Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensrestitution. Einzelrestitution. Rückgabe von Unternehmensresten. Erbbaurechte. Unmöglichkeit der Rückgabe
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Rückgabe von Unternehmensresten nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG erstreckt sich nicht auf ein Erbbaurecht, das zwar ehemals zum Betriebsvermögen des stillgelegten Unternehmens gehörte, später aber im Grundbuch gelöscht worden ist.
Normenkette
VermG § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a S. 1, § 4 Abs. 1 Sätze 1-2, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 6a S. 1
Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 12.10.1995; Aktenzeichen 3 K 1636/94) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Oktober 1995 wird aufgehoben, soweit es den Anspruch der Klägerin auf Rückübertragung von Erbbaurechten betrifft.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine GmbH, begehrt die Rückübertragung von Erbbaurechten nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG).
Die Klägerin betrieb Immobiliengeschäfte. Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter war seit 1936 Herr Dr. Otto E…. Nachdem dieser aus der DDR geflohen war, wurde die Klägerin mit Urkunde des Rates der Stadt L… vom 15. August 1951 unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt. Im Jahre 1954 wurde das Betriebsvermögen der Klägerin, zu dem Erbbaurechte an drei in L…-L… gelegenen Wohngrundstücken gehörten, auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt und die Klägerin im Handelsregister gelöscht. Im Jahre 1963 wurden die Erbbaurechte der Klägerin im Grundbuch gelöscht und die Erbbaugrundbuchblätter geschlossen.
Auf den von den Erben des Herrn Dr. E… gestellten Restitutionsantrag lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 18. November 1994 die Rückübertragung des Unternehmens der Klägerin und ebenso auch die Rückübertragung ihrer früheren Erbbaurechte ab; zugleich stellte es fest, daß die Klägerin Berechtigte sei und daß ihr wegen des erlittenen Vermögensverlustes ein Entschädigungsanspruch zustehe. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Klägerin von einer entschädigungslosen Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1a VermG betroffen und daher Berechtigte im Sinne von § 6 Abs. 1a Satz 1 VermG sei. Dennoch könne sie gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG die Restitution ihres Unternehmens nicht verlangen, weil dieses seinen Geschäftsbetrieb eingestellt habe und eine Wiederaufnahme einer Neugründung gleichkäme. In Betracht komme nur ein Anspruch auf Rückgabe von einzelnen ehemals zum Betriebsvermögen gehörigen Vermögensgegenständen nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG. Eine Wiederbegründung von Erbbaurechten sei indes im Rahmen der Unternehmensrestitution nach § 6 VermG nicht möglich. Über die Rückgabe des sonstigen früheren Grundvermögens der Klägerin werde gesondert entschieden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben, mit der sie zunächst die Rückübertragung ihres Unternehmens oder eines vergleichbaren Unternehmens, hilfsweise die Rückübertragung ihrer früheren Erbbaurechte erstrebt hat. Später hat sie das Klagebegehren auf die Rückübertragung der Erbbaurechte beschränkt.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Beklagten zur Rückübertragung der umstrittenen Erbbaurechte verpflichtet und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Das von der Klägerin aufrechterhaltene Klagebegehren sei nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG begründet. Die Erbbaurechte seien Vermögensgegenstände, die aus dem stillgelegten Unternehmen stammten. Ihre Rückübertragung scheitere nicht daran, daß sie im Grundbuch gelöscht und damit nicht mehr vorhanden seien. Entscheidend sei, daß ein Erbbaurecht ein eigentumsähnliches Recht sei, das nicht losgelöst von dem jeweils auf seiner Grundlage errichteten Gebäude gesehen werden könne. Die von der Klägerin errichteten Wohngebäude seien als Vermögensgegenstände im Sinne von § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG weiterhin vorhanden. Die Erbbaurechte der Klägerin müßten frei von Grundpfandrechten und ohne die Anordnung von Ablösungszahlungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Inhalt wiederbegründet werden; Vorranggläubigeransprüche seien nicht zu berücksichtigen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt. Er macht geltend, ein in Volkseigentum überführtes und im Grundbuch gelöschtes Erbbaurecht könne auf der Grundlage des einen Unterfall der Unternehmensrestitution regelnden § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG nicht wiederbegründet werden. Eine solche Wiederbegründung komme nur im Rahmen der Einzelrestitution nach § 3 VermG in Betracht.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren ebenso wie im Verfahren erster Instanz nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141, § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage, soweit sie von der Klägerin aufrechterhalten worden ist, zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat nach dem Vermögensgesetz keinen Anspruch auf Rückübertragung der umstrittenen Erbbaurechte.
