Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstherrnwechsel. Übernahme in ein Beamtenverhältnis mit einem anderen Dienstherrn. Dienstherrnfähigkeit. Stiftung des öffentlichen Rechts. Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer Stiftung. Stiftungsverordnung. Grundstockvermögen. Finanzhilfe des Landes. Präsidium der Hochschule. Senat der Hochschule. Stiftungsrat. Mitglieder des Stiftungsrats. Wissenschaftsfreiheit. wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Freiheit von Forschung und Lehre. Einfluss der Hochschullehrer. Wissenschaftsadäquanz
Leitsatz (amtlich)
Eine Stiftung, die nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz die Trägerschaft einer Hochschule übernommen hat, darf die an der Hochschule tätigen Landesbeamten in ihren Dienst übernehmen.
Die Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer zu diesem Zweck errichteten Stiftung ist mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
Die am 1. Oktober 2002 bestehenden Übergangssenate der niedersächsischen Hochschulen waren berechtigt, deren Überführung in die Trägerschaft einer Stiftung zu beschließen.
Das Fachministerium muss durch Ausübung seines Weisungsrechts gegenüber der Stiftung eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht gegenüber der Hochschule sicherstellen.
Art. 5 Abs. 3 GG verlangt den maßgeblichen Einfluss des Senats einer niedersächsischen Hochschule auf die Bestellung und Entlassung der Mitglieder des Stiftungsrats und des Präsidiums.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 5; BRRG §§ 121, 128 Abs. 3-4, § 129 Abs. 3-4, § 133; NHG §§ 38-39, 55-62
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 05.12.2007; Aktenzeichen 5 LB 344/07) |
VG Göttingen (Entscheidung vom 29.03.2006; Aktenzeichen 3 A 510/03) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen die Übernahme in ein Beamtenverhältnis mit der beklagten Stiftung. Er wurde im Mai 1975 unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit von dem beigeladenen Land zum ordentlichen Professor ernannt und in eine entsprechende Planstelle an der Universität G… eingewiesen. Dort wurde ihm der Lehrstuhl für … übertragen.
Rz. 2
Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 können Hochschulen auf ihren Antrag von der Trägerschaft des Beigeladenen in die Trägerschaft einer rechts- und dienstherrnfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts überführt werden. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Oktober 2002 beschloss der Senat der Universität G… am 16. Oktober 2002 mit einer Mehrheit von zwölf der dreizehn stimmberechtigten Mitglieder, den Überführungsantrag zu stellen. Daraufhin erließ die Landesregierung am 17. Dezember 2002 die Stiftungsverordnung über die Errichtung der Beklagten. Diese Verordnung trat am 1. Januar 2003 in Kraft.
Rz. 3
Im Januar 2003 ordnete der Präsident der Beklagten die Übernahme des Klägers in deren Dienst an. In dem Bescheid heißt es, das Beamtenverhältnis des Klägers werde mit der Beklagten fortgesetzt, die als neuer Dienstherr an die Stelle des Beigeladenen trete. Zugleich übertrug der Präsident dem Kläger das Amt eines Universitätsprofessors an der Universität G… und wies ihn in eine Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 ein. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene, in erster Instanz erfolgreiche Klage hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es im Wesentlichen:
Rz. 4
Eine dienstherrnfähige juristische Person des öffentlichen Rechts könne Beamte eines anderen Dienstherrn gegen deren Willen in ihren Dienst übernehmen, wenn ihr Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich des bisherigen Dienstherrn übertragen worden seien. Dieser unfreiwillige Dienstherrnwechsel setze voraus, dass das Amt des Beamten bei seinem bisherigen Dienstherrn von dem Aufgabenübergang berührt werde. Das Amt müsse in einen anderen rechtlichen Verantwortungszusammenhang gestellt werden.
Rz. 5
Diese Voraussetzung liege für diejenigen Beamten des Beigeladenen vor, die am 1. Januar 2003 an der Universität G… tätig gewesen seien. Der Übergang der Trägerschaft auf die Beklagte habe dazu geführt, dass diese an Stelle des Beigeladenen für die personelle und sachliche Ausstattung der Universität verantwortlich sei. Nunmehr müsse die Beklagte die an der Universität eingerichteten Ämter, insbesondere die Professorenstellen, mit Beamten besetzen.
