Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung. Eisenbahnausbaustrecke Zapfendorf – Ebensfeld. Planfeststellungsabschnitt Staffelstein. Planrechtfertigung. Abwägungskontrolle, Lärmschutzkonzept, Vereinbarkeit des Immissionsschutzrechts mit Verfassungsrecht. energieäquivalente Dauerschallpegel als Grenzwerte, Schienenbonus, Gleispflegeabschlag, maßgeblicher Immissionsort, aktiver und passiver Lärmschutz, Schallschutzfenster mit Belüftungseinrichtungen
Leitsatz (amtlich)
- Der in der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV festgelegte Schienenbonus als Ausdruck einer geringeren Störwirkung von Schienenverkehrslärm gegenüber Straßenverkehrslärm hält sich innerhalb des durch das Bundesimmissionsschutzgesetz gesetzten Rahmens und ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar (vgl. dazu bereits Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – ≪Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25≫).
- Ob der Nachweis für die Berechtigung eines Gleispflegeabschlages im Sinne der amtlichen Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV auf der Grundlage der Verfügung zum Lärmschutz an Schienenwegen des Präsidenten des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 nach dem derzeitigen Stand der Lärmursachenforschung als geführt angesehen werden kann, bleibt offen.
- Nach Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV liegt der Immissionsort vor Gebäuden in Höhe der Geschoßdecke (0,2 m über der Fensteroberkante) des zu schützenden Raumes. Daraus folgt, daß bei der schalltechnischen Untersuchung auf Gebäudeseitenwände mit Fenstern abzustellen ist, wenn die der Lärmquelle zugewandte Gebäudewand kein Fenster aufweist.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1; AEG § 18 Abs. 1, § 20 Abs. 7; VwVfG § 74 Abs. 2; BImSchG § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 S. 2; 16. BimSchV § 2 Abs. 1; 16. BImSchV § 3 S. 2 und Anlage 2; 24. BImSchV § 2 Abs. 1 S. 2
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 6/7 und die Beklagte und die Beigeladene zu je 1/14.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluß für die Eisenbahnaus- und -neubaustrecke Nürnberg – Ebensfeld – Erfurt im Abschnitt Staffelstein. Die Strecke gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit.
Der Planfeststellungsabschnitt beginnt im Süden am nördlichen Ortsende der Gemeinde M… Z… Der Plan sieht dort einen westseitigen Anbau zweier Gleise an die bestehende zweigleisige Strecke Nürnberg – Bamberg – Ebensfeld vor (Ausbauabschnitt). Nördlich von E… beginnt der Neubauabschnitt in nördlicher Richtung durch den B… bis zum nördlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts auf dem Gebiet der Gemeinde N….
Für die Neubaustrecke bestimmt der Plan ab dem Tunnel E… nach Norden den Bau einer festen Fahrbahn. Im übrigen soll die Bauweise mit Betonschwellen im Schotterbett erfolgen. Ab der südlichen Abschnittsgrenze in M… Z… bis zum Tunnel E… beabsichtigt die Beigeladene eine besondere Überwachung der Gleise, um eine Verriffelung zu vermeiden.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Nr. …, Gemarkung E…. Das im Ortsgebiet der Gemeinde M… E… gelegene Grundstück ist mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut und grenzt unmittelbar an die Bestandsstrecke. Das Gebäude ist von den geplanten zusätzlichen Gleisen etwa 40 m entfernt. Es hat in seiner zum Garten und zur Bahnanlage hin gelegenen östlichen Hauswand ein Fenster, das durch die Baugenehmigung nicht gedeckt ist. Diese enthielt eine Nebenbestimmung, nach der die Ostwand ohne Fenster auszuführen war. Das Grundstück ist 1 625 m(2) groß. Die Beigeladene plant die Inanspruchnahme eines Grundstücksteils von 320 m(2) für den Ausbau ihrer Bahnanlage. Darüber hinaus ist eine Dienstbarkeit wegen der vorübergehenden Inanspruchnahme für einen Flächenumfang von 125 m(2) für die Dauer der Bauarbeiten erforderlich.
Zu den Planungsunterlagen gehört eine schall- und erschütterungstechnische Untersuchung (Anlage 13.1 der Planfeststellungsunterlagen) der Firma i… N…-I…, U…, B…, P… GmbH vom November 1993. Die schalltechnische Untersuchung bestimmt den Ist-Zustand für die Bestandsstrecke mit insgesamt 116 Zügen/24 h (für beide Gleise und beide Richtungen) und berechnet daraus einen Emissionsmittelungspegel von 70,9/71,1 dB(A) für den Tag und für die Nacht. Die Prognosedaten für das Jahr 2010 sehen auf den für diesen Zeitpunkt vorgesehenen 4 Gleisen insgesamt 422 Züge in beiden Richtungen vor. Die schalltechnische Untersuchung errechnet daraus Emissionsmittelungspegel von 76,4/76,7 dB(A) für Tag – Nacht. Auf dieser Basis beinhaltet das Planungskonzept des Vorhabenträgers Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bei der Durchfahrung der Gemeinde M… E…. In Höhe des klägerischen Grundstücks sind an der Ost- und Westseite der Bahnanlage jeweils 3 m hohe Schallschutzwände vorgesehen, zusätzlich soll zwischen den beiden Gleispaaren eine 4 m hohe Schallschutzwand errichtet werden. Entsprechend den Festsetzungen in einem wirksamen Bebauungsplan der Gemeinde geht die schalltechnische Untersuchung davon aus, daß das Grundstück des Klägers in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. In den Planungsunterlagen werden die Beurteilungspegel für das Wohnhaus des Klägers zunächst ohne Berücksichtigung der Maßnahmen des aktiven Schallschutzes mit 70 bzw. 71 dB(A) bei Tag und Nacht für das Erdgeschoß und das Obergeschoß des Hauses angegeben. Bei Berücksichtigung der Schallschutzmaßnahmen werden 56 bzw. 57 dB(A) bei Tag und Nacht für die beiden Geschosse berechnet.
Das Planfeststellungsverfahren wurde im Dezember 1993 eingeleitet. Die Planungsunterlagen wurden nach ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 25. Januar 1994 bis einschließlich 28. Februar 1994 öffentlich ausgelegt. Für den Kläger erhob sein Prozeßbevollmächtigter mit einem am 14. März 1994 bei der Regierung von Oberfranken eingegangenen Schriftsatz Einwendungen. Damit machte der Kläger u.a. geltend, er befürchte erhebliche Lärm- und Erschütterungsbeeinträchtigungen. Die Lärmschutzmaßnahmen seien für die Einhaltung der Lärmgrenzwerte für ein Wohngebiet nicht ausreichend.
Nach Stellungnahme des Vorhabenträgers und Erörterung der Einwendungen wies die Beklagte mit dem Planfeststellungsbeschluß vom 18. Mai 1995 die Einwendungen des Klägers zurück. Der Planfeststellungsbeschluß enthält unter Ziffer 5.5.2 und Ziffer 5.5.6 die folgenden Auflagen:
Besonders überwachtes Gleis
Bis zur Aufnahme des Pegelabschlags von 3 dB(A) für das besonders überwachte Gleis in die Anlage 2 der 16. BImSchV und einer damit verbundenen Fristenregelung für Überwachungsintervalle ist der Planfeststellungsabschnitt in regelmäßigen Abständen von der Deutschen Bahn AG mit einem vom Eisenbahn-Bundesamt anerkannten Verfahren zu überwachen. Bei festgestellten Mängeln ist das Gleis von der Deutschen Bahn AG zu überarbeiten.
