Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsgebühr bei Rücknahme eines Genehmigungsantrags. Entscheidung über Antrag auf Genehmigung einer atomaren Anlage. Antragsrücknahme vor Sachentscheidung der Behörde
Leitsatz (amtlich)
Eine gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG gebührenpflichtige „Entscheidung über einen Antrag nach § 7 AtG” liegt nicht vor, wenn der Genehmigungsantrag vor einer Sachentscheidung durch die Behörde zurückgenommen worden ist. Unter diesen Umständen rechtfertigt mangels eines fachgesetzlichen Gebührentatbestandes auch § 15 Abs. 2 VwKostG die Gebührenerhebung nicht.
Dem Gebührenschuldner stehen Prozeßzinsen wegen des bezahlten Gebührenbetrages nicht bereits ab Erhebung der Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid, sondern erst ab Rechtshängigkeit des bezifferten Rückzahlungsanspruchs zu (wie Urteil vom 24. September 1987 – BVerwG 2 C 27.84 – Buchholz 240 § 3 BBesG Nr. 5).
Normenkette
AtG § 21 Abs. 1 Nr. 1; AtVfV § 15; VwKostG §§ 11, 15 Abs. 2, § 21 Abs. 1; BGB § 291; VwGO § 113 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 16.10.1997; Aktenzeichen 5 UE 4141/95) |
VG Wiesbaden (Urteil vom 02.11.1995; Aktenzeichen 9/V E 135/95) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 1997 wird aufgehoben. Ferner werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 2. November 1995 und der Bescheid des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten vom 31. Januar 1995 aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5,52 Millionen DM zurückzuzahlen nebst 4 % Zinsen aus 1 Million DM seit dem 8. Februar 1995 und 4 % Zinsen aus 4,52 Millionen DM seit dem 15. Dezember 1997.
Im übrigen wird die im Revisionsverfahren erweiterte Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verwaltungsgebühr, die der Beklagte für ein von ihr betriebenes, durch Antragsrücknahme beendetes atomrechtliches Genehmigungsverfahren „Biblis C”) erhoben hat; zudem begehrt sie die Rückzahlung des von ihr zwischenzeitlich beglichenen Betrages.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1980 beantragte die Klägerin eine Genehmigung zur Errichtung eines neu konzipierten Kraftwerksblocks „C” am Kernkraftwerksstandort Biblis. Diesem Genehmigungsantrag traten die Firmen H. AG und K. AG bei. Die Investitionskosten für den Kraftwerksblock bezifferte die Klägerin im Jahr 1981 auf 3,2 Mrd. DM, für das Jahr 1989 ging sie von einem Betrag von rund 5,5 Mrd. DM aus. Das sodann aufgenommene Genehmigungsverfahren wurde im März 1984 im Einvernehmen der Beteiligten zum Ruhen gebracht und die Verwaltungstätigkeit weitgehend eingestellt, da die begehrte erste Teilerrichtungsgenehmigung nach Auffassung der Hessischen Landesregierung nicht erteilt werden konnte. Da nach einem Vermerk des Beklagten vom Oktober 1984 bis dahin bereits ein Verwaltungsaufwand i.H.v. 875 758 DM entstanden war, setzte das nunmehr zuständige Hessische Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit gegen die Klägerin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 15. November 1989 eine Vorschußzahlung von 1 Mio. DM auf voraussichtlich entstehende Gebühren fest. Dem kam die Klägerin nach.
Auf die Bitte der Klägerin vom April 1992, das Verfahren weiter ruhen zu lassen, teilte der Beklagte ihr mit Schreiben vom 28. September 1994 mit, er beabsichtige, im Hinblick auf die zwischenzeitlich verschärften atomgesetzlichen Voraussetzungen den Genehmigungsantrag abzulehnen. Daraufhin nahm die Klägerin ihren Antrag – auch im Namen der anderen Antragstellerinnen – zurück.
