Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsanpassung. Änderungsklage zur Vertragsanpassung. Änderung der Vertragsgrundlagen. Geltendmachung des Vertragsanpassungsanspruchs durch rechtsvernichtende Einrede. Widerklage. rückwirkende Schaffung einer Rechtsgrundlage für kostendeckende Fleischbeschaugebühren
Leitsatz (amtlich)
1. Der auf einen Vertrag gestützten Leistungsklage kann ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen wesentlicher Änderung der Vertragsgrundlagen (§ 60 Abs. 1 VwVfG) als rechtsvernichtende Einrede entgegengesetzt werden (wie Urteil vom 24. September 1997 – BVerwG 11 C 10.96 – Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1).
2. Das Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung kostendeckender Fleischbeschaugebühren (vgl. Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 3 C 7.95 – BVerwGE 102, 39) konnte vom Landesgesetzgeber rückwirkend durch den Erlass entsprechender Normen behoben werden.
Normenkette
VwVfG § 60 Abs. 1 = LVwG § 127; Richtlinie 85/73 EWG i.d.F. RiLi 93/118 EWG Art. 2 Abs. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Entscheidung vom 22.09.1999; Aktenzeichen 2 L 94/97) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 09.06.1997; Aktenzeichen 4 A 977/96) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. September 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die klagende Stadt begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für die von ihr auf dem Schlachthof L. im Monat Dezember 1995 durchgeführte Fleischhygieneüberwachung.
Mit Vertrag vom 25. Juni 1981 verkaufte die Klägerin der Beklagten das Schlachthofgelände in L. Dabei verpflichtete sich die Beklagte, auf dem Grundstück einen öffentlichen Schlachthof zu betreiben und sämtliche dem Schlachthof durch die Schlachthofsatzung der Klägerin oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Hinsichtlich der Gebühren für die Benutzung des öffentlichen Schlachthofes wurde in § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Vertrages vereinbart, dass die Benutzer Gebühren nach Maßgabe einer von der Klägerin zu erlassenden Gebührensatzung zahlen und die Beklagte Benutzungsgebühren ausschließlich nach Maßgabe dieser Satzung erhebt. In § 14 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages verpflichtete sich die Beklagte, die von ihr zu erhebenden Gebühren in Höhe der Fleischbeschaukosten, die der Klägerin erwachsen, an diese abzuführen. Zu den zu erstattenden Kosten gehören nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages im Grundsatz sämtliche sächlichen und persönlichen Aufwendungen für die Tätigkeit des Ordnungsamtes, Sachgebiet Fleischbeschau Schlachthof, dem auf dem Schlachthof weiterhin Räume unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen waren, sowie Aufwendungen, die der Klägerin für deren Tätigkeit aufgrund von fleischbeschau- und tierseuchenrechtlichen Vorschriften entstehen.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages hatte die von der Klägerin am 1. April 1974 erlassene Schlachthofgebührensatzung für die Benutzung von Einrichtungen und die Inanspruchnahme von Leistungen des Schlachthofes Einheitsgebühren festgesetzt.
Zum 1. Januar 1991 trat in Schleswig-Holstein die am 4. Dezember 1990 erlassene Verordnung zur Änderung der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Veterinärverwaltung in Kraft, die den Gebührentarif für „Untersuchungen und Kontrollen nach dem Fleischhygienegesetz” änderte. Neu festgelegt wurden u.a., aufgeteilt nach Tierarten sowie zum Teil nach Gewicht, die Tarife für die Schlachttieruntersuchung, Fleischuntersuchung und Hygienekontrollen. Dabei wurde jeweils ein Gebührenrahmen bestimmt, der z.B. für Haus- und Wildschweine 2,30 DM bis 28 DM betrug. Auch bei der Untersuchung auf Trichinen wurde ein Gebührenrahmen (0,30 DM bis 7 DM je Tier) festgeschrieben. Zudem wurde die Geltung des Tarifs auf Fleischhygieneuntersuchungen auf öffentlichen Schlachthöfen erstreckt. Im Hinblick hierauf erließ die Klägerin am 9. November 1992 eine neue Schlachthofgebührensatzung, die die Schlachthofgebühr nur noch als Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme des Schlachthofes definierte.
Bereits Ende 1990 war vom Ordnungsamt der Klägerin die Frage nach der Erforderlichkeit einer Anpassung des Vertrages vom 25. Juni 1981 aufgeworfen worden. Ein Problem könne sich ergeben, wenn die aufgrund der neuen Landesgebührenregelung erzielten Gebühreneinnahmen unter den tatsächlichen Untersuchungskosten lägen, da dann die gesetzlich der Klägerin zugewiesene Unterdeckung auf die Beklagte abgewälzt werden würde. Allerdings sei davon auszugehen, dass es sich bei den Schlachtungen der Beklagten ganz überwiegend, zu ca. 98 %, um Eigenschlachtungen handele. Im Januar 1991 einigten sich Klägerin und Beklagte darauf, an dem vertraglich vereinbarten Abrechnungsverfahren festzuhalten. Dazu heißt es in einem Schreiben des Ordnungsamtes vom 31. Januar 1991, in dem Gespräch mit der Beklagten sei von Seiten der Behörde herausgestellt worden, dass sich die wirtschaftlichen Grundlagen der vertraglichen Abreden nicht entscheidend verändert hätten, da auch nach der neuen landesrechtlichen Regelung kostendeckende Gebühren zu erheben seien.
