Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeines Wohngebiet: Bebauungsgenehmigung für Wohngebäude bei Immissionsbelästigung durch ≪bestandsgeschützten≫ Gewerbebetrieb auf Nachbargrundstück

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Betrieb einer Anlage (hier: Autolackiererei), für den eine baurechtliche Genehmigung erteilt worden ist, wird vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt, wenn er einen Umfang erreicht, der eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit begründet.

2. Ist die baurechtlich genehmigte Nutzung eines Gebäudes (hier: für eine Autolackiererei) für mehr als ein Jahr nicht ausgeübt worden, so ist auch die vor Ablauf des zweiten Jahres wiederaufgenommene Nutzung nicht mehr vom Bestandsschutz gedeckt, wenn Umstände vorlagen, aus denen nach der Verkehrsauffassung geschlossen werden konnte, mit der Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung sei nicht mehr zu rechnen.

3. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz BauNVO 1990 ist eine im Baugebiet "an sich" zulässige Nutzung im Einzelfall auch dann unzulässig, wenn sie sich unzumutbaren Belästigungen oder Störungen einer im Baugebiet "an sich" unzulässigen, jedoch bestandskräftig genehmigten Nutzung aussetzen würde.

4. Bei der Beurteilung, ob Immissionen, denen sich ein Vorhaben aussetzen wird, im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbare Belästigungen oder Störungen sind, ist nicht auf die - abstrakte - Schutzwürdigkeit abzustellen, die dem jeweiligen Baugebiet gemäß der den Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise zukommt.

5. Eine Baugenehmigung für ein Wohngebäude in einem allgemeinen Wohngebiet ist aufgrund des § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz BauNVO zu versagen, wenn die auf das Wohnbaugrundstück einwirkenden Immissionen nicht soweit vermieden oder gemindert werden können, daß ungesunde Wohnverhältnisse nicht entstehen können.

6. Dabei ist davon auszugehen, daß der Betreiber der emittierenden Anlage die ihm nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG obliegenden Grundpflichten uneingeschränkt erfüllt.

 

Orientierungssatz

Geht ein Tatrichter dem wesentlichen Inhalt der Tatsachenbekundungen eines Beteiligten nicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nach, so muß er zumindest nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO darlegen, welche rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen ihn veranlaßt haben, von einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen abzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - BVerwG 4 C 15.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 206).

 

Normenkette

BauGB § 30; BauNVO §§ 4, 15 Abs. 1 S. 2; BImSchG §§ 22, 24; VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Entscheidung vom 18.04.1994; Aktenzeichen 2 B 92.3691)

VG Regensburg (Entscheidung vom 23.11.1992; Aktenzeichen RO 8 K 91.2099)

 

Fundstellen

BVerwGE, 235

BRS 1995, 173

DVBl. 1996, 40

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