Nach vorheriger Anhörung setzte der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Januar 1995 gegen die Klägerin eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 5,52 Mio. DM fest, wovon bei Anrechnung des geleisteten Vorschusses noch 4,52 Mio. DM zu zahlen waren. Zur Begründung berief er sich auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG und führte im wesentlichen aus: Die dort geregelte Gebühr für atomrechtliche Entscheidungen entstehe auch bei Antragsrücknahme. Die Gebührenhöhe bemesse sich mangels aktueller Angaben der Klägerin auf der Grundlage der von ihr 1981 angegebenen voraussichtlichen Errichtungskosten unter Einbeziehung der allgemeinen Teuerungsrate bis zum Beginn des Ruhens des Verwaltungsverfahrens im Jahre 1984. Die danach auf der Grundlage von Gesamterrichtungskosten in Höhe von 3,6 Mrd. DM zu berechnende Gebühr sei gemäß § 15 Abs. 2 VwKostG um ein Viertel zu ermäßigen; für eine weitergehende Minderung oder einen teilweisen Billigkeitserlaß sah der Beklagte keine Veranlassung.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Nachdem sie erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und am 27. Juli 1995 auch den Restbetrag in Höhe von 4,52 Mio. DM bezahlt hatte, hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden ihre Klage, mit der sie die Gebührenerhebung sowohl dem Grunde nach – mangels Erfüllung des gesetzlichen Gebührentatbestandes – als auch der Höhe nach angegriffen hat, mit Urteil vom 2. November 1995 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin – mit der sie in erster Linie erneut geltend gemacht hat, bei Rücknahme eines Antrags nach § 7 AtG liege keine gebührenpflichtige „Entscheidung” im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG vor – mit Urteil vom 16. Oktober 1997 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt: § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG erfasse auch den Fall der Antragsrücknahme vor Beendigung der durch den Antrag ausgelösten Amtshandlung. Gemäß § 21 Abs. 3 AtG werde „das Nähere” durch die Kostenverordnung zum Atomgesetz „nach den Grundsätzen des Verwaltungskostengesetzes” geregelt. Der Gebührentatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG beziehe sich auf den Regelfall, in dem die durch den Genehmigungsantrag ausgelöste Amtshandlung durch einen positiven oder negativen Bescheid beendet werde. Allerdings beschränke er sich nicht auf diese Konstellation, wie sich aus dem Verweis auf das Verwaltungskostengesetz und damit aus dessen Amtshandlungsbegriff ergebe. Die in § 15 Abs. 2 VwKostG vorgeschriebene Ermäßigung der Gebühr für den Fall der Antragsrücknahme bei noch nicht abgeschlossener Amtshandlung zeige, daß nach den Grundsätzen des Verwaltungskostenrechts eine Amtshandlung mit der Bearbeitung des eingegangenen Antrags beginne und mit einem bestimmten Ergebnis ende. Zwar enthalte § 15 Abs. 2 VwKostG keinen selbständigen Gebührentatbestand, indes regele diese Norm auch die kostenrechtlichen Konsequenzen im Falle der Rücknahme eines auf die Durchführung einer gebührenpflichtigen Amtshandlung gerichteten Antrags, wenn und soweit der spezialgesetzliche Gebührentatbestand die Amtshandlung als solche und nicht nur ein bestimmtes Ergebnis für gebührenpflichtig erkläre. § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG begründe in diesem Sinne die Gebührenpflicht nicht nur für ein bestimmtes Ergebnis der Verwaltungstätigkeit, sondern für die Amtshandlung als solche. Deshalb sei in ihr mit dem Begriff der „Entscheidung” nur der intendierte Endpunkt der gebührenpflichtigen Amtshandlung festgelegt, nicht aber die Gebührenpflicht darauf beschränkt worden; gebührenpflichtig sei die Amtshandlung, die durch den Antrag ausgelöst werde, nicht allein die Entscheidung selbst. Dieses Auslegungsergebnis folge nicht nur aus den Grundsätzen des Verwaltungskostenrechts, sondern ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Die 1980 erfolgte Ersetzung des Begriffs „Genehmigung” durch jenen der „Entscheidung” in § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG bedeute nicht, daß nach der zuvor geltenden Rechtslage ablehnende Entscheidungen keine Gebührenpflicht ausgelöst hätten; vielmehr sei die Neufassung nur als Klarstellung zur Vermeidung von Mißverständnissen anzusehen. Auch der systematische Zusammenhang des Atomgesetzes und der 1981 neugefaßten Kostenverordnung zum Atomgesetz mit dem Verwaltungskostengesetz und insbesondere dessen § 11 Abs. 1 sprächen