Im Frühjahr 1993 erwog die Beklagte, den Schlachthof wegen fehlender Rentabilität zu schließen. Zur Abwendung dieser Entscheidung bat sie die Klägerin darum, ein deutliches Signal zur Senkung der Kosten für die Fleischhygieneuntersuchungen zu setzen. Am 5. Mai 1993 entschied deren Senat, dass unbeschadet der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 die anfallenden Kosten für die Fleischhygieneuntersuchungen mit der Beklagten nach einer Anlage abgerechnet würden, in der für Bandschlachtungen von Schweinen Kostenstaffelungen und für Not- und Krankschlachtungen im Isolierschlachtraum sowie für „normale” Schlachtungen von Tieren im Isolierschlachthaus Einzelkostenbestimmungen festgelegt waren. Die Kosten für die Untersuchungen und Kontrollen im Zerlegebetrieb wurden „aus Vereinfachungsgründen” weiterhin am Jahresende nach dem tatsächlich entstandenen Personalaufwand abgerechnet. Diese Praxis wurde aufgrund eines weiteren Beschlusses des Senats der Klägerin vom 16. März 1994 ab dem 1. April 1994 mit leicht erhöhten Beträgen bei den Kostenstaffelungen und den Einzelkostenbestimmungen fortgesetzt.
Mit Bericht aus Juli 1994 stellte das Rechnungsprüfungsamt der Klägerin fest, dass durch die neue Abrechnungsmethode für das Haushaltsjahr 1993 eine Unterdeckung von ungefähr 155 600 DM eingetreten und der Fehlbetrag im Rahmen des Haushaltsabschlusses 1993 aus allgemeinen Steuermitteln abgedeckt worden war; für das Haushaltsjahr 1994 sei mit einer Unterdeckung von mindestens 230 000 DM zu rechnen. Daraufhin wurde die Berechnungsmethode hinsichtlich der Bandschlachtungen von Schweinen ab dem 1. September 1994 auf eine wöchentliche Festkostenpauschale von 7 750 DM pro Schlachttag umgestellt; die übrigen Regelungen blieben unverändert. Zum 1. Mai 1995 erfolgte eine Erhöhung der Festkostenpauschale auf 8 500 DM pro Schlachttag. Die Beklagte zahlte die von der Klägerin verlangten Fleischhygieneuntersuchungskosten bis einschließlich November 1995.
Bereits mit Schreiben vom 22. Mai 1995 hatte sich die Beklagte gegen die Erhöhung der Festkostenpauschale gewandt: Die daraus resultierende Belastung stelle den „Standort L. nunmehr wieder ernsthaft in Frage”; gewünscht sei eine Rückführung der Untersuchungsgebühren auf den Stand vor September 1994. In ihrer Erwiderung teilte die Klägerin mit, dass eine Kostensenkung aufgrund ihrer Verpflichtung, kostendeckende Gebühren zu erheben, derzeit nicht möglich sei. Vielmehr behalte sie sich ausdrücklich vor, wieder zu dem bis 1993 angewandten Kostenerstattungsverfahren nach der vertraglichen Regelung zurückzukehren. Mit Schreiben vom 22. November 1995 vertrat die Beklagte die Auffassung, dass die geforderten Kosten „mit geltendem Recht nicht in Übereinstimmung” stünden. Bei der Festsetzung von Schlachtkosten sei die Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG anzuwenden. Danach sei bei Schweinen eine Pauschalgebühr von 1,30 ECU/Tier anzusetzen, was 2,60 DM entspreche. Sie werde deshalb ab Dezember des Jahres die Festkostenpauschale auf der Grundlage der EG-Pauschalgebühr bezahlen. Unter dem 8. Dezember 1995 erwiderte die Klägerin, nach den vertraglichen Vereinbarungen stehe ihr ein voller Kostenerstattungsanspruch zu. Außerdem seien die Gebühren nach § 24 FlHG kostendeckend zu erheben, was auch dem Grundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG entspreche.
Mit Schreiben vom 29. Februar 1996 übersandte die Klägerin der Beklagten die Abrechnung der Kosten für die von ihr im Rechnungsjahr 1995 durchgeführten Fleischhygieneuntersuchungen. Zu erstatten sei noch ein Restbetrag von 130 464,15 DM. Unter dem 22. März 1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie lediglich 73 060,35 DM überwiesen habe und zur Zahlung der restlichen 57 403,80 DM nicht bereit sei. Wie angekündigt bezahle sie ab dem 1. Dezember 1995 die Festkostenpauschale auf der Basis von 1,3 ECU/2,60 DM pro untersuchtem Schwein. Für den Monat Dezember 1995 dürften ihr deswegen nur 104 096,20 DM (2,60 DM × 40 037 Stück) in Rechnung gestellt werden. Tatsächlich sei in die Jahresendabrechnung der Klägerin für diesen Monat ein Betrag von 161 500 DM (8 500 DM × 19 Tage) eingeflossen. Aus der Differenz ergebe sich der Betrag von 57 403,80 DM, um den sie die Rechnung gekürzt habe.
