Entscheidungsstichwort (Thema)
Besoldung, abgesenkte – im Beitrittsgebiet. –, ruhegehaltfähiger Zuschuß zur abgesenkten –. Befähigungsvoraussetzungen, Begriff der – nach § 4 2. BesÜV. – örtlicher Bezug der –. Schulabschluß, allgemeinbildender – als Befähigungsvoraussetzung. Vorbildung, allgemeinbildender Schulabschluß als –
Leitsatz (amtlich)
Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV verwandte Begriff „Befähigungsvoraussetzungen” umfaßt auch die dienstrechtlich geforderten Vorbildungsvoraussetzungen (wie BVerwG 101, 116).
Befähigungsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Beamter im mittleren Justizdienst ist der Abschluß einer Realschule (hier: einer polytechnischen Oberschule) und eine förderliche abgeschlossene Berufsausbildung (hier: zum Baufacharbeiter).
Ob der Beamte, Richter oder Soldat die Befähigungsvoraussetzungen „im bisherigen Bundesgebiet” erworben hat, ist ortsbezogen zu beurteilen (wie Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98).
Die Zuschußregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. ist mit höherrangigem Recht vereinbar (wie BVerwGE 101, 116).
Normenkette
BBesG § 73; 2. BesÜV §§ 1-2, 4 Fassung 1993/1997; BRRG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, §§ 13-14; GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 33 Abs. 5, Art. 80 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 06.10.1998; Aktenzeichen 3 A 158/94) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 6. Oktober 1998 wird aufgehoben, soweit das Verfahren nicht eingestellt worden ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der 1967 im Beitrittsgebiet geborene Kläger begehrt die Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung (2. BesÜV).
Der Kläger schloß im Jahr 1991 nach Abschluß einer im Beitrittsgebiet besuchten 10-klassigen polytechnischen Oberschule sowie einer ebenfalls dort absolvierten Ausbildung zum Baufacharbeiter mit dem Land Sachsen-Anhalt einen Vertrag über die Ausbildung für den mittleren Justizdienst. Die Ausbildung sollte sich nach der niedersächsischen Ausbildungsordnung richten, zwei Jahre dauern und in Niedersachsen stattfinden. Im Laufe dieser Ausbildung wurde der Kläger im Oktober 1991 durch das Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt zum Beamten auf Widerruf ernannt. Im März 1993 bestand er die Abschlußprüfung und wurde in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen. Fortan erhielt er Dienstbezüge gemäß § 2 2. BesÜV. Der Präsident des Oberlandesgerichts lehnte seinen Antrag auf Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV ab.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit das Verfahren nicht eingestellt wurde, und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Begriff der „Befähigungsvoraussetzungen” in § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV umfasse zwar die für die Laufbahnbefähigung geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, erstrecke sich jedoch nicht auf allgemeinbildende Schulabschlüsse. Der Kläger verfüge über einen Vorbildungsabschluß im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BRRG und habe im bisherigen Bundesgebiet sowohl den Vorbereitungsdienst abgeleistet als auch die Laufbahnprüfung bestanden. Zwar habe er als Beamter auf Widerruf in einem Ausbildungsverhältnis zu dem Land Sachsen-Anhalt gestanden, doch könne nicht auf den Ort der Ernennung zum Beamten auf Widerruf abgestellt werden. Maßgeblich sei, daß der Kläger den gesamten Vorbereitungsdienst in Niedersachsen nach den dort geltenden Ausbildungsvorschriften geleistet habe. Ferner sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Kläger als Erstbewerber die Laufbahnbefähigung erworben und vor der Entscheidung gestanden habe, ob er ein Beamtenverhältnis auf Probe im bisherigen Bundesgebiet oder im Beitrittsgebiet eingehen solle.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Sprungrevision eingelegt, mit der er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 6. Oktober 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit das Verfahren nicht eingestellt worden ist.
Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt verneint den geltend gemachten Anspruch. Zwar sei der allgemeinbildende Schulabschluß im Falle eines Beamten des mittleren Dienstes nicht zu den „Befähigungsvoraussetzungen” im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV zu rechnen. Der Kläger habe jedoch seinen Vorbereitungsdienst statusrechtlich als Beamter eines neuen Bundeslandes absolviert, so daß es auf den im bisherigen Bundesgebiet liegenden Ort der Ausbildungsstätte nicht ankomme.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuß zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 778) und mit (Rück-)Wirkung ab dem 1. Juli 1991 ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186). Er hat nicht sämtliche Befähigungsvoraussetzungen für die Laufbahn des mittleren Justizdienstes im bisherigen Bundesgebiet erworben.
Der Kläger wird seit seiner erstmaligen Ernennung zum Beamten auf Probe im Beitrittsgebiet verwendet. Zwar stand er bereits während seines Vorbereitungsdienstes in einem Dienstverhältnis zu dem Land Sachsen-Anhalt. Er erhielt als Beamter auf Widerruf jedoch keine Dienstbezüge, sondern sonstige Bezüge (§ 59 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 BBesG), so daß es zur Feststellung der erstmaligen Verwendung nicht auf diesen Vorbereitungsdienst ankommt. Seit seiner Ernennung zum Beamten auf Probe gehört er zu den von § 1 und § 2 Abs. 1 2. BesÜV erfaßten Beamten und erhält abgesenkte Dienstbezüge.
