Entscheidungsstichwort (Thema)
Fernmeldebeamter der ehemaligen Deutschen Bundespost. außerdienstliche Trunkenheitsfahrt im Vollrausch. als Dienstvergehen trotz Beschäftigung bei der Deutschen Telekom AG weiter verfolgbar. einschlägige Vorbelastung. Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums. keine Einstellung des Verfahrens (individuelles Erziehungsbedürfnis). Gehaltskürzung im unteren Bereich
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsprechungsgrundsätze zur disziplinaren Ahndung von außerdienstlichen alkoholbedingten Verkehrsdelikten gelten auch für Beamte, die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt sind.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 87f, 143b; PostUmwG § 1 Abs. 1-2, § 2 Abs. 1; BAPostG § 15; PostPersRG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; BBG § 54 S. 3, § 77 Abs. 1 S. 2; BDO § 3 S. 1, § 14
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 18.07.1995; Aktenzeichen III VL 5/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Technischen Fernmeldeobersekretärs … gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer III – … –, vom 18. Juli 1995 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, daß er
trotz einschlägiger Vorstrafe am 5. Februar … zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor 1.45 Uhr eine nicht feststellbare Menge alkoholischer Getränke konsumiert hat und sich dadurch in einen Rausch versetzt hat und in diesem alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand um 1.45 Uhr mit dem Pkw Mazda, amtliches Kennzeichen …, auf der … Straße in … gefahren ist.
Aufgrund dieses Sachverhalts ist der Beamte durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … vom 21. April wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 70 DM verurteilt worden. Sein Führerschein ist eingezogen und seine Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von 10 Monaten entzogen worden.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 18. Juli 1995 die jeweiligen Dienstbezüge des Beamten auf die Dauer von fünf Monaten um ein Zwanzigstel gekürzt. Es hat ein schuldhaft begangenes außerdienstliches Dienstvergehen angenommen und dargelegt, daß dessen disziplinarer Verfolgung und Ahndung die nunmehrige Beschäftigung des Beamten bei der Deutschen Telekom AG nicht entgegenstehe.
3. Mit seiner rechtzeitig eingelegten Berufung beantragt der Beamte, ihn unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils freizusprechen, hilfsweise das Verfahren einzustellen. Zur Begründung macht er im wesentlichen geltend, das Disziplinarrecht diene der Sicherung des öffentlichen Dienstes und damit der Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Staat und den Beamten. Durch die Privatisierung der Dienstleistungen im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundespost entfalle für ihn im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der Deutschen Telekom AG die Basis für diese besondere Rechtsbeziehung. Aber selbst wenn das Disziplinarrecht weiter anwendbar bleibe, scheide eine Ahndung außerdienstlichen Fehlverhaltens eines im privatisierten Bereich tätigen Beamten schon deshalb aus, weil jeder auch mittelbare Bezug zum öffentlichen Dienst fehle, eine Gleichbehandlung mit den Beamten im Hoheitsbereich verfehlt und damit eine Ansehensschädigung des Beamtentums ausgeschlossen sei. Sofern man sich dieser Rechtsauffassung nicht anschließe, sei das Fehlverhalten lediglich mit einer Geldbuße zu ahnden, so daß die Sperrwirkung des § 14 BDO eintrete. Das Verfahren sei dann einzustellen. Im übrigen hätte das Verfahren schon vor Zusendung der Anschuldigungsschrift an das Bundesdisziplinargericht eingestellt werden müssen, denn die Bundesregierung habe im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erklärt, die Besonderheiten, die sich aus der Beschäftigung bei einer Aktiengesellschaft ergäben, seien im Rahmen des Opportunitätsprinzips zu berücksichtigen. Dies sei hier versäumt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt, denn der Beamte begehrt in erster Linie Freispruch, weil er meint, aus rechtlichen Gründen kein Dienstvergehen begangen zu haben.
Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Ebenso wie das Bundesdisziplinargericht ist der Senat gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO an die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts … vom 21. April … zum äußeren und inneren Tatbestand des Gefährdungsdelikts sowie zur Rauschtat als objektiver Strafbarkeitsbedingung gebunden. Anhaltspunkte für einen Lösungsbeschluß werden vom Beamten, der die Richtigkeit des festgestellten Sachverhalts nicht bestreitet, nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Danach steht fest, daß der Beamte in dem dienstfreien Zeitraum der Nacht vom 4. zum 5. Februar bis 1.45 Uhr eine nicht mehr feststellbare Menge alkoholischer Getränke konsumiert und billigend in Kauf genommen hat, daß er sich damit in einen Vollrausch versetzte. Mit einer festgestellten Blutalkoholkonzentration im Mittelwert von 2,43 Promille beging er anschließend um 1.45 Uhr eine Trunkenheitsfahrt und ist daraufhin wegen vorsätzlichen Vollrausches (§ 323 a Abs. 1, § 316 Abs. 1 StGB) verurteilt worden.
2. Das festgestellte Verhalten des Beamten ist als vorsätzlicher Verstoß gegen seine Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 54 Satz 3 BBG) zu bewerten und stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 13. Januar 1982 – BVerwG 1 D 38.81 – ≪BVerwG DokBer B 1982, 105≫; Urteil vom 22. September 1982 – BVerwG 1 D 83.81 –; Beschluß vom 4. Januar 1996 – BVerwG 1 DB 16.95 – ≪BVerwG DokBer B 1996, 123≫ m.w.N.) ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG dar. Da ein im schuldhaft verursachten Vollrausch objektiv tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangenes Verkehrsdelikt nicht weniger geeignet ist, eine Schädigung des Ansehens als Beamter herbeizuführen als ein schuldhaft begangenes Trunkenheitsdelikt im Straßenverkehr, kann die disziplinargerichtliche Rechtsprechung zu schuldhaften Alkoholverfehlungen von Kraftfahrern im Straßenverkehr auch für den vorliegenden Fall zugrunde gelegt werden (Beschluß vom 4. Januar 1996, a.a.O.). Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, entspricht es heutiger allgemeiner Auffassung, daß wegen der Gefahren, die von betrunkenen Kraftfahrern für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer und für oft bedeutende Sachwerte ausgehen, Trunkenheit am Steuer kein Bagatelldelikt ist. Trunkenheit im Straßenverkehr ist vielmehr als Ausdruck verantwortungsloser, sozialschädlicher Einstellung eine Straftat von kriminellem Gehalt, die bei einem Beamten als Täter zwangsläufig einen Achtungsverlust herbeiführt, der jedenfalls in der Regel geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Beamten selbst und das des Berufsbeamtentums in besonderem Maße zu beeinträchtigen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 22. September 1982, a.a.O. und Urteil vom 24. August 1993 – BVerwG 1 D 79.92 –).
