostenschätzung der Beigeladenen im Prozeß angezweifelt haben. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 1998 haben die Kläger ihre Zweifel lediglich damit erläutert, es sei unzulässig, hier ‚Bruttokosten’ anzusetzen, in die Kosten (z.B. für Aufwuchsbeseitigung, Erd- und Abbrucharbeiten, Hindernisbeseitigung usw.) eingerechnet würden, die wegen des Streckenausbaus ohnehin anfielen; richtigerweise seien nur die Kosten anzusetzen, die man als ‚Nettokosten’ bezeichnen könne. Abgesehen davon, daß die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettokosten für den Zweck einer überschlägigen Kostenabschätzung – die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG ausreicht – unpraktikabel sein dürfte, müssen sich die Kläger entgegenhalten lassen, daß sie hiermit Kostenfaktoren ansprechen, die das Auftreten der sog. Sprungkosten nicht beeinflussen können. Es geht nämlich nicht an, den erhöhten Bau- und Montageaufwand, der bei über 4 m hohen Wänden anfällt, mit diesem Argument zu negieren. Ebensowenig läßt sich – entgegen der Ansicht der Kläger – ernsthaft in Zweifel ziehen, daß bei einer vorhandenen Strecke, die nicht stillgelegt ist, mit kostensteigernden Erschwernissen (z.B. Baustillstandszeiten) zu rechnen ist, wenn die Lärmschutzwände erwartungsgemäß ‚im Betrieb’ gebaut werden müssen.
Schließlich lassen sich sämtliche Kostenangaben der Beigeladenen nicht damit in Zweifel ziehen, sie seien nicht belegt und nicht nachvollziehbar. Der Senat hat in der letzten mündlichen Verhandlung den Projektleiter im Planfeststellungsabschnitt V b angehört, der überzeugend dargelegt hat, daß die zu erwartenden Kosten nur aufgrund der Ergebnisse vorangegangener Ausschreibungen hinreichend zuverlässig abgeschätzt werden könnten; Quadratmeterpreise für Lärmschutzwände seien dagegen nicht aussagekräftig. Seitens der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zudem vorgetragen worden, daß die Kostenangaben der Beigeladenen anhand vorliegender Erfahrungswerte ihrer Größenordnung nach überprüft worden seien. Vor diesem Hintergrund bleiben die von den Klägern geäußerten Zweifel an der Verläßlichkeit der genannten Kostenaufstellung unsubstantiiert. Das bloße Bestreiten, daß Kosten in dieser Höhe anfallen, steht der – unzulässigen – Behauptung einer Tatsache gleich, für deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 5. Oktober 1990 – BVerwG 4 B 249.89 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6). Hierdurch wird kein weiterer Aufklärungsbedarf erzeugt.”
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen war auch der von der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, daß die von der Beigeladenen genannten Baukosten für die Errichtung der Lärmschutzwände nicht in der von ihr beschriebenen Höhe entstehen, abzulehnen.
1.4.3 Die Rechtmäßigkeit des planfestgestellten Lärmschutzkonzepts wird auch nicht durch die von der Klägerin angebotene „Eigenbeteiligung” in Frage gestellt. Dies gilt sowohl für das Vergleichsangebot, das die Klägerin der Beigeladenen während des Prozesses unterbreitet hat (nachfolgend 1.4.3.1), wie auch für diejenige Kostenbeteiligung, die von der Klägerin bereits im Planfeststellungsverfahren angeboten worden war (nachfolgend 1.4.3.2).
1.4.3.1 Im Ortstermin am 4. Mai 1999 ist die Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens erörtert worden. Der Senat hat durch seinen Berichterstatter die Beteiligten gebeten zu prüfen, ob sich ein Einvernehmen erzielen läßt, wenn die Klägerin von ihrer Forderung nach einer Einhausung abrückt und sich mit einer weiteren Wanderhöhung zufrieden gibt; der Beklagten und der Beigeladenen sollte diese Lösung dadurch akzeptabel gemacht werden, daß sich die Klägerin an den Mehrkosten beteiligt.