Rz. 6
Die beklagte Stiftung sei rechtswirksam errichtet worden. Hierfür komme es allein auf die Gültigkeit der Stiftungsverordnung an. Diese werde von der Nichtigkeit der gleichzeitig erlassenen Verordnung über den Bereich Humanmedizin der Universität G… nicht berührt. Auch komme es für die Errichtung der Beklagten nicht darauf an, ob der Landesgesetzgeber ihr das Eigentum an den für den Hochschulbetrieb benötigten Grundstücken habe übertragen können. Es reiche aus, dass deren dauerhafte Nutzung durch die Universität sichergestellt sei.
Rz. 7
Die Hochschulträgerschaft einer Stiftung sei mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Der Trägerwechsel habe keine nachteiligen Auswirkungen auf die freie wissenschaftliche Betätigung in Forschung und Lehre. Die Universität bleibe als Körperschaft bestehen, ihre akademische Selbstverwaltung werde nicht angetastet. Das Land stelle durch die jährliche Finanzhilfe an die Stiftung weiterhin die für den Wissenschaftsbetrieb erforderlichen Finanzmittel bereit. Die Stiftung unterliege der Rechtsaufsicht des Fachministeriums.
Rz. 8
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung von Bundesverfassungsrecht und einfachem Bundesrecht rügt.
Rz. 9
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2007 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 29. März 2006 zurückzuweisen.
Rz. 10
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 11
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 12
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Übernahme des Klägers in den Dienst der Beklagten vorgelegen haben. Die Beklagte ist rechtswirksam als rechts- und dienstherrnfähige juristische Person des öffentlichen Rechts errichtet worden.
Rz. 13
1. Die Übernahme des im Dienst des Beigeladenen stehenden Klägers in ein Beamtenverhältnis mit der Beklagten findet ihre Rechtsgrundlage in § 128 Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3, §§ 133, 121, 129 Abs. 3 und 4 des Beamtenrechtsrahmengesetzes – BRRG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl S. 654). Diese Bestimmungen stellten im hier maßgebenden Jahr 2003 wie alle Vorschriften des Kapitels II des Beamtenrechtsrahmengesetzes kein von den Ländern auszufüllendes Rahmenrecht dar, sondern galten einheitlich und unmittelbar als Bundesrecht. Sie begründeten Rechte und Pflichten für alle Beamten und ihre Dienstherren.
Rz. 14
Die Regelungen des § 128 Abs. 2 bis 4 BRRG ermöglichen, den Dienstherrn der Beamten ohne deren Zustimmung zu wechseln. Sie verstoßen nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Ein hergebrachter Grundsatz des Inhalts, dass Beamte auf Lebenszeit einem neuen Dienstherrn nicht gegen ihren Willen zugewiesen werden dürfen, besteht nicht, weil er sich bis zum Ende der Weimarer Republik nicht herausgebildet hat. Vielmehr wurden zwischen 1918 und 1932 verstärkt gesetzliche Regelungen eingeführt, die Beamte bei Umbildungen oder Änderungen der Aufgaben dienstherrnfähiger Körperschaften verpflichteten, in den Dienst eines anderen Dienstherrn zu treten (BVerfG, Beschluss vom 26. November 1963 – 2 BvL 12/62 – BVerfGE 17, 172 ≪187 f.≫).
Rz. 15
Übernahme im Sinne von § 128 Abs. 2 bis 4 BRRG bedeutet, dass das Dienstverhältnis der Beamten zu ihrem bisherigen Dienstherrn, der abgebenden Körperschaft, beendet und gleichzeitig ein neues Dienstverhältnis zu der aufnehmenden Körperschaft begründet wird. Der Dienstherrnwechsel wird konstitutiv durch Verwaltungsakt herbeigeführt, den gemäß § 129 Abs. 3 und 4 BRRG die aufnehmende Körperschaft erlässt (Urteil vom 27. Oktober 1970 – BVerwG 6 C 8.69 – BVerwGE 36, 179 ≪183 f.≫ = Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 1). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BRRG soll sie den übernommenen Beamten ein Amt übertragen, das ihrem bisherigen Amt gleichwertig ist (Urteil vom 11. Juli 1975 – BVerwG 6 C 44.72 – BVerwGE 49, 64 ≪65 f.≫ = Buchholz 230 § 130 BRRG Nr. 1). Als Körperschaft gelten alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit Dienstherrnfähigkeit (§ 133 BRRG). Hierzu gehören Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, denen das Recht, Beamte zu haben, durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung verliehen wird (§ 121 Nr. 2 BRRG).