3. a) Entgegen der Auffassung des Beamten hat sich an dieser rechtlichen Bewertung der festgestellten Pflichtverletzung als außerdienstliches Dienstvergehen nichts dadurch geändert, daß er als Fernmeldebeamter des Unternehmens „Deutsche Bundespost TELEKOM” nach der Umwandlung der Deutschen Bundespost und der Gründung der Deutschen Telekom AG (vgl. Art. 87 f i.V.m. Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 und Abs. 2, § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft ≪Postumwandlungsgesetz – PostUmwG≫ vom 14. September 1994 ≪BGBl I S. 2339≫) mit der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister beim Amtsgericht Bonn am 2. Januar 1995 (vgl. Zentralhandelsregister – Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 24 vom 3. Februar 1995 S. 955) gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG) vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2353) nunmehr bei dieser Aktiengesellschaft beschäftigt ist. Der Status des Beamten ist unverändert geblieben; die beamtenrechtlichen Bestimmungen finden auf ihn weiter Anwendung. Das ergibt sich aus den Vorschriften zur Überleitung der Beamten im Rahmen der gesetzlichen Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation:
Ausgehend von Art. 143 b Abs. 3 GG, wonach die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten unter Wahrung ihrer Rechtsstellung, d.h. ihrer Rechte und Pflichten, und der Verantwortung des Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt werden und die Unternehmen Dienstherrenbefugnisse ausüben, normiert § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG die „Beleihung” der Aktiengesellschaft – hier der Deutschen Telekom AG – mit der Wahrnehmung der Befugnisse des Dienstherrn Bund gegenüber allen bei ihr beschäftigten Beamten (zum sog. Beleihungsmodell vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Änderung des Grundgesetzes, BTDrucks 12/6717 S. 4 f. – zu Art. 143 b Abs. 2; Benz, DÖV 1995, 679 ff.; Weiß, Die Personalvertretung 1995, 241 ≪262 ff.≫). Damit ist klargestellt, daß der Bund Dienstherr bleibt und mit der Weiterbeschäftigung der Beamten bei der Aktiengesellschaft kein Dienstherrnwechsel verbunden ist (vgl. BTDrucks 12/6718 S. 91 – zu § 1 Abs. 1 PostPersRG). Die (Loyalitäts-)Bindung der Beamten an ihren Dienstherrn besteht fort. Der Status der Beamten ist ebenfalls unverändert geblieben (vgl. BTDrucks 12/6718 S. 91 – zu § 2 Abs. 3 PostPersRG). Sie stehen weiter als unmittelbare Bundesbeamte „im Dienste des Bundes” (§ 2 Abs. 3 Satz 1 PostPersRG). Ihre berufliche Tätigkeit „gilt als Dienst” (§ 4 Abs. 1 PostPersRG). Mit dieser durch Art. 143 b Abs. 3 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Fiktionsregelung hat der Gesetzgeber an den Fortbestand des beamtenrechtlichen Status angeknüpft und klargestellt, daß hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit der Beamten bei der Aktiengesellschaft – unabhängig vom tatsächlichen Aufgabenkreis im Einzelfall – die Regeln über den beamtenrechtlichen Dienst Anwendung finden. Die Verwendung des Dienst-Begriffs eröffnet zugleich die begriffliche Unterscheidung zwischen Dienst und Nicht-Dienst, also dem inner- und außerdienstlichen Rechtsbereich der Beamten. In Ergänzung dessen wird folgerichtig in § 2 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG angeordnet, daß auf die bei der Aktiengesellschaft beschäftigten Beamten die für Bundesbeamte allgemein geltenden Vorschriften (z.B. Bundesbeamtengesetz, vgl. § 1 BBG) Anwendung finden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Schließlich steht auch § 5 Abs. 1 PostPersRG einer Qualifizierung der Pflichtverletzung des Beamten als Dienstvergehen nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift darf kein Beamter wegen seiner Rechtsstellung oder wegen der sich aus seinem Beamtenverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten in seiner beruflichen Tätigkeit oder seinem beruflichen Fortkommen benachteiligt werden. Die Bestimmung, die sich – wie der gesetzlichen Überschrift zu entnehmen ist – auf das „Berufliche Fortkommen” der Beamten bezieht, will ihre „beruflichen Exspektanzen” wahren und „gegen die Diskriminierung” schützen (vgl. BTDrucks 12/6718 S. 94 – zu § 5 Abs. 1 PostPersRG). Für pflichtwidriges Verhalten eines Beamten und seine möglichen Folgen trifft die Vorschrift keine Aussage.