Auch in den folgenden Monaten führte die Beklagte nur Fleischhygieneüberwachungskosten auf der Grundlage von 2,60 DM für jedes am Band geschlachtete Schwein ab. Bemühungen um eine Einigung blieben erfolglos. Von dem Erlass von Leistungsbescheiden sah die Klägerin zunächst ab.
Am 5. Dezember 1996 hat die Klägerin unter Verweis auf § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 Klage auf Zahlung des für den Monat Dezember 1995 von der Beklagten nicht geleisteten Betrages von 57 403,80 DM nebst 8,06 % Zinsen seit dem 26. März 1996 erhoben. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Vertrag wirksam zustande gekommen und von den Vertragsparteien auch nicht einvernehmlich geändert oder aufgehoben worden sei. Zwar seien die Zahlungsmodalitäten zweimal geändert worden. Dies sei aber, wie sie stets betont habe, „unbeschadet der vertraglichen Regelung” geschehen. Voraussetzungen für eine Änderung oder Anpassung des Vertrages nach § 127 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) lägen nicht vor.
Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, die Klägerin könne sich nach § 127 Abs. 1 Satz 1 LVwG nicht mehr auf den Vertrag vom 25. Juni 1981 berufen. Diesem sei durch die Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. Richtlinie 93/118/EG sowie durch das Urteil des erkennenden Senats vom 29. August 1996 (BVerwG 3 C 7.95 – BVerwGE 102, 39) die Grundlage entzogen. Er sei in der Weise anzupassen, dass die Klägerin ab Dezember 1995 und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Land Schleswig-Holstein für die Erhebung von Fleischhygienegebühren eine anderweitige und ausreichende Rechtsgrundlage schaffe, nur noch die Zahlung der EG-Pauschalgebühren fordern dürfe.
Mit Urteil vom 9. Juni 1997 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von weiteren 57 403,80 DM nicht zu. Zwar begründe § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 zunächst wirksam die Verpflichtung der Beklagten, Gebühren in Höhe der der Klägerin tatsächlich für die Fleischhygieneüberwachung entstehenden Kosten an diese abzuführen. Die Beklagte habe jedoch gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 LVwG eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse verlangen können. Die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebend gewesen seien, hätten sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass ihr das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten sei. Wie die Anpassung des Vertrages im Einzelnen auszugestalten sei, bedürfe keiner Entscheidung. Jedenfalls habe die Klägerin von der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr als die EG-Pauschalgebühren verlangen können.
Mit ihrer Berufung machte die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 127 Abs. 1 Satz 1 LVwG hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Zumindest seien diese Voraussetzungen aber dadurch wieder entfallen, dass das Landesrecht ihr inzwischen rückwirkend die Möglichkeit der Erhebung kostendeckender und über die EG-Pauschale hinausgehender Fleischbeschaugebühren eingeräumt habe. Führe man eine vergleichende Berechnung nach ihrem Gebührenverzeichnis vom 23. November 1998 durch, so ergäben sich für Dezember 1995 noch ausstehende Fleischhygieneüberwachungskosten von insgesamt 57 488,70 DM, wobei allerdings wegen des bei rückwirkender Geltung eingreifenden sog. „Schlechterstellungsverbotes” der Differenzbetrag in Höhe von 84,90 DM entfalle.
Die Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil verteidigt. Ergänzend hat sie vorgetragen, durch das rückwirkende In-Kraft-Treten des Ausführungsgesetzes zu § 24 FeHG sei die ursprüngliche Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 25. Juni 1981 nicht wiederhergestellt worden. Anders als die Bundesrepublik Deutschland insgesamt sei der einzelne Landesgesetzgeber nicht berechtigt, flächendeckend von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen, sondern könne diese nur für einen bestimmten Betrieb anheben. Auch könne die rückwirkende Inkraftsetzung des Ausführungsgesetzes den Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht nicht heilen. Denn sowohl die Entscheidung 88/408/EWG als auch die Richtlinie 93/118/EG seien zwischenzeitlich außer Kraft getreten. Außerdem habe sie, die Beklagte, durch die nicht fristgerechte Umsetzung der EG-Rechtsakte und die daraus folgende unmittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts eine Gemeinschaftsrechtsposition erlangt, die ihr durch nationales Recht nicht rückwirkend entzogen werden könne. Diese Rechtsposition unterfalle zudem dem Schutz des Art. 14 GG.