Die mit dem Schallmeßwagen ermittelten Meßwerte über die von der Bahnanlage im planfestgestellten Abschnitt ausgehenden Lärmemissionen hat die D… AG dem E… (Außenstelle N…) jeweils umgehend mitzuteilen.
Sollte zwei Jahre nach Inbetriebnahme ein Eintrag für das besonders gepflegte Gleis in die Anlage 2 der 16. BImSchV oder eine diesbezügliche Feststellung durch das Eisenbahn-Bundesamt als anerkannte Regel der Technik gemäß § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 2 Ziff. 1 Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) nicht oder mit einem geringeren Wert als in der vorliegenden Berechnung angenommen erfolgen, so ist ein ergänzendes Verfahren gemäß § 18 AEG mit entsprechenden Nachbesserungen für passive und aktive Schallschutzmaßnahmen durchzuführen.
Passive Schallschutzmaßnahmen
Die D… AG hat sämtliche aufgrund dieses Beschlusses zulässigen Anträge auf bautechnische Nachbesserungen an Gebäuden gemäß der Richtlinie VDI 2719 “Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen” zu beurteilen.
Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen besteht für Räume, die dem ständigen Aufenthalt dienen, bei denen die Nachtgrenzwerte der 16. BImSchV von 49 dB(A) in Wohngebieten und von 54 dB(A) in Mischgebieten überschritten werden, sowie für Kommunikations- und Arbeitsräume, bei denen die Taggrenzwerte der 16. BImSchV von 59 dB(A) in Wohngebieten und von 64 dB(A) in Mischgebieten überschritten werden.
Für Wohnungen, für die Anspruch auf Schallschutzfenster der Klasse 3 oder höher besteht, ist ein Schalldämmlüfter für Schlafräume bzw. zum Schlaf geeignete Räume vorzusehen (siehe Kap. B 3.2.1.9).
Für die Ortsdurchfahrt E… bestimmt der Planfeststellungsbeschluß in Höhe des klägerischen Grundstücks die in der Planung vorgeschlagenen 3 Schallschutzwände. Er sieht vor (S. 34), daß die der Bahn zugewandten Flächen der Schallschutzwände hochabsorbierend zu verkleiden sind.
In der Begründung des Beschlusses geht die Planfeststellungsbehörde davon aus, daß für zahlreiche Gebäude in den Gemeinden M… Z…, U… und M… E… auch durch die festgesetzten Maßnahmen des aktiven Schallschutzes die zulässigen Grenzwerte der 16. BImSchV nicht erreicht werden können. Für das Wohnhaus des Klägers werden Beurteilungspegel von 56 und 57 dB(A) bei Nacht für das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß zugrunde gelegt. Zur Begründung der festgesetzten aktiven Schallschutzmaßnahmen führt der Planfeststellungsbeschluß (Ziff. 3.2.1.7, S. 78) aus, Schallschutzmaßnahmen seien um so wirksamer, je näher sie an die Schallquelle herangerückt würden. Entsprechend den “Richtlinien für bauliche Lärmschutzanlagen an Eisenbahnstrecken” der Deutschen Bahn AG seien von den Gutachtern im Bereich der Bebauung entlang der Strecke Schallschutzwände und Schallschutzwälle vorgesehen worden. Die Wandhöhen im Bereich der Ausbaustrecke würden angesichts der Nähe der schutzbedürftigen Wohnbebauung und der Betriebsbelastung auf der viergleisigen Strecke in der Regel 3 m bei den Außenwänden und 4 m bei den Mittelwänden betragen. In den Teilbereichen, in denen die Bebauung sehr nahe an den Gleisen liege, oder auch bei ungünstigen geometrischen Bedingungen hätten jedoch in geringem Umfang noch höhere Lärmschutzwände in die Planung eingestellt werden müssen, um einen möglichst effizienten aktiven Schallschutz zu gewährleisten. Unter Abwägung der noch möglichen akustischen Verbesserungen, der größeren Windlasten, der durch Schallschutzwände verstärkten optisch wirksamen Riegelwirkung der Ausbaustrecke und der zusätzlichen Beschattungen sei die Höhe der Mittelwände zwischen den Strecken Bamberg – Hof und Nürnberg – Erfurt auf 4 m begrenzt, die Außenwand in Einzelfällen bis 4,50 m über Schienenoberkante erhöht worden. Um eine optimale Wirkung der Lärmschutzwände zu erzielen, müßten diese auf der bahnzugewandten Seite hochabsorbierend ausgeführt werden. Dort, wo teilweise transparente Wände zum Einsatz kämen, sei überprüft worden, daß aufgrund der geometrischen Verhältnisse im Einzelfall keine Erhöhung der Beurteilungspegel aufgrund von Reflexionen erfolge. Wie der Vergleich mit dem bestehenden Zustand zeige, werde durch den vorgesehenen Schallschutz auch gegenüber dem Ist-Zustand eine wesentliche Verbesserung ≪bis zu 16 dB(A)≫ erreicht. Da schalltechnisch eine Reduzierung um 10 dB(A) als Halbierung der empfundenen Lautstärke anzusehen sei, werde die von der Bahn ausgehende Geräuschbelastung nach dem Ausbau an den bahnnahen Gebäuden insbesondere in den Erdgeschossen und den Außenwohnbereichen um über die Hälfte gesenkt werden. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, daß die Beigeladene zugunsten der Betroffenen von einer durchschnittlich um 1,5 dB(A) höheren Schallbelastung ausgegangen sei, als dies nach der 16. BImSchV erforderlich gewesen wäre. Bei der Berechnung der Schallpegel seien nämlich maximale Zuglängen angesetzt worden.
An anderer Stelle (S. 102/103) führt die Planfeststellungsbehörde aus, die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV an bahnnahen Gebäuden in U… und E… sei durch aktive Schallschutzmaßnahmen allein nicht möglich. Für diese Gebäude bestehe deshalb ein Anspruch auf passiven Schallschutz. Die aktiven Schallschutzmaßnahmen (Wände, Wälle, Wall-Wand-Kombinationen) hätten im Ausbaustreckenbereich gegenüber der Planung auf mindestens die doppelte Höhe erhöht werden müssen, um die Grenzwerte der 16. BImSchV überall einzuhalten. Dies sei schon aus städtebaulichen Gründen nicht vertretbar. Weiterhin wären diese Wände enormen Windlasten ausgesetzt, Gebäude an der Trasse würden sich ständig im Schatten befinden, und die Luftzirkulation wäre unterbrochen.
Der Planfeststellungsbeschluß regelt den passiven Schallschutz auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2719 zur Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen. Der Beschluß gelangt zu dem Ergebnis, daß für das Wohngebäude des Klägers angesichts der genannten Pegelüberschreitungen Fenster der Schallschutzklasse 1 vorzusehen seien, und geht im folgenden davon aus, daß das Gebäude über entsprechende Fenster bereits verfügt.
Gegen den Planfeststellungsbeschluß richtet sich die vorliegende Klage.
Der Kläger macht grundsätzliche Bedenken gegen das Bauvorhaben geltend. Er meint vor allem, die Planrechtfertigung für das Projekt liege nicht vor. Zu Unrecht gehe der Planfeststellungsbeschluß vom Gegenteil aus, indem er sich auf das Bundesschienenwegeausbaugesetz berufe. Die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan überschreite die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens, weshalb die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen sei. Der Kläger hat dazu in der mündlichen Verhandlung 21 vorsorgliche Beweisanträge (vgl. Schriftsatz vom 27. Januar 1998) gestellt.