b) Die disziplinarrechtliche Wertung als Dienstvergehen und dessen Verfolgbarkeit (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BDO) ist durch die Überleitung des Beamten in den Geschäftsbereich der Deutschen Telekom AG auch nicht durch andere Regelungen entfallen. Insbesondere hat der Bundesgesetzgeber bei dem von der Privatisierung der Deutschen Bundespost betroffenen Kreis von Beamten keinen Verzicht auf die Verfolgung begangener Dienstvergehen ausgesprochen, was im Gegensatz zum Verbot rückwirkender Maßnahmebegründung oder -verschärfung (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG) verfassungsrechtlich zulässig und nach dem Prinzip des Vorrangs der mildesten Regelung (vgl. dazu § 2 Abs. 3 StGB) zu beachten wäre. Der Gesetzgeber ist für diesen Personenkreis gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG vielmehr von der Fortgeltung des materiellen Disziplinarrechts zum Zweck der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes und der Wahrung der Integrität des Berufsbeamtentums ausgegangen mit der Folge, daß der beamtenrechtliche Pflichtenkatalog weiter anzuwenden ist (so bereits Senatsurteil vom 24. Januar 1996 – BVerwG 1 D 38.95 – für den Bereich der Deutschen Post AG). Entsprechendes gilt für das formelle Beamtendisziplinarrecht. Das Postpersonalrechtsgesetz enthält deshalb auch Vorschriften über die Einleitungsbehörde gemäß § 35 BDO, über die Dienstvorgesetzten und deren disziplinarrechtliche Befugnisse sowie über das entsprechende Prüfungsrecht der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (vgl. § 1 Abs. 1 bis Abs. 6 PostPersRG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 8, § 15 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost ≪Bundesanstalt Post-Gesetz – BAPostG≫ vom 14. September 1994 ≪BGBl I S. 2325≫).
Entgegen der Auffassung des Beamten steht auch die Äußerung der Bundesregierung zur generellen Handhabung des Disziplinarrechts gegenüber den bei den Aktiengesellschaften beschäftigten Beamten der Fortführung des Disziplinarverfahrens nicht entgegen. Soweit die Bundesregierung gegenüber dem Bundestag erklärt hat, bei der Anwendung des Disziplinarrechts seien die Besonderheiten, die sich aus der Tätigkeit bei einer Aktiengesellschaft ergäben, im Rahmen des Opportunitätsprinzips zu berücksichtigen (BTDrucks 12/8060 S. 184 – zu § 12 a), ist damit lediglich auf den unverändert geltenden Opportunitätsgrundsatz des § 3 BDO verwiesen. Dem entspricht es, daß Besonderheiten der dienstlichen Tätigkeit jeweils im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Ein generelles Absehen von Disziplinarmaßnahmen in bestimmten Bereichen ist damit nicht gemeint. Es könnte durch eine derartige Erklärung auch nicht vorgeschrieben werden (vgl. dazu Weiß, ZBR 1996, 225 ≪230≫).
c) An der Wertung als Dienstvergehen ändert auch der Umstand nichts, daß der Beamte inzwischen bei einer Einrichtung Dienst verrichtet, die privatrechtlich ausgestaltet ist. Die von ihm verursachte erhebliche Ansehensschädigung kann nicht „privatisierungsbedingt” ihre disziplinare Bedeutung verlieren.
Der Senat hat die Voraussetzungen des außerdienstlichen Disziplinarvergehens nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG stets unabhängig davon gesehen, ob durch die Pflichtverletzung der tatsächliche Wirkungsbereich des Beamten, sein konkretes Amt im funktionellen Sinn, tangiert wird oder nicht. Auf den möglichen Ansehensschaden, den die Beschäftigungseinrichtung des Beamten – hier die Deutsche Telekom AG – durch das außerdienstliche Fehlverhalten erlitten hat, kommt es nach der gesetzlichen Regelung ebenfalls nicht an. Maßgebend abzustellen ist auf die mögliche Beeinträchtigung des Ansehens des Beamtentums. Eine solche Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums liegt hier – wie dargelegt – vor und ist nicht infolge der privatisierungsbedingten Änderung der Beschäftigung des Beamten entfallen. Denn durch die gesetzlichen Maßnahmen zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation sind weder der Rechtsstatus des Beamten noch das Institut des Berufsbeamtentums verändert worden. Letzteres hat als neutrale Kraft im demokratischen Rechtsstaat nach wie vor eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Da im Hinblick auf die vom öffentlichen Dienst zu gewährleistende Staats- und Rechtsordnung vor allem die Gesetzestreue ein wesentliches Funktionsmerkmal des Berufsbeamtentums darstellt, schädigt der Verstoß eines Beamten gegen Rechtsnormen, die wichtige Gemeinschaftsinteressen schützen – unabhängig von der Organisationsform seiner Beschäftigungsstelle und der rechtlichen Qualifizierung seiner konkreten Tätigkeit –, das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Dienstausübung der Berufsbeamten.
