Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs. luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit. Zuverlässigkeitsüberprüfung. Überprüfung. Zugangsberechtigung. Stasi-Mitarbeit. Inoffizieller Mitarbeiter. IM. Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. MfS. Flughafen. Flughafenmitarbeiter. Luftverkehr. nicht allgemein zugängliche Bereiche. Beurteilungsspielraum
Leitsatz (amtlich)
Eine frühere Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter beim Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik kann nur dann Zweifel an der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit eines Flughafenmitarbeiters begründen, wenn das damalige Verhalten Grund für die Annahme gibt, beim Überprüfen sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten.
Zuverlässig im Sinne von § 29d LuftVG ist nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Die Zuverlässigkeit ist bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen.
Bei der Beurteilung, ob der Überprüfte nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt, um selbst bei dem In-Aussicht-Stellen von Vorteilen oder der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren, ist unter anderem auf den Grund für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit und für ihre Beendigung, ihre Dauer und Intensität sowie den Inhalt und Umfang der vom Inoffiziellen Mitarbeiter erstatteten Berichte abzustellen. Daneben ist insbesondere auch das Verhalten nach 1989 zu berücksichtigten.
Der Luftfahrtbehörde steht bei der Feststellung der Zuverlässigkeit der überprüften Person kein Beurteilungsspielraum zu; die behördliche Entscheidung unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung.
Normenkette
LuftVG § 19b Abs. 1 Nr. 3, § 29d; LuftVZÜV §§ 5-6, 9
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen 1 B 414/02) |
VG Dresden (Urteil vom 13.03.2002; Aktenzeichen 14 K 2851/01) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Zuverlässigkeit gemäß § 29d des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und die Erteilung einer Zugangsberechtigung zu den nicht allgemein zugänglichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen und Anlagen des Flughafens D.…
Der 1949 geborene Kläger war seit 1971 als Flugzeugmechaniker am Flughafen Dresden beschäftigt. Gelegentlich war er auch auf anderen Flughäfen eingesetzt, insbesondere auf dem Flughafen L.…, wenn in L.… Messen stattfanden.
Auf seinen Antrag auf Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Luftfahrtbehörde nach § 29d LuftVG wurde ihm am 22. Februar 2000 vorbehaltlich der abschließenden
Überprüfung und mit der Maßgabe der jederzeitigen Widerruflichkeit im Falle sicherheitsrelevanter Erkenntnisse die Berechtigung zum Betreten der nicht allgemein zugänglichen und/oder sicherheitsempfindlichen Bereiche i.S. von § 29d Abs. 1 LuftVG erteilt. Ihm wurde ein entsprechender Flughafenausweis ausgehändigt.
Mit Auskunft vom 20. August 2001 teilte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik der Luftfahrtbehörde mit, dass der Kläger unter einem Decknamen “…” als Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (MfS) tätig gewesen sei. Der Kläger habe nach einer Kontaktphase am 4. Juli 1975 eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet, der letzte Treffbericht stamme vom 31. Mai 1989. Es lägen 139 Treffberichte des Führungsoffiziers, 86 Berichte des Führungsoffiziers nach Informationen des IM (davon 44 mit Decknamen unterschrieben, 42 ohne Unterschrift), 63 handschriftliche Berichte des IM (davon 57 mit Decknamen unterschrieben, 6 ohne Unterschrift) und 42 Tonbandabschriften vor. Der Kläger habe Prämien in Höhe von insgesamt 1 950 M für den Zeitraum von Dezember 1975 bis März 1989, Präsente im Wert von 459,90 M für den Zeitraum von November 1976 bis April 1980 sowie Auslagenerstattungen in Höhe von insgesamt 150 M (Juli 1975 und November 1977) erhalten. Die Berichte hätten Folgendes zum Inhalt gehabt: fachliche, politische und persönliche Einschätzungen von Mitarbeitern; intensive Informationserarbeitung zu einer in OPK (Operativer Personenkontrolle) bearbeiteten Kollegin mit Hinweisen zu deren Ausreisegedanken; Beobachtungen von in- und ausländischen Mitarbeitern während verschiedener Einsätze zur Leipziger Messe; Hinweise zu privaten Kontakten, besonders mit NSW-Charakter; Informationen zu Sachverhalten und Vorkommnissen aus dem Dienstbereich sowie Mitteilungen über Meinungsäußerungen von Mitarbeitern des Dienstbereiches zu tagespolitischen Ereignissen.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2001 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Überprüfung gemäß § 29d LuftVG derzeit nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Erteilung einer Zugangsberechtigung zu den nicht allgemein zugänglichen bzw. sicherheitsempfindlichen Bereichen und Anlagen am Flughafen D.… besitze. Dem Kläger wurde die Zugangsberechtigung entzogen und ihm wurde aufgegeben, seinen Flughafendauerausweis abzugeben. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass eine Erpressbarkeit des Klägers wegen seiner früheren IM-Tätigkeit nicht auszuschließen sei. Nachdem das MfS massive Eingriffe in die Bürger- und Menschenrechte vorgenommen habe, könne eine Verstrickung des Klägers in Straftaten oder ähnliches als Ansatzpunkt für eine Erpressung nicht sicher ausgeschlossen werden. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 zurück.