Er beanstandet daneben die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, daß dem Planfeststellungsbeschluß eine fehlerhafte naturschutzfachliche Bewertung von Grundstücken in der Gemarkung W… am F… (im nördlichen Bereich des Neubaustreckenabschnitts) zugrunde liege. Diese Grundstücke würden teilweise von der Planung beansprucht. Wäre die Inanspruchnahme, wie rechtlich geboten (vgl. dazu die vorsorglich gestellten Beweisanträge Nr. 22 und 23), unterblieben, so hätte sich möglicherweise im südlichen Bereich des Planfeststellungsabschnitts ein anderer Trassenverlauf ergeben.
Darüber hinaus wendet sich der Kläger vor allem gegen die Verlärmung seines Grundstücks und seines Wohnhauses. Die schalltechnische Untersuchung beruhe auf fehlerhaften Grundlagen. Bereits der normativ geregelte Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A) sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Seine Einführung beruhe auf Untersuchungen, deren Ergebnisse auf einen Schienenweg, der so hoch frequentiert werden solle wie der geplante Bundesschienenweg Nürnberg – Erfurt im Ausbaustreckenabschnitt, nicht übertragen werden könnten. Im einzelnen hat der Kläger dazu und zum Berechnungsverfahren der 16. BImSchV sechs – unbedingte – Beweisanträge gestellt, die durch Beschluß des Senats in der mündlichen Verhandlung abgelehnt worden sind. Ferner, so meint der Kläger, fehle es für den von der Beklagten und der Beigeladenen angesetzten sogenannten Gleispflegeabschlag in Höhe von 3 dB(A) an einer ausreichenden rechtlichen Grundlage. Ein Nachweis für den Bonus durch Gleispflege sei nicht erbracht. Insgesamt sei damit das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses in so starkem Maße fehlerhaft, daß die Gesamtkonzeption der Planung nicht mehr als tragfähig angesehen werden könne.
Schließlich beanstandet der Kläger, der Planfeststellungsbeschluß enthalte keine Entschädigungsregelungen wegen der unmöglich werdenden Nutzung des Außenwohnbereiches und keine ausreichende Vorsorge hinsichtlich der zu befürchtenden Erschütterungsschäden.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahnbundesamtes, Außenstelle Nürnberg, für die Neu- und Ausbaustrecke Nürnberg – Erfurt vom 18. Mai 1995 betreffend Baukilometer 15,1 bis 20,4 + 80 (Ausbau) und Baukilometer 0,0 bis 18,0 + 30 (Neubau) aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über die vom Kläger hilfsweise geforderten aktiven Schallschutzmaßnahmen und dem Grunde nach über seinen ebenfalls hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Planfeststellungsbeschluß. Die Notwendigkeit der Baumaßnahme sei gesetzlich vorgegeben. Damit stehe der Bedarf auch für eine gerichtliche Überprüfung fest. Die Beigeladene macht daneben umfangreiche Ausführungen zur Berechtigung des Gleispflegeabschlages.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und hält die Klage für unbegründet.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. März 1998 hat die Beigeladene sich verpflichtet, dem Kläger über die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses hinaus passiven Schallschutz gemäß der 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmeverordnung – 24. BImSchV) vom 4. Februar 1997 (BGBl I S. 172) zu gewähren. Die Beklagte hat dem zugestimmt. Im Hinblick darauf haben die Beteiligten den Rechtsstreit in bezug auf den auf Entschädigung gerichteten Hilfsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Aufgrund Beweisbeschlusses vom 11. Juli 1996 hat der Berichterstatter die Örtlichkeit auf dem Grundstück des Klägers in E… in Augenschein genommen. Dazu wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Juli 1996 Bezug genommen.
Unter dem 17. Oktober 1997 hat der Senat das Umweltbundesamt um eine amtliche Auskunft zu der Frage gebeten, ob es als nachgewiesen angesehen werden könne, daß das Verfahren der besonderen Gleispflege einen Lärmpegelabschlag von 3 dB(A) rechtfertige. Der Präsident des Umweltbundesamtes hat daraufhin unter dem 30. Dezember 1997 eine Stellungnahme mit einer Ergänzung vom 20. Februar 1998 übersandt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 1998 haben Vertreter des Umweltbundesamtes die Stellungnahme auf Wunsch des Senats erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsstreitakte und die von der Beklagten eingereichten Planungs- und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die genannten Akten haben dem Senat vorgelegen und sind – soweit wesentlich – zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die zusammenfassenden Ausführungen im nachträglichen Schriftsatz des Klägers vom 7. April 1998 geben dem Senat keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Die Klage hat, soweit sie nicht für erledigt erklärt worden ist, mit Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 5 Abs. 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16. Dezember 1991 (BGBl I S. 2174) – VerkPBG –, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1840), für den Rechtsstreit in erster und letzter Instanz zuständig (vgl. Urteil vom 12. Februar 1997 – BVerwG 11 A 66.95 – UPR 1997, S. 320).
A) Der Planfeststellungsbeschluß der Beklagten vom 18. Mai 1995 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann deshalb seine Aufhebung nicht beanspruchen.
1. Der Planfeststellungsbeschluß verstößt nicht gegen Verfahrensvorschriften. Dies hat der Senat bereits in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 27. August 1997 (BVerwG 11 A 61.95) entschieden. Dabei lag dem Urteil in jener Sache zum Ablauf des Planfeststellungsverfahrens ein Klägervortrag zugrunde, der dem Vorbringen des Klägers in dieser Sache entspricht.
2. Der Senat hält an der in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Bundesschienenweg Nürnberg – Erfurt (vgl. vor allem Urteil vom 5. November 1997 – BVerwG 11 A 54.96 – mit zahlreichen weiteren Nachweisen) im einzelnen begründeten Auffassung fest, daß das planfestgestellte Vorhaben dem Gebot der Planrechtfertigung entspricht. Soweit der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dazu in der mündlichen Verhandlung vorsorglich 21 Beweisanträge gestellt hat, sind diese mit Beweisanträgen identisch, die bereits im Verfahren BVerwG 11 A 54.96 gestellt worden sind. Der Senat bleibt auch nach Würdigung der neuerlichen Kritik des Klägers bei seiner im Urteil vom 5. November 1997 dargelegten Ansicht, daß die Anträge sämtlich keine Veranlassung geben, in eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens einzutreten. Deshalb wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zitierte, den Beteiligten bekannte Urteil vom 5. November 1997 verwiesen.
3. Das planfestgestellte Vorhaben verletzt keine zwingenden materiellrechtlichen Rechtssätze. Auch dies hat der Senat bereits im Urteil vom 27. August 1997 – BVerwG 11 A 61.95 – und im Beschluß vom 30. Dezember 1996 – BVerwG 11 VR 21.95 – (Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 22) ausgeführt. Darauf wird Bezug genommen.
4. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG sind im Planfeststellungsverfahren die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Mängel bei der Abwägung sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind (§ 20 Abs. 7 Satz 1 AEG). Offensichtliche und kausale Abwägungsmängel, auf die der Kläger sich zur Stützung seines Hauptantrages berufen könnte, sind nicht festzustellen. Die mündliche Verhandlung hat zu den Gesichtspunkten der Variantenauswahl, der Wasserwirtschaft, zu den Belangen des Fremdenverkehrs und der Erholungsfunktion sowie zur Beachtung der Planungshoheit der Gemeinden nichts ergeben, was nicht bereits Gegenstand der bisherigen Entscheidungen des Senats zum Bundesschienenweg Nürnberg – Erfurt war. Mithin kann auch darauf verwiesen werden.
a) Soweit der Kläger die naturschutzfachliche Bewertung der Flurstücke …, …, … und … in der Gemarkung W… am F… rügt (vgl. dazu die vorsorglichen Beweisanträge Nrn. 22 und 23 sowie Urteil des Senats vom 27. August 1997 – BVerwG 11 A 61.95 –) und sinngemäß offenbar meint, eine zutreffende Einordnung der Flächen hätte eine andere Trassenführung mit Auswirkungen bis zu seinem planbetroffenen Grundstück in M… E… zur Folge gehabt, kommt es auf die unter Beweis gestellten Behauptungen nicht an. Träfen sie zu, läge hinsichtlich der Trassenführung ein Abwägungsmangel vor, der zwar – jedenfalls mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit – Auswirkungen auf die kleinräumige Lage der Neubaustrecke im Bereich W… gehabt hätte, dessen Einfluß auf die Trassenlage im Ausbaustreckenabschnitt bei M… E… indessen auszuschließen ist. Der Senat hat unter Hinweis auf die im Raumordnungsverfahren ursprünglich favorisierte Trassenlage bereits einen möglichen Einfluß des – hier nur unterstellten – Abwägungsmangels auf die Trassenführung für die knapp südlich von W… gelegene Ortslage Z… verneint. Erst recht scheidet folglich eine Kausalität des etwaigen Fehlers für die Planung des sehr viel weiter südlich gelegenen Ausbaustreckenabschnitts aus.
b) Der Kläger macht daneben als Abwägungsmangel geltend, die von ihm zu erwartende Lärmbelastung sei in ihrem Ausmaß nicht richtig erkannt und berücksichtigt worden. Das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses sei nicht tragfähig.
Bereits im rechtlichen Ausgangspunkt ist dem wegen der Möglichkeit von Schutzauflagen entgegenzuhalten, daß ein solcher Mangel nur dann zur Aufhebung oder Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses – oder auch zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit – führen kann, wenn er für die Planungsentscheidung insgesamt von so großem Gewicht ist, daß dadurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt wird. Wird diese Schwelle nicht erreicht, bleibt es bei einem Anspruch auf Planergänzung (BVerwGE 56, 110 ≪133≫; 71, 150 ≪160≫; BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – ≪Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25 S. 113≫).
Fehler des Lärmschutzkonzepts von einer die Gesamtabwägung beeinträchtigenden Tragweite sind nicht festzustellen. Die Lärmschutzauflagen des Planfeststellungsbeschlusses beruhen auf einer nach den Vorgaben der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – erstellten schalltechnischen Untersuchung und setzen darüber hinaus, gestützt auf die amtliche Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, einen Abschlag für die besondere Gleispflege von 3 dB(A) an. Danach werden unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen für die beiden Geschosse des klägerischen Hauses 56 bzw. 57 dB(A) bei Tag und Nacht berechnet.
aa) Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 1998 unbedingt gestellten Beweisantrag Nr. 2 behauptet der Kläger, der Schlaf des durchschnittlich empfindsamen Menschen werde bereits durch Einzelschallpegel von zwischen 40 und 45 dB(A) im Schlafraum empfindlich gestört. Aufweckreaktionen bzw. der Übergang in ein Stadium weniger intensiven und daher “gesunden” Schlafes und im weiteren Verlauf bei entsprechender Häufigkeit dieser Vorgänge auch gesundheitliche Schäden seien die Folge. Damit ist die Frage angesprochen, ob der Schienenverkehrslärm durch den – nach der 16. BImSchV maßgeblichen – Dauerschallpegel oder mit Hilfe von Maximalpegeln zu bestimmen ist. Daß § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV als Grenzwerte energieäquivalente Dauerschallpegel ansetzt, ist von der Ermächtigung in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG gedeckt und mit höherrangigem Recht vereinbar. Nach wie vor entspricht es dem Stand der Lärmwirkungsforschung, den – im übrigen auch international angewandten – Stärke, Dauer und Häufigkeit der Schallereignisse berücksichtigenden Dauerschallpegel als geeignetes und praktikables Maß für die Beurteilung von Schienen- und Straßenverkehrslärm anzusehen (vgl. Ising, Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 1996, S. 11; Guski, a.a.O., S. 15; Schreiber, a.a.O., S. 17 f., 297 f.; Möhler, a.a.O., S. 368 f.; Heimerl, a.a.O., S. 425; Stellungnahme des Umweltbundesamtes, a.a.O., S. 403; Deutscher Arbeitsring für Lärmbekämpfung e.V., a.a.O. S. 188 f.; Forschungsinstitut Geräusche und Erschütterungen, a.a.O., S. 334; ebenso bereits zuvor: Möhler, ZfL 1990, S. 35 ff.; Schreiber, ZfL 1995, S. 141 ff.). Ist dies so, bleiben die Maximalpegel, denen allerdings erheblicher Einfluß auf die Höhe des Dauerschallpegels zukommt (vgl. Schreiber, Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 17 f.) als gesonderte Größe bei der Lärmschutzuntersuchung außer Betracht (ebenso bereits: BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – a.a.O. S. 116). Folglich bestand keine Veranlassung, der vom Kläger unter Beweis gestellten Behauptung durch Einholung von Sachverständigengutachten nachzugehen.
bb) Der Kläger bemängelt darüber hinaus den Ansatz des sogenannten Schienenbonus in Höhe von 5 dB(A). Auch insoweit kann ihm nicht gefolgt werden. Dies hat der Senat bereits im Urteil vom 5. März 1997 (BVerwG 11 A 25.95 – a.a.O. S. 115 f.) entschieden.
Schon der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber in der Ermächtigungsnorm des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG aufgegeben, in den zu erlassenden Rechtsverordnungen den Besonderheiten des Schienenverkehrs Rechnung zu tragen. Diesem den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechenden Auftrag (vgl. BVerfGE 79, 174 ≪195 f.≫) hat der Verordnungsgeber mit der Einführung des Korrektursummanden S… in Anlage 2 zu § 3 und § 3 Satz 2 der 16. BImschV entsprochen. Es erfolgt danach ein Abschlag von 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms. Dies gilt nicht für Schienenwege, auf denen in erheblichem Umfang Güterzüge gebildet oder zerlegt werden. Um einen solchen Schienenweg geht es vorliegend nicht; denn selbst wenn es sich bei dem Ausbaustreckenabschnitt des Bundesschienenweges Nürnberg – Erfurt um einen mit prognostizierten 422 Zügen pro 24 Stunden im Jahre 2010 hochbelasteten, viergleisigen Abschnitt handelt, wird er damit nicht zu einer Anlage, die einem durch spezifische Immissionen charakterisierten Rangierbahnhof gleichzusetzen wäre. Das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses entspricht also mit der Berücksichtigung des Bonus den normativen Vorgaben.
Entgegen der Auffassung des Klägers hält sich die zitierte Regelung der Verkehrslärmschutzverordnung innerhalb des ihr durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz gesetzten Rahmens. Ebenso erweist sie sich nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen der Lärmforschung als vereinbar mit höherrangigem Verfassungsrecht, insbesondere mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Schienenbonus ist der angesichts fortbestehender technischwissenschaftlicher Unsicherheiten in der Lärmwirkungsforschung weite Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers zu berücksichtigen. Allerdings ist auch eine zahlenförmige Norm wie der Wert von 5 dB(A) für den Schienenbonus angesichts ihrer Auswirkungen auf das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit darauf zu untersuchen, ob ihre Ableitung den Erfordernissen rationaler Abwägung genügt (vgl. BVerfGE 85, 36 ≪56 f.≫ zu zahlenförmigen Normen im Hochschulzulassungsrecht; vgl. im übrigen zum Gestaltungsspielraum des Normgebers BVerwGE 101, 347 ≪361≫; BVerwG, Beschluß vom 16. Februar 1998 – BVerwG 11 B 5.98 –). Dies ist der Fall.