d) Die Fortgeltung des Disziplinarrechts für Beamte, die nunmehr bei einer Aktiengesellschaft tätig sind, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Zwar werden die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamten und Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Dienstpflichtverletzungen bzw. hinsichtlich der Verletzung ihrer dienst- oder arbeitsvertraglichen Pflichten insoweit anders behandelt, als nur die Beamten den gesetzlichen Regeln des Disziplinarrechts unterliegen. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Behandlung beider Gruppen von Normadressaten ist sachlich gerechtfertigt (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerfGE 55, 72 ≪88 f.≫; 88, 5 ≪12≫) durch ihren unterschiedlichen Status. Bereits vor der gesetzlichen Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation war es für die Institution des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG kennzeichnend, daß Beamte hinsichtlich der Rechtsfolgen von Dienstpflichtverletzungen anders behandelt wurden als sonstige Arbeitnehmer innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes. Diese gewollte Ungleichbehandlung war statusbedingt. Der tatsächliche Aufgabenkreis der Beamten, ihr konkretes Amt im funktionellen Sinn, war dabei für die Frage der Geltung des Disziplinarrechts ohne Bedeutung. An dieser Rechtslage hat sich durch die Privatisierungsmaßnahme und die Überleitung der Beamten in den Geschäftsbereich der Aktiengesellschaften nichts geändert. Die Fortgeltung des Disziplinarrechts für diesen Personenkreis beruht auf dem unverändert fortbestehenden Beamtenstatus und damit der fortbestehenden Gleichstellung mit den Bundesbeamten außerhalb des Privatisierungsbereichs (vgl. auch Weiß, ZBR 1996, 225 ≪229, 233≫). Zwar war im Gesetzgebungsverfahren u.a. beantragt worden, § 1 Abs. 3 PostPersRG durch folgenden Satz 2 zu ergänzen: „Die Bundesdisziplinarordnung wird mit der einschränkenden Maßnahme angewendet, daß eine Gleichstellung und Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern gewährleistet ist.” Dieser Änderungsvorschlag erhielt jedoch keine Mehrheit (vgl. Kurzprotokoll der 67. Sitzung des Ausschusses für Post und Telekommunikation ≪18. Ausschuß≫ vom 6. Juni 1994 S. 22, 26; vgl. dazu insgesamt auch Weiß, Die Personalvertretung 1995, 241 ≪266 f.≫ und ZBR 1996, 225 ≪230≫).
