Entscheidungsstichwort (Thema)
Apotheke. besatzungshoheitliche Enteignung von Apotheken. Apotheke in Privatbesitz. Apothekenbetriebsbefugnis. Erlöschen der Apothekenbetriebsbefugnis. Apothekenprivileg. Rückübertragung einer Apotheke. Unternehmen. Vermögenswert. entschädigungslose Enteignung. Rechtsnachfolger
Leitsatz (amtlich)
Soweit der bisherige Inhaber eines nach der Verordnung der Deutschen Wirtschaftskommission zur Neuregelung des Apothekenwesens vom 22. Juni 1949 erloschenen Apothekenprivilegs die Apotheke als „Apotheke in Privatbesitz” weiterbetreiben konnte, war er nicht vollständig aus seinem Eigentum an dem Unternehmen verdrängt. Vielmehr stellte auch der fortgesetzte Apothekenbetrieb ein Unternehmen und damit einen Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG dar.
Beruhte der Entzug der Betriebsbefugnis für eine Apotheke in Privatbesitz auf der (illegalen) Übersiedlung des Apothekeninhabers in die Bundesrepublik, so liegt darin keine entschädigungslose Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG.
Eine Apotheke in Privatbesitz konnte unter der Geltung der Apothekenverordnung von 1949 nicht vererbt werden. Die Erben des Apothekers sind daher nicht Rechtsnachfolger im Sinne des § 6 Abs. 1 a, § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 8 Buchst. a, § 2 Abs. 2-3, § 6 Abs. 1a; Verordnung der Deutschen Wirtschaftskommission zur Neuregelung des Apothekenwesens vom 22. Juni 1949 (ZVBl I S. 487)
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Entscheidung vom 15.03.2000; Aktenzeichen A 9 K 850/98) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 15. März 2000 sowie die Ziffern 1 und 3 des Teilbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt vom 30. September 1998 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt wendet sich gegen einen Teilbescheid des Beklagten, mit dem den Beigeladenen vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Schädigung der früheren „J. Apotheke” in Qu. zuerkannt worden sind.
Die Beigeladenen sind Erben des 1972 in Minden verstorbenen Apothekers Heinz Leo J. und dessen Mutter, Ilse J. Ein weiterer Miterbe, Karl-Heinz J., hat seinen unausgemittelten Anteil an den Nachlässen mit notariellem Vertrag vom 4. August 1998 dem Beigeladenen zu 1 geschenkt.
Heinz Leo J. betrieb seit 1943 bis zu seiner Flucht aus der DDR im Jahr 1953 die ehemals „Königlich Privilegierte Apotheke” später „J. Apotheke” in Qu. Im Grundbuch von Qu., Band 33, Blatt 327 war seit dem 21. April 1931 Frau Ilse J. als Eigentümerin der unter Nrn. 1 und 2 des Bestandsverzeichnisses gebuchten ungetrennten Hofräume mit der postalischen Bezeichnung H.straße 2 sowie des unter Nr. 3 des Bestandsverzeichnisses gebuchten „Apotheken-Privilegium cum jure prohibendi” eingetragen. 1941 wurde das Apothekenprivileg auf ein gesondertes Grundbuchblatt übertragen und am 30. November 1943 Heinz (Leo) J. als Eigentümer eingetragen. Durch Vertrag vom 2. Januar 1949 vermietete Frau Ilse J. ihrem Sohn Heinz Leo J. mit Wirkung vom 1. April 1948 „die gesamte Holz- und Geschäftseinrichtung des Apothekenbetriebs”.