Das vom Kläger eingeleitete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb sowohl beim Verwaltungsgericht Dresden als auch beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg.
Seine Klage hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 13. März 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass erhebliche die Zuverlässigkeit des Klägers ausschließende Anhaltspunkte für eine Manipulierbarkeit durch Dritte bestünden. Mit seiner IM-Tätigkeit habe er seine Bereitschaft gezeigt, zur Wahrung eigener Belange, nämlich um seine berufliche Perspektive im Luftverkehrswesen zu erhalten und seinen Arbeitsplatz am Flughafen nicht zu gefährden, Interessen Dritter zu missachten, über die er in belastender Weise berichtet habe. Wegen der damit erwiesenen Manipulierbarkeit könne offen bleiben, ob der Kläger wegen seines damaligen Verhaltens noch erpressbar sei.
Die Berufung des Klägers hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Juli 2003 zurückgewiesen: Zuverlässig im Sinne von § 29d LuftVG sei nur, wer die Gewähr dafür biete, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs vor Angriffen ordnungsgemäß zu erfüllen. Wegen des hohen Gefährdungspotentials des Luftverkehrs und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sei die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestünden. Die Entscheidung, ob die überprüfte Person in diesem Sinne zuverlässig sei, unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle, ein Beurteilungsspielraum stehe der Luftfahrtbehörde nicht zu. Nach diesen Maßstäben besitze der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit unabhängig davon nicht, ob seine IM-Tätigkeit zu einer Erpressbarkeit durch Dritte führe oder sonst einer der in § 5 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 der Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftVZÜV) genannten Fälle vorliege. Diese Vorschriften seien nicht abschließend. Eine Zusammenarbeit mit dem MfS könne je nach den Umständen des Einzelfalles auf in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen und -motive und nach wie vor vorhandene persönliche Eigenschaften schließen lassen und deshalb Zweifel daran begründen, ob der Überprüfte das für die Sicherheit des Luftverkehrs erforderliche hohe Maß an Verantwortungsbewusstsein, Selbstbeherrschung und Bereitschaft zur Einhaltung der Regeln künftig in jeder Situation und gegenüber jedermann – also nicht nur anderen Geheimdiensten gegenüber – aufbringen werde. Insoweit komme es bei der Würdigung des Einzelfalles etwa auf die Dauer und Intensität der Zusammenarbeit, den Grund für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und für ihre Beendigung sowie den Inhalt und Umfang der erstatteten Berichte an. Dagegen sei regelmäßig unerheblich, ob die Zusammenarbeit zu konkret nachweisbaren Nachteilen für Dritte geführt habe. Beim Kläger müsse nach den vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen werden, dass er jedenfalls in der Vergangenheit bereit gewesen sei, zum eigenen Vorteil oder um die Gefahr geringer Nachteile abzuwenden, mit dem Nachrichtendienst eines diktatorischen Staates intensiv zusammenzuarbeiten und ihm- auch über seine eigenen moralischen Maßstäbe hinweg – Informationen über Dritte nicht nur beruflicher, sondern auch privater oder sogar intimer Art zu beschaffen. Der Kläger sei von 1975 bis 1989 als Inoffizieller Mitarbeiter tätig gewesen. Zur Zusammenarbeit habe er sich nach eigenen Angaben bereit erklärt, um Einschränkungen bei der Arbeit zu vermeiden und seine Flug- und Mechanikerlizenzen zu behalten bzw. wieder zu erhalten, also um nur relativ geringfügige Nachteile zu vermeiden. Eine andere Bewertung sei auch nicht geboten, wenn unterstellt werde, der Kläger sei auch mit dem Vorwurf einer beabsichtigten Republikflucht unter Druck gesetzt worden. Denn über die geschilderten Nachteile hinaus seien deswegen keine weiteren Maßnahmen gegen ihn ergriffen worden. Der Kläger habe sich während der Existenz des MfS von seiner IM-Tätigkeit weder distanziert noch habe er die Zusammenarbeit selbst beendet. Die aus der Zahl von rund 130 Treffberichten zu folgernde Intensität der Zusammenarbeit werde auch durch die an den Kläger ausgezahlten Prämien belegt. Sie deuteten zugleich darauf hin, dass er bereit gewesen sei, wenn nicht beabsichtigt habe, finanzielle Vorteile aus der Zusammenarbeit mit dem MfS zu ziehen. Die Behauptung des Klägers, er habe keine Prämien, sondern nur Aufwandsentschädigungen erhalten, sei nicht glaubhaft. Inhaltlich hätten sich seine Berichte zwar auch mit Sicherheitsfragen am Flughafen befasst, häufig aber ebenso Privates über andere Personen bis hin zu negativen Charaktereinschätzungen und intimen Details enthalten. Aufgrund dieses in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens sei anzunehmen, dass der Kläger nicht die Gewähr biete, in Zukunft allen Anfechtungen zu widerstehen und sich strikt an die zum Schutz der Luftsicherheit erlassenen Vorschriften zu halten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und macht geltend: Die Ermächtigungsgrundlage für § 5 LuftVZÜV in § 32 Abs. 2b i.V.m. § 29d Abs. 2 und 3 LuftVG sei mangels Bestimmtheit nicht mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, soweit etwaige charakterliche Mängel für eine Unzuverlässigkeit angeführt würden. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit nur eine mögliche Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs maßgeblich sein könne, nicht aber etwaige sonstige charakterliche Mängel, die den Luftverkehr nicht gefährden könnten. Außerdem müsse wegen Art. 12 GG zumindest eine abstrakte Gefahr vorliegen. Hinsichtlich seiner MfS-Tätigkeit sei eine Wiederholungsgefahr jedoch ausgeschlossen. Sie habe außerdem eine abnehmende Tendenz aufgewiesen. Er habe mit dem MfS nicht wegen finanzieller Zuwendungen zusammengearbeitet, die Zahlungen habe er generell als Aufwendungsentschädigung angesehen. Der Inhalt der von ihm verfassten IM-Berichte spreche ebenfalls nicht gegen seine Zuverlässigkeit; sie entsprächen denen eines “durchschnittlichen” IM. Es bestehe keinerlei Nähe zu den Regelbeispielen in § 5 Abs. 2 und 3 LuftVZÜV. Sein Auftrag als IM sei eindeutig die Sicherung des Flugbetriebes gewesen. Als Sicherheitsrisiko seien damals vor allem ausreisewillige Personen eingeschätzt worden, daher habe ein Schwerpunkt bei etwaigen Westkontakten gelegen. Außerdem sei über andere Sicherheitsrisiken wie die Nichteinhaltung von Vorschriften und den Umgang mit Werkzeug und Material sowie generell über etwaige Straftaten zu berichten gewesen. Er habe sich damals – bei aller moralischen Verwerflichkeit aus heutiger Sicht – absolut rechtstreu und zuverlässig verhalten. Die Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs gehöre quasi zu seinem verinnerlichten Berufsbild. Vor allem aber habe das Oberverwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass seit 1989 mittlerweile 14 Jahre beanstandungsfrei vergangen seien. Es habe die gesetzliche Auslegungsvorgabe unbeachtet gelassen, die § 5 Abs. 2 LuftVZÜV mit der 10-Jahres-Frist in Bezug auf Straftaten enthalte. Schließlich verletze die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 GG. Er sei ein “durchschnittlicher” IM gewesen, im Gegensatz zu ihm seien noch viele weitere ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter am Flughafen D.… tätig.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er hält das Berufungsurteil ebenfalls für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsgericht hat die sich aus dem maßgeblichen materiellen Recht ergebenden Anforderungen an die Bewertung der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers nicht hinreichend beachtet (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für eine abschließende Entscheidung noch ergänzende Feststellungen zu treffen sind und eine erneute Beweiswürdigung unter deren Einbeziehung erforderlich ist, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Nach § 29d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 19 Nr. 4 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361 ≪379 f.≫) überprüft die Luftfahrtbehörde zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs (§ 29c Abs. 1 Satz 1) die Zuverlässigkeit von Personen, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen (§ 19b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) gewährt werden soll. Hierzu darf die Luftfahrtbehörde gemäß § 29d Abs. 2 Nr. 2 LuftVG, soweit erforderlich, unter anderem bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nach dort vorhandenen, für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Informationen anfragen. Gemäß § 19b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 LuftVG in der Fassung des Art. 19 Nr. 1 Buchst. a des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9. Januar 2002 entscheidet die Luftfahrtbehörde, welchen Personen die Berechtigung zum Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Bereichen erteilt werden darf oder zu entziehen ist.
Gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung zur Regelung des Verfahrens der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf dem Gebiet des Luftverkehrs (Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung – LuftVZÜV) vom 8. Oktober 2001 (BGBl I S. 2625) bewertet die Luftfahrtbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 2 LuftVZÜV fehlt es in der Regel an der erforderlichen Zuverlässigkeit, wenn (1.) der Betroffene innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Überprüfung wegen versuchter oder vollendeter Straftaten rechtskräftig verurteilt wurde, oder (2.) tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt oder unterstützt oder innerhalb der letzten zehn Jahre verfolgt oder unterstützt hat. Gemäß § 5 Abs. 3 LuftVZÜV ist bei Verurteilungen und Bestrebungen nach Absatz 2, die länger als zehn Jahre zurückliegen, oder bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Zweifel an der Zuverlässigkeit der zu überprüfenden Person ergeben. Als sonstige Erkenntnisse kommen nach Satz 2 Nr. 2 dieser Regelung unter anderem der Verdacht der Tätigkeit für fremde Nachrichtendienste und nach ihrer Nr. 4 Sachverhalte, aus denen sich eine Erpressbarkeit durch Dritte ergibt, in Betracht. Können bestehende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person nicht ausgeräumt werden, ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 5 LuftVZÜV die Zuverlässigkeit zu verneinen.