Schon § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG in der ursprünglichen Fassung vom 15. März 1974 (BGBl I S. 721) enthielt den Auftrag, in den Rechtsverordnungen nach Satz 1 den Besonderheiten des Schienenverkehrs Rechnung zu tragen. Im Anschluß daran legte die Bundesregierung den Entwurf eines Verkehrslärmschutzgesetzes (BTDrucks 8/1671) vor, der zunächst keine differenzierende Regelung für den Lärmschutz an Straßen und Schienenwegen umfaßte. Im Gesetzgebungsverfahren empfahl der Ausschuß des Bundestages für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen nach Anhörung zahlreicher Sachverständiger und Verbände, die Immissionsgrenzwerte für die Lärmvorsorge an Schienenwegen um jeweils 5 dB(A) höher festzulegen als diejenigen für die Lärmvorsorge an Straßen (BTDrucks 8/3730). Zur Begründung wurde ausgeführt (BTDrucks 8/3730, S. 22), die Sachverständigen seien einmütig der Auffassung gewesen, daß ein erheblicher Lästigkeitsunterschied zwischen Straßenverkehrslärm und Schienenverkehrslärm bestehe. Diesen Unterschieden solle durch einen Schienenbonus von 5 dB(A) Rechnung getragen werden. Das Gesetz wurde vom Bundestag in der vom Ausschuß empfohlenen Fassung beschlossen, scheiterte aber im Bundesrat wegen der zu erwartenden Kostenbelastung (vgl. zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens: Stich, UPR 1985, S. 265 ≪266 f.≫; Hölder in: Koch ≪Hrsg.≫, Schutz vor Lärm, Baden-Baden 1990, S. 171 ff.). Daraufhin erließ die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die Verkehrslärmschutzverordnung vom 12. Juni 1990 mit der dargestellten Regelung zum Schienenbonus. In der Begründung (BRDrucks 661/89, S. 37) heißt es dazu, nach allgemeinen Erkenntnissen würden die Verkehrsgeräusche, die von Schienenwegen ausgingen, als weniger lästig und störend empfunden als die von Straßen verursachten. Deshalb sei bei der Berechnung des Beurteilungspegels an Schienenwegen ein Abschlag in Höhe von 5 dB(A) zu machen.
Die von diesen Einschätzungen des Gesetz- und Verordnungsgebers in Bezug genommenen Sachverständigenäußerungen beruhten insbesondere auf folgenden, in den Jahren 1978 bis 1986 veröffentlichten Untersuchungen zur vergleichenden Bewertung von Verkehrslärm:
– Klosterkötter/Gono, Bericht über Untersuchungen von Schienenverkehrs-, Flug- und Straßenverkehrslärm im Hinblick auf Differenzen ihrer A- und C-Schallpegel, Essen 1978;
– Heimerl/Holzmann, Ermittlung der Belästigung durch Verkehrslärm in Abhängigkeit von Verkehrsmittel und Verkehrsdichte in einem Ballungsgebiet. Forschungsarbeiten des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart, Bericht 13 (1978) – Stuttgarter Studie –;
– Knall/Schümer/Klosterkötter/Planungsbüro Obermeyer, Interdisziplinäre Feldstudie II über die Besonderheiten des Schienenverkehrslärms gegenüber dem Straßenverkehrslärm (erweiterte Untersuchung), Band I, II, München 1983 – IF-Studie –;
– Planungsbüro Obermeyer, Die unterschiedliche Lästigkeit von Schienen- und Straßenverkehrslärm innerhalb und außerhalb von Wohngebäuden, München 1985 – Fensterstudie –;
– Planungsbüro Obermeyer, Kommunikationsstörungen durch Schienenverkehrslärm, München 1986 – Fensterstudie 2 –.
Aufgrund der Untersuchung verschiedener Schienenverkehrs- und Straßenverkehrsgebiete mit jeweils gleichem Mittelungspegel von 50, 60 und 70 dB(A) ergab sich nach der IF-Studie für die Nachtstörungen über den gesamten Pegelbereich ein Schienenbonus von 9 bis 11 dB(A). Demgegenüber wurde zunächst für die Tagstörungen im Pegelbereich unter 53 dB(A) ein geringer Schienenmalus von 0,4 dB(A), im oberen Pegelbereich von ca. 70 dB(A) ein Schienenbonus von 3,4 dB(A) ausgewiesen (vgl. IF-Studie, Band I, S. 221 ff.). Nachfolgende Untersuchungen zu den Lästigkeitsunterschieden bei den Tagstörungen ergaben ausweislich der aufgeführten sogenannten Fensterstudien, daß von den in der IF-Studie zur Lästigkeit der Verkehrsgeräusche Befragten bei einem Schienenverkehrslärm von 65 dB(A) nur etwa 20 % der Befragten auf der Grundlage geschlossener Fenster, beim Straßenverkehrslärm von 65 dB(A) aber etwa 80 % der Befragten unter Zugrundelegung geschlossener Fenster geantwortet hatten. Daraus wurde gemeinhin geschlossen, daß auch bei den Tagstörungen über den gesamten Pegelbereich ein Lästigkeitsunterschied von 5 dB(A) zugunsten des Schienenverkehrslärms anzusetzen sei (vgl. Hauck, ZfL 1991, S. 162 ff.), wie er bereits in der Stuttgarter Studie aus dem Jahre 1978 herausgearbeitet worden war.
Der Senat kann dem Kläger nicht in der Einschätzung folgen, die Stuttgarter Studie und die IF-Studie beruhten auf einer den Sachverständigen vorgegebenen verkürzten Aufgabenstellung und litten deshalb an schwerwiegenden methodischen Fehlern. Allerdings trifft zu, daß die der IF-Studie zugrundeliegenden Umfragen bei Personen durchgeführt worden sind, die seit mindestens zwei Jahren in mindestens fünf Jahre alten Gebäuden an seit langem bestehenden Verkehrswegen wohnen (vgl. S. 3 und S. 8 des Hauptberichts Bd. I). Doch beruht diese Vorgabe – die im übrigen bei Straßenverkehrs- und Schienenverkehrsuntersuchungsgebieten gleichermaßen beachtet worden ist – nicht auf dem Untersuchungsauftrag, sondern darauf, daß die Gutachter der Auffassung waren, zur Erforschung der nachgefragten Lästigkeitsunterschiede zusätzliche Einflüsse auf die Gestörtheitsreaktionen der Befragten (wie z.B. den Ärger über einen neuen Verkehrsweg oder den bei Bezug einer neuen Wohnung entstehenden Ärger über einen vorhandenen Verkehrsweg) ausscheiden zu müssen. Darin liegt eine fachwissenschaftliche Annahme, die vor dem Hintergrund des Gutachtenauftrags durchaus schlüssig erscheint und deshalb nicht beanstandet werden kann.
