Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Normenkontrolle. Antragsbefugnis. Mieter. Wohngebiet. Wohnruhe. Verkehrslärm. Gewerbebetrieb. heranrückende Wohnbebauung. Abwägung. abwägungserhebliche Belange. geringfügige Belange
Leitsatz (amtlich)
Wird ein an einem Ausfertigungsmangel leidender Bebauungsplan während eines anhängigen Normenkontrollverfahrens nach Behebung des Mangels nachträglich in Kraft gesetzt, so bleibt Verfahrensgegenstand nach wie vor der – inhaltlich unveränderte – Bebauungsplan, auch wenn er nicht mit Rückwirkung in Kraft gesetzt worden ist.
Auch der Mieter einer Wohnung kann durch einen Bebauungsplan oder seine Anwendung einen Nachteil erleiden oder zu erwarten haben und deshalb im Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. antragsbefugt sein. Er kann namentlich geltend machen, sein Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm, den die Verwirklichung des Bebauungsplans mit sich bringen wird, verschont zu bleiben, sei in der Abwägung nicht berücksichtigt worden.
Zu der – die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausschließenden – Geringfügigkeit
(a) des Interesses eines Bewohners, vor der durch Erweiterung seines Wohngebiets bedingten Zunahme des Anliegerverkehrs verschont zu bleiben,
(b) des Interesses des Inhabers eines Gewerbebetriebs im Wohngebiet, nicht Rücksicht auf hinzukommende Wohnbebauung infolge der Erweiterung des Wohngebiets nehmen zu müssen.
Normenkette
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1 a.F.; BauGB § 1 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 16.01.1998; Aktenzeichen 1 K 5279/96) |
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 10.01.1998; Aktenzeichen 1 K 5279/96) |
Tenor
Die Revision der Antragsteller gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Antragsteller zu 1 und 2 als Gesamtschuldner sowie der Antragsteller zu 3 zu je 2/11, die Antragstellerin zu 5 zu 1/11 und die Antragsteller zu 6 bis 8 als Gesamtschuldner sowie der Antragsteller zu 9 zu je 3/11.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 6 „Horstberg” der Antragsgegnerin. Dieser Plan setzt am Südrand der bebauten Ortslage südlich der Straße Am Horstberg eine etwa 280 m × 100 m große Fläche als allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde am 11. Dezember 1995 als Satzung beschlossen. Am 22. August 1996 und nach Berichtigung der Ausfertigung erneut am 29. Mai 1997 wurde er bekanntgemacht.
Die Antragsteller zu 1 und 2 (als Miteigentümer) und der Antragsteller zu 3 sind Eigentümer von Wohngrundstücken, die westlich des Plangebiets liegen. Die Antragstellerin zu 5 ist Mieterin des Wohnhauses Am Horstberg 14; die Antragsteller zu 6 bis 8 sind Pächter des Grundstücks Am Horstberg 12, auf dem sie einen Malereibetrieb unterhalten. Eigentümer des (einheitlichen) Grundstücks Am Horstberg 14 und 12 ist der Antragsteller zu 9. Dieses Grundstück liegt als Eckgrundstück zum Forstweg nördlich der Straße Am Horstberg, unmittelbar gegenüber dem Plangebiet. Auf der Höhe des Grundstücks mündet die innere Erschließungsstraße des Plangebiets in die Straße Am Horstberg.
Die Antragsteller zu 1 bis 8 haben im Jahre 1996 einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie machen insbesondere geltend, daß die zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die das neue Baugebiet auslöse, für sie als Nachbarn dieses Gebiets unzumutbar seien. Die Antragsteller zu 6 bis 8 befürchten Beschwerden aus dem neuen Wohngebiet über ihren gewerblichen Betrieb. Der Antragsteller zu 9 hat sich dem Normenkontrollverfahren mit Schriftsatz vom 5. November 1997 angeschlossen.