Da die Klägerin den Bescheid des Beklagten nur noch insoweit anficht, als darin die Rückübertragung der Erbbaurechte abgelehnt worden ist, steht aufgrund des übrigen Inhalts des Bescheids bestandskräftig fest, daß die Klägerin wegen der entschädigungslosen Enteignung ihres Betriebsvermögens im Jahre 1954 Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1a VermG ist, daß sie aber gleichwohl das ihr entzogene Unternehmen nicht zurückverlangen kann, weil dieses zugleich mit der Enteignung des Betriebsvermögens auf Dauer stillgelegt worden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VermG). In derartigen Fällen kann der frühere Eigentümer des Unternehmens gemäß § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG die Rückgabe derjenigen Vermögensgegenstände verlangen, die sich im Zeitpunkt der Schädigung in seinem Eigentum befanden oder an deren Stelle getreten sind. Diese Regelung rechtfertigt jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts den Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Erbbaurechte nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Restitution nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG um einen der Einzelrestitution angenäherten Sonderfall der Unternehmensrestitution (vgl. Urteil vom 26. Mai 1994 – BVerwG 7 C 15.93 – Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 6; Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 45.94 – VIZ 1996, 210). Da dieser Restitutionsanspruch den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG entfallenen Anspruch auf Rückgabe des Unternehmens nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG fortsetzt, müssen sich die zurückzugebenden Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt der Stillegung des Unternehmens in dessen Betriebsvermögen befunden haben (Urteil vom 26. Mai 1994 – BVerwG 7 C 15.93 – a.a.O. S. 12). Soweit diese sogenannten Unternehmensreste nach ihrem liquidationsbedingten Ausscheiden aus dem Unternehmensvermögen Veränderungen erfahren haben, unterliegen sie grundsätzlich den allgemeinen Regeln über die Restitution einzelner Vermögensgegenstände, insbesondere den Vorschriften über den Wegfall des Restitutionsanspruchs wegen Unmöglichkeit der Rückgabe nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 VermG (vgl. Beschluß vom 14. November 1994 – BVerwG 7 B 128.94 – Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 10; Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 45.94 – a.a.O. S. 212). Die Rückgabe eines Unternehmensrestes nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG setzt mithin ebenso wie die Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG voraus, daß sie nicht “von der Natur der Sache her” unmöglich oder, anders ausgedrückt, daß der zurückzugebende Vermögenswert zum Rückgabezeitpunkt noch vorhanden ist. An dieser Voraussetzung fehlt es hier, weil die ehemals zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörigen und das Gebäudeeigentum als ihren wesentlichen Bestandteil einschließenden (§ 12 ErbbauRVO) Erbbaurechte, auf die sie Anspruch erhebt, im Jahre 1963 – offenbar im Hinblick darauf, daß sich das Grundstückseigentum und das Eigentum an den Erbbaurechten in der Hand des Staates vereinigt hatte – gelöscht worden sind. Ein solcher Untergang des zurückzugebenden Rechts schließt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG die Rückgabe aus, sofern das Vermögensgesetz nicht ausnahmsweise, wie etwa in § 3 Abs. 1a Satz 1 VermG, eine Wiederbegründung des untergegangenen Rechts vorsieht (vgl. Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 9.95 – ZOV 1996, 380).
Die zuletzt genannte Vorschrift des § 3 Abs. 1a Satz 1 VermG kommt der Klägerin nicht zugute. Diese Vorschrift regelt, wie sich aus ihrem systematischen Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG ergibt, die Restitution in den Fällen, in denen dem Restitutionsberechtigten ein dingliches Recht an einem Grundstück oder Gebäude durch eine Maßnahme im Sinne von § 1 VermG entzogen worden ist. In diesen Fällen ist in aller Regel das entzogene Recht nicht mehr im Grundbuch verzeichnet, weil daneben auch das belastete Grundstück selbst in Volkseigentum überführt wurde; infolgedessen ordnet das Vermögensgesetz insoweit die Wiedergutmachung zugunsten des früheren Rechtsinhabers in Gestalt der Wiederbegründung des entzogenen Rechts an (vgl. BRDrucks 227/92 S. 113 = BTDrucks 12/2480 S. 40). Im vorliegenden Fall geht es nicht um den Entzug eines dinglichen Rechts, sondern um den Entzug eines Unternehmens, das als solches in der Hand des Berechtigten nicht mehr wiederhergestellt werden kann, weil es stillgelegt worden ist. Auf den sich unter diesen Voraussetzungen anstelle des Anspruchs auf Unternehmensrückgabe ergebenden Anspruch auf Rückgabe der Unternehmensreste nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG ist § 3 Abs. 1a Satz 1 VermG nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht anwendbar. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Denn der Anspruch auf Rückgabe von Unternehmensresten durchbricht seinerseits bereits den Grundsatz, daß der Restitutionsanspruch bei Unmöglichkeit der Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts entfällt, und kann deshalb nicht im Wege eines Analogieschlusses auf Fälle ausgedehnt werden, in denen der jeweils beanspruchte Unternehmensrest – hier die zurückverlangten Erbbaurechte – ebenfalls nicht mehr vorhanden ist. Dieser Anspruch ist vielmehr strikt auf die von dem entzogenen Unternehmen noch verbliebenen Vermögensgegenstände beschränkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Herbert, Dr. Brunn
Fundstellen