Entscheidungsstichwort (Thema)
Äquivalenzprinzip. Aufgaben der Handwerkskammer. Beitragserhebung. Beitragsmaßstab. Demokratiegebot. demokratische Legitimation. Gleichheitssatz. Grundbeitrag. Handwerksbetriebe. Handwerkskammerbeitrag. Kammermitglieder. Kosten. Pflichtmitgliedschaft. Selbstverwaltung. Sonderbeitrag. überbetriebliche Ausbildung. Vereinigungsfreiheit. Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft. Vollversammlung. Vorteil. Wahl zur Vollversammlung. Wahlanfechtung. Wahlprüfung. Wirksamkeit von Beschlüssen. Zuschüsse und Gebühren. Zwangsmitgliedschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Pflichtmitgliedschaft der selbständigen Handwerker in Handwerkskammern ist verfassungsgemäß.
2. Die Kammern sind berechtigt, die durch Zuschüsse und Gebühren nicht gedeckten Kosten der überbetrieblichen Ausbildung als Sonderbeiträge auf die selbständigen Handwerker umzulegen, für deren Handwerk die überbetriebliche Ausbildung durchgeführt wird. Bei der Beitragsbemessung sind das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu beachten.
3. Der Gültigkeit eines von der Kammervollversammlung gefaßten Beschlusses über die Festsetzung von Sonderbeiträgen steht nicht entgegen, daß gegen die Wahl der Vollversammlung Einspruch erhoben und hierüber gerichtlich noch nicht entschieden worden ist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 74 Nr. 11; HWO § 1 Abs. 1; HwO § 1 Abs. 2, § 23 Abs. 2, §§ 26a, 90 Abs. 2, §§ 91, 93 ff., §§ 100-101, 106 Abs. 1 Nr. 5, § 113 Abs. 1-2, 4; IHKG § 2 Abs. 1, 3, § 3 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 02.12.1997; Aktenzeichen 9 S 2506/97) |
VG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 24.02.1997; Aktenzeichen 10 K 2268/95) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Dezember 1997 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Elektromeister im Bezirk der beklagten Handwerkskammer. Diese veranstaltet für einzelne Handwerksberufe, darunter den des Klägers, überbetriebliche Ausbildung. Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu deren anderweitig nicht gedeckten Kosten im Rechnungsjahr 1995.
Nach einem Beschluß der Vollversammlung der Beklagten sind alle in der Handwerksrolle eingetragenen Betriebe in Berufen, für die die Kammer überbetriebliche Ausbildung beschlossen hat, ab 1990 verpflichtet, zu den Kosten der beruflichen Ausbildung durch eine Umlage beizutragen (Finanzausgleich). Erfaßt werden nach dem Beschluß ausbildende und nicht ausbildende Betriebe. Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, haben pro Ausbildungswoche und Lehrling zusätzlich eine Gebühr von 90 DM zu zahlen. Die Umlage für jeden Betrieb wird jährlich nach fünf Beitragsklassen festgesetzt, die sich nach dem für den allgemeinen Handwerkskammerbeitrag maßgeblichen Grundbeitrag richten. Der für 1995 gültige Umlageschlüssel war in der Vollversammlung der Beklagten vom 9. November 1994 beschlossen worden; die festgesetzten Beträge lagen um 3 % unter denen des Vorjahres und betrugen für den in die Beitragsklasse 4 eingestuften Betrieb des Klägers 931 DM. Diesen Betrag forderte die Beklagte vom Kläger mit „Rechnung” vom 14. September 1995. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos.
Mit seiner Anfechtungsklage machte der Kläger geltend: Der zugrunde liegende Beitragsbeschluß der Beklagten sei nicht rechtsgültig, weil auf seine andere, gegen die Neuwahl zur Vollversammlung erhobene Klage hin das Verwaltungsgericht Freiburg die Beklagte verpflichtet habe, die Wahl der Vollversammlung für die Wahlperiode 1994 bis 1999 für ungültig zu erklären. Daher könne der am 9. November 1994 von der neuen Vollversammlung gefaßte Beschluß über den Ausbildungsfinanzausgleich für das Jahr 1995 keinen Bestand haben. Darüber hinaus verstoße die Zwangsmitgliedschaft bei der Beklagten gegen das Grundgesetz. Ferner mangele es der Beklagten an einer Ermächtigungsgrundlage für die Durchführung der überbetrieblichen Ausbildung. Selbst wenn die überbetriebliche Ausbildung zu den Aufgaben der Handwerkskammer gehörte und deshalb ihre Kosten durch Beiträge auf die Kammermitglieder umgelegt werden dürften, sei es nicht zulässig, hiervon diejenigen Betriebe auszunehmen, für deren Beruf keine überbetriebliche Ausbildung stattfinde.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 2. Dezember 1997 den festgesetzten Beitrag um 310 DM auf 621 DM ermäßigt. In Höhe der Ermäßigung hat das Berufungsgericht nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien das Verfahren eingestellt. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgenden Erwägungen (GewArch 1998, 164 = VBlBW 1998, 234):
Die umstrittenen Bescheide fänden auch in ihrer geänderten Fassung ihre gesetzliche Grundlage in § 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 HwO. Die Pflichtmitgliedschaft selbständiger Handwerker in den Handwerkskammern sei mit Verfassungsrecht vereinbar. Grundrechte der Handwerker seien nicht verletzt. Der Gesetzgeber dürfe öffentlich-rechtliche Verbände mit Pflichtmitgliedschaft einrichten, um legitime öffentliche Interessen wahrnehmen zu lassen. So liege es bei den Handwerkskammern, denen der Gesetzgeber in § 91 HwO öffentliche Aufgaben als Pflichtaufgaben übertragen habe. Die Einschätzung des Gesetzgebers, daß diese Aufgaben durch eine berufsständische Korporation der Handwerker sachgerechter und effektiver als durch die unmittelbar staatliche Verwaltung erfüllt würden, sei nicht zu beanstanden.