Rz. 16
Die Aufzählung des § 121 Nr. 2 BRRG beschränkt die Dienstherrnfähigkeit nicht auf bestimmte Typen juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Es gibt keine Rechtsnormen, die die Wesensmerkmale von Typen verbindlich festlegen. Das öffentliche Verwaltungsorganisationsrecht kennt weder einen Typenzwang für rechtsfähige juristische Personen noch einen numerus clausus der Organisationsformen. Vielmehr steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum für die Gestaltung ihrer Organisation zu, der auch eine Kombination der Merkmale verschiedener Typen deckt (Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, S. 913 f.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Aufl., § 89 Rn. 26 f.). Daher ist unerheblich, dass die nach Maßgabe der §§ 55 ff. des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) vom 24. Juni 2002 (GVBl S. 286) errichteten Stiftungen die Voraussetzungen einer Stiftung bürgerlichen Rechts nicht erfüllen, weil sie ohne die jährliche Finanzhilfe des Landes nicht lebensfähig wären. Es ist ausgeschlossen, dass sie den Stiftungszweck, die Hochschule zu unterhalten und zu fördern, durch die Erträge des Grundstockvermögens und durch Zustiftungen auch nur annähernd erfüllen können (vgl. Reuter, in: Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl., §§ 80, 81 Rn. 49 m.w.N.).
Rz. 17
Nach § 128 Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3 BRRG sind die Beamten einer Körperschaft, deren Aufgaben vollständig oder teilweise auf eine andere Körperschaft übergehen, zu einem verhältnismäßigen Teil in den Dienst der aufnehmenden Körperschaft zu übernehmen. Unter einem Übergang von Aufgaben ist eine Verlagerung abstrakter Zuständigkeiten durch Rechtssatz oder Verwaltungsvorschrift zu verstehen (Urteile vom 2. April 1981 – BVerwG 2 C 35.78 – BVerwGE 62, 129 ≪130≫ = Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 4 und BVerwG 2 C 23.78 – Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 5 S. 10 f.). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind Übernahmen nur zulässig, soweit sie wegen des Aufgabenübergangs unumgänglich sind. Daher kommen nur Beamte in Betracht, deren dienstlicher Aufgabenbereich, d.h. deren Amt im konkret-funktionellen Sinn, durch den Aufgabenübergang berührt wird. Für den Dienstherrnwechsel ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Amt des Beamten derjenigen Aufgabe zugeordnet ist, die aus der Zuständigkeit der abgebenden Körperschaft in diejenige der aufnehmenden Körperschaft übergeht. Im Hinblick auf die Änderung der Zuständigkeit für die Aufgabenwahrnehmung wird ein Amt, das für diese Aufgabe eingerichtet ist, in den Bereich der aufnehmenden Körperschaft verlagert und somit in einen anderen organisationsrechtlichen Zusammenhang gestellt. Danach kommt es für die Übernahme gemäß § 128 Abs. 4 dritte Fallgruppe und Abs. 3 BRRG gerade nicht darauf an, dass sich der konkrete Aufgabenbereich des Amtsinhabers und die an ihn gerichteten dienstlichen Anforderungen ändern (Urteil vom 2. April 1981 – BVerwG 2 C 35.78 – a.a.O. ≪132 f.≫).
Rz. 18
Der Übergang der Trägerschaft für eine Hochschule vom Land auf eine Stiftung führt zu einem vollständigen Übergang der damit verbundenen Aufgaben und hat deshalb zur Folge, dass alle Ämter von Landesbeamten, die an der Hochschule eingerichtet sind, insbesondere auch die Ämter (Lehrstühle) der Professoren, nunmehr der Stiftung zugeordnet sind.