4. Das Dienstvergehen des Beamten (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) hat nicht unerhebliches Gewicht. Es wird vom Grad und Ausmaß der Schuld am Herbeiführen des Rauschzustandes geprägt, richtet sich darüber hinaus aber auch nach Art, Schwere und Folgen der im Vollrausch begangenen Tat (Urteil vom 26. April 1967 – BVerwG III D 1.67 – ≪BVerwGE 33, 12, 14 = ZBR 1967, 279 = BDH DokBer 1967, 3063≫; Urteil vom 27. Januar 1981 – BVerwG 1 D 115.79 – ≪BVerwG DokBer B 1981, 117≫; Urteil vom 22. September 1982 – BVerwG 1 D 83.81 –; Urteil vom 21. Juni 1989 – BVerwG 2 WD 49.88 – ≪BVerwG DokBer B 1990, 23≫). Denn nicht nur die schuldhafte Herbeiführung des Vollrausches selbst, sondern auch die im Rausch begangene Tat beeinflussen grundsätzlich den Grad der Schädigung des Ansehens des Beamten in der Öffentlichkeit. Unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall heranzuziehenden Rechtsprechung zu schuldhaften Alkoholverfehlungen von Beamten im Straßenverkehr hat der Senat für im Vollrausch begangene Trunkenheitsfahrten grundsätzlich eine Gehaltskürzung als verwirkt erachtet, wenn Umstände vorlagen, die das Ausmaß der Ansehensschädigung als besonders erheblich erscheinen ließen (Urteil vom 28. September 1978 – BVerwG 1 D 57.78 – ≪BVerwGE 63, 148 = BVerwG DokBer B 1978, 335≫; Urteil vom 6. September 1994 – BVerwG 1 D 11.94 –), so z.B. bei einschlägiger straf- und disziplinarrechtlicher Vorbelastung (Urteil vom 22. September 1982 a.a.O.; vgl. zur Maßnahmebemessung bei Vollrauschtaten auch Beschluß vom 6. November 1991 – BVerwG 1 DB 15.91 – ≪BVerwGE 93, 179 = BVerwG DokBer B 1992, 65 = DÖV 1992, 358 = ZBR 1992, 316 = NVwZ-RR 1992, 640≫ und Beschluß vom 4. Januar 1996 a.a.O. – jeweils m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben stellt die vom Bundesdisziplinargericht verhängte Gehaltskürzung – ungeachtet der Tatsache, daß der Beamte dienstlich positiv beurteilt worden ist und auf eine im übrigen tadelfreie Dienstzeit zurückblicken kann – die dem Gewicht des Dienstvergehens entsprechende Disziplinarmaßnahme dar. Dabei kann sich nicht mildernd auswirken, daß der Beamte nunmehr bei einer Aktiengesellschaft tätig ist. Wie bereits ausgeführt, ist für die Erfüllung des disziplinaren Tatbestandes ausschlaggebend, daß der Beamte durch sein Verhalten das Ansehen des Beamtentums beeinträchtigt hat. Auch bei der Zumessung steht dies im Vordergrund, so daß sich allein aus der rechtlichen Einordnung seines Tätigkeitsbereichs kein Milderungsgrund ergeben kann (Urteil des Senats vom 24. Januar 1996 – BVerwG 1 D 38.95 –).
Das Ausmaß der Ansehensschädigung ist im vorliegenden Fall erheblich. Der Beamte ist einschlägig vorbestraft. Er ist durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts vom 4. Dezember wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr – Vergehen gemäß § 316 Abs. 1 StGB – mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 70 DM belegt worden, weil er am 22. September … mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,84 Promille im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt hat. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis für sieben Monate entzogen. Dieser Sachverhalt kann hier noch berücksichtigt werden, weil die Tilgungsfrist für diese Verurteilung wegen der neuen Verurteilung bisher nicht abgelaufen ist (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 a, § 47 Abs. 1, § 36 Satz 1, § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG). Das erneute Versagen des Beamten zeigt, daß die Verhängung einer Kriminalstrafe allein nicht ausreicht, ihn auf Dauer zu beanstandungsfreiem Handeln zu veranlassen. Es bedarf vielmehr einer länger wirkenden Disziplinarmaßnahme. Nur sie ist wegen ihrer Erinnerungsfunktion geeignet, den Beamten nachhaltig auf das Gebot hinzuweisen, sich vor der Teilnahme am Straßenverkehr am Steuer eines Autos im Alkoholgenuß zurückzuhalten oder – sofern er vor die Frage der Kraftfahrzeugbenutzung erst nach Alkoholkonsum gestellt werden sollte – seine Fahrtüchtigkeit bzw. deren Beeinträchtigung oder gar Ausschluß mit genügender Sicherheit einzuschätzen. Als erschwerende Umstände im Sinne der zitierten Rechtsprechung kommen ferner hinzu, daß mit 2,43 Promille (Mittelwert) eine gegenüber seinem früheren Versagen gesteigerte Blutalkoholkonzentration festgestellt worden ist und der Beamte seinen Rauschzustand billigend in Kauf genommen, d.h. sich vorsätzlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit versetzt und in diesem Zustand dann verbotswidrig ein Kraftfahrzeug geführt hat. Aufgrund seiner vorangegangenen Erfahrungen hätte er vorhersehen können, daß er unter so starkem Alkoholeinfluß dazu neigen würde, wieder eine Verkehrsstraftat zu begehen.