Der so abgeleitete und vom Verordnungsgeber festgesetzte Schienenbonus entspricht der Regelung zahlreicher anderer europäischer Länder (vgl. dazu Gottlob, Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 156 f.). Soweit der Prozeßbevollmächtigte des Klägers es in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 1998 als “Armutszeugnis” der deutschen Umweltgesetzgebung bezeichnet hat, wenn es in Deutschland anders als in der Schweiz keine nach der Anzahl der Zugvorbeifahrten differenzierte Regelung gebe, ist dem entgegenzuhalten, daß in der Schweiz zwar eine in dieser Weise vorgenommene Differenzierung gilt, diese jedoch für den Schienenbonus Werte von minimal 5 dB(A) bis maximal 15 dB(A) vorsieht (Ziffer 3.33 des Anhangs 4 zu Art. 40 Abs. 1 der Schweizerischen Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 – SR 814.331 –).
Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, daß der Schienenbonus keineswegs außerhalb jeder Kritik steht. Windelberg (ZfL 1994, S. 129 ff. und ZfL 1995, S. 42 ff.) und Schulte-Fortkamp/Söller (Studie zur Wahrnehmung und Wirkung von Schienenverkehrsgeräuschen vom 29. Januar 1993) haben die Berechtigung eines pauschalen Schienenbonus insgesamt angezweifelt, andere Sachverständige (so Berkemann, Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 182; Berkemann in: Koch, Schutz vor Lärm, a.a.O., S. 73, 92; Arbeitskreis Verkehr und Umwelt, Protokoll a.a.O., S. 380/381; Steinberg, Fachplanung, Baden-Baden 1993, S. 94; wohl auch Möhler, Protokoll a.a.O., S. 375 ff.) haben jedenfalls die Übertragbarkeit der dargestellten Untersuchungsergebnisse auf veränderte Verkehrsverhältnisse angezweifelt oder von ergänzenden Untersuchungen abhängig gemacht. Schließlich hat die Beigeladene selbst Lärmwirkungsstudien begonnen, um die Frage des Schienenbonus für bestimmte neuere Verkehrssituationen (Hochgeschwindigkeitsverkehr, besonders viel Güterverkehr nachts usw.) zu untersuchen (vgl. dazu Hauck, Protokoll a.a.O., S. 290).
Es ist auch einzuräumen, daß die Ursachen für das unterschiedliche Lästigkeitsempfinden bei Straßen- und Schienenverkehrslärm noch nicht hinlänglich erforscht und bekannt sind. In Betracht kommen namentlich folgende Komponenten:
Bei gleichem Mittelungspegel ist die Anzahl der Vorbeifahrten von Kraftfahrzeugen etwa einhundertfach häufiger als diejenige von Zügen; zwischen einzelnen Zugvorbeifahrten bestehen Ruhepausen, bei der Straße sind diese kürzer; das Frequenzspektrum der Schiene ist weniger lästig als das Spektrum der Straße mit starken niederfrequenten Anteilen; an die Geräusche der Schiene kann man sich eher gewöhnen als an die Geräusche der Straße, da sie einem Fahrplan unterliegen und daher regelmäßig sind; die Einstellung zur Bahn ist positiver, da die Bahn als insgesamt umweltfreundlicheres Verkehrsmittel betrachtet wird.
Ob damit die maßgeblichen Ursachen erfaßt sind, gehört jedoch in den Bereich von Vermutungen; erst recht gilt dies für die Bestimmung des Anteils einzelner Komponenten am Zustandekommen des Bonus insgesamt (vgl. dazu Möhler, Protokoll a.a.O., S. 375 ff.). Dies ändert hingegen nichts daran, daß die den normativ bestimmten Schienenbonus begründenden Untersuchungsergebnisse der Jahre 1978 bis 1986 nach wie vor tragfähig erscheinen (vgl. dazu auch: Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1996, S. 193 – 195), daß der Schienenbonus international, jedenfalls in Europa, üblichen Gepflogenheiten entspricht und daß er auch in internationalen Publikationen in einer deutscher Größenordnung entsprechenden Weise vertreten wird (vgl. dazu die Nachweise bei Schuemer/Schuemer-Kohrs, ZfL 1991, S. 1/7 ff.). Wird daneben berücksichtigt, daß der Verordnungsgeber den Wert von minus 5 dB(A) für den Schienenbonus auf der Grundlage der ihm vorliegenden Untersuchungsergebnisse eher gering und damit konservativ angesetzt hat, so sind die fortbestehenden Unsicherheiten und denkbaren Zweifel jedenfalls nicht geeignet, die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nachhaltig in Frage zu stellen.
Dies gilt auch dann, wenn in die Überprüfung einbezogen wird, daß die Ergebnisse der Stuttgarter Studie und der IF-Studie zur Lästigkeit von Schienenverkehrslärm in Schienenverkehrsabschnitten mit Zugzahlen zwischen 100 und 260 Zügen/24 h gewonnen worden sind (vgl. dazu Möhler, 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 376). Wie bereits ausgeführt, ist dadurch in den Untersuchungsgebieten ein Dauerschallpegel von bis zu 70 dB(A) erzeugt worden. Demgegenüber handelt es sich bei dem Ausbaustreckenabschnitt des Bundesschienenweges Nürnberg – Erfurt um einen viergleisigen Schienenweg mit prognostizierten 422 Zugvorbeifahrten im Jahre 2010. Daraus errechnet sich am Haus des Klägers – bei Einbeziehung der vorgesehenen Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, Ausklammerung des Schienenbonus von 5 dB(A) und Nichtberücksichtigung eines Gleispflegeabschlages – ein Dauerschallpegel von (56 bzw. 57 dB(A) + 5 dB(A) + 3 dB(A) =) 64 bzw. 65 dB(A) für die beiden Geschosse bei Tag und Nacht. Damit liegt die Lärmbelästigung in einem Bereich, der diejenige in den am stärksten belasteten Schienenverkehrsuntersuchungsgebieten der Stuttgarter Studie und der IF-Studie noch um 6 bzw. 5 dB(A) unterschreitet. Dies läßt es auch angesichts der erheblichen Erhöhung der Zahl der Zugvorbeifahrten (260 Züge linear = 10,833 Züge pro Stunde, alle 5,54 Minuten ein Zug; 422 Züge linear = 17,58 Züge pro Stunde, alle 3,41 Minuten ein Zug) als vertretbar erscheinen, den Schienenbonus auch hier anzusetzen.