für eine Gebührenpflicht im vorliegenden Falle; dies entspreche schließlich auch dem Zweck der Norm, eine umfassende und kostendeckende Gebührenerhebung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu erreichen. Die Einwände der Klägerin gegen die Höhe der festgesetzten Gebühr seien ebenfalls nicht begründet, da das hier allein in Betracht kommende generelle Kostendeckungsprinzip – bezogen auf die gesamte Leistungssparte der Verwaltung – nicht verletzt sei. Überdies lasse § 21 Abs. 3 S. 3 AtG bei begünstigenden Amtshandlungen – hierfür genüge es, wenn eine solche angestrebt werde – neben dem Verwaltungsaufwand die Berücksichtigung der Bedeutung, des wirtschaftlichen Werts oder des sonstigen Nutzens für den Gebührenschuldner und damit die Überschreitung der Kosten der Verwaltung zu. Durch die konkrete Gebührenberechnung des Beklagten nach den Errichtungskosten im Jahre 1984 – anstatt nach dem Zeitpunkt der Antragsrücknahme – werde die Klägerin begünstigt; im übrigen sei die Kostenermittlung nicht zu beanstanden.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin im wesentlichen, das angefochtene Urteil verletze mit der Bejahung des Gebührentatbestandes und der Billigung der Gebührenhöhe § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AtG.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 2. November 1995 sowie den Bescheid des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten vom 31. Januar 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 5,52 Mio. DM nebst 4 % Zinsen aus 1 Mio. DM seit dem 8. Februar 1995 und 4 % Zinsen aus 4,52 Mio. DM seit dem 27. Juli 1995 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält das Berufungsurteil ebenfalls für richtig.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage unter Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der angefochtene Gebührenbescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO – hierzu 1. –). Die daran anknüpfende Leistungsklage auf Rückzahlung der bereits entrichteten Gebühr ist einschließlich des geltend gemachten Zinsanspruchs im wesentlichen ebenfalls begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 21 Abs. 1 VwKostG und § 291 BGB – hierzu 2. –).
1. Der angefochtene Gebührenbescheid findet in § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Atomgesetzes – AtG – keine Grundlage. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG können Gebühren nur für „Entscheidungen” über Anträge u.a. gemäß § 7 AtG auf Genehmigung der Errichtung einer atomaren Anlage erhoben werden. An einer solchen Entscheidung der Behörde fehlt es hier; denn durch die Rücknahme des Genehmigungsantrags im Oktober 1994 hat die Klägerin einer behördlichen Sachentscheidung im Verwaltungsverfahren den Boden entzogen. Die Antragstellung, das Betreiben des Verwaltungsverfahrens und die Antragsrücknahme sind aber nach dem atomgesetzlichen Gebührentatbestand nicht gebührenpflichtig; dieser begründet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und des Beklagten keine Gebührenpflicht für den Vorgang der Entscheidungsfindung im Sinne eines „prozeßhaften” Entscheidungsbegriffs oder für die „Amtshandlung als solche” im Sinne der bloßen Verfahrensbearbeitung. Nicht gebührenpflichtig wäre danach – wie zur Klarstellung hinzuzufügen ist – auch die lediglich deklaratorische förmliche oder konkludente Einstellungsverfügung einer Behörde nach Rücknahme eines Antrags gemäß § 7 AtG.
a) Die Revision hat schon den Wortlaut der Vorschrift auf ihrer Seite. Weder nach dem allgemeinen noch nach dem juristischen Sprachgebrauch liegt die Auslegung der Vorschrift durch das Berufungsgericht nahe. Danach wird im allgemeinen als „Entscheidung” die Auswahl aus mehreren Möglichkeiten, die Reduzierung einer größeren Anzahl von Handlungs- oder Ergebnismöglichkeiten zugunsten einer bestimmten Möglichkeit, d.h. im Kern ein Ereignis bezeichnet, das einen Prozeß abschließt und ein bestimmtes Ergebnis herbeiführt (vgl. u.a. Brockhaus, Enzyklopädie, 20. Auflage, Band 6, Stichwort: Entscheidung). Der spezifisch juristische Sprachgebrauch mißt dem Entscheidungsbegriff – wie beispielhaft dessen Bedeutung im Gerichts- oder Verwaltungsverfahren belegt – regelmäßig keinen anderen Sinngehalt bei. Auch dort sind „Entscheidungen” Akte, die in Abgrenzung von der bloßen Tätigkeit der Behörde etwa im Verwaltungsverfahren unmittelbar die Herbeiführung einer Rechtsfolge bewirken, also abschließende Regelungen zum Gegenstand haben (vgl. §§ 9, 35 VwVfG).