- Im vorliegenden Fall ist auf die im Laufe des Rechtsstreites durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 geänderte Rechtslage abzustellen, die sich erkennbar Geltung auch für noch offene Verwaltungs- und Verwaltungsstreitverfahren beimisst (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1989 – BVerwG 8 C 17.87 – BVerwGE 84, 157 ≪160 ff.≫ und vom 20. März 1996 – BVerwG 6 C 4.95 – BVerwGE 100, 346 ≪347 f.≫). Bei der Frage, welche Sachlage maßgeblich ist, ist demgegenüber zu beachten, dass das Luftverkehrsrecht die Feststellung der Zuverlässigkeit im Sinne von § 29d LuftVG mit einer zeitlich nur begrenzten Geltungskraft ausstattet. Im Regelfall muss der Betroffene jedenfalls im Abstand von einem Jahr nach Bekanntgabe des Ergebnisses der letzten Überprüfung erneut die Zuverlässigkeitsüberprüfung beantragen (§ 9 Abs. 3 LuftVZÜV); bei Bekanntwerden neuer sicherheitsrelevanter Erkenntnisse muss die Luftfahrtbehörde auch unabhängig davon eine erneute Überprüfung vornehmen. Jede neue Überprüfung der Zuverlässigkeit löst aber erneut die Verpflichtung der Luftfahrtbehörde zur Einholung der nach § 4 LuftVZÜV erforderlichen Auskünfte aus. Dies schließt es, soweit der Erkenntnisstand älter als ein Jahr ist, auch für das Gericht aus, auf eine Verpflichtung der Luftfahrtbehörde zur (positiven) Feststellung der Zuverlässigkeit zu erkennen. Die Sache durch eigene tatsächliche Ermittlungen spruchreif zu machen, verbietet sich auch deshalb, weil nicht nur der Ausschlussgrund, der Gegenstand des konkreten Rechtstreites ist – hier also die frühere IM-Tätigkeit des Klägers –, sondern auch alle weiteren in Betracht kommenden Gründe für eine Unzuverlässigkeit ausgeschlossen werden müssten. Dies legt es nahe, dass sich das Gericht auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der (negativen) behördlichen Feststellung im Zeitpunkt der Behördenentscheidung beschränkt und für den Fall, dass sie sich als rechtwidrig erweist, in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ein bloßes Bescheidungsurteil erlässt.
Die Entscheidung der Luftfahrtbehörde über die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit der überprüften Person unterliegt vollständig der gerichtlichen Kontrolle; der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu.
Einer der Fälle, in denen sich auch im Bereich der gebundenen Verwaltung Kontrollrestriktionen bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung ergeben können (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 18. März 2004 – BVerwG 3 C 24.03 – DVBl 2004, 1040 ≪1042≫), liegt nicht vor. Bei der Feststellung der Zuverlässigkeit nach § 29d LuftVG und insbesondere bei der daran anschließenden Erteilung einer Zugangsberechtigung nach § 19b Abs. 1 Nr. 3 LuftVG steht das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) inmitten, die vorgeschaltete Zuverlässigkeitsüberprüfung dient der Abwehr von Gefahren, die vom Überprüften für die Sicherheit des Luftverkehrs ausgehen können. Besteht in der Person des Überprüften indes kein solches Gefährdungspotenzial, hat er einen Anspruch auf die Feststellung seiner Zuverlässigkeit und die Erteilung der entsprechenden Erlaubnis. Zur Durchsetzung dieses Anspruches muss er uneingeschränkt gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können (Art. 19 Abs. 4 GG).