Als Grundlage der nachfolgenden Vergleichsgespräche, die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geführt wurden, haben von der Klägerin in Auftrag gegebene gutachtliche Stellungnahmen eines Ingenieurbüros gedient. Die dortigen Rechenergebnisse – die im wesentlichen unstreitig sind – zeigen, daß mit einer Wanderhöhung und -verlängerung (Variante max. 6 m) nachts maximal (d.h. an besonders exponierten Aufpunkten) eine Pegelminderung zwischen 2,1 und 3,0 dB(A) erzielt werden kann; bei einer abgewandelten Variante (Variante max. 6,5 m) wären 2,6 bis 3,5 dB(A) zu erzielen. Der nächtliche Immissionsgrenzwert von 47 dB(A) ist – wenn man diesen gutachtlichen Stellungnahmen folgt – nach dem planfestgestellten Ausbau unter Anwendung des Verfahrens BüG mit 54,5 dB(A) am stärksten am Altbau des Wohnstifts überschritten; dort findet unstreitig eine Wohnnutzung aber nicht statt, so daß dieser Aufpunkt nach § 2 Abs. 3 der 16. BImSchV zu vernachlässigen wäre. Von den Appartements sind diejenigen im Haus 1 mit max. 52,7 dB(A) am stärksten vom nächtlichen Lärm betroffen. Die relevante Grenzwertüberschreitung liegt nach den genannten gutachtlichen Stellungnahmen bei 3,7 dB(A); diese könnte durch die Wanderhöhung und -verlängerung (Variante max. 6 m) um 2,4 dB(A) verringert werden. Es verbliebe am ungünstigsten Aufpunkt eine Überschreitung von 1,3 dB(A).
Die Vergleichsgespräche sind daran gescheitert, daß die Beigeladene ein Angebot der Klägerin, sich bei Verwirklichung der „Variante max. 6 m” mit 1,2 Mio. DM an den Mehrkosten zu beteiligen, als nicht annähernd kostendeckend abgelehnt hat; die Beigeladene schätzt die Mehrkosten auf ca. 2 627 TDM. Die Klägerin behauptet unwidersprochen, seitens der Beigeladenen habe Herr C. zunächst gesprächsweise die Mehrkosten der „Variante max. 6 m” mit ca. 1 500 TDM beziffert. Sie kritisiert deswegen die spätere Kostenschätzung der Beigeladenen. In Zweifel gezogen wird von ihr insbesondere der 20%ige Umbauzuschlag (= 233 TDM) und der Ansatz von kapitalisierten Unterhaltungskosten (= 583 TDM); Unterhaltungskosten fielen nach den Erfahrungen von Spezialisten bei Lärmschutzwänden, die nicht begrünt seien, nicht ins Gewicht. Die Beigeladene ist der Kritik an ihren Kostenansätzen entgegengetreten.
Zur Klärung dieses Streitpunktes hält die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens für geboten. Sie hat deswegen in der letzten mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Diesem Antrag ist der Senat nicht gefolgt, weil es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt. Die Rechtmäßigkeit der im Planfeststellungsbeschluß getroffenen Entscheidung, die Klägerin hinsichtlich der verbleibenden Lärmbeeinträchtigung auf passiven Lärmschutz zu verweisen, kann durch die erst im Prozeß erklärte Bereitschaft, die Kosten einer Wanderhöhung und -verlängerung mit zu finanzieren, nicht mehr in Zweifel gezogen werden.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG hat die Planfeststellungsbehörde nur diejenigen Belange in ihre Abwägung einzustellen, die im Rahmen des Anhörungsverfahrens von Einwendern an sie herangetragen worden sind oder die sich ihr bis zum Zeitpunkt der Planfeststellung aus anderen Gründen hätten aufdrängen müssen. Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sind dagegen nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Nachhinein fehlerhaft werden zu lassen (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 22. März 1999 – BVerwG 4 BN 27.98 – NVwZ 1999, 989; Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 3.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131, S. 201; Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 ≪346≫; Urteil vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 32.84 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 70, S. 17, 21 f.). Nachträgliche Entwicklungen, mit denen sämtliche Beteiligte im Zeitpunkt der Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten, verweist die Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dementsprechend in ein gesondertes Antragsverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1988 – BVerwG 4 C 49.86 – BVerwGE 80, 7 ≪13≫). Für den Fall, daß ein Einwender dem Träger des Vorhabens, um dessen Einwand der kostenmäßigen Unverhältnismäßigkeit auszuräumen, erst nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses eine finanzielle „Eigenbeteiligung” an einer Lärmschutzmaßnahme anbieten will, kann nichts anderes gelten. Ein in dieser Weise verspätetes Angebot einer „Eigenbeteiligung” ist somit für die gerichtliche Überprüfung der Planfeststellung nicht entscheidungserheblich.