Durch Urteil vom 16. Januar 1998 hat das Normenkontrollgericht den Antrag sämtlicher Antragsteller als unzulässig verworfen. Die Zulässigkeit des Antrags sei an § 47 Abs. 2 VwGO i.d.F. des 6.VwGOÄndG vom 1. November 1996 zu messen. Die Antragsteller zu 1 bis 3 hätten bereits nach altem Recht keinen Nachteil erlitten, weil ihre Grundstücke zu weit vom Plangebiet des Bebauungsplans entfernt lägen, um von den Auswirkungen der hinzutretenden Bebauung nachteilig berührt zu werden. Die Antragstellerin zu 5 könne als Mieterin einer Wohnung eine Rechtsverletzung durch den Bebauungsplan nach § 47 Abs. 2 VwGO n.F. ohnehin nicht geltend machen. Auch die Antragsteller zu 6 bis 9 könnten nicht geltend machen, daß der Bebauungsplan sie in ihren Rechten verletze. Weil eine großzügige Handhabung der Zulässigkeitskriterien bei § 47 Abs. 2 VwGO n.F. – anders als bei § 42 Abs. 2 VwGO – nicht durch § 113 Abs. 1 VwGO aufgefangen werde, reiche die abstrakte Möglichkeit eines Nutzungskonflikts nicht aus. Der Malereibetrieb vertrage sich mit der festgesetzten Wohnnutzung; es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsteller konkret mit einschränkenden Auflagen für ihren Gewerbebetrieb rechnen müßten.
Mit ihrer Revision begehren die Antragsteller weiter, den Bebauungsplan Nr. 6 der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären. Sie machen geltend, das Normenkontrollgericht habe den Antrag noch an § 47 Abs. 2 VwGO a.F. messen und die Antragsbefugnis bei allen Antragstellern bejahen müssen. Der Bebauungsplan sei auch aus mehreren Gründen unwirksam.
Die Antragsgegnerin tritt dem Vorbringen der Antragsteller entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision sämtlicher Antragsteller ist unbegründet. Das Normenkontrollurteil ist zwar nicht in vollem Umfang mit Bundesrecht vereinbar. Die Entscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
1. Das Normenkontrollurteil verletzt Bundesrecht, soweit es die Antragsbefugnis der Antragsteller zu 1 bis 8 an § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Fassung des 6.VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) mißt; denn die Neufassung der Antragsbefugnis durch dieses Gesetz gilt nicht für Normenkontrollanträge, die vor dem Inkrafttreten des 6.VwGOÄndG am 1. Januar 1997 gestellt worden sind (BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 – BVerwG 4 CN 12.97 – BVerwGE 106, 237). Die Normenkontrollanträge der Antragsteller zu 1 bis 8 sind im Jahre 1996 und damit noch unter der Geltung des § 47 Abs. 2 VwGO a.F. beim Normenkontrollgericht anhängig geworden.
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in seiner neuen Fassung ist hier auch nicht etwa deshalb anzuwenden, weil die Antragsgegnerin den umstrittenen Bebauungsplan nach Behebung eines Ausfertigungsmangels im Jahre 1997 erneut – und zwar ohne Rückwirkung – in Kraft gesetzt hat. Die Normenkontrollanträge richten sich nämlich weiterhin unverändert gegen denselben, inhaltlich nicht geänderten Bebauungsplan. Den Antragstellern, die noch unter der Geltung des „alten Rechts” einen Normenkontrollantrag gestellt hatten, kommt mangels anderweitiger Regelung des Gesetzgebers verfahrensrechtlicher Vertrauensschutz zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 – BVerwG 4 CN 12.97 – BVerwGE 106, 237 ≪240≫). Dieser konnte ihnen während des Normenkontrollverfahrens nicht schon – nach Behebung eines Verfahrensfehlers – durch eine erneute Bekanntmachung entzogen werden. Allein hierdurch hatte sich der Rechtsstreit der Parteien nämlich nicht erledigt, weil die inhaltlichen Mängel, die – nach der Auffassung der Antragsteller – dem im Jahre 1996 bekanntgemachten Bebauungsplan anhafteten, auch in dem 1997 bekanntgemachten – identischen – Bebauungsplan enthalten sind.