Mit In-Kraft-Treten der Verordnung der Deutschen Wirtschaftskommission zur Neuregelung des Apothekenwesens vom 22. Juni 1949 (Zentralverordnungsblatt 1949 I S. 487 – im Folgenden Apothekenverordnung 1949 ≪ApothVO 1949≫) erloschen „die vererblichen und veräußerlichen sowie die persönlichen Apothekenbetriebsrechte einschl. der auf Rechten dieser Art beruhenden Witwen- und Waisenrechte” (§ 7 Abs. 1 ApothVO 1949). Sofern die bisherigen Inhaber der erloschenen Betriebsrechte Apotheker waren und die Apotheke bisher selbst geleitet hatten, betrieben sie sie als so genannte Apotheke in Privatbesitz weiter; diese mussten vom Inhaber selbst geleitet werden und durften weder verpachtet noch Dritten zur Verwaltung überlassen werden (§ 7 Absätze 2 und 3 ApothVO 1949). Nach § 5 ApothVO 1949 waren Apotheken, die vom bisherigen Inhaber nicht mehr betrieben werden durften, als Landesapotheken weiterzubetreiben. § 12 Abs. 1 ApothVO 1949 bestimmte, dass nach Erlöschen der Befugnis zum Betrieb der Apotheke in Privatbesitz die sächlichen Betriebsmittel dem neuen Träger der Apotheke gegen Ersatz des Zeitwertes zu überlassen waren; das Nähere hierzu regelte die Zweite Durchführungsbestimmung zur Apothekenverordnung 1949 vom 22. November 1951 (GBl 1951 I S. 1107).
Heinz Leo J. betrieb die Apotheke in Qu. bis zu seiner Flucht aus der DDR am 30. März 1953 als Apotheke in Privatbesitz weiter. Nach seiner Flucht wurde sein gesamtes Vermögen auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 beschlagnahmt und in das Eigentum des Volkes überführt. Aus dem bei der Altakte befindlichen Schriftwechsel ergibt sich, dass der nach § 12 Abs. 1 ApothVO zu leistende Wertersatz auf 29 419,20 M festgesetzt und nebst Zinsen am 15. Dezember 1953 an das Ministerium der Finanzen abgeführt wurde, weil der Betrag unter § 1 der Vermögenssicherungsverordnung fiel. Demgegenüber wurde der für das gemietete Inventar festgesetzte Wertersatz in Höhe von 17 819,40 M einschließlich Zinsen an Frau Ilse J. ausbezahlt.
Mit Vertrag vom 1. Februar 1991 erwarb der Apotheker Peter V. von der Treuhandanstalt die jetzt als „Burgapotheke” firmierende frühere „J. Apotheke” nebst der Zweigapotheke „Marktapotheke” in O. zum Kaufpreis von 231 851,35 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die „Marktapotheke” in O. war ausweislich einer am 4. Oktober 1990 erteilten Erlaubnis der Bezirksverwaltungsbehörde zur Zweigapotheke der „Burgapotheke” in Qu. erklärt worden.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 12. September 1990 und vom 29. Oktober 1991 meldete Herr Karl-Heinz J. als Miterbe vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks und der Apotheke an. Er sei zusammen mit den Beigeladenen Erbe der 1962 in Leipzig verstorbenen Frau Ilse J. Zum Nachlass gehöre insbesondere das Grundstück auf dem sein Vater Heinz Leo J. bis 1953 die Apotheke betrieben habe.
Mit Teilbescheid vom 30. September 1998 stellte der Beklagte fest, den Beigeladenen stünden als Berechtigten die vermögensrechtlichen Ansprüche aus der Schädigung der „J. Apotheke” zu (Ziffer 1 des Tenors), die Restitution der Apotheke sei ausgeschlossen (Ziffer 2), die Beigeladenen könnten die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Apothekenbetriebes beanspruchen (Ziffer 3). Zur Begründung führte der Beklagte aus, Gegenstand des Verfahrens sei nicht das entzogene Apothekenbetriebsrecht, sondern die Entziehung einer Apotheke in Privatbesitz. Die Apotheke sei nach der Verordnung vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt worden. Die vorgenommene Wertfestsetzung gemäß § 12 ApothVO 1949 sei an das Ministerium der Finanzen der DDR abgeführt worden. Daher liege hinsichtlich des Apothekenbetriebs der „J. Apotheke” eine entschädigungslose Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG vor. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Apotheke veräußert habe, sei die Rückgabe des Unternehmens ausgeschlossen; die Beigeladenen könnten daher gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG von der Klägerin die Auskehr des Erlöses beanspruchen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 11. November 1998 Teilanfechtungsklage erhoben, mit der sie beantragt hat, die Ziffern 1 und 3 des Bescheides aufzuheben. Zur Begründung der Klage hat sie vorgetragen, die Anwendung des Vermögensgesetzes sei durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen, da die Apothekenverordnung 1949 eine besatzungshoheitliche Enteignung der Apotheken darstelle und die dem Apotheker unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumte Befugnis zum Betrieb einer Apotheke in Privatbesitz nicht mehr mit dessen früherer Rechtsposition vergleichbar sei. Der Apotheker sei nicht mehr freiberuflich tätig gewesen, sondern faktisch ein Angestellter im staatlichen Gesundheitswesen geworden. Zumindest sei durch die Apothekenverordnung 1949 die Enteignung der privaten Apotheke, die spätestens beim Tod des Apothekers vollzogen worden sei, noch unter der Verantwortung der Besatzungsmacht sachlich und gegenständlich vorgeformt worden. Die Beigeladenen seien auch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG Rechtsnachfolger des möglichen Geschädigten, weil die Betriebsführungsbefugnis nicht vererblich gewesen sei. Zudem fehle es an der Vergleichbarkeit mit der heutigen „Burgapotheke” nebst Zweigapotheke.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. März 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Anwendung des Vermögensgesetzes sei nicht durch § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen, weil der Verlust des vom Apotheker Heinz Leo J. betriebenen Unternehmens nicht auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage beruhe. Eine solche Enteignung liege nur vor, wenn der Eigentümer durch hierauf gerichtete Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden sei. Das Erlöschen der persönlichen Apothekenbetriebsrechte aufgrund der Apothekenverordnung 1949 stelle keine solche Enteignung dar, weil damit nicht das Unternehmen selbst, sondern nur ein darüber hinaus dem einzelnen Unternehmer zustehendes Recht entzogen worden sei. Die Stellung des Apothekers Heinz Leo J. als Eigentümer des Apothekenbetriebes sei unberührt geblieben; dieser habe den Betrieb als Apotheke in Privatbesitz weiterbetreiben können.
Die Enteignung im Jahre 1953 sei auch entschädigungslos im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG erfolgt. Daran ändere es nichts, dass für die 1949 erloschenen vererblichen und veräußerlichen Apothekenbetriebsrechte eine Entschädigung zu leisten gewesen sei, denn Gegenstand der Schädigung sei kein solches Recht, sondern das Apothekenunternehmen.
Die Beigeladenen seien als Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach Heinz Leo J. auch Berechtigte, da es nicht um die Befugnis zum Betrieb der Apotheke gehe, sondern um das Unternehmen selbst; zudem beruhe der Vermögensverlust nicht auf dem Erlöschen der Betriebsführungsbefugnis nach § 10 Nr. 6 ApothVO 1949, denn zum Zeitpunkt seines Todes sei Heinz Leo J. nicht mehr Eigentümer des Unternehmens gewesen.
Auch Ziffer 3 des Bescheides sei rechtmäßig, weil die Beigeladenen ohne die Veräußerung durch die Treuhandanstalt einen Anspruch auf Rückübertragung der mit dem entzogenen Unternehmen vergleichbaren „Burgapotheke” gehabt hätten. Auch soweit dort die Auskehr des Verkaufserlöses aus der Veräußerung des „Apothekenbetriebs” zuerkannt werde, sei dies rechtmäßig, da die „Burgapotheke” und die Zweigapotheke in O. als ein Unternehmen anzusehen seien.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 15. März 2000 sowie die Ziffern 1 und 3 des Bescheides des Beklagten vom 30. September 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist begründet, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen; denn die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt vom 30. September 1998 ist, soweit er mit der Klage angefochten wurde, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Bescheid hätte daher insoweit aufgehoben werden müssen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, scheitert der Anspruch der Beigeladenen allerdings entgegen der Ansicht der Revision nicht bereits an § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG (1.). Die „J. Apotheke” war aber nicht von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen (2.), und die Beigeladenen sind im Übrigen auch nicht Rechtsnachfolger im Sinne des § 6 Abs. 1 a, § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG (3.).