Die Klägerin hatte eine „Eigenbeteiligung” bereits während des Planfeststellungsverfahrens – im Zuge der Erörterung ihrer Einwendungen – zur Sprache gebracht. Das damalige Angebot lautete sogar auf 4 Mio. DM, bezog sich aber nur auf die von der Klägerin geforderte Einhausung. Wie sie in ihrem Einwendungsschreiben vom 4. November 1994 zum Ausdruck gebracht hatte, betrachtete die Klägerin eine Erhöhung der Lärmschutzwand auf 6 m seinerzeit nur als eine minderwertige und deswegen „unzumutbare” Alternative. In dieser Situation mußte sich der Beklagten nicht der Gedanke aufdrängen, daß die Klägerin – wie nunmehr im Prozeß geschehen – für die „Variante max. 6 m” einen Betrag von 1,2 Mio. DM anbieten würde. Die von der Klägerin aufgeworfene Beweisfrage, ob dieser Betrag die Mehrkosten im wesentlichen abdecken würde, stellt sich aus Rechtsgründen nicht. Daß ohne eine Kostenbeteiligung der Klägerin die Mehrkosten der „Variante max. 6 m” unverhältnismäßig hoch sind, steht fest (oben 1.4.2.6).
1.4.3.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin läßt ihr Finanzierungsangebot von 4 Mio. DM auch die Kosten einer Einhausung nicht als verhältnismäßig erscheinen. Der Senat geht zwar zugunsten der Klägerin davon aus, daß – auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung – eine ausreichende „Eigenbeteiligung” geeignet wäre, die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG zu beeinflussen. Dabei mag dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen (Bonitätsprüfung; bindendes Vertragsangebot usw.) das Angebot einer „Eigenbeteiligung” in die behördliche Abwägung einzustellen ist. Im vorliegenden Fall würde aber der angebotene Betrag bei weitem nicht ausreichen, um die Mehrkosten einer Einhausung abzudecken.
Vorweg ist zu bemerken, daß es streitig geblieben ist, ob die von der Klägerin geforderte Einhausung, soweit sie sich auf die Bille-Brücke erstreckt, Stand der Technik i.S. von § 41 Abs. 1 BImSchG ist. Die Klägerin beruft sich auf Machbarkeitsstudien der Ingenieurbüros K. (Bl. 107 d.A.; Ordner K 5) und W. (Bl. 449 d.A.; Broschüre). Die von W. vorgeschlagene Einhausung mit Dachbegrünung, transparenten Scheiben usw. ist eine technische Neuerung, die noch nie gebaut worden und deswegen nicht praktisch erprobt ist. Sie ist nach Auffassung des Senats derzeit nicht als Stand der Technik i.S. von § 3 Abs. 6 BImSchG anzusehen. Die Stabbogenkonstruktion von K. ist dagegen technisch konventionell. Im Ortstermin konnte Einvernehmen erzielt werden, daß eine derartige Konstruktion technisch machbar ist, wenn sie nicht auf die alte Brücke gegründet wird, sondern eine eigene Tragkonstruktion erhält. Nach Ansicht der Beigeladenen entspricht diese Lösung dennoch nicht dem Stand der Technik, weil es unvernünftig sei, eine schon mehr als 100 Jahre alte Brücke in dieser Weise einzuhausen; schon in 10 oder 20 Jahren könnten Unterhaltungsarbeiten anfallen, die einen Abbau der Einhausung erforderten. Stand der Technik sei deswegen ein Brückenneubau mit Einhausung; dieser sei aber – unstreitig – auch dann zu teuer, wenn man die „Eigenbeteiligung” der Klägerin berücksichtige.