Durch Urteil vom 22. September 1999 hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 57 403,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Dezember 1996 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981. Bei dem Vertrag handele es sich um einen wirksam abgeschlossenen Austauschvertrag i.S. von § 123 Abs. 1 LVwG. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei auch im Hinblick auf § 127 Abs. 1 LVwG keine wesentliche Änderung eingetreten. Es fehle zumindest an einer wirksamen Anpassung des Vertrages an geänderte Verhältnisse. Neben dem Vorliegen einer materiellen Anpassungslage setze eine derartige Anpassung nämlich auch eine verfahrensrechtliche Komponente voraus. Entgegen den im bürgerlichen Recht geltenden Grundsätzen finde, wie auch der erkennende Senat mit Urteil vom 26. Januar 1995 (BVerwG 3 C 21.93 – BVerwGE 97, 331) entschieden habe, beim öffentlich-rechtlichen Vertrag keine automatische Anpassung an die geänderten Verhältnisse statt. Zwar habe die Beklagte, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, spätestens mit ihrem Schreiben vom 22. November 1995 ein entsprechendes ernsthaftes Anpassungsverlangen zum Ausdruck gebracht. Dieses habe aber nicht zu einer einvernehmlichen Neuregelung des Vertragsinhalts geführt. Die Beklagte habe auch eine gerichtliche Durchsetzung ihres Anpassungsverlangens im Wege der Leistungsklage, wie sie bei Weigerung des Vertragspartners notwendig sei, nicht herbeigeführt. Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht sei lediglich das Leistungsbegehren der Klägerin gewesen. Die Beklagte habe ein Anpassungsverlangen auch nicht ihrerseits in den Rechtsstreit eingeführt. Ihr schriftsätzliches Vorbringen mache zwar erneut ihre Ansicht deutlich, einen dahin gehenden Anspruch zu haben; dies sei aber nicht mit einem entsprechenden Antrag gleichzusetzen. Die Zinsentscheidung ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 291 BGB. Verzugszinsen kämen im Verwaltungsprozess nicht in Betracht.
Mit ihrer vom erkennenden Gericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie rügt eine Verletzung von § 127 LwVG. Die Annahme des Berufungsgerichts, sie habe ihr Verlangen auf Vertragsanpassung nicht zum Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht, sei unrichtig. Sie habe ihr Anpassungsbegehren nach § 127 LVwG im Wege der Einrede in den Rechtsstreit eingeführt, was entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch rechtlich möglich sei. Davon sei auch der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem zu der gleich lautenden Vorschrift des § 60 VwVfG ergangenen Urteil vom 24. September 1997 (BVerwG 11 C 10.96 – Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1) ausgegangen. Der Weg der Widerklage stehe ihr dagegen nicht zur Verfügung, da mit einer Entscheidung über die Klage bereits abschließend über die Höhe des klägerischen Anspruchs entschieden sei.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Klage auf Zahlung der noch offen stehenden Fleischbeschaukosten für Dezember 1995 stattgegeben. Zwar verletzt das Berufungsurteil den wörtlich mit § 60 Abs. 1 VwVfG übereinstimmenden und daher nach § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen § 127 Abs. 1 LVwG mit der Annahme, die Beklagte könne sich mangels ordnungsgemäßer Geltendmachung des Anpassungsanspruchs nicht auf eine wesentliche Änderung der Vertragsgrundlagen berufen. Das Urteil erweist sich aber gleichwohl als richtig, weil eine solche zur Vertragsanpassung berechtigende Änderung nicht vorliegt (§ 144 Abs. 4 VwGO).
1. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981, der die Beklagte verpflichtet, die von ihr gemäß § 14 Abs. 1 des Vertrages zu erhebenden Benutzungsgebühren in Höhe der Fleischbeschaukosten, die der Klägerin erwachsen, an diese abzuführen.
Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass der Vertrag als öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S. von § 121 LVwG (§ 54 VwVfG) einzustufen ist, weil die mit ihm der Beklagten auferlegten Pflichten, insbesondere die, einen öffentlichen Schlachthof zu betreiben und Gebühren einzuziehen, öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Dass Vorschriften des Bundesrechts der Vertragsform entgegenstünden, ist nicht zu erkennen. Hinsichtlich des landesrechtlichen Kommunalabgabengesetzes hat das Berufungsgericht die Vereinbarkeit ausdrücklich festgestellt. Eingehalten ist ebenfalls das Schriftformerfordernis des § 124 LVwG (§ 57 VwVfG); selbst eine wegen der Grundstücksübertragung nach § 129 Satz 2 LVwG (§ 62 Satz 2 VwVfG) i.V.m. § 133 BGB als notwendig anzusehende notarielle Beurkundung des Vertrages liegt vor. Schließlich gibt es auch für das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen i.S. von § 126 Abs. 1 und 2 LVwG (§ 59 Abs. 1 und 2 VwVfG) keinen Anhalt. Insbesondere hat sich die Klägerin in dem als Austauschvertrag i.S. des § 123 LVwG (§ 56 VwVfG) zu bewertenden Vertrag keine nach dieser Vorschrift unzulässige Gegenleistung versprechen lassen (§ 126 Abs. 2 Nr. 4 LVwG bzw. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Gründe für eine Unangemessenheit der Abführungspflicht der Beklagten sind, davon geht auch das Berufungsgericht aus, nicht ersichtlich; die Vereinbarung war vielmehr logische Folge der zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelungen, nach denen die in einer Einheitsgebühr zusammengefassten Gebühren für die Benutzung des Schlachthofes und für die Untersuchung des Schlachtviehs und des frischen Fleisches vollständig der Beklagten zuflossen.