Auch die Einwände gegen die Wirksamkeit der maßgeblichen Beschlüsse der Vollversammlung der Beklagten griffen nicht durch. Deren Wahl sei ungeachtet der gegen sie gerichteten Klage des Klägers zunächst wirksam. Einwände gegen die Gültigkeit einer Wahl zur Vollversammlung einer Handwerkskammer und gegen die Gültigkeit der einer solchen Wahl zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften könnten nur im Einspruchsverfahren nach § 101 HwO geltend gemacht werden. Daraus ergebe sich, daß die Ungültigkeit einer Wahl nicht wie hier als Vorfrage eines anderen Streitgegenstandes geltend gemacht werden könne. Ein Einspruch allein führe noch nicht dazu, daß die Vollversammlung Beschlüsse nicht mehr fassen dürfe. Erst wenn die Wahl auf den Einspruch hin oder in einem objektiven Wahlprüfungsverfahren vom zuständigen Wahlprüfungsorgan der Beklagten insgesamt für ungültig erklärt worden sei, verliere die Vollversammlung für die Zukunft ihre Befugnis zur Beschlußfassung. Sollte in dem noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren die Ungültigkeit der Wahl der Vollversammlung von 1994 festgestellt werden, würde dies daher deren Beschluß vom 9. November 1994 nicht berühren.
Die Beitragserhebung sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil es Handwerkskammern verboten wäre, eine überbetriebliche Ausbildung durchzuführen. Daß sie hierzu berechtigt seien, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden. Der Kläger habe nicht dargetan, daß die von der Beklagten veranstaltete überbetriebliche Ausbildung nach Konzeption und Ausgestaltung den Charakter einer handwerklichen Ausbildung überschreite und daher nicht mehr als handwerkliche Berufsausbildung im Sinne des § 91 Abs. 1 Nr. 4, § 41 HwO angesehen werden könne. Der Umstand, daß an einer qualitativ hochwertigen handwerklichen Berufsausbildung ein zugleich gesamtwirtschaftliches Interesse bestehe, möge dazu nötigen, die Beitragsfinanzierung auf einen Teil der Kosten der überbetrieblichen Ausbildung zu beschränken und im übrigen Zuschüsse einzuwerben und Gebühren zu erheben. So aber verfahre die Beklagte. Auch die Beitragserhebung selbst sei nicht rechtswidrig. Bei der Umlage handele es sich um einen Sonderbeitrag. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, den Kreis der Beitragspflichtigen auf diejenigen Betriebe zu beschränken, für deren Berufe eine überbetriebliche Ausbildung stattfinde. Zwischen ihnen und Betrieben, für deren Berufe das nicht der Fall sei, bestehe ein sachlicher Unterschied von hinreichendem Gewicht, der es rechtfertige, sie mit ungleichen Beiträgen zu belasten und von einer Heranziehung der zuletzt genannten sogar gänzlich abzusehen. Deren aus der überbetrieblichen Ausbildung fließender Vorteil bestehe vor allem in der Ansehensmehrung und besitze damit nur ein ganz geringes Gewicht.
Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens geltend:
Seine Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten verstoße zumindest gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Es sei nicht nachgewiesen, daß es sich bei den Zugehörigen des Handwerks um eine Solidargemeinschaft handele, bei der der interne Interessenausgleich und die Formulierung eines gemeinsamen Interesses nach außen eine Zwangskörperschaft erforderten. Durch den Zwangszusammenschluß werde außerdem die freie Bildung privater Verbände beeinträchtigt. Die Nachwuchsvorsorge liege nicht nur im betrieblichen Interesse des Handwerks, sondern in dem aller Wirtschafts- und Berufszweige. Die Kosten hierfür seien daher durch Steuern aufzubringen. Selbst wenn es sich bei den übrigen Aufgaben der Kammern um legitime öffentliche Aufgaben handelte, sei es nicht notwendig, sie gerade in der Form einer Zwangskörperschaft zu erfüllen.
Die Anfechtung der Wahl zur Vollversammlung könne nicht ohne Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des streitigen Beitragsbescheids sein. Die Wahl sei nicht wirksam geworden. Die Analogie zu Wahlen des Bundestages, der Landtage, Gemeinderäte und Kreistage sei nicht stichhaltig, weil diese Wahlen jeweils nach einer Wahlordnung abgehalten würden, die demokratische Grundprinzipien gewährleiste. Demgegenüber finde bei der sogenannten Friedenswahl nach der Handwerksordnung keine Wahl statt. Deshalb habe es von vornherein an jeder demokratischen Legitimation der Gewählten gemangelt. Die Voraussetzungen, die es in anderen Fällen geboten erscheinen ließen, die Wahl vorübergehend als gültig zu behandeln, lägen bei einer Nichtwahl wie hier nicht vor. Deswegen sei das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtungsklage auszusetzen.