Erst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, die Einhausung nach dem Vorschlag K. entspreche dem Stand der Technik, kommt es auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 41 Abs. 2 BImSchG an. Hierzu liegen umfangreiche Rechnungen und Gegenrechnungen der Prozeßbeteiligten vor. Die Klägerin versucht darzustellen, daß die angebotene „Eigenbeteiligung” von 4 Mio. DM die Mehrkosten der Einhausung abdecken würde (Bl. 111, 280 d.A.). Die Beklagte und die Beigeladene bestreiten dies unter Hinweis darauf, daß zusätzliche Kosten in dem klägerischen Rechenwerk unberücksichtigt geblieben oder Ersparnisse unzulässig hoch angesetzt worden seien (insb. Bl. 147, 246 f., 252, 496 d.A.). Der Senat hält es nicht für erforderlich, die streitigen Kostenansätze sämtlich zu überprüfen. So kann insbesondere zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß – entgegen der Ansicht der Beigeladenen – die alte Billebrücke aus Anlaß der Einhausung nicht mit einem Kostenaufwand von ca. 7,2 Mio. DM erneuert werden müßte (Bl. 246 f. d.A.). Auch dann verblieben schon bei einer überschlägigen Rechnung nämlich hohe Kosten, die weder durch die „Eigenbeteiligung” von 4 Mio. DM noch durch Einsparungen beim passiven Schallschutz abgedeckt würden.
Nicht in dem Zahlenwerk der Klägerin berücksichtigt sind vor allem die Kosten einer Umleitung des Verkehrs während der Arbeiten an der Einhausung. Diese werden von der Beigeladenen mit knapp 9 Mio. DM beziffert (Bl. 496 d.A.). Der Ortstermin hat ergeben, daß eine Umleitung des Fernbahnverkehrs über die neue S-Bahn-Brücke unvermeidbar ist. Demgegenüber wird der Bau der Südwand nur die Sperrung eines der beiden Fernbahngleise erfordern, so daß der Verkehr eingleisig auf der alten Trasse fortgeführt werden kann. Das zuvor genannte Kostenvolumen, das die Klägerin nicht substantiiert bestritten hat (Bl. 552 d.A.), wird auch nicht annähernd durch mögliche Einsparungen beim passiven Lärmschutz gedeckt. Die Klägerin hat versucht, durch Gutachten (Bl. 148 ff.; 482 d.A.; Anlage K 11) zu belegen, daß hierin ein Einsparungspotential in Millionenhöhe (bis zu 5,3 Mio. DM) steckt. Beim Ortstermin hat sich diese Einschätzung jedoch nicht bestätigt. Das Einsparungspotential erreicht allenfalls einen sechsstelligen DM-Betrag. Zwar mag die Zahl der nachzurüstenden Fenster letztlich streitig geblieben sein. Sie ist aber in den Gutachten, die die Klägerin beigebracht hat, unrealistisch hoch angesetzt. Es ist außerdem möglich, einen Fensteraustausch ohne Einrüstung des Wohnstifts zu bewerkstelligen. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung ist ebenso auszuschließen, daß die von der Klägerin angesetzten Umzugskosten, Kosten für weitere „interne Schallschutzmaßnahmen” und einmalige „Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung” sowie „Abfindungszahlungen” in Ansatz gebracht werden können, die von der Klägerin aufgelistet worden sind (Bl. 221 d.A.).
2. Die Klägerin kann auch nicht – wie von ihr beantragt – weitere Maßnahmen des Erschütterungsschutzes beanspruchen.
Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt allein § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Danach sind dem Träger des Vorhabens Schutzvorkehrungen aufzuerlegen, wenn das Vorhaben anderenfalls für Dritte unzumutbare Nachteile hervorrufen würde. Der Planfeststellungsbeschluß geht zutreffend davon aus, daß nach dieser Vorschrift Erschütterungswirkungen Schutzvorkehrungen nur erforderlich machen, wenn die vorhandene Vorbelastung in beachtlicher Weise erhöht wird und gerade dadurch eine unzumutbare Belastung eintritt. Die im Planfeststellungsverfahren beigebrachten erschütterungstechnischen Gutachten stützen die Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen, daß eine Überschreitung der so bestimmten Zumutbarkeitsgrenze als Folge des Ausbauvorhabens nicht zu erwarten ist. Dagegen ist aus Sicht des Senats nichts zu erinnern.