Daher liegt der Fall des § 29d LuftVG nicht anders als bei § 35 GewO. Dort ist anerkannt, dass die Annahme der Behörde, der Gewerbetreibende sei unzulässig, gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. u.a. Tettinger in: Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, 6. Aufl. 1999, § 35 Rn. 26 m.w.N.). Im Berufsrecht ist die Frage der persönlichen Eignung – zu der auch das Erfordernis der Zuverlässigkeit rechnet – in erster Linie unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr zu würdigen (Gerhardt in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2003, § 114 Rn. 76). Daher ist bei Gewerbeuntersagungen sowie bei Erteilung und Widerruf von personengebundenen Konzessionen – und damit auch hier – für eine Beurteilungsermächtigung kein Raum, selbst wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit auch ein prognostisches Element beinhaltet. Soweit in der Literatur (vgl. Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Stand Dezember 2003, § 29d Rn. 7 und 59; offen gelassen in VGH München, Beschluss vom 12. April 1999 – 20 B 98.2979 – NVwZ-RR 1999, 501) ein Beurteilungsspielraum der Luftfahrtbehörde hinsichtlich der Gewichtung vorliegender Erkenntnisse gesehen wird, wird dies nicht näher begründet und steht im Gegensatz zu den dargestellten Grundsätzen.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Erteilung der Sicherheitsbescheide für Angehörige der Bundeswehr, von der der Zugang zu Verschlusssachen abhängt, die für die Entscheidung zuständigen Stellen einen Beurteilungsspielraum haben (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2000 – BVerwG 1 WB 25.00 – BVerwGE 111, 219 ≪221≫ und vom 12. Dezember 1985 – BVerwG 1 WB 8/85 – BVerwGE 83, 90 ≪94 f.≫ m.w.N.), ist auf die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 29d LuftVG nicht übertragbar. Das Vorliegen des Sicherheitsbescheides ist bei Soldaten ein Element der dienstrechtlichen Eignung (Beschluss vom 12. Dezember 1983 – BVerwG 1 WB 8/85 – BVerwGE 83, 90 ≪95≫). Die Entscheidung, ob in der Person des Soldaten ein militärisches Sicherheitsrisiko liegt, ist unter Beachtung und Würdigung spezifisch militärischer Belange durch die dafür zuständigen Stellen der Bundeswehr zu treffen. Ihnen steht wie in allen Eignungsfragen ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. Beschluss vom 12. Januar 1983 – BVerwG 1 WB 60/79 – BVerwGE 76, 52 ≪53≫ m.w.N.). Um eine solche Entscheidung mit dienstrechtlichem Einschlag handelt es sich hier jedoch nicht.
Zuverlässig im Sinne von § 29d Abs. 1 LuftVG ist nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten (§ 29c Abs. 1 Satz 1), jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen.
Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter begegnet es auch im Hinblick auf Art. 12 GG keinen Bedenken, wie das Berufungsgericht strenge Anforderungen zu stellen und die Zuverlässigkeit im Sinne von § 29d LuftVG bereits dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen (so auch VGH München, Beschlüsse vom 14. September 1993 – 20 CS 93.2546 – NVwZ 1995, 182 ≪184≫ und vom 12. April 1999 – 20 B 98.2979 – NVwZ-RR 1999, 501 sowie Urteil vom 16. Juli 2003 – 20 BV 02.2747 und 20 Cs 02.2850 – GewArch 2003, 493; ebenso Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Stand Dezember 2003, § 29d Rn. 7). Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, um so strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Bewerbern für eine entsprechende berufliche Tätigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist. Wenn – wie bei Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs – hochrangige Rechtsgüter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden können, kann der Normgeber auch bereits die geringe Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadens ausreichen lassen (so zu den Anforderungen an die Zuverlässigkeit eines Luftfahrzeugführers, Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 20.90 – NVwZ 1991, 889 ≪890≫). Dem entspricht auch die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 5 LuftVZÜV, wonach die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen ist, wenn bestehende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Person nicht ausgeräumt werden können.
Dabei ist für die hier maßgebliche Gefahrenlage von Bedeutung, dass der Angriff auf die Sicherheit des Luftverkehrs nicht unmittelbar von dem zu Überprüfenden selbst ausgehen muss. Eine Gefährdung kann ebenso dadurch eintreten, dass eine Person, die Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen eines Flughafens oder die aufgrund ihrer Tätigkeit Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs hat, ihre Kenntnis von Betriebsabläufen und Sicherheitsmaßnahmen an außen stehende Dritte weitergibt oder diesen den Zutritt zum Flughafen ermöglicht.
- Zu Unrecht meint der Kläger, charakterliche Mängel könnten schon deshalb nicht die Unzuverlässigkeit begründen, weil es für die entsprechende Regelung des § 5 LuftVZÜV in § 32 Abs. 2b i.V.m. § 29d Abs. 2 und 3 LuftVG keine hinreichend bestimmte, dem Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügende Ermächtigungsgrundlage gebe. Er verkennt dabei, dass sich die materiellen Anforderungen für die Feststellung der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit allein aus § 29d LuftVG ergeben. Zu einer näheren Bestimmung des materiellen Begriffs der Zuverlässigkeit ermächtigt § 32 Abs. 2b LuftVG nicht. Hierzu bestand auch kein Anlass. Der Begriff der Zuverlässigkeit ist aus sich heraus genügend bestimmt (Art. 20 Abs. 3 GG). Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung zum Gewerberecht und zum Gefahrenabwehrrecht liegt es auf der Hand, dass für die Frage der persönlichen Zuverlässigkeit gerade auch das Vorliegen eventueller charakterlicher Mängel maßgeblich ist.