Rz. 19
Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat der Träger der Hochschule die Aufgabe, diese Hochschule zu unterhalten und zu fördern. Er trägt die Verantwortung für die personelle und sachliche Ausstattung der Hochschule und gewährleistet die freie wissenschaftliche Betätigung in Forschung und Lehre. Das Stiftungsmodell nach §§ 55 ff. NHG sieht vor, dass das Land die Trägerschaft für eine Hochschule auf deren Antrag auf eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts übertragen kann (§ 55 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 NHG). Mit dem Übergang der Trägerschaft übernimmt die Stiftung an Stelle des Landes die Aufgabe, die Hochschule zu unterhalten und zu fördern (§ 55 Abs. 2 NHG). Sie nimmt die staatlichen Angelegenheiten, darunter die Personalverwaltung als eigene Angelegenheiten wahr (§ 55 Abs. 3, § 47 Satz 2 Nr. 1 NHG). Da der Stiftung kraft Gesetzes Dienstherrnfähigkeit verliehen ist, kann sie der Hochschule die erforderlichen Beamten zur Verfügung stellen. Dienstvorgesetzter dieser Beamten ist der Präsident der Hochschule, der zugleich Präsident der Stiftung ist (§ 58 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3, § 59 Abs. 1 NHG).
Rz. 20
Der Übergang der mit der Trägerschaft verbundenen Aufgabe, die Hochschule zu unterhalten und zu fördern, auf die Stiftung berührt alle an der Hochschule eingerichteten Ämter im konkret-funktionellen Sinne. Zwar bleiben deren Aufgabenbereiche unverändert. So haben die Professoren nach wie vor die Aufgabe, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. Jedoch ist diese Aufgabe aufgrund des Trägerwechsels nunmehr der Stiftung zugeordnet. Diese trägt an Stelle des Landes die Verantwortung für die Einrichtung und sachliche Ausstattung der Ämter sowie für deren personelle Besetzung. Daran ändert nichts, dass das Land weiterhin die Personalkosten trägt, die es der Stiftung durch eine jährliche Finanzhilfe bereitstellt.
Rz. 21
Der Präsident der Beklagten war für die Übernahme des Klägers in den Dienst der Beklagten ebenso zuständig wie für den Erlass des Widerspruchsbescheids (§ 129 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BRRG; § 58 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 NHG; § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG).
Rz. 22
2. Die Beklagte wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2003 als dienstherrnfähige Person des öffentlichen Rechts wirksam errichtet und übernahm die Trägerschaft der Universität G….
Rz. 23
Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 knüpft die Errichtung einer Stiftung mit dem Zweck, die Trägerschaft einer Hochschule zu übernehmen, an zwei Voraussetzungen. Zum einen bedarf es eines Antrags der Hochschule auf Überführung in die Trägerschaft einer Stiftung, der vom Senat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder beschlossen werden muss (§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG). Zum anderen bedarf es einer Rechtsverordnung, die die Landesregierung mit dem gesetzlich vorgegebenen Inhalt erlässt (§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 3 NHG). Das Inkrafttreten dieser Stiftungsverordnung löst wiederum zwei gesetzliche Rechtsfolgen aus: Zum einen entsteht die Stiftung als rechts- und dienstherrnfähige juristische Person des öffentlichen Rechts. Zum anderen wird die Hochschule in ihre Trägerschaft überführt. Die Stiftung löst in dem Augenblick ihrer Errichtung das Land als Träger der Hochschule ab, ohne dass es eines weiteren Rechtsaktes bedarf (§ 55 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 Satz 1 NHG).
Rz. 24
Diese gesetzlichen Errichtungsvoraussetzungen liegen hier vor: Der Senat der Universität G… beschloss mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, den Überführungsantrag zu stellen. Die Landesregierung erließ die Verordnung über die Errichtung der Beklagten vom 17. Dezember 2002 – StiftVO-UGÖ – (GVBl S. 812), die am 1. Januar 2003 in Kraft trat. In deren § 1 Abs. 1 heißt es, der Beigeladene errichte die Beklagte als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts. Nach § 2 Abs. 1 obliegt der Beklagten die Trägerschaft der Universität G….
Rz. 25
a) Der Überführungsantrag wurde rechtswirksam beschlossen. Der bei Inkrafttreten des neuen Hochschulgesetzes am 1. Oktober 2002 bestehende Senat war für die Beschlussfassung zuständig.
Rz. 26
Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat die Hochschulverfassung wesentlich verändert. Es hat die Stellung des Präsidiums der Hochschule in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erheblich gestärkt, während der Senat als verbliebenes zentrales Kollegialorgan in den Hintergrund tritt (vgl. Ipsen, NdsVBl 2002, 257).