b) Diese Wortlautauslegung wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Der Gesetzgeber hat bei der Novellierung des § 21 AtG im Jahre 1980 (vgl. Gesetz vom 20. August 1980 ≪BGBl I S. 1556≫) die Bestimmung des Begriffs der „Entscheidung” im atomrechtlichen Verfahren durch § 15 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung – AtVfV – vom 18. Februar 1977 – BGBl I S. 280 –) vorgefunden. Darin wird ausdrücklich zwischen regelnden (Sach-)”Entscheidungen” (§ 15 Abs. 1 bis 3 AtVfV) und dem Verfahrensabschluß „auf andere Weise” (§ 15 Abs. 4 AtVfV) unterschieden. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des Beklagten wird damit nicht der Verfahrensabschluß „in anderer Weise” – etwa durch Antragsrücknahme – dem Begriff der Entscheidung unterstellt. § 21 Abs. 1 AtG differenziert dementsprechend ebenfalls zwischen „Entscheidungen” (Abs. 1 Nr. 1) und „sonstigen Amtshandlungen” (Abs. 1 Nr. 4). Dieser Umstand spricht ebenfalls gegen eine Auslegung des Entscheidungsbegriffs, die inhaltlich der bloßen Verfahrenstätigkeit oder der allgemeinen Amtshandlung gleich- oder nahekäme. Auch in anderen gesetzlichen Materien wird – wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat – die Gebührenpflicht in Fällen der Antragsrücknahme ausdrücklich geregelt und nicht etwa von den Gebührentatbestand der Sachentscheidung mit umfaßt (vgl. u.a. § 81 Abs. 5 AuslG). Daran ändert sich auch durch die Bezugnahme auf das Verwaltungskostengesetz nichts. Dieses Gesetz setzt fachgesetzliche Gebührentatbestände voraus und kann diese weder ersetzen noch erweitern (Urteile vom 1. Dezember 1989 – BVerwG 8 C 14.88 – BVerwGE 84, 178 ≪182≫ = Buchholz 310 § 73 VwGO Nr. 31 S. 4 ≪6≫ und vom 30. August 1972 – BVerwG VIII C 2.72 – BVerwGE 40, 313 ≪315≫ = Buchholz 310 § 72 VwGO Nr. 5 S. 3 ≪4≫); es ist in diesem Sinne subsidiär. Sieht aber die gesetzliche Ermächtigung des § 21 Abs. 1 AtG die Gebührenpflicht für atomrechtliche Genehmigungsverfahren, die infolge Antragsrücknahme ohne Sachentscheidung geendet haben, nicht vor, vermag deshalb auch § 15 Abs. 2 VwKostG den Gebührenbescheid nicht zu tragen. Soweit der Beklagte die wortlautgetreue Auslegung des Entscheidungsbegriffs durch den Hinweis auf § 11 VwKostG – wonach die Gebührenschuld mit Antragseingang entsteht – in Zweifel zieht, verkennt er, daß auch § 11 VwKostG einen fachgesetzlichen Gebührentatbestand voraussetzt und nur dann den Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld regelt.