Nicht zweifelhaft ist auch, dass § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung für die von ihr im Dezember 1995 auf dem Schlachthof durchgeführten Fleischhygieneuntersuchungen erfasst. Zwar wird der Klägerin nach dem Wortlaut der Regelung nur ein Anspruch auf Erhalt der von der Beklagten eingenommenen Benutzungsgebühren in Höhe der Fleischbeschaukosten zuerkannt. Jedenfalls seit Beginn der 90er-Jahre ist § 14 Abs. 2 des Vertrages jedoch, wovon auch die Vorinstanzen stillschweigend ausgegangen sind, als Kostenerstattungsvorschrift zu verstehen, die der Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der durch die Fleischhygieneüberwachung auf dem Schlachthof entstandenen Kosten einräumt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Vorranges des übereinstimmenden Parteiwillens, nach dem ein übereinstimmender Wille der Parteien auch dann rechtlich allein maßgebend ist, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. Palandt, BGB, Komm., 60. Aufl., München 2001, Rn. 8 zu § 133, Rn. 1 zu § 157). Auch die Vertragsparteien zweifeln nämlich nicht an, dass der Wortlaut von § 14 Abs. 2 des Vertrages bereits seit langem sowohl durch die tatsächliche Entwicklung, nach der auf dem Schlachthof fast ausschließlich nur noch Eigenschlachtungen der Beklagten durchgeführt werden, als auch durch die rechtliche Entwicklung insoweit überholt ist. Die einvernehmliche Entscheidung von Klägerin und Beklagter im Januar 1991, trotz der Rechtsänderungen an dem vertraglich vereinbarten Abrechnungsverfahren festzuhalten, ist demgemäß, wie die Klägerin in ihrem spätere Jahre betreffenden Leistungsbescheid vom 20. Januar 1999 bestätigt hat, dahin zu verstehen, dass § 14 Abs. 2 des Vertrages von diesem Zeitpunkt an als reine Kostenerstattungsvorschrift angewendet werden sollte. An der Wirksamkeit der so ausgelegten vertraglichen Regelung hatte sich auch bis Dezember 1995 nichts geändert. Die Vereinbarungen der Parteien aus den Jahren 1993 und 1994, nach denen sich insbesondere die Kostenerstattung bei Bandschlachtungen von Schweinen nicht mehr an den tatsächlich entstandenen Fleischhygieneüberwachungskosten, sondern an zuvor festgelegten Kostenstaffelungen bzw. Tagespauschalen ausrichtete, waren nach dem Vortrag der Klägerin, der durch die in den Behördenakten befindlichen Unterlagen bestätigt und von der Beklagten auch nicht bestritten wird, jeweils „unbeschadet der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981” getroffen worden.
Die Höhe des von der Klägerin für Dezember 1995 geltend gemachten Erstattungsanspruches hat die Beklagte nur insoweit angegriffen, als sie einwendete, der Berechnung seien die EG-Pauschalgebühren zugrunde zu legen. Sie hat demgemäß insbesondere weder behauptet, dass sie die Berechnung nach einer Festkostenpauschale von 8 500 DM pro Schlachttag finanziell mehr belaste als eine Berechnung nach den tatsächlich entstandenen Überwachungskosten, noch einen Rechenfehler geltend gemacht. Dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.
2. Voraussetzung für einen Erfolg der Revision wäre hiernach, dass die Beklagte mit ihrer Auffassung durchdringen könnte, § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 sei nach § 127 Abs. 1 LVwG rückwirkend in der Weise anzupassen, dass die Klägerin ab Dezember 1995 nur noch die Zahlung der EG-Pauschalgebühren fordern dürfe. Das Berufungsgericht hat diesem Begehren ohne inhaltliche Prüfung aus verfahrensrechtlichen Gründen die Berücksichtigung versagt. Dem ist nicht zu folgen. Zwar hätte die Beklagte das Anpassungsverfahren vermittels einer Widerklage geltend machen dürfen (nachfolgend 2.1), sie war jedoch nicht auf dieses Mittel beschränkt (nachfolgend 2.2).
2.1 Die Beklagte hat den ersten Schritt zu einer Vertragsanpassung ab dem 1. Dezember 1995 dadurch getan, dass sie ein entsprechendes Verlangen in ihrem Schreiben vom 22. November 1995, das noch vor Ablauf des 30. November 1995 bei der Klägerin einging, zum Ausdruck gebracht hat. In seinem bereits vom Berufungsgericht angeführten Urteil vom 26. Januar 1995 (a.a.O.) hat der erkennende Senat insoweit entschieden, dass die Anpassung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages an wesentlich geänderte Verhältnisse nach § 60 VwVfG frühestens auf den Zeitpunkt verlangt werden kann, zu dem das ernsthafte schriftliche Anpassungsverlangen dem Gegner zugeht. Die Beklagte hat jedoch, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 8. Dezember 1995 deutlich gemacht hatte, dass sie nicht bereit sei, dem Begehren nachzukommen, nicht von sich aus Vertragsanpassungsklage erhoben. Durch das genannte Urteil des erkennenden Senats ist insoweit auch geklärt, dass der Anspruch auf Anpassung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages an wesentlich veränderte Verhältnisse nach § 60 VwVfG bei Weigerung des Gegners durch eine auf die Anpassung gerichtete Klage geltend zu machen ist, sich also anders als im Zivilrecht der ursprüngliche Vertragsinhalt bei Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen nicht automatisch ändert.