Eine frühere Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR kann nur dann Zweifel an der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit begründen, wenn das damalige Verhalten nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit Grund zu der Annahme gibt, beim Überprüften sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten.
a) Das MfS war ein zentraler Bestandteil des totalitären Machtapparates der DDR und fungierte als Instrument der politischen Kontrolle und Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Es diente insbesondere dazu, politisch Andersdenkende und Ausreisewillige zu überwachen, abzuschrecken und auszuschalten. Diese Tätigkeit zielte auf eine Verletzung der Freiheitsrechte, die für eine Demokratie konstituierend sind (Urteil vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 2 C 26.97 – BVerwGE 108, 64 ≪66≫ m.w.N.). Dass eine MfS-Tätigkeit des nach § 29d LuftVG zu Überprüfenden auch für die Beurteilung seiner luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit von Bedeutung ist, haben zunächst der Verordnunggeber mit der Vorgabe einer Regelanfrage bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) in § 4 Abs. 1 Satz 7 LuftVZÜV in der Fassung vom 8. Oktober 2001 und im Jahr 2002 auch der Gesetzgeber mit der Aufnahme der Anfrage bei der BStU in das Luftverkehrgesetz zum Ausdruck gebracht. Dabei wird nicht zwischen einer hauptamtlichen und einer inoffiziellen Mitarbeit beim MfS unterschieden. In der Begründung für die Einführung der BStU-Regelanfrage in der Luftverkehrs-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung, die auf eine Änderungsempfehlung des Bundesrates zurückgeht, wird darauf abgestellt, dass Erkenntnisse über Tätigkeiten des Betroffenen beim Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR in der Regel Rückschlüsse auf die für die Sicherheit eines Flughafens relevante Zuverlässigkeit einer Person erlaubten. Die Neigung zu konspirativer Tätigkeit sei generell ein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit zumindest abwägungsrelevanter Gesichtspunkt, dem im Rahmen der Einzelfallbeurteilung in verhältnismäßiger Weise Rechnung zu tragen sei (BRDrucks 726/1/01 S. 2). Der Zeitpunkt, zu dem diese Regelungen getroffen wurden, macht zugleich deutlich, dass nach der Bewertung des Gesetz- und Verordnungsgebers trotz des zeitlichen Abstandes zur Auflösung des MfS/AfNS der Umstand einer MfS-Tätigkeit nach Maßgabe einer Einzelfallprüfung dazu führen kann, dem Betroffenen die Zugangsberechtigung zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flughafens wegen Unzuverlässigkeit zu versagen. Dies ist wegen der Bedeutung der Sicherheit des Luftverkehrs und der Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter bei hiergegen gerichteten Angriffen auch gemessen an Art. 12 GG nicht zu beanstanden. Diese Relevanz einer MfS-Tätigkeit bleibt davon unberührt, dass eine Anfrage bei der BStU nach den Änderungen von § 4 LuftVZÜV und § 29d Abs. 3 LuftVG durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 nunmehr – da zu aufwendig – nicht mehr im Regelfall, sondern nur noch erfolgt, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist.
b) Ob die frühere IM-Tätigkeit Zweifel begründet, die die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit ausschließen, ist auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung zu beurteilen. Bezugspunkt der Überprüfung nach § 29d Abs. 1 LuftVG muss sein, ob das damalige Verhalten Grund für die Annahme gibt, beim Überprüften sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten. Allein ein moralisches Unwerturteil hinsichtlich der früheren IM-Tätigkeit reicht daher nicht aus, auch wenn die systematische und umfassende Ausforschung der eigenen Bevölkerung durch das MfS ein besonders abstoßendes Herrschaftsinstrument der DDR war (BVerfGE 96, 189 ≪198≫; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 – BVerwG 3 C 41.03 – NJW 2004, 2462 ≪2466≫).
Bedeutung für die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 29dLuftVG kann die frühere MfS-Tätigkeit danach insbesondere unter zwei Gesichtspunkten erlangen: Zum einen kann die Gefahr bestehen, dass der Überprüfte wegen seiner früheren Zusammenarbeit mit dem MfS erpressbar und deshalb bereit ist, die Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs zu verletzen, um einem auf ihn ausgeübten Druck zu entgehen. Zum anderen können die frühere Verhaltensweise und die dahinter stehenden Motive auf fortbestehende persönliche Eigenschaften des Überprüften schließen lassen, die zu befürchten geben, dass er sich auch gegenwärtig oder künftig wieder als manipulierbar erweisen könnte. Maßgeblich ist danach, ob sich aus der früheren IM-Tätigkeit Zweifel daran ergeben, dass der Betroffene – selbst wenn ihm Vorteile materieller oder sonstiger Art in Aussicht gestellt oder Nachteile angedroht werden – gleichwohl das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung zeigt, um die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Diese Pflichten gehen über die bloße Einhaltung der zu diesem Zweck erlassenen Vorschriften hinaus. Der Überprüfte muss vielmehr die Gewähr bieten, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun.