2. Die Antragsteller zu 1 bis 8 sind jedoch auch nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. nicht antragsbefugt.
a. Den Antragstellern zu 1 bis 3 fehlt die Antragsbefugnis, weil ihre Wohngrundstücke so weit vom Plangebiet des Bebauungsplans entfernt liegen, daß die Auswirkungen des Bebauungsplans, insbesondere im Hinblick auf Belästigungen durch den Zu- und Abgangsverkehr, sie nicht mehr nachteilig berühren. Das Grundstück des Antragstellers zu 3 wird durch den Verkehr des Plangebiets überhaupt nicht betroffen. Nach den Feststellungen in dem Beschluß vom 20. Dezember 1996 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, auf den das Normenkontrollurteil Bezug nimmt, wird das Grundstück des Antragstellers zu 3 über einen Stichweg zu einer das Plangebiet nicht berührenden Straße erschlossen; es liege so weit vom Plangebiet entfernt, daß der Antragsteller zu 3 keine unmittelbaren Auswirkungen des Bebauungsplans verspüre. An diese tatsächlichen Feststellungen, die die Revision nicht angreift, ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Grundstück der Antragsteller zu 1 und 2 liegt zwar im Einzugsbereich der am Rande des Plangebiets verlaufenden Straße Am Horstberg, mit der es über einen Stichweg verbunden ist. Es liegt aber so weit von dieser Straße entfernt, daß es nach der Wertung des Normenkontrollgerichts von den Verkehrsimmissionen der Straße praktisch nicht betroffen ist. Schutzwürdige Belange dieser Antragsteller werden deshalb durch den Bebauungsplan ebenfalls nicht berührt.
Unbeachtlich ist der neue Vortrag der Revision, die Antragsteller zu 1 und 2 seien in ihrem dinglichen Wegerecht an dem Stichweg zu ihrem Grundstück verletzt, weil auf ihm aufgrund des Bebauungsplans in naher Zukunft ein Rad- und Wanderweg verlaufen werde, und auch der Antragsteller zu 3 müsse befürchten, durch den Weg in seiner Wohnruhe und seiner persönlichen Sphäre beeinträchtigt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist nämlich – abgesehen von begründeten Verfahrensrügen, die hier nicht erhoben worden sind – nach § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel können deshalb grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 – BVerwG 4 C 37.75 – BVerwGE 54, 73 ≪75≫). Im übrigen ist der Rad- und Wanderweg in dem streitigen Bebauungsplan nicht festgesetzt. Sollte der Weg gebaut werden, so würden die von ihm ausgehenden nachteiligen Wirkungen für die Antragsteller nicht auf dem Plan beruhen.
b. Auch die Antragstellerin zu 5 erleidet durch den streitigen Bebauungsplan keinen Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F.
Ihre Antragsbefugnis scheitert allerdings nicht schon daran, daß sie nur Mieterin einer Wohnung auf einem dem neuen Baugebiet benachbarten Grundstück ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu § 47 Abs. 2 VwGO a.F. ist ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ in einem Interesse betroffen wird, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte. Abwägungsrelevant kann also nicht nur ein durch die Planung berührtes subjektives Recht, sondern auch jedes mehr als geringfügige private Interesse sein, soweit es schutzwürdig ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 und 2-4.79 – BVerwGE 59, 87 ≪102 f.≫). Die Tatsache, daß eine bestimmte Grundstücksnutzung nur aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages geschieht, führt nicht aus sich dazu, daß die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten (BVerwG, Beschluß vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 und 2-4.79 – BVerwGE 59, 87 ≪101≫; vgl. auch Beschluß vom 7. April 1995 – BVerwG 4 NB 10.95 – NVwZ-RR 1996, 8).