Allerdings geht auch das Berufungsgericht nach seinen tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil davon aus, dass die Beklagte bereits in ihrer Klageerwiderung im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, die für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verhältnisse hätten sich wesentlich verändert und sie könne deshalb eine Vertragsanpassung nach § 127 LVwG verlangen. Die Ausführungen der drei Berufsrichter in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 9. März 2000, in der mündlichen Verhandlung sei vom Vorsitzenden die Frage angesprochen worden, dass ein Anpassungsverlangen (bislang) nicht ausgesprochen worden sei und dass – auch, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diese Rechtsfrage aufgegriffen habe – ein Anpassungsverlangen gegenüber der Klägerin nicht erhoben worden sei, sind demnach nicht dahin zu verstehen, dass nach Auffassung des Gerichts die Beklagte ein solches Begehren im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht geäußert habe, sondern dahin, dass sie es nicht in der verfahrensrechtlich richtigen Weise eingeführt habe.
Folglich hätte der Beklagten die Möglichkeit offen gestanden, Widerklage zur Geltendmachung des Anpassungsbegehrens zu erheben. Die von ihr im Revisionsverfahren dagegen vorgebrachten Bedenken sind nicht berechtigt. Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Ein solcher Zusammenhang ist bei einem Anspruch auf Anpassung derjenigen vertraglichen Regelung, aus der der Klagende seinen Anspruch auf Zahlung herleitet, offensichtlich gegeben. Die Ausnahmevorschrift des § 89 Abs. 1 Satz 2 VwGO greift vorliegend nicht ein. § 89 Abs. 2 VwGO, nach dem die Widerklage bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ausgeschlossen ist, kommt bei der hier gegebenen allgemeinen Leistungsklage ebenfalls nicht zum Tragen.
2.2 Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber aus dem Urteil des Senats vom 26. Januar 1995 die Folgerung gezogen, dass der Anpassungsanspruch nach § 127 LVwG nur auf einem solchen förmlichen Weg hätte geltend gemacht werden können. Es hat übersehen, dass der Anspruch einem auf den Vertrag gestützten Klagebegehren auch als rechtsvernichtende Einrede entgegengesetzt werden kann (vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 60 Rn. 24). In den Urteilsgründen hat sich das Berufungsgericht weder mit dem Urteil des 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1997 (a.a.O.) auseinander gesetzt, nachdem die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundesbahn wegen der Neuregelung der Erhaltungslast in § 19 EKrG n.F. gegenüber einem Erfüllungsanspruch der Gemeinde einredeweise eine Änderung der Geschäftsgrundlage geltend machen und eine Anpassung der Vereinbarung nach § 60 VwVfG verlangen konnte, noch sonst Argumente dargelegt, die gegen diese Möglichkeit sprächen. Das stattdessen in Bezug genommene Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 1995 behandelt gerade diese Rechtsfrage nicht, da in dem damals entschiedenen Fall das Anpassungsverlangen nicht als Gegenrecht zu einem Zahlungsanspruch, sondern als Hilfsantrag zu einem solchen Anspruch geltend gemacht wurde.
Die Erwägungen, die den erkennenden Senat veranlasst haben, die im bürgerlichen Recht geltenden Rechtsgrundsätze, nach denen sich bei Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen der Vertragsinhalt automatisch ändert, im Verwaltungsverfahren nicht für anwendbar zu halten, sprechen nicht entscheidend gegen sondern im Gegenteil für die Möglichkeit, einem aus Vertrag erhobenen Zahlungsanspruch ein Anpassungsverlangen als Einrede entgegenzuhalten.
Zwar mag einerseits der Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit es gerade bei Schuldverhältnissen, die wie vorliegend eine wiederkehrende Leistung zum Gegenstand haben, wünschenswert erscheinen lassen, durch eine eindeutig darauf gerichtete Entscheidung den neuen Vertragsinhalt verbindlich für die Zukunft festzulegen. Unverzichtbar ist dies aber nicht. Würde etwa die hier zu beurteilende Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stünden nur die EG-Pauschalgebühren zu, so wäre auch damit die notwendige Rechtssicherheit gewonnen.
Andererseits verlangt gerade der vom Senat ebenfalls angesprochene Gesichtspunkt der Prozessökonomie die Berücksichtigung des einredeweise geltend gemachten Anpassungsanspruchs. Man würde sonst dem Berechtigten ansinnen, einen neuen Prozess zur – rückwirkenden – Durchsetzung dieses Anspruchs anzustrengen und dann gegen das auf den alten Vertragsinhalt gestützte Urteil mit einer Abänderungsklage vorzugehen. Dazu besteht schon deshalb kein Anlass, weil ein Vertragspartner, der einem berechtigten Anpassungsverlangen keine Folge leistet, nicht schutzwürdig ist, wenn er sich auf das Fehlen einer gegen ihn gerichteten Anpassungsklage beruft.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Zahlungsklage der Klägerin fast vollständig stattzugeben, stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar, weil die Beklagte mit ihrem Anpassungsbegehren materiellrechtlich nicht durchdringen kann.
Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 LVwG kann eine Vertragspartei dann, wenn die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Das Anpassungsbegehren der Beklagten wäre demgemäß materiellrechtlich berechtigt, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertrages vom 25. Juni 1981 maßgebend gewesen sind, nach Vertragsabschluss so wesentlich geändert hätten, dass der Beklagten das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Dies ist nicht der Fall, weil zwar womöglich als Folge veränderten, im Grundsatz Pauschalgebühren fordernden Gemeinschaftsrechts zwischenzeitlich die Beklagte nicht mehr am vereinbarten Grundsatz der strikten sowie umfassenden Kostendeckung bei der Gebührenbemessung hätte festgehalten werden dürfen, da auch entsprechende gültige landesrechtliche Gebührenvorschriften nicht (mehr) zur Verfügung standen, inzwischen aber gemeinschaftsrechtlich unbedenkliche landesrechtliche Gebührenvorschriften erlassen worden sind, die – verfassungsrechtlich einwandfrei – auch rückwirkend auf Kostendeckung abzielen dürfen, sodass kein rechtfertigender Grund für die Beklagte auszumachen ist, sich für den hier in Rede stehenden abgeschlossenen Zeitraum vom vereinbarten Abstellen auf Kostendeckung lösen und auf Pauschalabrechnung bestehen zu dürfen. Dies folgt im Einzelnen aus den nachstehenden Erwägungen:
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass nach Abschluss des Vertrages vom 25. Juni 1981, der die Beklagte in § 14 Abs. 2 verpflichtet, der Klägerin die dieser für die von ihr auf dem Schlachthof durchgeführte Fleischhygieneüberwachung entstandenen tatsächlichen Kosten zu erstatten, für die Mitgliedstaaten zwingend umzusetzendes EG-Recht erlassen worden ist, das – im Grundsatz – für die Abgeltung der Schlachttier- und Fleischuntersuchungen genau bestimmte sog. EG-Pauschalgebühren festlegt. Zwar sind diese Gebühren, die dem Zweck dienen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, ebenfalls als kostendeckend angelegt. So heißt es in dem im hier maßgeblichen Zeitraum Dezember 1995 geltenden Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG, dass die Gebühren in der Weise festgelegt würden, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Gehältern einschließlich Sozialabgaben sowie Verwaltungskosten für die Durchführung der Kontrollen zu tragen habe. Davon unterscheidet sich die vertraglich festgelegte Kostenumfangsbestimmung, nach der zu den zu erstattenden Kosten – mit Ausnahme der Personal- und Sachkosten, die auf die Einfuhruntersuchungen entfallen – alle sächlichen und persönlichen Aufwendungen für die Tätigkeit des Personals des Ordnungsamtes, Sachgebiet Fleischbeschau Schlachthof, sowie Aufwendungen zu rechnen sind, die der Klägerin für deren Tätigkeit aufgrund von fleischbeschaurechtlichen und tierseuchenrechtlichen Vorschriften entstehen, allenfalls marginal. Jedoch reicht die im maßgeblichen Zeitraum für Schweine festgelegte EG-Pauschalgebühr von 1,3 ECU/Tier – diese ist für die Beklagte deswegen entscheidend, weil auf dem Schlachthof in sehr großem Umfang Bandschlachtungen von Schweinen durchgeführt werden – offensichtlich nicht aus, die der Klägerin tatsächlich für ihre Tätigkeit entstehenden Kosten zu decken. Denn anderenfalls ergäbe die von der Beklagten für den Monat Dezember 1995 durchgeführte Alternativberechnung der Festkostenpauschale auf der Basis von 1,3 ECU/2,60 DM pro untersuchtem Schwein nicht einen gegenüber der Berechnung der Klägerin um fast 60 000 DM geringeren Betrag.
Allerdings lässt es das EG-Recht zu, solche Abweichungen zwischen den den Pauschalgebühren zugrunde gelegten und den tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Im hier maßgeblichen Zeitraum konnten die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 b des Anhanges eine spezifische Gebühr erheben, die die tatsächlichen Kosten deckte.
Demgemäß ist der Beklagten das Festhalten an § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 25. Juni 1981 zuzumuten, weil der Klägerin eine diese gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Abweichungsbefugnis ausfüllende, rechtlich nicht zu beanstandende Regelung zur Verfügung steht, auf deren Grundlage sie von der Beklagten, wenn sie mit ihr nicht in einem Vertragsverhältnis stünde, für die von ihr auf dem Schlachthof durchgeführte Fleischhygieneüberwachung kostendeckende Gebühren erheben könnte. Insoweit kann sich die Beklagte nicht mehr – wie vor dem Verwaltungsgericht – darauf stützen, dass der erkennende Senat in seinem Urteil vom 29. August 1996 entschieden hatte, die Landesverordnung über Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Veterinärverwaltung i.d.F. vom 4. Dezember 1990 stelle für den von einem schleswig-holsteinischen Landkreis im Jahre 1991 erlassenen Gebührenbescheid keine hinreichende Rechtsgrundlage dar.