Rz. 27
Nach § 72 Abs. 1 Satz 4 NHG war der bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes bestehende ebenso wie der nach Satz 1 der Vorschrift bis zum 31. Januar 2003 zu wählende Senat für die gesetzlichen Aufgaben des Senats zuständig. Demnach war der am 1. Oktober 2002 bestehende Senat für die Wahrnehmung aller dem Senat gesetzlich zugewiesenen Aufgaben zuständig, solange ihn der nach § 72 Abs. 1 Satz 1 NHG neu gewählte Senat noch nicht abgelöst hatte. Der Landesgesetzgeber hat zwar die Aufgaben des Senats durch das Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 grundlegend neu gestaltet. Wie § 72 Abs. 1 Satz 4 NHG zeigt, hat er daraus aber nicht den Schluss gezogen, die Ausübung grundsätzlicher und neuartiger Befugnisse des Senats dem bis 31. Januar 2003 neu zu wählenden Gremium vorzubehalten. Vielmehr sollte der Senat, der noch auf der Grundlage des alten, am 1. Oktober 2002 außer Kraft getretenen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 24. März 1998 (GVBl S. 300) gewählt worden war, bis zur Neuwahl als Übergangssenat amtieren, ohne inhaltlichen Beschränkungen zu unterliegen (vgl. Ipsen a.a.O. ≪260≫).
Rz. 28
Daher war der Senat der Universität G… in der am 1. Oktober 2002 bestehenden personellen Zusammensetzung zwar nicht verpflichtet, aber gemäß § 72 Abs. 1 Satz 4, § 55 Abs. 1 Satz 2 NHG berechtigt, rechtsverbindlich darüber zu entscheiden, ob die Universität den Antrag auf Überführung in die Trägerschaft einer Stiftung stellte. Er musste diese Entscheidung trotz ihrer herausragenden Bedeutung für die Universität nicht dem neu zu wählenden Senat überlassen.
Rz. 29
Die Zuständigkeit des Übergangssenats für diese Entscheidung gemäß § 72 Abs. 1 Satz 4, § 55 Abs. 1 Satz 2 NHG verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Danach muss die gesetzliche Hochschulverfassung die freie wissenschaftliche Betätigung der Hochschullehrer gewährleisten. Der effektive Schutz der Wissenschaftsfreiheit erfordert organisationsrechtliche Vorkehrungen, die eine strukturelle Gefährdung der Freiheit von Forschung und Lehre ausschließen. Bei Zuständigkeit eines Kollegialorgans der Hochschule in wissenschaftsrelevanten, d.h. Forschung und Lehre betreffenden Angelegenheiten muss organisatorisch sichergestellt sein, dass es wissenschaftsadäquate Entscheidungen treffen kann. Hierfür ist erforderlich, dass die Gruppe der Hochschullehrer in Angelegenheiten, die unmittelbar Fragen der Forschung betreffen, ausschlaggebenden Einfluss besitzt. Sie muss in derartigen Angelegenheiten über die absolute Stimmenmehrheit in dem Kollegialorgan verfügen. Entsprechendes gilt für die Berufung von Hochschullehrern (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 und 325/72 – BVerfGE 35, 79 ≪129 ff.≫ und Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 911, 927, 928/00 – BVerfGE 111, 333 ≪355 f.≫).
Rz. 30
Diesen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genügte der am 1. Oktober 2002 bestehende Übergangssenat, weil die absolute Mehrheit, nämlich sieben der dreizehn stimmberechtigten Mitglieder, der Gruppe der Hochschullehrer angehörte (§ 97 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 1 NHG vom 24. März 1998). Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG begründet keine Vorgaben für die Mindestgröße und die Dauer der Amtsperiode eines Kollegialorgans mit Entscheidungszuständigkeiten in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Auch steht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Entscheidungen in Angelegenheiten nicht entgegen, die dem Kollegialorgan erst nach seiner Wahl übertragen werden. Dies gilt auch für Angelegenheiten von weit reichender Bedeutung. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, dass alle Fakultäten (Fachbereiche) in dem zentralen Kollegialorgan der Hochschule vertreten sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 a.a.O. ≪351≫).
Rz. 31
b) Die Stiftungsverordnung vom 17. Dezember 2002 – StiftVO-UGÖ – war rechtswirksam. Insbesondere blieb sie von der Nichtigkeit der Verordnung über den Bereich Humanmedizin der Universität G… vom gleichen Tag – HumanmedGöVO – (GVBl S. 836) unberührt.