c) Auch die Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG in der hier zugrunde zu legenden Fassung spricht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts und des Beklagten. Die – unter anderen rechtlichen Voraussetzungen – in § 6 der Kostenverordnung zum Atomgesetz vom 2. Juli 1962 (BGBl I S. 440) früher vorgesehene Gebührenpflicht auch bei Antragsrücknahme und ablehnenden Behördenentscheidungen zu Anträgen gemäß § 7 AtG ist in den nachfolgenden Novellierungen des Atomgesetzes nicht übernommen worden. Vielmehr waren gemäß § 21 Abs. 1 AtG i.d.F. des Kostenermächtigungs-Änderungsgesetzes vom 23. Juni 1970 (BGBl I S. 805 ≪819≫) nur „Genehmigungen nach § … 7 „gebührenpfichtig”; in der amtlichen Begründung wird ausdrücklich auf die „abschließende Regelung der Kostentatbestände … im atomrechtlichen Verwaltungsverfahren” sowie „die abschließende Aufzählung der Tatbestände” in Absatz 1 hingewiesen (BTDrucks VI/329 S. 33 f.). Durch die im Jahre 1980 in Kraft getretene (vgl. Änderungsgesetz vom 20. August 1980 ≪BGBl I S. 1556≫), hier zugrunde zu legende Fassung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG sollten ausweislich der amtlichen Begründung (vgl. BTDrucks 8/3195 S. 5) in Erweiterung der bisherigen Fassung nunmehr auch ablehnende Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung von Anlagen nach § 7 kostenmäßig erfaßt werden; damit sollte eine „umfassende Regelung der Kostenvorschriften für Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren und Entgelte, Beiträge und Auslagen hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Atomgesetzes” geschaffen werden (BTDrucks 8/3195, S. 5 unter Ziff. 1). Diese Entwicklung des Gebührentatbestandes verdeutlicht, daß der Atomgesetzgeber nicht – wie der Beklagte meint – von jeher alle Entscheidungen im Genehmigungsverfahren für gebührenpflichtig gehalten hat; um so weniger läßt sich der Entstehungsgeschichte ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß mit der Formulierung „Entscheidung” auch die Gebührenpflicht für Fälle der Antragsrücknahme und demzufolge der unterbliebenen Sachentscheidung mit umfaßt sein sollte. Dagegen spricht schießlich auch der Umstand, daß der Gesetzgeber selbst diesen Sachverhalt für regelungsbedürftig gehalten hatte und in § 21 Abs. 1 AtG ausdrücklich die Antragsrücknahme als gebührenpflichtigen Tatbestand aufnehmen wollte; ein entsprechender Gesetzentwurf aus dem Jahre 1994 war aber wegen des Endes des Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt worden (vgl. BTDrucks 12/7358 S. 6). Bei diesen – nicht verwirklichten – Gesetzesvorhaben ging der Gesetzgeber davon aus, daß mit der Neuregelung eine Anpassung an den – gleichzeitig zu ändernden – § 15 VwKostG erfolge und damit (erstmals) für Fälle der Antragsrücknahme „eine Gebührenpflicht begründet” werde (BTDrucks 12/7358 S. 11 f.).
d) Der von den Beklagten hervorgehobene Zweck der Neufassung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AtG – nämlich möglichst kostendeckende Gebühren zu erzielen – vermag angesichts dessen das von dem Beklagten und dem Berufungsgericht für richtig gehaltene erweiterte Verständnis des Begriffs der Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr in Wahrheit den Bereich der Auslegung verlassen und einen – im Abgabenrecht unzulässigen – Analogieschluß vorgenommen (vgl. hierzu Urteil vom 1. März 1996 – BVerwG 8 C 29.94 – BVerwGE 100, 323 ≪332≫ = Buchholz 451.22 § 12 AbfG Nr. 1 S. 1 ≪9≫). Auch die Verwirklichung dieses Zwecks setzt nämlich einen eindeutig bestimmten gesetzlichen Gebührentatbestand voraus; die teleologische Auslegung findet ihre Grenze an dem äußersten Wortsinn. Dieser läßt die Einordnung des Falles der Antragsrücknahme unter den Begriff der Entscheidung vor dem Hintergrund der Entstehung dieses Gebührentatbestandes nicht zu. Im übrigen ist die kostenmäßige „Honorierung” der Antragsrücknahme vor einer Sachentscheidung auch bei bereits in erheblichem Umfang entstandenem Verwaltungsaufwand in der Rechtsordnung nicht ungewöhnlich, wie die differenzierten Kostenregelungen für das gerichtliche Verfahren beispielhaft belegen.
e) Auf die hilfweisen Einwände der Revision gegen die Bemessung der Gebührenhöhe kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
2. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist ebenfalls begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann gleichzeitig mit der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts ausgesprochen werden, daß und wie dessen Vollziehung rückgängig gemacht wird. Der Klägerin steht ein derartiger Anspruch zu. Sie hat die durch den angefochtenen Bescheid festgesetzte Gebühr in Höhe von insgesamt 5,52 Millionen DM bezahlt; der Verwaltungsakt ist damit im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO „vollzogen”. Der Folgenbeseitigungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 21 Abs. 1 VwKostG. Danach sind „überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten”.