Daneben verstoße es gegen das beitragsrechtliche Gebot der vorteilsgerechten Veranlagung aller Mitgliedsbetriebe, die Kosten der überbetrieblichen Ausbildung nur von denjenigen Betrieben zu erheben, in deren Beruf überbetriebliche Ausbildung durchgeführt werde. Vielmehr sei, wenn überhaupt, die Veranlagung aller Betriebe mit Ausnahme der handwerksähnlichen Betriebe zulässig und geboten. Von den über 11 000 Mitgliedsbetrieben der Beklagten würden lediglich 5 100 Betriebe zum Ausbildungsfinanzausgleich veranlagt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Dezember 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 1997 zu ändern und den Beitragsbescheid der Beklagten vom 14. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 1995 und des Änderungsbescheids vom 2. Dezember 1997 aufzuheben.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Oberbundesanwalt teilt die Auffassung des Berufungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung darauf hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 Satz 1 VwGO, wie sie der Kläger angeregt hat, scheidet aus, weil die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von dem Ergebnis des Verfahrens über den Einspruch des Klägers gegen die Wahl der Vollversammlung der Beklagten abhängt.
2. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rechtsgrundlage des gegen den Kläger festgesetzten Beitrages ist § 113 HwO. Danach werden die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den selbständigen Handwerkern und den Inhabern handwerksähnlicher Betriebe nach einem von der Handwerkskammer mit Genehmigung der obersten Landesbehörde festgesetzten Beitragsmaßstab getragen (§ 113 Abs. 1 HwO).
a) Der Kläger betreibt als Elektrohandwerksmeister selbständig ein Handwerk als stehendes Gewerbe (§ 1 Abs. 1, 2 HwO) und ist daher nach § 90 Abs. 2 HwO Pflichtmitglied der beklagten Handwerkskammer.
Ohne Erfolg macht der Kläger hiergegen geltend, seine Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten sei mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren.
Gewerbetreibende sind grundsätzlich entweder Mitglieder der Industrie- und Handelskammer (§ 2 Abs. 1 IHKG) oder, sofern sie die engeren Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 HwO erfüllen, d.h. selbständige Handwerker oder Inhaber handwerksähnlicher Betriebe sind, Mitglieder der Handwerkskammer (vgl. auch für Mischbetriebe § 2 Abs. 3 IHKG). Die Mitgliedschaft in den beiden Kammern unterscheidet sich nicht grundsätzlich. Beide Kammern haben vor allem das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, die Handwerkskammern also insbesondere das der traditionell eine eigenständige Gruppe bildenden selbständigen Handwerker. Im übrigen liegen der Zuordnung eines Gewerbetreibenden zu einer der beiden Kammern Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde. Die handwerksähnlichen Gewerbe sind den Handwerkskammern zugeordnet, weil diese für ihre Betreuung und Beratung nach der Einschätzung des Gesetzgebers fachlich besser geeignet erscheinen als die Industrie- und Handelskammern (vgl. Urteile vom 22. Februar 1994 – BVerwG 1 C 2.92 – Buchholz 451.45 § 19 HwO Nr. 1 = GewArch 1994, 248 und vom 26. August 1997 – BVerwG 1 C 11.95 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 3 = GewArch 1998, 36; Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, 3. Aufl., § 18 HwO Rn. 3 ff.).
Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – (NJW 1998, 3510 = GewArch 1998, 410) zu der deshalb im wesentlichen gleichliegenden Frage der Pflichtmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer ausgeführt hat, läßt sich die Pflichtmitgliedschaft nicht mit Rücksicht darauf, daß sie den Mitgliedern in der Kammer Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet sowie die Inanspruchnahme von Kammerleistungen ermöglicht und insofern den Rechtskreis der Betroffenen erweitert, als bloße Rechtsgewährung begreifen. Sie stellt vielmehr einen Eingriff in die Freiheitssphäre der Betroffenen dar, der grundrechtlich an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist. Dieses Grundrecht gewährt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und schützt auch davor, durch Zwangsmitgliedschaft von „unnötigen” Körperschaften in Anspruch genommen zu werden (vgl. BVerfGE 38, 281 ≪298≫). Es darf aber durch eine Pflichtmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eingeschränkt werden, wenn deren Errichtung zur Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben geeignet und erforderlich ist und die Grenze der Zumutbarkeit wahrt. Diese Maßstäbe würden auch gelten, wenn es sich bei der Zwangsmitgliedschaft um einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG handelte, was offenbleiben kann (Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O.). Die genannten Voraussetzungen sind bei den Handwerkskammern nicht anders als bei den Industrie- und Handelskammern gegeben.