1. Gegenstand der mit der vorliegenden Klage angefochtenen Berechtigtenfeststellung ist nicht das durch § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Neuregelung des Apothekenwesens vom 22. Juni 1949 (ZVBl S. 487) – Apothekenverordnung 1949 ≪ApothVO 1949≫ – erloschene Apothekenprivileg, sondern die in der Folgezeit bis zum Jahre 1953 von Heinz Leo J. betriebene Apotheke in Privatbesitz im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 ApothVO 1949. Der so verstandene Anspruch der Beigeladenen ist entgegen der Ansicht der Revision nicht nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen. Zwar beruht der Erlass der Apothekenverordnung und damit auch der Entzug der Apothekenprivilegien nach § 7 Abs. 1 ApothVO 1949 auf besatzungshoheitlicher Grundlage, sodass die dadurch enteigneten Vermögenswerte vom Vermögensgesetz nicht erfasst werden. Soweit jedoch – wie hier – die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 ApothVO 1949 vorlagen, waren die Inhaber der Apotheke nicht vollständig aus ihrem Eigentum an dem Unternehmen verdrängt. Vielmehr stellte auch der fortgesetzte Apothekenbetrieb ein Unternehmen und damit einen Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG dar. Nach der Rechtsprechung des 7. Senats ist ein Unternehmen im Sinne des Vermögensgesetzes eine organisatorische Einheit, in der ein Inbegriff von einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dienenden Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischen Handlungen zusammengefasst ist (Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 11.94 – Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 S. 26 ≪31≫ und vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 40.96 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35 S. 45 ≪49≫). Diesen Anforderungen entsprechen nicht nur Apothekenbetriebe im Allgemeinen, sondern auch die unter den Bedingungen der Apothekenverordnung von 1949 fortgeführten Apotheken in Privatbesitz. Der Inhaber einer solchen Apotheke hatte nicht – wie die Revision meint – lediglich die Stellung eines angestellten Geschäftsführers einer staatlichen Apotheke. Vielmehr war er – wie sich ohne weiteres aus § 12 Abs. 1 ApothVO 1949 ergibt – Eigentümer des Anlage- und Umlaufvermögens. Dieses Vermögen sowie sein eigenes fachliches Wissen und seine betrieblichen Erfahrungen und Beziehungen konnte er unternehmerisch zum Zweck des Betriebs einer Apotheke mit Gewinnerzielungsabsicht einsetzen. Der Umstand, dass er den Betrieb nicht wie unter Geltung des Apothekenprivilegs weiter veräußern konnte und dass er im Übrigen nach § 12 Abs. 1 ApothVO 1949 bei Erlöschen oder Entzug der Betriebsbefugnis zur Überlassung des Anlage- und Betriebsvermögens an den neuen Inhaber der Apotheke verpflichtet war, änderte für die Dauer des Betriebes einer Apotheke in Privatbesitz an dieser Möglichkeit nichts. Der Eigenschaft als Unternehmen steht auch nicht entgegen, dass der Betrieb einer Apotheke – ebenso wie viele andere Gewerbe – konzessionspflichtig war und die Konzession auch nicht übertragen werden konnte. Dies stellte zwar eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der ursprünglichen Rechtslage dar, war im Übrigen aber nur ein – möglicherweise wesentlicher – Umstand für die Wertbestimmung des Unternehmens.
Auch wenn die Befugnis zum Betrieb einer Apotheke in Privatbesitz spätestens mit dem Tod des Apothekers erlosch und die Apotheke dann als Landesapotheke weiter zu betreiben war, kann entgegen der Ansicht der Revision auch nicht von einer durch die Verordnung aus dem Jahre 1949 sachlich und gegenständlich vorgeformten Enteignung gesprochen werden, die der Gesamtverantwortung der Besatzungsmacht zuzurechnen wäre. Anders als etwa bei der Bodenreform handelt es sich nicht um eine in einem gewissen zeitlichen Rahmen abgewickelte Aktion. So war im Jahr 1949 der Zeitpunkt, bis zu dem alle zunächst als Apotheken in Privatbesitz weitergeführten Apotheken letztlich in staatliche Regie übernommen sein würden, auch nicht annähernd abzusehen. Wie im Übrigen die Änderungen des Apothekenrechts in der DDR im Jahre 1961 (vgl. die Zweite Verordnung über die Organisation des Apothekenwesens – Apothekenordnung – vom 15. Juni 1961 [GBl II S. 255] in Verbindung mit der Dritten Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Organisation des Apothekenwesens vom 15. Juni 1961 [a.a.O.]) zeigen, mit denen eine beschränkte Übertragbarkeit der Apotheken im Privatbesitz an Familienangehörige ermöglicht wurde, handelt es sich auch nicht um ein von der Besatzungsmacht zwingend vorgegebenes, von der DDR ohne weitere Änderung durchzuführendes Programm.