Dass es in Schleswig-Holstein mittlerweile eine die im EG-Recht vorgesehene Abweichungsbefugnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausfüllende Fleischhygienegebührenregelung gibt, steht auch für die Beklagte fest, nachdem das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2000, mit dem ihr Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit einzelner Gebührentarifstellen der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Veterinärverwaltung i.d.F. vom 29. Januar 1998/24. April 1998 abgelehnt worden ist, durch die Zurückweisung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 26. April 2001 – BVerwG 3 BN 1.01 – rechtskräftig geworden ist. In diesem Beschluss hat der Senat u.a. bereits zu der von der Beklagten auch im vorliegenden Verfahren wiederum angesprochenen Frage Stellung genommen, „ob die Bundesländer flächendeckend für ihr Hoheitsgebiet von den EG-Pauschalgebührensätzen abweichen können oder ob diese flächendeckende Abweichung nur dem Mitgliedstaat, also der Bundesrepublik Deutschland, vorbehalten sei”. Durch zwei Entscheidungen des 1. Senats (Urteil vom 27. April 2000 – 1 C 7.99 –, BVerwGE 111, 143 sowie Beschluss vom 18. Juli 2000 – 1 BN 1.00 –, Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 22) sei bereits höchstrichterlich geklärt, dass es dem einzelnen Bundesland (bei Einhaltung der entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben) gestattet sei, gemäß der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V.m. Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b flächendeckend und nicht nur für einzelne Betriebe von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen. Aus welchem Grund für die mit Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V.m. Anhang A Kapitel I Nr. 4 Buchst. b wortgleiche Abweichungsbefugnis nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 b des Anhanges etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat auch nicht den Vortrag der Klägerin aus dem Berufungsverfahren angegriffen, dass sie den von ihr mit der Zahlungsklage begehrten Geldbetrag auch dann verlangen könnte, wenn sie die im Dezember 1995 entstandenen Fleischhygieneüberwachungskosten nicht auf der Grundlage der vertraglichen Regelung, sondern auf der Grundlage ihres Gebührenverzeichnisses vom 23. November 1998 berechnete. Demgemäß beschränkt sich die in diesem Rechtsstreit noch zu klärende Frage darauf, ob das am 12. Januar 1998 vom Landtag des Landes Schleswig-Holstein beschlossene Ausführungsgesetz, auf dessen Grundlage die Klägerin ihr Gebührenverzeichnis vom 23. November 1998 erlassen hat, nach seinem § 5 Abs. 2 für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz rückwirkend in Kraft gesetzt werden durfte. Dagegen hat die Beklagte zunächst eingewandt, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausführungsgesetzes die Richtlinie 93/118/EG bereits außer Kraft getreten sei. Darüber hinaus habe sie durch die nicht fristgerechte Umsetzung der EG-Rechtsakte und die daraus folgende unmittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts eine Gemeinschaftsrechtsposition erlangt, die ihr durch nationales Recht nicht rückwirkend entzogen werden könne. Diese Rechtsposition unterfalle zudem dem Schutz des Art. 14 GG. Diese Argumente überzeugen jedoch nicht.
In seinem vorerwähnten Beschluss vom 26. April 2001 hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, dass sich der 1. Senat bereits in zwei weiteren Entscheidungen (Beschlüsse vom 27. April 2000 – 1 C 8.99 –, GewArch 2000, S. 384 und – 1 C 12.99 –, Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21) mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Regelungen auf dem Gebiet des Fleischhygienerechts befasst und Folgendes ausgeführt hat:
„Das Landesrecht hat sich unter den vorliegenden Umständen nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben (BVerfGE 13, 261, 271; 30, 367, 385; 94, 241, 258; 95, 64, 86; 97, 67, 78) Rückwirkung beimessen dürfen. Die zuständigen Normgeber waren befugt, die insbesondere wegen der Verflechtung des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht unklar gewordene Rechtslage einer Bereinigung zu unterziehen. Die betroffenen Betriebe mussten schon aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen und bundesrechtlichen Vorgaben gemäß § 24 FlHG mit der Erhebung von Gebühren für amtliche Fleischuntersuchungen rechnen. Dem Prinzip des Vertrauensschutzes ist durch Beibehaltung der früheren Gebührensätze Rechnung getragen worden; ein weitergehendes Vertrauen darauf, für in Anspruch genommene kostenpflichtige Amtshandlungen deswegen, weil die früheren Rechtsgrundlagen vorrangigem Recht nicht entsprochen haben mögen, keine Gebühren entrichten zu müssen, ist nicht schutzwürdig”.
Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Falle. Die fleischverarbeitenden Betriebe in Schleswig-Holstein mussten nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 29. August 1996 davon ausgehen, dass der Landesgesetz- oder Verordnungsgeber versuchen würde, seine Gebührenforderungen auf eine neue normative Grundlage zu stellen. Dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG bereits außer Kraft getreten war, ist unschädlich. Zu Recht hat die Klägerin im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass die betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte nicht ex tunc, sondern ex nunc außer Kraft traten und die Rückwirkungsregelung des § 5 Abs. 2 Ausführungsgesetz lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe. Inwiefern die Beklagte, die bis zur Änderung der mit der Klägerin geschlossenen vertraglichen Regelung an diese gebunden war, durch die nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie 93/118/EG eine „Gemeinschaftsrechtsposition” erlangt haben könnte, die zudem dem Schutz des Art. 14 GG unterfällt, ist nicht nachzuvollziehen.
4. Gegen die teilweise Versagung der begehrten (Verzugs-)Zinsen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. März 1989 – 7 C 42.87 – BVerwGE 81, 312) hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt; auch insoweit hat das angefochtene Urteil daher Bestand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
BuW 2002, 478 |
NVwZ 2002, 486 |
DVBl. 2002, 843 |