aa) Ebenso wie die Industrie- und Handelskammern erfüllen auch die Handwerkskammern legitime öffentliche Aufgaben. Ihr Aufgabenbereich ist in § 91 HwO im wesentlichen, aber nicht abschließend aufgeführt. Danach obliegt es der Handwerkskammer, die Interessen des Handwerks zu fördern und für einen gerechten Ausgleich der Interessen der einzelnen Handwerke und ihrer Organisationen zu sorgen, die Behörden in der Förderung des Handwerks durch Anregungen, Vorschläge und durch Erstattung von Gutachten zu unterstützen und regelmäßig Berichte über die Verhältnisse des Handwerks zu erstatten (§ 91 Abs. 1 Nr. 1, 2 HwO). Weitere Aufgaben sind es u.a., die Handwerks- und die Lehrlingsrolle zu führen, die Berufsausbildung zu regeln, Prüfungsordnungen zu erlassen (Nr. 3, 4, 4 a, 5, 6), die technische und betriebswirtschaftliche Fortbildung der Meister und Gesellen zur Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit des Handwerks zu fördern (Nr. 7), Sachverständige zu bestellen und zu vereidigen (Nr. 8), Vermittlungsstellen zur Beilegung von Streitigkeiten einzurichten (Nr. 11), Ursprungszeugnisse über die in Handwerksbetrieben gefertigten Erzeugnisse auszustellen (Nr. 12) sowie Maßnahmen zur Unterstützung notleidender Handwerker, Gesellen und anderer Arbeitnehmer zu treffen und zu unterstützen (Nr. 13). Die Handwerkskammer soll in allen wichtigen das Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe berührenden Angelegenheiten gehört werden (§ 91 Abs. 3 HwO).
bb) Bei diesen Aufgaben handelt es sich um legitime öffentliche Aufgaben, deren Wahrnehmung durch eine Selbstverwaltungskörperschaft die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft der Gewerbetreibenden rechtfertigt. Demgemäß ist der Senat bisher von der Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft ohne weiteres ausgegangen (vgl. Urteile vom 1. März 1977 – BVerwG 1 C 42.74 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 12 und vom 25. Oktober 1977 – BVerwG 1 C 21.73 – Buchholz 451.09 IHKG Nr. 5. Hieran ist festzuhalten.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat es als ein wichtiges Gemeinschaftsinteresse bezeichnet, den Leistungsstand und die Leistungsfähigkeit des Handwerks zu erhalten und den Nachwuchs für die gesamte gewerbliche Wirtschaft zu sichern. Der Bundesgesetzgeber habe das Handwerk als einen volkswirtschaftlich unentbehrlichen Zweig der gewerblichen Wirtschaft und einen besonders wichtigen Teil des Mittelstandes angesehen (BVerfGE 13, 97 ≪107 f.≫). Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgaben der Handwerkskammern als legitime öffentliche Aufgaben im Sinne seiner Rechtsprechung bezeichnet und ausgeführt, die Statuierung einer Pflichtmitgliedschaft der selbständigen Handwerker und handwerksähnlichen Betriebe in Handwerkskammern sei daher verfassungsrechtlich ebensowenig zu beanstanden wie die der übrigen gewerblichen Betriebe bei den Industrie- und Handelskammern; der Zusammenschluß der Handwerke zu besonderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften rechtfertige sich aus der Eigenart des Handwerks als sozialer Gruppe und entspreche der Rechtstradition (BVerfGE 32, 54 ≪64 f.≫).
Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts gelten entgegen der Auffassung der Revision nach wie vor. An der Aufgabenübertragung hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Sollten die Handwerskammern über die ihnen zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig werden, könnte dem der einzelne Kammerzugehörige mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O., m.w.N.). Das Vorbringen der Revision, die Handwerkskammern erfüllten Aufgaben, die ebenso von staatlichen Stellen wahrgenommen werden könnten, wird dem gesetzgeberischen Anliegen einer durch den Staat institutionalisierten, auf die Gesamtbelange der erfaßten Wirtschaftszweige ausgerichteten und als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft organisierten Interessenvertretung nicht gerecht und erlaubt nicht den Schluß, die Zwangsmitgliedschaft sei verfassungswidrig. Insbesondere läßt sich die dem gesetzgeberischen Anliegen zugrunde liegende Einschätzung, daß die erwähnten Aufgaben der Kammern, namentlich die Wahrung und Förderung des Gesamtinteresses des Handwerks im Verhältnis zum Staat, von einer Selbstverwaltungseinrichtung wirkungsvoller als von einer staatlichen Behörde wahrgenommen werden kann, nicht beanstanden. Es fehlt daher auch nicht an der Erforderlichkeit der Zwangsmitgliedschaft. Eine Vereinigung ohne Zwangsmitgliedschaft stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um das Gesamtinteresse der Angehörigen der gewerblichen Wirtschaft gegenüber staatlichen oder kommunalen Entscheidungsträgern zu vertreten. Nur die Pflichtmitgliedschaft sichert, wie das Bundesverfassungsgericht für Industrie- und Handelskammern ausgeführt hat (BVerfGE 15, 235 ≪243≫; vgl. Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O.), eine von Zufälligkeiten der Mitgliedschaft und Pressionen freie sowie umfassende Ermittlung, Abwägung und Bündelung der maßgeblichen Interessen, die erst eine objektive und vertrauenswürdige Wahrnehmung des Gesamtinteresses ermöglicht. Bliebe die Wahrnehmung der den Handwerkskammern zugewiesenen Aufgaben Interessenvereinigungen überlassen, die auf freiwilliger Basis gebildet sind, könnte dies zu einem Übergewicht der Großbetriebe und damit zu einem Verlust an Objektivität bei der Aufgabenerfüllung führen.