c) Kriterien für die Würdigung des Einzelfalles sind etwa die Dauer und Intensität der Zusammenarbeit, der Grund der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und für ihre Beendigung sowie Inhalt und Umfang der erstatteten Berichte. Diese allgemeinen Kriterien entsprechen denen der Rechtsprechung zum Sonderkündigungstatbestand wegen MfS-Tätigkeit nach dem Einigungsvertrag (vgl. u.a. Beschluss vom 28. Januar 1998 – BVerwG 6 P 2.97 – BVerwGE 106, 153 ≪158 f.≫, Urteil vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 2 C 26.97 – BVerwGE 108, 64 ≪68 f.≫). Die Bewertung, die an Hand dieser Kriterien zu erfolgen hat, ist jedoch nicht – wie im Fall der Sonderkündigung – an der Frage auszurichten, ob die Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Arbeitgeber bzw. dem Dienstherrn zumutbar ist. Der maßgebliche Bezugspunkt für die Überprüfung nach § 29d LuftVG ist vielmehr, inwieweit das damalige Verhalten und die dafür maßgeblichen Motive des Überprüften Grund für die Annahme geben, es sei von ihm aktuell oder künftig ein Verstoß gegen die Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten.
Entgegen der Auffassung des Klägers enthält § 5 Abs. 2 LuftVZÜV keineswegs die Wertung, dass alles, was mehr als zehn Jahre zurückliegt, für die Beurteilung der Zuverlässigkeit außer Betracht bleiben muss. Aus § 5 Abs. 3 LuftVZÜV ergibt sich vielmehr, dass Handlungen jenseits dieses 10-Jahres Zeitraums nach wie vor zu berücksichtigen sind (vgl. dazu VGH München, Urteil vom 16. Juli 2003 – 20 BV 02.2747, 20 CS 02.2850 – GewArch 2003, 493 ≪494≫).
Eine zeitliche Sperre für die Berücksichtigung einer MfS-Tätigkeit ergibt sich – nach geltendem Recht – stattdessen erst aus § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 3 StUG. Danach ist die Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik für die Sicherheitsüberprüfung nach Ablauf einer Frist von 15 Jahren, beginnend mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, unzulässig. Nach Ablauf dieser Frist, die hier noch nicht verstrichen ist, darf die Tatsache einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst dem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden.
d) Da es um die Einhaltung der Anforderungen an die Sicherheit des Luftverkehrs geht, ist auch das Verhalten des Überprüften nach 1989 zu berücksichtigen. Insoweit kommt gerade der Einschätzung des Überprüften durch seinen Arbeitgeber Bedeutung zu. Dies belegt § 29d Abs. 2 Nr. 4 LuftVG, wonach die Luftfahrtbehörde, soweit im Einzelfall erforderlich, bei dem gegenwärtigen Arbeitgeber des Betroffenen nach dort vorhandenen, für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Informationen anfragen darf.
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es berücksichtigt weder das Erfordernis, der Beurteilung das Gesamtbild der Persönlichkeit des Betroffenen zugrunde zu legen, noch beachtet es hinreichend das spezifische Schutzziel der hier streitigen Zuverlässigkeitsprüfung.
a) Das Berufungsgericht hat die fehlende Zuverlässigkeit des Klägers aus seiner langjährigen Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter für das MfS hergeleitet. Aufgrund der dazu vorliegenden Erkenntnisse müsse davon ausgegangen werden, dass er jedenfalls in der Vergangenheit bereit gewesen sei, zum eigenen Vorteil oder um die Gefahr geringfügiger Nachteile abzuwenden, mit dem Staatssicherheitsdienst eines diktatorischen Staates zusammenzuarbeiten und diesem – auch über die eigenen moralischen Maßstäbe hinweg – Informationen über Dritte nicht nur beruflicher, sondern auch privater und sogar intimer Art zu verschaffen. Aufgrund dieses in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens sei anzunehmen, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür biete, in Zukunft allen Anfechtungen zu widerstehen und sich strikt und unter allen Umständen an die zum Schutz der Luftverkehrssicherheit erlassenen Vorschriften zu halten.