Gemäß § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dabei muß die Gemeinde losgelöst von der Eigentumsfrage zahlreichen Abwägungskriterien genügen. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB sind bei der Aufstellung eines Bebauungsplans insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung zu berücksichtigen. Die hierin angesprochene „Wohnbevölkerung” wird nicht nur von den Eigentümern von Wohngrundstücken repräsentiert, sondern umschließt alle Personen, die an einer Wohnung nutzungs- und besitzberechtigt sind und dort ihren privaten Lebensmittelpunkt begründet haben. Das Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu bleiben, stellt grundsätzlich ein abwägungsbeachtliches Interesse dar; denn die Rechtsordnung verhält sich gegenüber den Belangen des Verkehrslärmschutzes und ihrer Relevanz für die Bauleitplanung nicht neutral (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. März 1994 – BVerwG 4 NB 24.93 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 88 – DVBl 1994, 701; Beschluß vom 19. Februar 1992 – BVerwG 4 NB 11.91 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 63 – NJW 1992, 2844).
Gleichwohl begründet nicht jede durch einen Bebauungsplan ermöglichte Verkehrszunahme für jeden davon Betroffenen eine Antragsbefugnis. Sind solche Änderungen geringfügig oder wirken sie sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so ergibt sich daraus eine Beschränkung der Antragsbefugnis (BVerwG, Beschluß vom 7. Januar 1993 – BVerwG 4 NB 42.92 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 74; Beschluß vom 28. November 1995 – BVerwG 4 NB 38.94 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 109 – ZfBR 1996, 109). So ist es auch hier:
Das von der Antragstellerin zu 5 bewohnte Grundstück liegt zwar unmittelbar gegenüber dem neuen Plangebiet. Schon jetzt ist es jedoch – als Eckgrundstück – an zwei Seiten dem gegenwärtig vorhandenen Anliegerverkehr ausgesetzt. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Antragsteller zu 6 bis 8 auf demselben Grundstück einen Gewerbebetrieb unterhalten, der seinerseits Lärm und Zu- und Abgangsverkehr verursacht. Zudem wird der durch den Bebauungsplan ermöglichte zusätzliche Verkehr zu zwanzig bis dreißig Einzel- oder Doppelwohnhäusern nur teilweise an dem Grundstück der Antragstellerin zu 5 vorbeigeführt werden; denn das Baugebiet ist auch von Osten her über die vorhandene Straße Am Horstberg zugänglich, so daß sich der Zu- und Abgangsverkehr auf zwei Zufahrtsstraßen verteilt. Mit mehr als geringfügigen Belästigungen durch den Verkehr auf der neuen Straße innerhalb des kleinen Baugebiets muß die Antragstellerin nicht rechnen, weil diese Straße nicht an ihrem Wohnhaus, sondern seitlich versetzt in die Straße Am Horstberg einmündet. Die ruhige Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im allgemeinen faktisch zukommt, begründet als solche keine Antragsbefugnis; denn einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung dieser Außenbereichslage gibt es nicht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist ein besonderes privates Interesse der Antragstellerin zu 5 an der Erhaltung der gegenwärtigen Wohnruhe nicht erkennbar. Sie wird nur so gestellt, wie wenn von vornherein ein Wohngebiet beiderseits der Anliegerstraße entstanden oder geplant worden wäre.
c. Schließlich erleiden auch die Antragsteller zu 6 bis 8 durch den streitigen Bebauungsplan keinen Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. Zwar läßt sich auch bei ihnen nicht von vornherein ausschließen, daß sie als Pächter eines Betriebsgrundstücks und Inhaber eines darauf unterhaltenen Malereibetriebs gegenüber einer Bauleitplanung in der Nachbarschaft abwägungsbeachtliche Interessen geltend machen können. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts ist jedoch seiner Wertung zu folgen, daß hier unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Situation eine Verletzung von subjektiven Rechten durch den Bebauungsplan Nr. 6 nicht geltend gemacht werden kann. Aus demselben Grund fehlte es an einem abwägungserheblichen Interesse der Antragsteller zu 6 bis 8 bei der Aufstellung dieses Bebauungsplans.