cc) Die Pflichtzugehörigkeit verstößt ferner nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Sie bedeutet als solche keine erhebliche, die Grenze des Zumutbaren überschreitende Beeinträchtigung der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Mitglieder. Im Gegenteil eröffnet sie für die Mitglieder eine Chance zur Mitwirkung in der Kammer und zur Nutzung der Kammerleistungen, läßt aber auch die Möglichkeit offen, davon abzusehen. Die u.a. durch das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz begrenzte Belastung der Pflichtmitglieder mit einem Beitrag ist grundsätzlich zumutbar, weil die Kammer mit der Vertretung des Gesamtinteresses der Gewerbetreibenden die wirtschaftlichen Belange der Mitglieder wahrnimmt und fördert. Auch insoweit beansprucht hier das entsprechende Geltung, was nach der Rechtsprechung des Senats für Industrie- und Handelskammern gilt (vgl. dazu Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O.).
dd) Soweit der Kläger schließlich geltend macht, die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer beeinträchtige die Bildung privater Vereinigungen des Handwerks, greift sein Vorbringen ebenfalls nicht durch. Die Pflichtmitgliedschaft hindert Kammerzugehörige weder tatsächlich noch rechtlich, sich zu privaten Vereinigungen zusammenzuschließen, um berufliche Interessen gemeinsam zu verfolgen. Ebenso wie Industrie- und Handelskammern stehen auch die Handwerkskammern nicht in Konkurrenz zu frei gegründeten Vereinigungen privaten Rechts, denn ihre Aufgaben sind öffentliche in dem Sinne, daß Anliegen des Gemeinwesens verfolgt werden (vgl. Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O.). Von einem Eingriff in die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG oder einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann daher auch in diesem Zusammenhang keine Rede sein.
c) Die Kosten der von der Kammer organisierten überbetrieblichen Ausbildung gehören zu den nach § 113 Abs. 1 HwO umlagefähigen Kosten der Tätigkeit der Handwerkskammer.
Die überbetriebliche Unterweisung in Handwerksberufen ist Teil der Berufsausbildung im Handwerk (vgl. § 23 Abs. 2, § 26 a HwO; vgl. auch Beschluß vom 31. Mai 1995 – BVerwG 1 B 73.95 – Buchholz 451.45 § 26 a HwO Nr. 1). Ihre Regelung gehört zu den in § 91 Abs. 1 Nr. 4 HwO aufgeführten Aufgaben der Handwerkskammer. Als Teil der Berufsausbildung gehört die überbetriebliche Unterweisung nicht zu dem in die Kompetenz der Länder fallenden Schulwesen, wie der Kläger meint, sondern zum „Recht der Wirtschaft” im Sinne des Art. 74 Nr. 11 GG, das auch die berufsordnenden Gesetze umfaßt (BVerfGE 26, 246 ≪255≫). Dem Berufungsurteil lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß das tatsächliche Ausmaß der von der Beklagten getragenen überbetrieblichen Ausbildung die Grenzen einer zur Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit des Handwerks (vgl. § 91 Abs. 1 Nr. 7 HwO) sinnvollen und gebotenen Ausbildung sprengt und berechtigten Anlaß für die Kritik des Klägers gibt, es handele sich um einen „gigantischen Ausbildungsbetrieb” und um ein „breit angelegtes Angebot zur Erwachsenenbildung”.
d) Für die Festsetzung der Beiträge der Handwerkskammer (§ 113 Abs. 1 HwO) ist nach § 106 Abs. 1 Nr. 5 HwO deren Vollversammlung zuständig; der durch Beschluß festzusetzende Beitragsmaßstab bedarf der Genehmigung der obersten Landesbehörde und der Veröffentlichung. Der Kläger stellt nicht in Abrede, daß diesen Vorschriften jedenfalls in formeller Hinsicht genügt worden ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist es für die Wirksamkeit des maßgeblichen Beschlusses der Vollversammlung vom 9. November 1994 ohne Bedeutung, daß er gegen deren Wahl Einspruch eingelegt und gegen dessen Zurückweisung Klage erhoben hat. Auch darin ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Seine Auffassung, die Rechtmäßigkeit der Wahl sei in einem eigenen Wahlprüfungsverfahren zu klären und erst die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungsgemäßheit der Wahl berühre die Wirksamkeit der nach diesem Zeitpunkt gefaßten Beschlüsse der Vollversammlung, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Handwerksordnung sieht ein eigenes Wahlprüfungsverfahren vor. Nach § 100 Abs. 1 und 2 HwO prüft die Handwerkskammer die Gültigkeit der Wahl ihrer Mitglieder von Amts wegen (objektive Wahlprüfung) und gibt das Ergebnis der Wahl bekannt. Daneben dient das Einspruchsverfahren nach § 101 HwO der Sicherung der subjektiven Wahlrechte der Einspruchsberechtigten. Gegen die Entscheidung über den Einspruch ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Das Wahlprüfungsverfahren ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft (vgl. § 101 Abs. 3 HwO) und hat allein die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl zum Inhalt. Es liefe der Eigenständigkeit des Wahlprüfungsverfahrens zuwider, diese Frage inzident im Rahmen eines anderen Streitverfahrens zu klären. Hiervon abgesehen wird die rechtliche Wirksamkeit zuvor gefaßter Beschlüsse und sonstiger Rechtsakte nicht berührt, wenn die Wirksamkeit der Bestellung des Organs durch die Wahlanfechtung zwar in Frage gestellt, die Bestellung aber noch nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist. Dieser Grundsatz ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Wahl der Landtage und des Deutschen Bundestages entwickelt und damit begründet worden, es sei mit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit unvereinbar, wenn die Maßnahmen und Beschlüsse des Organs, die bis zur Rechtskraft der Entscheidung getroffen bzw. gefaßt worden sind, in ihrem Rechtsbestand und in ihrer Verbindlichkeit in Frage gestellt würden. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei auf die Vorschrift des § 34 DBG (= § 14 BBG) hingewiesen, nach der trotz Nichtigkeit der Berufung eines Organs die in seiner „Zuständigkeit” erlassenen Hoheitsakte gültig bleiben (vgl. BVerfGE 1, 14 ≪38≫; 34, 81 ≪95 f.≫; vgl. dazu Versteyl, in: v. Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 13; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl., Art. 41 Rn. 6; Storost, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 48 Rn. 48 f.).