5. Der Verhängung einer Gehaltskürzung steht § 14 BDO nicht entgegen. Die Vorschrift regelt u.a. den Fall, daß ein Beamter wegen eines Dienstvergehens, das zugleich eine Straftat darstellt, bereits strafgerichtlich belangt worden ist. Trifft dies zu, darf neben der Kriminalstrafe eine Gehaltskürzung nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen des Beamtentums zu wahren. Im vorliegenden Fall liegt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Ahndung, um das Ansehen des Beamtentums zu wahren, bereits in den Umständen, die zur Begründung der Maßnahme der Gehaltskürzung geführt haben.
Die Verhängung der Gehaltskürzung ist aber auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots einer Pflichtenmahnung notwendig. Nach sachgleicher strafrechtlicher Verurteilung setzt die Zulässigkeit einer Gehaltskürzung die konkrete Befürchtung voraus, der Beamte werde sich auch künftig nicht seinen Pflichten entsprechend verhalten. Eine solche Prognose macht eine Beurteilung der Person des Beamten, seines bisherigen Werdeganges und seines dabei gezeigten Verhaltens im Beamtenverhältnis erforderlich. Hat der Beamte schon einmal in vergleichbarer Weise versagt, so wird die Prognose für sein in der Zukunft liegendes Verhalten in der Regel nicht anders und damit nicht günstiger ausfallen können (Urteil vom 13. März 1989 – BVerwG 1 D 52.88 – ≪BVerwG DokBer B 1989, 191≫). Der Senat bejaht deshalb bei Rückfalltätern regelmäßig das zusätzliche individuelle Erziehungsbedürfnis (z.B. Urteil vom 28. April 1986 – BVerwG 1 D 152.85 –; Urteil vom 5. Februar 1991 – BVerwG 1 D 29.90 – ≪BVerwG DokBer B 1991, 248≫). Davon ist auch hier auszugehen. Der Beamte ist, wie bereits ausgeführt, strafrechtlich einschlägig vorbelastet. Im Rahmen des damaligen disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahrens war er durch Einstellungsverfügung vom 15. Februar 1990, d.h. knapp vier Jahre vor seiner hier zu beurteilenden Verfehlung, ausdrücklich vor einem erneuten gleichartigen Fehlverhalten gewarnt worden mit dem Hinweis, im Wiederholungsfalle stehe § 14 BDO einer Disziplinarmaßnahme nicht mehr entgegen. Diese Mahnung hat der Beamte mißachtet, indem er wiederum, nunmehr mit gesteigerter Blutalkoholkonzentration, in unverantwortlicher Weise am Straßenverkehr teilgenommen hat. Eine solche charakterliche Labilität gibt Anlaß zu der Befürchtung, daß der Beamte auch in Zukunft nicht immer seinen diesbezüglichen Pflichten nachkommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Unterschriften
Bermel, Czapski, Dr. Müller
Fundstellen
BVerwGE, 375 |
DÖV 1997, 123 |
PersR 1997, 231 |
BVerwGE: ja |
DVBl. 1997, 385 |