Ob dies auch gelten könnte, wenn die erhöhte Zahl der Zugvorbeifahrten ein 70 dB(A) erheblich überschreitendes Ausmaß des Dauerschallpegels zur Folge hätte (vgl. dazu die für die Güterumgehungsbahn Hannover diskutierten Werte: Windelberg, Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 100 ff., S. 234, 238; Strauch in: Deutscher Arbeitsring für Lärmbekämpfung, Schienenverkehrslärm, Düsseldorf 1994, S. 92 ff.; Windelberg, ebenda, S. 125 ff.), hat der Senat nicht zu beurteilen, weil es für den vorliegenden Rechtsstreit darauf nicht ankommt. Für dessen Entscheidung reicht in dem dargestellten Zusammenhang die Feststellung, daß der Schienenbonus auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Untersuchungen in sachgerechter Weise eingeführt worden ist, daß derzeit keine Ergebnisse vorliegen, die seine weitere Anwendung vor dem Hintergrund des Schutzgutes der körperlichen Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvertretbar erscheinen lassen, und daß deshalb zur Zeit keine verfassungsrechtliche Pflicht des Normgebers begründet werden kann, die Festsetzungen über den Schienenbonus zu ändern. Vielmehr erscheint der festgesetzte Wert mit den Worten des Umweltbundesamtes (vgl. Protokoll der 22. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, a.a.O., S. 415) als vertretbarer Kompromiß. Daß der Normgeber andererseits verpflichtet bleibt, die Fortentwicklung der Lärmwirkungsforschung und insbesondere die Ergebnisse der von der Beigeladenen bereits in Angriff genommenen Lärmwirkungsstudien für Hochgeschwindigkeitsverkehr und überwiegenden Güterverkehr zu beobachten, entspricht seiner Verantwortung, eine zahlenförmige Norm wie den Schienenbonus unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls entstehende neue Erkenntnisse zu bewerten und zu gewichten (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 16. Februar 1998 – BVerwG 11 B 5.98 –). Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, daß der Verordnungsgeber nunmehr mit Zustimmung des Bundesrates auch in der Magnetschwebebahnverordnung vom 23. September 1997 (BGBl I S. 2329) einen Korrekturwert S = minus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der Besonderheiten des Schienenverkehrsgeräuschs gegenüber dem Straßenverkehrsgeräusch entsprechend der für Schienenwege geltenden Regelung (§ 3 der 16. BImSchV) bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h vorgesehen hat. Zur Begründung wird erneut darauf verwiesen, daß nach allgemeinen Erkenntnissen die Verkehrsgeräusche, die von Schienenwegen ausgingen, als weniger lästig und störend als die von Straßen ausgehenden empfunden würden (vgl. BRDrucks 382/97, S. 47). Dies macht deutlich, daß der Verordnungsgeber an seiner Einschätzung eines unterschiedlichen Lästigkeitsempfindens von Straßenverkehrs- und Schienenverkehrslärm unverändert festhält.
Angesichts der dargestellten Umstände konnte der Senat den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 1998 unbedingt gestellten Beweisanträgen Nrn. 1 und 3 bis 6 nicht entsprechen. Mit den darin unter Beweis gestellten Behauptungen zweifelt der Kläger jedenfalls für stark frequentierte Eisenbahnstrecken die im Verhältnis zum Straßenverkehrslärm geringere Lästigkeit des von dem Schienenweg ausgehenden Verkehrslärms für die betroffenen Menschen an. Erweist sich der Schienenbonus von 5 dB(A) indessen nach Auseinandersetzung mit der fachwissenschaftlichen Diskussion der vergangenen Jahre als vom Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers gedeckt, so kommt die Einholung von Sachverständigengutachten zur Klärung der vom Kläger behaupteten Tatsachen und Verläufe nicht in Betracht. Der Senat ist vielmehr – wie zuvor dargestellt – in der Lage, die Vertretbarkeit des Schienenbonus auf der Grundlage der ihm bereits vorliegenden fachwissenschaftlichen Publikationen und Sachverständigenstellungnahmen zu beurteilen und zu bejahen.
cc) Ist damit das Lärmschutzkonzept, soweit es auf energieäquivalente Dauerschallpegel abstellt und den Schienenbonus anwendet, rechtlich unbedenklich, so kann für die Entscheidung des Hauptantrages offenbleiben, ob der Planfeststellungsbeschluß in rechtmäßiger Weise einen Korrekturwert von minus 3 dB(A) für die besondere Gleispflege ansetzen durfte. Selbst wenn dies verneint würde, handelte es sich nämlich um einen Mangel, der ohne Einfluß auf die Gesamtkonzeption der Planung durch nachträgliche Schutzauflagen ausgeglichen werden könnte (ebenso bereits BVerwG, Beschluß vom 9. September 1996 – BVerwG 11 VR 31.95 – ≪Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 17 = NVwZ-RR 1997, S. 210≫).
c) Soweit der Kläger die von der Planfeststellungsbehörde festgesetzten Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Erschütterungsschutz als unzureichend rügt, ist nicht ersichtlich, daß dadurch die Ausgewogenheit der Planung insgesamt berührt werden könnte. Der Gesichtspunkt ist folglich nicht geeignet, dem Hauptantrag des Klägers zum Erfolg zu verhelfen. Davon abgesehen enthält der Planfeststellungsbeschluß unter Ziffer 5.5.8 eine eingehende Auflage zu den zu befürchtenden Erschütterungen und setzt sich in seiner Begründung (S. 119 ff.) mit dem genannten Abwägungskriterium ausführlich auseinander. Nachvollziehbare und spezifizierte Bedenken dagegen hat der Kläger nicht erhoben.
d) Schließlich kann auch die Rüge des Klägers, der Planfeststellungsbeschluß enthalte trotz entgegenstehender Verpflichtung keine Entschädigungsregelungen wegen einer unmöglich werdenden Nutzung des Außenwohnbereiches, den Hauptantrag nicht stützen. Auch ein solcher Mangel könnte nämlich ohne weiteres durch nachträgliche Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses ausgeglichen werden, ohne daß dadurch die Konzeption für das Vorhaben in Gefahr geriete.
B) Auch der auf eine Verpflichtung zur Neubescheidung über Schutzauflagen zum aktiven Schallschutz gerichtete Hilfsantrag bleibt erfolglos. Die insoweit von der Planfeststellungsbehörde im angefochtenen Beschluß vorgenommene und dargestellte Abwägung erweist sich – jedenfalls im Ergebnis – als rechtlich bedenkenfrei.
Als aktiven Schallschutz sieht der Planfeststellungsbeschluß in Höhe des klägerischen Grundstücks für den viergleisigen Ausbaustreckenabschnitt drei Schallschutzwände (zwei Seitenwände von je 3 m Höhe, eine Mittelwand von 4 m Höhe) vor. Infolge dieser Maßnahmen ergibt sich nach dem angefochtenen Beschluß für das Haus des Klägers ein Dauerschallpegel von 56 bzw. 57 dB(A) bei Tag und Nacht. Die damit zu verzeichnende Überschreitung des maßgeblichen Grenzwertes von 49 dB(A) für die Nacht nimmt der Planfeststellungsbeschluß in seiner Abwägung ausdrücklich in Kauf (S. 67 ff.). Er weist aus, daß zur Einhaltung der Grenzwerte Schallschutzwände von mindestens 6 m Höhe erforderlich seien, die aus städtebaulichen und anderen Gründen nicht in Frage kämen. Eine Erhöhung der äußeren Schallschutzwände von 3 auf 4 m bringe demgegenüber schalltechnisch nur wenig, so daß davon Abstand genommen werde (vgl. PFB S. 107 unten). Deshalb solle es bei dem Grundkonzept verbleiben, für die Ortsdurchfahrten von Z…, U… und E… die genannten drei Schallschutzwände vorzusehen. In diesem Zusammenhang bezieht die Planfeststellungsbehörde ausdrücklich städtebauliche Gesichtspunkte sowie die Aspekte einer Einbindung der Schallschutzwände in die Landschaft, des vorhandenen Platzangebotes, der Regeln der Technik sowie des Kosten-/Nutzenverhältnisses in ihre Erörterung ein. Vom Kläger angeführte pauschale Behauptungen der Beigeladenen, der aktive Lärmschutz werde zu teuer, haben demgegenüber keine Rolle gespielt (vgl. PFB S. 77 ff.). Die so hergeleitete Abwägungsentscheidung, insbesondere aus Gründen der Ortsbild- und Landschaftsbildpflege auf 6 m hohe Schallschutzwände zu verzichten und es bei 3 bzw. 4 m hohen Wänden zu belassen, kann rechtlich nicht beanstandet werden (vgl. § 41 Abs. 2 BImSchG; dazu Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – a.a.O.).