Es spricht nichts dagegen, diese im Rechtsstaatsprinzip verankerten und daher beispielsweise auch für die Wahlen zu Gemeinde- und Kreistagen (BVerfGE 3, 41 ≪44≫) geltenden Grundsätze hier ebenfalls anzuwenden. Mit der Gewährung funktionaler Selbstverwaltung innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgaben der Körperschaft begrenzten Bereichs hat der Staat einzelnen gesellschaftlichen Gruppen Satzungsgewalt zu dem Zweck verliehen, durch demokratisch gebildete Organe in überschaubaren Bereichen solche Angelegenheiten zu regeln, die sie selbst betreffen und die sie am sachkundigsten beurteilen können (vgl. BVerfGE 33, 125 ≪156 f.≫). Die nach dem Demokratiegebot grundsätzlich zu fordernde demokratische Rückanbindung an die Volksvertretung wird hier durch eine mitgliedschaftliche Binnenstruktur der jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaft ersetzt; damit wird zugleich das Defizit an demokratischer Verantwortung der Volksvertretung kompensiert (vgl. BVerfGE 44, 322 ≪348≫; 64, 208 ≪214≫). Diesen Anforderungen trägt die Wahl der Vollversammlung nach §§ 93 ff. HwO als mitgliedschaftlich legitimierte Organwahl Rechnung. Ob dabei auch der Wahlmodus dem Demokratiegebot entspricht, wie das Berufungsgericht in dem den Einspruch des Klägers betreffenden Parallelverfahren bezweifelt (vgl. Vorlagebeschluß vom 2. Dezember 1997, GewArch 1998, 65), kann dahinstehen. Jedenfalls ist bis zu einer gegenteiligen Wahlprüfungsentscheidung die nach den Vorschriften des Gesetzes gewählte Vollversammlung als das durch seine Mitglieder demokratisch legitimierte willensbildende Organ der Beklagten anzusehen.
Die Vollversammlung ist daher auch während eines Verfahrens über die Gültigkeit der Wahl nicht gehindert, die ihr nach § 106 HwO vorbehaltenen Beschlüsse zu fassen. Dies gebietet auch die Kontinuität der Arbeit einer Handwerkskammer, die angesichts der nicht kalkulierbaren Dauer eines Rechtsstreits anderenfalls in ihrer Funktionsfähigkeit in nicht übersehbarer Weise beeinträchtigt wäre. Ihre Beschlüsse können daher allenfalls nach einer die Wahl betreffenden Ungültigkeitserklärung unwirksam sein (vgl. Musielak/Detterbeck, a.a.O., § 100 HwO Rn. 4 zur Rechtsfolge der Anfechtung der Wahl eines Mitglieds; Honig, Handwerksordnung, 2. Aufl., § 100 Rn. 5).
e) Für die nach § 113 Abs. 1 HwO auf die selbständigen Handwerker und die Inhaber handwerksähnlicher Betriebe umzulegenden Kosten der Kammertätigkeit können gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 HwO als Beiträge neben Grund- und Zusatzbeiträgen auch Sonderbeiträge erhoben werden. Nähere Vorschriften über die Wahl der Beitragsart enthält das Gesetz nicht. Es steht somit weitgehend im normativen Ermessen der Kammern, ob und inwieweit sie umlagefähige Kosten außer durch Grundbeiträge durch Zusatzbeiträge oder Sonderbeiträge decken will. In der Form des Sonderbeitrags können vor allem die durch Erfüllung einer Aufgabe entstehenden Kosten umgelegt werden, die sich von den allgemeinen Kosten der Kammer abgrenzen lassen und für deren getrennte Festsetzung besondere Gründe sprechen, etwa deswegen, weil sie einen besonderen Vorteil betreffen, der nicht allen Mitgliedern zugute kommt (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 1 IHKG). Diese Voraussetzungen treffen für die Umlage der durch die überbetriebliche Ausbildung verursachten Kosten zu. Sie lassen sich von den allgemeinen Kammerkosten ohne weiteres abgrenzen. Der abgegoltene Vorteil kommt, wie noch auszuführen sein wird, nicht allen Kammermitgliedern zugute. Die Höhe der Kosten hängt jeweils davon ab, für welche Berufe die Vollversammlung überbetriebliche Ausbildung beschlossen hat, mit welchen Maßnahmen sie durchgeführt worden ist und in welchem Maße sie durch Gebühren (§ 113 Abs. 4 HwO) und Zuschüsse von dritter Seite bereits gedeckt worden sind. Es ist daher im Grundsatz rechtlich bedenkenfrei, daß die Beklagte zur Deckung der Kosten der überbetrieblichen Ausbildung einen Sonderbeitrag erhebt.