2. Dagegen verstößt die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Apothektenbetrieb des Erblassers sei von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen gewesen, gegen Bundesrecht. Zu Unrecht meint das Verwaltungsgericht, die Apotheke sei im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG entschädigungslos enteignet worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Enteignung im Sinne dieser Vorschrift nicht vor, wenn lediglich eine Bindung konkretisiert wurde, die dem einschlägigen Recht von vornherein inne wohnte. So hat das Bundesverwaltungsgericht schon im vorigen Jahrtausend wiederholt entschieden, dass die nach dem Tode eines DDR-Neubauern erfolgte Rückführung seiner Bodenreformgrundstücke in den staatlichen Bodenfonds keine entschädigungslose Enteignung darstellt (Urteile vom 25. Februar 1994 – BVerwG 7 C 32.92 – BVerwGE 95, 170 ≪172 ff.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 17 S. 8 ≪10 f.≫, vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 49.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 67 S. 188 ≪190≫ und vom 28. Juni 1996 – BVerwG 7 C 8.95 – BVerwGE 101, 287 ≪289≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 84 S. 250 ≪252≫). Dies gilt auch dann, wenn der Neubauer sich dem Druck zum Eintritt in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft durch Flucht aus der DDR entzog und daraufhin sein Bodenreformland an den staatlichen Bodenfonds zurückgeführt wurde (Beschluss vom 26. März 1997 – BVerwG 7 B 95.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 109), und beruht darauf, dass der Eigentümer von Bodenreformland gesetzlich verpflichtet war, das ihm vom Staat zugewiesene Land entsprechend den Grundsätzen der sozialistischen Bodenpolitik zu nutzen. Verletzte der Eigentümer diese Pflicht durch Aufgabe der Bodenreformwirtschaft, so trug der an die Verletzung anknüpfende Eigentumsentzug nur den immanenten Grenzen des Bodenreformeigentums Rechnung und stellt sich daher nicht als eine Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG dar.
Entsprechendes gilt, wenn das Nutzungsrecht an einem mit einem Eigenheim bebauten volkseigenen Grundstück entzogen wurde, weil der Rechtsinhaber das Eigenheim wegen Übersiedlung in die Bundesrepublik nicht dem gesetzlichen Zweck des Gebäudeeigentums entsprechend selbst bewohnte (Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 27.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 118 S. 356 ≪368≫). Auch dieses Recht war in der Weise inhaltlich beschränkt, dass es der Befriedigung bestimmter persönlicher Bedürfnisse von Bürgern der DDR, nämlich der persönlichen Wohnnutzung dienen sollte. Rechtliches Instrument zur Durchsetzung dieser Zweckbindung war das Nutzungsrecht. Fehlte es an der bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung, so konnte das Nutzungsrecht entzogen werden, womit zugleich auch das selbständige Gebäudeeigentum erlosch.
Der Verlust des Nutzungsrechts war eine zwangsläufige Folge der Ausreise, sodass die vorherige Verkaufsforderung durch DDR-Behörden auch keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellte (Urteile vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 38.95 – BVerwGE 102, 53 ≪56≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 86, vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 27.96 – a.a.O. S. 369 und vom 16. Juli 1998 – BVerwG 7 C 36.97 – BVerwGE 107, 156 ≪160≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 158 S. 488 ≪492≫; vgl. zur Forderung, vor der Ausreise Bodenreformeigentum aufzugeben, auch Urteile vom 28. Juni 1995 – BVerwG 7 C 52.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 48 S. 126 ≪128≫ und vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 49.94 – a.a.O. S. 189, 191 sowie Beschluss vom 26. März 1997 – BVerwG 7 B 95.97 – a.a.O.).