Die Annahme des Klägers, er habe aus § 41 Abs. 1 BImSchG einen Anspruch auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImschV, so daß ein Abwägungsfehler vorliege, wenn es nicht möglich sei, diese Grenzwerte durch entsprechende aktive Schallschutzmaßnahmen zu gewährleisten, ist nicht zutreffend. Insbesondere sind neben aktiven auch passive Schallschutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Genügt eine Schutzauflage zum aktiven Schallschutz dem Abwägungsgebot, weil die Planfeststellungsbehörde Schallschutzbelange Betroffener wegen der Gewichtigkeit der für die Planung in ihrer konkreten Ausgestaltung sprechenden Belange zurückstellen durfte, so kann dem durch die Anordnung passiven Schallschutzes Rechnung getragen werden.
Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, das Schallschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses und die ihm zugrunde liegende schalltechnische Untersuchung setzten bei der Berechnung des Schallpegels zu Unrecht einen Abschlag von 3 dB(A) wegen der vorgesehenen besonderen Gleispflege an. Der tatsächliche Lärmpegel an seinem Hause betrage deshalb nicht 56 bzw. 57 dB(A), sondern 59 bzw. 60 dB(A), woraus sich eine Überschreitung des zulässigen Grenzwertes um 10 bzw. 11 dB(A) ergebe. In seinem Urteil vom 5. März 1997 (BVerwG 11 A 25.95 – a.a.O.) hat der Senat entschieden und im einzelnen dargestellt, daß der Nachweis für die Berechtigung eines Gleispflegeabschlages im Sinne der amtlichen Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV derzeit nicht als geführt angesehen werden könne. Die Beigeladene ist dem im vorliegenden Verfahren umfangreich entgegengetreten. Sie hat daneben in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 1998 die Verfügung zum Lärmschutz an Schienenwegen des Präsidenten des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 überreicht, derzufolge ein Abschlag von 3 dB(A) für die besondere Gleispflege als nachgewiesen gelten soll. Ob bei Würdigung dieser Umstände sowie der Stellungnahmen des Präsidenten des Umweltbundesamtes vom 30. Dezember 1997 und 20. Februar 1998 und der Befragung von Sachverständigen des Umweltbundesamtes in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 1998 an der genannten Einschätzung festzuhalten wäre, läßt der Senat für die Entscheidung dieses Rechtsstreits offen. Die mündliche Verhandlung hat nämlich ergeben, daß es vorliegend aus folgendem Grund auf die Berechtigung des Gleispflegeabschlages nicht ankommt:
Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV bestimmt, daß sich der maßgebende Immissionsort nach den Umständen im Einzelfall richtet; vor Gebäuden liegt er in Höhe der Geschoßdecke (0,2 m über der Fensteroberkante) des zu schützenden Raumes. Die schalltechnische Untersuchung berechnet den Immissionswert für das Gebäude des Klägers mit 56 (Erdgeschoß) und 57 (Obergeschoß) dB(A) und setzt dabei als Immissionsort die östliche, zur Bahnstrecke hin gelegene Hauswand des klägerischen Anwesens an. Wie der Kläger nicht bestreitet, ist ihm für die Errichtung seines Wohngebäudes eine Baugenehmigung mit der Nebenbestimmung erteilt worden, die Ostwand des Hauses ohne Fenster auszuführen. Das nunmehr gleichwohl vorhandene Fenster ist damit bauordnungsrechtlich illegal und deshalb im planerischen Abwägungsvorgang der Beklagten nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwGE 91, 92). Daß er für das Fenster nachträglich eine Genehmigung der Bauordnungsbehörde erhalten hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor. Daß die Beigeladene gegen den nachträglichen Einbau des Fensters ihrerseits nicht mit Rechtsbehelfen vorgegangen ist, kann nicht dazu führen, die durch Lärmeinwirkungen auf das illegale Fenster gestörte Wohnnutzung nunmehr als schutzwürdig anzusehen. Soweit der Kläger behauptet, Nachbarn hätten in ähnlicher räumlicher Situation von der Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung zum Einbau von Fenstern in die Ostwände ihrer Häuser erhalten, fehlt es bereits an einem ausreichend substantiierten Vortrag, der Veranlassung geben könnte, dem durch eine Beweiserhebung nachzugehen. Im übrigen könnte die Behauptung, wenn sie zuträfe, an der vom Landratsamt L… bestätigten mangelnden Genehmigungsfähigkeit des Fensters in der Ostwand des klägerischen Hauses nichts ändern. Die Planungsunterlagen weisen aus, daß nicht alle bahnseitigen Baugrundstücke im Gebiet des Bebauungsplans “Strichen” der Gemeinde M… E… bebaut sind. Dann aber kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht festgestellt werden, daß die die Ostwände von Gebäuden betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplans funktionslos und unwirksam geworden wären. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB kann der Kläger selbst dann nicht verlangen, wenn sie Nachbarn erteilt worden sein sollte; denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung sind nicht erfüllt, und es gibt keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht.
Hat damit die Ostwand kein “schutzwürdiges” Fenster, kommt sie als maßgeblicher Immissionsort im Sinne der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV nicht in Betracht. Abzustellen ist vielmehr ersatzweise auf die Nord- und Südwand des klägerischen Hauses. Für diese Hauswände liegen unter dem Datum des 21. bzw. 26. August 1996 schalltechnische Beurteilungen der Firma i…N…-I… vor, die aufgrund des Erörterungstermins vom 30. Juli 1996 erstellt worden sind. Diese Beurteilungen weisen für die Nord- und Südwand für den Prognosezustand mit aktivem Schallschutz Lärmwerte von 52 bzw. 50 dB(A) aus. Dabei ist der Wert von 52 dB(A) unter Zugrundelegung maximaler Zuglängen, der Wert von 50 dB(A) unter Zugrundelegung derjenigen Zuglängen berechnet worden, die die Verkehrslärmschutzverordnung vorsieht. Die rechtliche Beurteilung hat mithin von einem Lärmpegel von 50 dB(A) an der Nord- und Südwand des klägerischen Hauses als den hier – ersatzweise – maßgeblichen Immissionsorten auszugehen. Wird dem der umstrittene Gleispflegeabschlag von 3 dB(A) wieder hinzugerechnet, so ergeben sich 53 dB(A), mithin ein Lärmpegel, der um 3 bzw. 4 dB(A) unter dem Wert liegt, den der Planfeststellungsbeschluß für das Anwesen des Klägers in seine Abwägung einstellt. Folglich kann der Kläger die Abwägung der Planfeststellungsbehörde nicht dadurch zu Fall bringen, daß er den Gleispflegeabschlag als nicht nachgewiesen rügt; denn dieser etwaige Abwägungsmangel hätte keinen Einfluß auf das Abwägungsergebnis (vgl. § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG).
C) Da die Beteiligten das Verfahren in bezug auf den Hilfsantrag des Klägers zum passiven Schallschutz übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren insoweit einzustellen. Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO hat der Senat danach über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Nachdem das klägerische Begehren in diesem Punkt nachträglich erfüllt worden ist, entspricht es der Billigkeit, die Kosten in bezug auf diesen Teil des Streitgegenstandes der Beklagten und der Beigeladenen zuzuweisen.
Der Senat bemißt den Wert des erledigten Teiles mit einem Siebtel des Gesamtstreitwerts. Davon abgesehen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Diefenbach, Prof. Dr. Bonk, Dr. Storost, Kipp, Vallendar
Fundstellen
BVerwGE, 241 |
NVwZ 1998, 1071 |
ZUR 1998, 319 |
DVBl. 1998, 1181 |