Der Planfeststellungsbeschluß verweist – gestützt auf das erschütterungstechnische Gutachten eines von der Beigeladenen beauftragten Ingenieurbüros vom Juni 1995 – darauf, daß sich durch das Vorhaben eher eine Verbesserung der aktuellen Situation ergeben werde. Das gelte zumindest für die prognostizierte maximale Schwingstärke, die unter den Meßwerten liege, weil der Gleis-Oberbau erneuert und verbessert werde. Die Prognosewerte für die Beurteilungs-Schwingstärke lägen etwa in dem Bereich der Meßwerte des Ist-Zustands; insofern werde nämlich der positive Effekt der Ertüchtigung des Oberbaus durch die erhöhte Zahl der Zugvorbeifahrten kompensiert. Die Klägerin hat sich mit den Ergebnissen der vorliegenden Gutachten nicht im einzelnen auseinandergesetzt. Sie beruft sich lediglich darauf, daß in Wentorf nach Inbetriebnahme der S-Bahn erhebliche Erschütterungen aufgetreten seien; daß diese Erschütterungen durch den S-Bahn-Betrieb verursacht würden, sei in dem beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren BVerwG 11 A 6.99 unter Beweis gestellt worden. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde, Maßnahmen des Erschütterungsschutzes als verzichtbar anzusehen, wird durch diesen Vortrag nicht in Frage gestellt.
Das Gutachten vom Juni 1995 hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei einem Bau der S-Bahn infolge der Verringerung der Entfernung zwischen den Gleisen und der nördlich gelegenen Wohnbebauung mit einer ausbaubedingten Zunahme der Erschütterungen zu rechnen ist. Näher untersucht worden ist insoweit ein auf dem Gelände des Wohnstifts gelegener Meßpunkt (MO Vb/3). Auch insoweit liegen die prognostizierten Immissionskenngrößen jedoch unter den Meßwerten, die als Vorbelastung ermittelt worden sind. Eine Zunahme der Erschütterungen, die speziell auf den S-Bahn-Betrieb zurückzuführen wäre, konnte die Planfeststellungsbehörde unter diesen Umständen ausschließen. Sollte dieser Effekt – entsprechend der nunmehr von der Klägerin geäußerten Besorgnis – dennoch eintreten, wäre er i.S. von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG unvorhersehbar. Aus diesem Grunde könnte er nur im Rahmen eines Antrages auf nachträgliche Schutzvorkehrungen geltend gemacht werden.
3. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem – in ihrem Hilfsantrag enthaltenen – Begehren durchdringen, die Beklagte zu verpflichten, ihr dem Grunde nach Ansprüche auf Entschädigung zuzuerkennen. Der Hilfsantrag ist auch insoweit unbegründet.
3.1 Die Klägerin hat nach dem Planfeststellungsbeschluß (S. 8, 50) Anspruch auf Entschädigung nach § 42 Abs. 1 BImSchG, weil bei ihrem Wohnstift nach dem planfestgestellten Streckenausbau trotz der aktiven Schallschutzmaßnahmen die Immissionsgrenzwerte überschritten sein werden (oben 1.1). Damit ist die Geldentschädigung für die Kosten des passiven Lärmschutzes dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluß anerkannt; eine weitergehende Regelung kann die Klägerin nicht beanspruchen.
3.2 Es kann dahinstehen, ob, soweit die Klägerin dem Grunde nach eine Entschädigung unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsbeeinträchtigung geltend macht, „vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung” in Rede stehen, über die nach § 40 Abs. 2 VwGO an sich von den Zivilgerichten zu entscheiden wäre (vgl. BGHZ 122, 76 ≪79≫). Denn nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist der Senat befugt, über den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.
Der Planfeststellungsbeschluß (S. 57) lehnt eine Entschädigung wegen Wertminderung durch mittelbare Einwirkung ab. Art. 14 GG nötigt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber muß nicht vorsehen, daß jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird. Art. 14 GG schützt weder vor einer Minderung der Wirtschaftlichkeit noch bietet er Gewähr dafür, daß jede Chance einer günstigen Verwertung des Eigentums ausgenutzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39). Im vorliegenden Fall kann schon wegen der bestehenden Vorbelastung von einem enteignenden Eingriff nicht ausgegangen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 1. April 1998 – BVerwG 11 VR 13.97 –, a.a.O.). Auch die Existenzgefährdung, die von der Klägerin geltend gemacht wird, kann deswegen nicht anspruchsbegründend sein.
3.3 Das Vorstehende (oben 3.2) gilt auch, soweit die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag speziell auf sie beeinträchtigende Erschütterungen abhebt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.03.2000 durch Kettlitz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NVwZ 2001, 79 |
DÖV 2000, 878 |
NuR 2001, 685 |
UPR 2000, 351 |