Nichts anderes ist für den hier vorliegenden Entzug der Betriebsbefugnis für eine Apotheke im Privatbesitz anzunehmen, wenn dieser auf der (illegalen) Übersiedlung des Apothekeninhabers in die Bundesrepublik beruhte. Nach § 7 Abs. 3 ApothVO 1949 mussten Apotheken in Privatbesitz von dem Inhaber selbst geleitet werden. Sie durften weder verpachtet noch Dritten zur Verwaltung überlassen werden. Die Befugnis zum Betrieb der Apotheke gemäß § 7 Abs. 2 ApothVO 1949 erlosch u.a., wenn der Apothekeninhaber gegenüber dem Landesgesundheitsamt schriftlich auf die Befugnis verzichtete (§ 10 Nr. 2 ApothVO 1949). Sie konnte nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ApothVO 1949 durch das Landesgesundheitsamt entzogen werden, wenn der Apothekeninhaber den Betrieb der Apotheke einstellte und unbefugt die Leitung einem anderen überließ. Der Weiterbetrieb der Apotheke konnte nur als Landesapotheke erfolgen (§ 5 Satz 2 ApothVO 1949). Der bisherige Inhaber einer Apotheke im Privatbesitz oder dessen Erben waren verpflichtet, dem neuen Träger der Apotheke die zur Einrichtung und zum Betrieb der Apotheke notwendigen Vorrichtungen, Gerätschaften und Warenvorräte zu überlassen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ApothVO 1949). Auf Verlangen des bisherigen Inhabers oder dessen Erben musste der neue Träger der Apotheke die Gegenstände mit Ausnahme nicht verkäuflicher oder verdorbener Arzneiwaren sowie von veralteten und nicht mehr brauchbaren Einrichtungsgegenständen zum Zeitwert übernehmen (§ 12 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ApothVO 1949). Sofern nicht vorher eine ablehnende Erklärung des neuen Trägers der Apotheke abgegeben wurde, hatten sich der bisherige Inhaber oder seine Erben innerhalb einer Frist von drei Monaten jeder anderweitigen Verfügung über diese Gegenstände zu enthalten (§ 12 Abs. 1 Satz 4 ApothVO 1949).
Die Regelungen zeigen, dass sowohl die Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens als auch irgendwelche immateriellen Werte des Betriebsvermögens mit dem Erlöschen oder dem Entzug der Betriebserlaubnis nicht mehr unternehmerisch genutzt werden konnten, sondern dem Inhaber oder seinen Erben nur der Anspruch auf Wertersatz für das Anlage- und Umlaufvermögen gegenüber dem neuen Träger der Apotheke verblieb. Das Unternehmen als solches hörte damit auf zu existieren.
Diese Voraussetzungen waren hier mit dem Verlassen der DDR durch den Apotheker erfüllt. Zwar hatte er nicht gegenüber dem Landesgesundheitsamt schriftlich auf seine Befugnis verzichtet, er konnte aber seiner Pflicht, die Apotheke persönlich zu leiten, nicht mehr nachkommen. Sein Verlassen der DDR konnte deswegen nur als Verzicht auf die Betriebsbefugnis verstanden werden. So ist es offenbar auch von den beteiligten Behörden gesehen worden. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts das gesamte Vermögen des Flüchtlings auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl 1952 I S. 615) beschlagnahmt und in Volkseigentum überführt wurde. Denn nach der Flucht von Heinz Leo J. gehörte das Unternehmen der Apotheke aus den dargelegten Gründen nicht mehr zu seinem Vermögen. Das ergibt sich auch daraus, dass – wie das Verwaltungsgericht weiter ausdrücklich festgestellt hat – der bei der Übergabe des Inventars an den neuen Träger der Apotheke nach § 12 Abs. 1 ApothVO 1949 zu leistende Wertersatz zunächst ermittelt und sodann auf der Grundlage der Verordnung von 1952 an den Staatshaushalt abgeführt wurde. Beschlagnahmt und in Eigentum des Volkes überführt wurde also nicht das Eigentum an dem Unternehmen, sondern der bei Erlöschen oder Entzug der Betriebserlaubnis verbleibende Anspruch auf Wertersatz. Anderenfalls hätte für die Ermittlung des Wertersatzes und dessen Abführung an den Staatshaushalt kein Bedürfnis bestanden. Auch sonst erfolgte die Übernahme der Apotheke in das staatliche Gesundheitswesen offenbar gänzlich auf der Grundlage der Apothekenverordnung von 1949. So ist der Staat nach der Flucht von Heinz Leo J. nicht etwa in dessen Rechtsstellung als Mieter der Geschäftseinrichtung eingetreten. Vielmehr wurde nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und den vom Gericht in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen auch der Zeitwert der Einrichtung festgesetzt und gegenüber der Vermieterin abgegolten.
Ein möglicher Restitutionsanspruch wegen des Entzugs des Heinz Leo Jahn zustehenden Wertersatzes ist nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.