a) Da in dem angefochtenen Bescheid vom 31. Januar 1995 die gesamte Gebühr in Höhe von 5,52 Millionen DM festgesetzt und damit in Höhe von 1 Million der Vorauszahlungsbescheid aus dem Jahre 1989 als Rechtsgrund abgelöst worden ist (vgl. hierzu Beschluß vom 19. Dezember 1997 – BVerwG 8 B 244.97 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 251 S. 43 ≪44 f.≫), entfällt mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Rechtsgrund für den weiteren Verbleib des gesamten Gebührenbetrages, also auch für den als Vorschuß vorausgeleisteten Teilbetrag in Höhe von 1 Million DM. Der bestandskräftig gewordene Vorausleistungsbescheid steht dem nicht im Sinne von § 21 Abs. 1 VwKostG entgegen, da er sich durch den nachfolgenden endgültigen Gebührenbescheid erledigt hat.
b) Da die Klägerin die Rückzahlung des vorausgeleisteten Teilbetrages über 1 Million DM von Anfang an mit ihrer Anfechtungsklage verbunden hatte und auf diesen bezifferten Geldleistungsanspruch § 291 BGB entsprechend anwendbar ist (vgl. Urteile vom 9. November 1976 – BVerwG III C 56.75 – BVerwGE 51, 287 ≪288≫ = Buchholz 427.3 § 295 LAG Nr. 8 S. 1 ≪2≫ und vom 24. September 1987 – BVerwG 2 C 27.84 – Buchholz 240 § 3 BBesG Nr. 5; Beschluß vom 4. Mai 1994 – BVerwG 1 B 26.94 – Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 9), stehen ihr hinsichtlich dieses Teilbetrages die beantragten Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit, d.h. seit dem 8. Februar 1995, zu. Anders verhält es sich mit dem erstmals durch den Revisionsbegründungsschriftsatz vom 10. Dezember 1997 – bei Gericht eingegangen am 15. Dezember 1997 – geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich des am 27. Juli 1995 gezahlten Restbetrags in Höhe von 4,52 Millionen DM. Zwar kann der Folgenbeseitigungsanspruch gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch noch im Revisionsverfahren geltend gemacht werden; § 142 VwGO steht dem nicht entgegen (Urteil vom 10. November 1965 – BVerwG V C 100.64 – BVerwGE 22, 314 ≪315≫ = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 22 S. 38 f.; Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113, Rn. 59; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage, § 142 Rn. 2 und § 113 Rn. 93). Prozeßzinsen gemäß § 291 BGB stehen der Klägerin insoweit jedoch nicht schon – wie sie beantragt – ab dem Zeitpunkt der Zahlung, sondern erst ab Rechtshängigkeit zu. Die Rechtshängigkeit dieses Leistungsanspruchs wird nicht bereits durch die Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid, sondern erst durch die Geltendmachung eines bezifferten Leistungsanspruchs auf Rückzahlung bewirkt. Dies ist – wie bereits erwähnt – erst mit dem am 15. Dezember 1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geschehen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach entschieden, daß der Zinsanspruch von der Erhebung der Leistungsklage abhängt, die Anfechtungsklage gegen den rechtswidrigen Bescheid hingegen für den Anspruch auf Prozeßzinsen nicht genügt (Urteil vom 24. September 1987 – BVerwG 2 C 27.84 –, a.a.O.; Beschluß vom 4. Mai 1994 – BVerwG 1 B 26.94 –, a.a.O.). Soweit die Klägerin bezüglich des Restbetrages in Höhe von 4,52 Millionen DM Prozeßzinsen für die Zeit vom 27. Juli 1995 bis zum 15. Dezember 1997 geltend macht, muß daher die im Revisionsverfahren erweiterte Klage abgewiesen werden.
Der Beklagte trägt gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens, da die Klägerin nur geringfügig hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs unterlegen ist und dieser Unterliegensanteil im übrigen mangels Auswirkung auf den Streitwert keine besonderen Kosten verursacht hat.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer, Golze, Postier
Fundstellen
BVerwGE |
BVerwGE, 364 |
NVwZ 2000, 77 |
RdE 1999, 197 |
BayVBl. 2000, 185 |
DVBl. 1999, 1650 |
UPR 2000, 40 |