Mit diesen Ausführungen blendet das Berufungsgericht die berufliche Tätigkeit des Klägers seit 1989 bis zum Erlass der angefochtenen Bescheide im Oktober 2001 vollständig aus seiner Betrachtung aus. Im Tatbestand des Berufungsurteils wird dazu mitgeteilt, seit dem 1. Mai 1991 sei der Kläger nicht mehr für die Interflug, sondern für die Lufthansa Technik AG tätig; während dieser Tätigkeit sei er ausschließlich und zur vollen Zufriedenheit seiner Arbeitgeberin im Sicherheitsbereich des Flughafens Dresden tätig gewesen. In den Entscheidungsgründen wird auf diese Umstände mit keinem Wort eingegangen. Dabei liegt auf der Hand, dass sie für das Gesamtbild der Persönlichkeit des Klägers von erheblicher Bedeutung sind. Sie erfassen einen Zeitraum von zehn Jahren und sind damit von einer Dauer, die eine einigermaßen verlässliche Beurteilungsgrundlage bietet. In dieser Zeit war der Kläger ausschließlich im Sicherheitsbereich des Flughafens und damit in dem Bereich eingesetzt, um dessen Schutz es vorliegend geht. Er war durchgängig bei einem Unternehmen beschäftigt, für das die Gewähr der Sicherheit des Luftverkehrs existenznotwendig ist und das in der Öffentlichkeit auf diesem Gebiet hohes Vertrauen genießt. Es dürfte kaum eine Stelle geben, die kompetenter über die Zuverlässigkeit eines Betroffenen im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Auskunft geben kann als ein solcher Arbeitgeber (vgl. § 29 d Abs. 2 Nr. 4 LuftVG).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen darüber hinaus nicht hinreichend erkennen, wieso die Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes Rückschlüsse auf die spezifische Gefährdung der Luftverkehrssicherheit durch den Kläger zulassen soll. Verstöße gegen die Erfordernisse der Luftverkehrssicherheit hat es ersichtlich auch während der früheren Tätigkeit nicht gegeben. Die Verfehlungen, die dem Kläger in diesem Zusammenhang zur Last gelegt werden, betreffen den moralisch-mitmenschlichen Bereich. Solche Verfehlungen mögen zwar Charakterdefizite offenbaren, die sich auch negativ auf die Bereitschaft zur unbedingten Beachtung der Anforderungen auswirken können, die die Luftverkehrssicherheit gewährleisten sollen. Diese Verknüpfung zwischen den festgestellten Verfehlungen und der Gefährdung der Sicherheit des Luftverkehrs muss jedoch nachvollziehbar begründet werden. Daran fehlt es.
Anhaltspunkte für eine Erheblichkeit der IM-Tätigkeit für die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit können, wie dargelegt, in den Gründen zu finden sein, die den Betroffenen seinerzeit zur Stasi-Mitarbeit veranlasst haben, oder in den Folgewirkungen, die sich für ihn aus dieser Mitarbeit ergeben. Feststellungen, dass der Kläger allgemein oder speziell im Hinblick auf seine Stasi-Tätigkeit erpressbar sei, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Letzteres würde insbesondere davon abhängen, ob die frühere IM-Tätigkeit nach Umfang und Inhalt nicht bereits ohnehin bekannt war. Zum anderen würde die Frage der Erpressbarkeit die Bewertung voraussetzen, inwieweit im Hinblick auf die seit der IM-Tätigkeit verstrichene Zeit und die persönliche Situation des ehemaligen IM die Drohung mit der Offenlegung der Stasiverstrickung überhaupt noch ein Druck- und Nötigungspotenzial zu erzeugen vermag.
Das Berufungsgericht legt dar, der Kläger sei zur Abwendung relativ geringfügiger Nachteile bereit gewesen, mit dem Staatssicherheitsdienst zusammenzuarbeiten. Als solche geringfügigen Nachteile wertet es den Verlust der Flug- und der Mechanikerlizenz. Ob diese Bewertung zutreffend ist, erscheint zweifelhaft, denn für einen Flugzeugmechaniker ist die Mechanikerlizenz die Grundlage der beruflichen Betätigung. Unabhängig davon bietet die Aussage des Berufungsgerichts keine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger gebe nach seiner Persönlichkeit schon geringem Druck nach und sei daher auch bei Erlass der angefochtenen Bescheide für Erpressungsversuche besonders anfällig gewesen.
Darüber hinaus führt das Berufungsgericht als Grund für die IM-Tätigkeit des Klägers die ihm gewährten Vorteile in Form von Prämien an. Eine detaillierte Bewertung, welchen Stellenwert dieser Punkt in der Motivation des Klägers hatte, erfolgt jedoch nicht. Dazu müsste insbesondere der Betrag von ca. 2 400 M, der dem Kläger an Prämien und Präsenten zugeflossen ist, in Beziehung gesetzt werden zur Dauer seiner IM-Tätigkeit von 15 Jahren und zur wirtschaftlichen Bedeutung einer solchen Summe im Hinblick auf die Lebensverhältnisse in der DDR. Das Berufungsurteil bietet daher auch keine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger habe sich durch die ihm gewährten Zahlungen als käuflich erwiesen und dieser Charakterzug habe im Jahre 2001 noch ein nicht zu vernachlässigendes Gefährdungspotenzial gebildet.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Die angefochtenen Bescheide hatten die Zuverlässigkeit des Klägers u.a. deshalb verneint, weil eine Verstrickung in strafbare Handlungen oder Ähnliches nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Diese Argumentation reicht zur Bejahung ihrer Rechtmäßigkeit nicht aus. In ihnen werden keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Klägers bezeichnet. Allein die Tatsache einer IM-Tätigkeit als solche bietet aber noch keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Verstrickung in Straftaten und einer daraus resultierenden Erpressbarkeit.
Hiernach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Da die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer abschließenden Entscheidung nicht ausreichen, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
BVerwGE 2005, 257 |
DÖV 2005, 118 |
ZLW 2005, 132 |
DVBl. 2005, 115 |
SächsVBl. 2005, 8 |