Die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. ist auf den Kläger nicht anwendbar. Diese sieht einen ruhegehaltfähigen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen vor. Sie beschränkt sich auf Personen, die sämtliche Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben haben. Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen umfaßt die für diesen Befähigungserwerb geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, d.h. den Vorbildungsabschluß, den Vorbereitungsdienst im laufbahnrechtlichen Rahmen und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger den Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet abgeleistet hat. Dies ist entsprechend dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F., dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob der Beamte, Richter oder Soldat die als Befähigungsvoraussetzungen bestimmten Ausbildungen und Prüfungen an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 EV genannten Länder und Landesteile absolviert hat. Sinn und Zweck des § 4 2. BesÜV alter und neuer Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 1 Vierte Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom 17. November 1997 ≪BGBl I S. 2713≫) bestehen darin, die Bereitschaft von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet zu einer Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung, der Rechtspflege und der Bundeswehr im Beitrittsgebiet zu fördern (vgl. BRDrucks 215/91 S. 22, 26; BVerwGE 101, 116 ≪119≫). Die Vorschrift enthält sich jeglicher Bewertung der Qualität von Ausbildungen, von Vorbildungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet und im Beitrittsgebiet wird vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. z.B. §§ 13 ff., 122 BRRG). Der Zuschuß hat ausschließlich mobilitätsfördernden Charakter (vgl. dazu i.e. Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫). Nicht entscheidend ist der dienstrechtliche Bezug eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit (vgl. dazu i.e. Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – ≪a.a.O.≫). Es ist daher unerheblich, daß der Kläger seinen Vorbereitungsdienst statusrechtlich als Beamter auf Widerruf des Landes Sachsen-Anhalt absolviert hat.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger indessen die allgemeinen Vorbildungsvoraussetzungen nicht im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworben und erfüllt somit die Voraussetzungen des Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. nicht. Für die Laufbahn des mittleren Dienstes ist mindestens der Abschluß einer Realschule oder der erfolgreiche Besuch einer Hauptschule und eine förderliche abgeschlossene Berufsausbildung oder eine Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erforderlich (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BRRG § 19 BLV, Art. 1 der Verordnung zur Gestaltung der Laufbahnen der Beamten im Land Sachsen-Anhalt vom 15. Mai 1991 ≪GVBl LSA S. 83≫. Diese Befähigungsvoraussetzungen hat der Kläger durch den Besuch der 10-klassigen polytechnischen Oberschule und die Ausbildung zum Baufacharbeiter im Beitrittsgebiet erworben. Dabei handelt es sich um „Befähigungsvoraussetzungen” im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. Denn auch dem allgemeinbildenden Schulabschluß kommt unmittelbar laufbahnrechtliche Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – ≪BVerwGE 101, 116 [118]≫).
Nach § 13 Abs. 1 BRRG werden für die Zulassung zu den Laufbahnen die Bildungsgänge und ihre Abschlüsse den Laufbahnen in Übereinstimmung mit dem beamtenrechtlichen Grundsatz der funktionsbezogenen Bewertung zugeordnet. Die besondere Bedeutung des Vorbildungsniveaus für die Zulassung zu den einzelnen Laufbahnen unterstreicht § 13 Abs. 2 und Abs. 3 BRRG, der insoweit Mindeststandards vorgibt und darüber hinaus Regelungen zur Herstellung der Gleichwertigkeit der Bildungsvoraussetzungen enthält. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 BRRG müssen die Bildungsvoraussetzungen geeignet sein, in Verbindung mit der für die Laufbahn vorgeschriebenen berufspraktischen Ausbildung oder Tätigkeit die Anforderungen der Befähigung für die Laufbahn zu erfüllen.
Diesen weiten, die allgemeine Vorbildung einbeziehenden Begriff der „Befähigungsvoraussetzungen” hat § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. übernommen. Schon dem Wortlaut nach ergeben sich keine Einschränkungen in qualitativer oder quantitativer Hinsicht. Danach müssen – auch für die Laufbahn des mittleren Dienstes – sämtliche Befähigungsvoraussetzungen, die gesetzlich für den Zugang zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorgeschrieben sind, im bisherigen Bundesgebiet – oder im Ausland – erworben sein. Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob es sich um einen allgemeinbildenden Schulabschluß oder ob es sich um eine fachbezogene Qualifizierung handelt. Auf etwaige Unterschiede der Schulbildung kommt es ebensowenig an wie auf etwa unterschiedliche Gestaltungen von Vorbereitungsdienst und Abschlußprüfung je nachdem, ob sie im Beitrittsgebiet oder im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden sind. Für dieses Ergebnis sprechen zudem der Ausnahmecharakter sowie die Intention des § 4 2. BesÜV, für eine Übergangszeit die Mobilität von Erstbewerbern zu fördern (vgl. Urteil vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – ≪a.a.O.≫).
Soweit der Kläger geltend macht, die in § 2 Abs. 1 2. BesÜV vorgesehene Besoldungsabsenkung sei verfassungswidrig, weil die in § 73 Satz 1 BBesG vorausgesetzten „besonderen Verhältnisse” nicht mehr bestünden und er schon deshalb keine abgesenkten Bezüge hinnehmen müsse, hält der Senat an seiner im Urteil vom 25. April 1996 (a.a.O.) vertretenen Auffassung fest: Gegen die befristeten Regelungen in § 2 Abs. 1 2. BesÜV und § 4 Abs. 1 Satz 1 BesÜV a.F. bestehen mit Blick auf § 73 BBesG, Art. 80 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Differenzierungsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG – jedenfalls für den von der Klage erfaßten Zeitraum – keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer
Fundstellen
ZBR 2000, 43 |
ZTR 1999, 528 |
DÖD 2000, 85 |
DÖV 2000, 213 |
NJ 1999, 610 |
RiA 2001, 143 |