Sonderbeiträge sind ebenso wie andere Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern Beiträge im Rechtssinne (vgl. z.B. Urteile vom 25. November 1971 – BVerwG 1 C 48.65 – BVerwGE 39, 100 ≪107≫; vom 26. Juni 1990 – BVerwG 1 C 45.87 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22; vom 26. Januar 1993 – BVerwG 1 C 33.89 – BVerwGE 92, 24 ≪26≫), deren Rechtmäßigkeit an den für Beiträge geltenden Maßstäben zu messen ist. Beiträge sind Gegenleistungen für Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammer zieht oder ziehen kann. Das Äquivalenzprinzip gebietet, daß die Höhe des Beitrages nicht in einem Mißverhältnis zu dem Vorteil stehen darf, den er abgelten soll (Urteile vom 26. Juni 1990, a.a.O., und vom 3. September 1991 – BVerwG 1 C 24.88 – Buchholz 451.45 § 73 HwO Nr. 1). Daneben verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (Urteile vom 3. September 1991, a.a.O., und vom 26. Januar 1993, a.a.O.).
aa) Die hier abzugeltenden Vorteile der überbetrieblichen Ausbildung kommen vorzugsweise den selbständigen Handwerkern, also den Kammermitgliedern zugute, deren Gesamtbelange die Kammer zu wahren und fördern hat. Es ist daher entgegen der Auffassung des Klägers gerechtfertigt, daß die Kosten der von der Kammer organisierten überbetrieblichen Ausbildung von den Kammermitgliedern getragen und nicht aus allgemeinen Steuermitteln bestritten werden, wie auch die Kosten der betrieblichen Ausbildung trotz ihrer gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Vorteile den Ausbildungsbetrieben zur Last fallen. Der vom Kläger angeführte Gesichtspunkt, die überbetriebliche Ausbildung komme nicht nur dem Handwerk, sondern der gesamten gewerblichen Wirtschaft zugute, widerlegt nicht die Einschätzung, daß der Vorteil des Handwerks in hohem Maße überwiegt. Im übrigen werden die Kosten der überbetrieblichen Ausbildung nur zum Teil auf die Gesamtheit der Handwerksbetriebe der in Betracht kommenden Gewerke umgelegt; ein Teil wird durch Zuschüsse, ein anderer Teil durch Gebühren der Ausbildungsbetriebe gedeckt.
bb) Mit dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz ist es vereinbar, die Kosten der überbetrieblichen Ausbildung auf alle Betriebsinhaber umzulegen, für deren Berufe die Beklagte überbetriebliche Ausbildung beschlossen hat. Die Beklagte ist nicht gehalten, nur diejenigen Betriebe heranzuziehen, die von der Möglichkeit überbetrieblicher Ausbildung tatsächlich Gebrauch machen. Dies folgt aus dem besonderen Vorteil, der sich aus der überbetrieblichen Ausbildung für alle dem jeweiligen Beruf zugehörigen Handwerksbetriebe ergibt. Sie können nämlich unabhängig von eigenen Ausbildungsanstrengungen auf einen qualifiziert ausgebildeten, leistungsfähigen Nachwuchs zurückgreifen (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 2. September 1987, GewArch 1988, 165 ≪167≫; Beschluß vom 7. Oktober 1985, GewArch 1986, 28 ≪31≫; OVG Münster, Urteil vom 26. März 1991, GewArch 1991, 303 ≪304≫).