3. Die Beigeladenen können die Feststellung ihrer Berechtigung hinsichtlich des Apothekenunternehmens auch deswegen nicht beanspruchen, weil sie nicht Rechtsnachfolger des Apothekeninhabers im Sinne des § 6 Abs. 1 a, § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die vom Vermögensgesetz erfassten Enteignungsmaßnahmen dinglich wirksam sind und deshalb der entzogene Vermögensgegenstand in Erbfällen vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes weder bei gesetzlicher noch bei testamentarischer Erbfolge zum Nachlass gehörte. Entsprechendes gilt bei derartigen Erbfällen für den Restitutionsanspruch. Dieser entsteht deswegen unmittelbar in der Person des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Geschädigten (Beschluss vom 7. September 1998 – BVerwG 8 B 118.98 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 40 S. 57 ≪60≫ m.w.N.). Die Person des Rechtsnachfolgers im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG muss deswegen unter Ausblendung der wiedergutzumachenden Enteignungsmaßnahme bestimmt, die Rechtsnachfolge in den entzogenen Gegenstand also nur hypothetisch im Wege einer Fiktion ermittelt werden (Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 43.95 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 23 S. 30 ≪32≫ und Beschluss vom 7. September 1998 – BVerwG 8 B 118.98 – a.a.O. S. 61). Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend Grund und Zweck der gesetzlichen Regelung darin gesehen, „dass der Vermögenswert, wenn er nicht dem Geschädigten durch Unrechtsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG entzogen worden wäre, mit dem Erbfall ebenso wie die übrigen zum Nachlass gehörenden Gegenstände auf den gesetzlich oder testamentarisch bestimmten Erben übergangen wäre, …” und dass „wegen dieses hypothetischen Vermögensübergangs … sich auch die Unrechtslage, die durch den Vermögensentzug geschaffen worden und nach dem Vermögensgesetz wieder gutzumachen ist, in der Person des Erben fortsetzt, der darum vom Gesetzgeber ebenfalls für anspruchsberechtigt erklärt worden ist” (Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 43.95 – a.a.O. und Beschluss vom 7. September 1998 – BVerwG 8 B 118.98 – a.a.O.).
Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Erbe eines geschädigten Neubauern nicht Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist (Urteile vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 43.95 – a.a.O. S. 31 ff. und vom 15. April 1997 – BVerwG 7 C 46.96 – VIZ 1997, 411 sowie Beschluss vom 27. Januar 2000 – BVerwG 8 B 346.99 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 42 S. 1 ≪2≫). Dies gilt auch dann, wenn der Erbe durch politische Verfolgung zur Flucht gezwungen und dadurch um seine Erwerbschance gebracht worden ist (Beschluss vom 7. November 2000 – BVerwG 7 B 142.00 – n.v., BA S. 3). Aus den oben dargelegten Gründen hörte ein als Apotheke in Privatbesitz betriebenes Unternehmen mit dem Tod des Apothekeninhabers auf zu existieren. Das Unternehmen als solches konnte weder von den Erben fortgesetzt noch auf andere übertragen werden. Ihnen verblieb lediglich der Anspruch auf Wertersatz für das noch vorhandene Anlage- und Umlaufvermögen. Unter diesen Umständen konnte ein Apothekenunternehmen unter der Geltung der Apothekenverordnung von 1949 nicht vererbt werden. Wurde es – wie hier – bereits zu Lebzeiten des bisherigen Apothekeninhabers zum Beispiel wegen Aufgabe der Betriebsbefugnis entzogen, so lässt sich ein Übergang des Unternehmens auf die Erben auch nicht hypothetisch feststellen. Die Erben wären daher hinsichtlich des Unternehmens selbst dann nicht Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG geworden, wenn das Unternehmen im Einzelfall durch eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) entzogen worden wäre.
Sind die Beigeladenen demnach nicht Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes, weil das Unternehmen keiner schädigenden Maßnahme nach § 1 VermG unterlag und die Beigeladenen auch nicht Rechtsnachfolger des Apothekeninhabers im Sinne des Vermögengesetzes geworden sind, steht ihnen auch der durch den angefochtenen Bescheid zuerkannte Anspruch auf Erlösauskehr nicht zu. Das Verwaltungsgericht hätte daher den Bescheid im angefochtenen Umfang aufheben müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Neumann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.01.2001 durch Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BuW 2001, 649 |
BVerwGE, 365 |
VIZ 2001, 193 |
NJ 2001, 132 |
NJ 2001, 438 |
ZErb 2001, 106 |