Die Antragsteller zu 6 bis 8 unterhalten gegenüber dem Plangebiet, nur durch die Straße Am Horstberg getrennt, einen Malereibetrieb. Nach Auffassung des Normenkontrollgerichts, die revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, ist ein Betrieb in der von den Antragstellern unterhaltenen Größe in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig; gebietsübergreifende Nutzungskonflikte durch die Festsetzung eines Wohngebiets sind deshalb grundsätzlich ausgeschlossen. Das Normenkontrollgericht führt weiter aus, das Plangebiet liege 30 m von den Werkstatträumen entfernt, während die vorhandene Wohnbebauung im Norden deutlich näher an das Betriebsgrundstück herangerückt sei, ohne daß es bisher zu Nachbarbeschwerden gekommen sei. Die Feststellungen rechtfertigen die Wertung, daß die neu zugelassene Wohnbebauung im Süden jedenfalls zu keinen Betriebsbeschränkungen führen kann, die nicht schon jetzt wegen der Wohnbebauung im Norden geboten wären. Besonderheiten des Betriebs einschließlich eines möglichen Erweiterungsinteresses wären nicht abwägungsbeachtlich, weil sie im Beteiligungsverfahren nicht vorgetragen worden und deshalb für die Antragsgegnerin nicht erkennbar waren. Das Interesse der Antragsteller am Be- und Entladen von Lieferfahrzeugen auf der Straße ist nicht schutzwürdig. Das geltend gemachte Interesse der Antragsteller als Inhaber eines gewerblichen Betriebs, vor Lärm einschließlich des Verkehrslärms des Zu- und Abgangsverkehrs aus dem neuen Wohngebiet verschont zu werden, ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt abwägungserheblich.
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Normenkontrollgericht die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 9, der Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem sich der Malereibetrieb der Antragsteller zu 6 bis 8 sowie die Mietwohnung der Antragstellerin zu 5 befinden, nach § 47 Abs. 2 VwGO n.F. beurteilt. Insoweit ist allein maßgeblich, daß sich der Antragsteller zu 9 erst im November 1997 und damit nach Inkrafttreten des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. dem bereits anhängigen Normenkontrollverfahren angeschlossen hat.
Nach Erlaß des Normenkontrollurteils hat der Senat entschieden, daß an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. keine höheren Anforderungen zu stellen sind als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Er hat ferner entschieden, daß das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange hat, die für die Abwägung erheblich sind, und daß deshalb auch das Abwägungsgebot ein „Recht” im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. sein kann (Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 – DVBl 1999, 100). Soweit das Normenkontrollurteil hiervon abweicht, verletzt es Bundesrecht.
Die Verneinung der Antragsbefugnis des Antragstellers zu 9 stellt sich jedoch ebenfalls aus anderen Gründen als richtig dar. Das Interesse des Antragstellers zu 9 als Eigentümer des Grundstücks Am Horstberg 12 und 14 an der Erhaltung der bisherigen Verkehrslage und an der Wahrung der gegenwärtigen Wohnruhe sowie an der Fernhaltung der neuen Wohnbebauung von seinem Gewerbegrundstück ist hier ebensowenig abwägungsbeachtlich wie das entsprechende Interesse seiner Mieter und Pächter; insoweit wird auf die Ausführungen zur Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 5 und der Antragsteller zu 6 bis 8 verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Heeren, Halama
Fundstellen
NJW 2000, 2833 |
NWB 2000, 1060 |
BauR 2000, 848 |
NVwZ 2000, 807 |
NuR 2000, 540 |
VRS 2000, 469 |
ZfBR 2000, 199 |
BRS 2000, 272 |
DVBl. 2000, 793 |