cc) Ebensowenig verstößt die Entscheidung der Beklagten gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz, davon abzusehen, die Kosten der überbetrieblichen Ausbildung auf alle selbständigen Handwerker umzulegen, also auch diejenigen Berufe heranzuziehen, für die keine überbetriebliche Ausbildung beschlossen worden ist. Der Fall nötigt nicht zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Äquivalenzgrundsatz bei Sonderbeiträgen einen konkreteren, engeren Vorteilsbegriff verlangt als bei allgemeinen Beiträgen (vgl. hierzu Kormann, GewArch 1991, 401 ≪408≫; 1992, 81 ≪84≫). Hier jedenfalls wird mit dem Sonderbeitrag ein konkreter, mit der überbetrieblichen Ausbildung verbundener Vorteil abgegolten, der nicht allen Mitgliedern in gleichem Maße oder doch in vergleichbarer Weise, sondern nur einem Teil der Mitglieder zugute kommt. Dies trifft für die selbständigen Handwerker zu, die in Berufen tätig sind, für die überbetriebliche Ausbildung betrieben wird. Der in ihren Berufen verfügbare überbetrieblich ausgebildete Nachwuchs stellt einen Vorteil dar, der ihnen in besonderer Weise zugute kommt. Zwar trifft es zu, daß in einem bestimmten Beruf ausgebildete Handwerker u.U. auch in anderen Handwerksberufen Verwendung finden können. Es ist aber beitragsrechtlich nicht geboten, auf derartige eher seltene Ausnahmefälle Rücksicht zu nehmen. Vielmehr darf die Beitragsregelung bis zu einem gewissen Grade generalisierend und typisierend sein (vgl. z.B. Urteile vom 10. September 1974 – BVerwG 1 C 48.70 – Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 23 und vom 26. Januar 1993, a.a.O.). Im Regelfall wird sich, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, für die anderen selbständigen Handwerker der mit der überbetrieblichen Ausbildung verbundene Vorteil allenfalls auf eine bloße Ansehensmehrung beschränken. Verglichen mit dem greifbaren Vorteil für die Handwerker, die in Berufen tätig sind, für die überbetriebliche Ausbildung durchgeführt wird, besitzt dieser Vorteil ein so geringes Gewicht, daß es beitragsrechtlich zulässig, wenn nicht sogar geboten ist, von einer Heranziehung der anderen Handwerker abzusehen, wie es die Beklagte tut.
Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß die Beklagte mit der überbetrieblichen Ausbildung eine Aufgabe erfüllt, die ihr gesetzlich gegenüber allen Handwerksbetrieben obliegt (§ 91 Abs. 1 Nr. 4 HwO). Die gesetzliche Aufgabe der überbetrieblichen Ausbildung wird durch die Beschlüsse der Kammer konkretisiert; wird überbetriebliche Ausbildung nur für einzelne Berufe beschlossen und durchgeführt, so beschränkt sich die entsprechende Verpflichtung der Kammer auf die Angehörigen dieser Berufe.
dd) Allerdings verlangt der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen untereinander grundsätzlich vorteilsgerecht zu bemessen (Urteile vom 3. September 1991, a.a.O., und vom 26. Januar 1993, a.a.O.). Dies bedeutet, daß hier auch geprüft werden muß, ob es gerechtfertigt ist, wie die Beklagte zu verfahren und den umlagefähigen Teil der Gesamtkosten aller überbetrieblichen Ausbildungen nach einem einheitlichen Maßstab auf alle selbständigen Handwerker der Berufe zu verteilen, für die in dem Veranlagungsjahr überbetrieblich ausgebildet wird. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die überbetriebliche Ausbildung für das eine Handwerk nicht zugleich einen entsprechenden Vorteil für ein anderes Handwerk bedeutet, selbst wenn in diesem ebenfalls überbetrieblich ausgebildet wird. Die Zusammenfassung aller selbständigen Handwerker verschiedener Gewerke zu einer Gruppe, auf die nach einem einheitlichen Maßstab die Gesamtkosten aller überbetrieblichen Ausbildungen verteilt werden, ist danach nur dann ohne weiteres gerechtfertigt, wenn die in den einzelnen Gewerken entstehenden Kosten für die überbetriebliche Ausbildung bezogen auf die einzelnen Betriebe des jeweiligen Gewerkes nicht wesentlich voneinander abweichen und deswegen auch bei getrennter Zuordnung auf die einzelnen Gewerke nicht zu Beiträgen führen würden, die sich ihrer Höhe nach deutlich unterscheiden. Ist dagegen letzteres der Fall, muß diesem Unterschied aus dem dargelegten Grunde angemessen Rechnung getragen werden. Das gilt auch dann, wenn aus besonderen, sich aus den gesetzlichen Aufgaben der Kammer ergebenden Gründen ein gewisser Ausgleich zwischen den einzelnen Handwerken gerechtfertigt sein sollte, zumal zu diesem Ausgleich regelmäßig alle anderen Handwerke beizutragen hätten und nicht nur – mit einem erhöhten Sonderbeitrag – diejenigen, für die ebenfalls überbetrieblich ausgebildet wird. Es verletzt den Gleichheitsgrundsatz, alle sonderbeitragspflichtigen Kammermitglieder in einer Höhe zu belasten, die auf unterschiedliche Gegebenheiten der dargelegten Art keine Rücksicht nimmt. Ohne Bedeutung ist dagegen, ob ein nach den ausgeführten Grundsätzen bemessener Sonderbeitrag seiner Höhe nach den Grundbeitrag überschreitet (Beschluß vom 3. Mai 1995 – BVerwG 1 B 222.93 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2).
Das Berufungsgericht hat zu dieser entscheidungserheblichen Frage keine Feststellungen getroffen. Es hat damit unter Verletzung von Bundesrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) einen wesentlichen Gesichtspunkt ungeprüft gelassen. Der erkennende Senat kann als Revisionsgericht die erforderlichen Feststellungen nicht treffen. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen nachgeholt und unter dem vorstehend erörterten rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt werden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung ist der Schlußentscheidung vorzubehalten.
Unterschriften
Meyer, Gielen, Mallmann, Groepper, Gerhardt
Fundstellen
NJW 1999, 2292 |
BVerwGE |
BVerwGE, 169 |
NVwZ 1999, 164 |
NVwZ 1999, 990 |
GewArch 1999, 193 |
PersR 1999, 45 |
DVBl. 1999, 1041 |