Rz. 32
Die Verordnung über den Bereich Humanmedizin war bei ihrem Erlass nichtig, weil die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2 NHG in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 2002 ihrerseits nichtig war. Sie verstieß gegen den bundesverfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes, der auch für die Landesgesetzgebung gilt (vgl. Urteil vom 20. März 2008 – BVerwG 2 C 49.07 – BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 10). Der Landesgesetzgeber hat dem Fachministerium durch § 46 Abs. 2 Satz 2 NHG eine unzulässige Blankettermächtigung für die Regelung der Organisationsstrukturen der Bereiche Humanmedizin der Hochschulen erteilt. Das Fachministerium sollte von allen Organisationsnormen des Hochschulgesetzes abweichen dürfen, ohne an inhaltliche Vorgaben gebunden zu sein. Darüber hinaus fehlte es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für §§ 9 ff. HumanmedGöVO, die die gesetzlich festgelegten Stiftungsorgane für Stiftungen, denen die Trägerschaft einer Hochschule mit Bereich Humanmedizin übertragen war, um den erweiterten Stiftungsrat und die Organe des Bereichs Humanmedizin ergänzten.
Rz. 33
Die Nichtigkeit dieser Verordnung konnte weder die Errichtung der Beklagten als juristische Person des öffentlichen Rechts noch die Überführung der Universität G… in ihrer Gesamtheit in die Trägerschaft der Beklagten verhindern. Wie unter 2. a) dargelegt hing der Eintritt dieser Rechtsfolgen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 NHG ausschließlich davon ab, dass aufgrund des Überführungsantrags der Universität eine Stiftungsverordnung mit dem gesetzlich vorgesehenen Mindestinhalt erlassen wurde. Beides ist durch § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 StiftVO-UGÖ geschehen. Auf die Rechtswirksamkeit der Organisationsstrukturen der Fakultäten und Bereiche der Universität kam es in diesem Zusammenhang nicht an.
Rz. 34
Darüber hinaus hat der Landesgesetzgeber die rechtsstaatlichen Defizite der Verordnungsermächtigung des § 46 Abs. 2 NHG durch Art. 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes vom 22. Januar 2004 (GVBl S. 33) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 behoben und durch Art. 1 Nr. 4 bis 7 dieses Gesetzes die Grundlagen für die besonderen Stiftungsorgane in Angelegenheiten des Bereichs Humanmedizin geschaffen (§ 59 Abs. 3, §§ 60a, 60b, 61 Abs. 4 NHG).
Rz. 35
Die Anordnung der rückwirkenden Geltung dieser Regelungen ab dem 1. Januar 2003 durch Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Änderungsgesetzes verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG. Der Gesetzgeber kann das Rückwirkungsverbot durchbrechen und rechtlich einwandfreie Normen rückwirkend in Kraft setzen, um eine unwirksam geregelte, unklare oder verworrene Rechtslage zu klären (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509, 1648/91 – BVerfGE 88, 384 ≪404≫ und vom 8. April 1998 – 1 BvR 1680/93, 183, 1580/94 – BVerfGE 98, 17 ≪39≫; BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 31.85 – BVerwGE 75, 262 ≪267≫ = Buchholz 406.11 § 155a BBauG Nr. 5 und vom 4. Mai 2006 – BVerwG 9 C 3.05 – BVerwGE 126, 14 = Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 2, jeweils Rn. 16).
Rz. 36
So liegt der Fall hier: Bis zum Erlass des Änderungsgesetzes vom 22. Januar 2004 fehlten sowohl die gesetzlichen Grundlagen für verordnungsrechtliche Regelungen der Organisation des Bereichs Humanmedizin als auch gesetzliche Regelungen für die besonderen Organe von Stiftungen, denen die Trägerschaft für eine Hochschule mit einem derartigen Bereich übertragen ist. Entgegenstehende Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind nicht ersichtlich.
Rz. 37
c) Die Rechtswirksamkeit der Stiftungsverordnung vom 17. Dezember 2002 und damit der Errichtung der Beklagten hängt nicht davon ab, ob das Eigentum und die dinglichen Rechte des Landes an den für den Hochschulbetrieb benötigten Grundstücken gemäß § 55 Abs. 1 Satz 4 und 5 NHG im Falle des Trägerwechsels unmittelbar aufgrund Gesetzes auf die Stiftung übergingen.
Rz. 38
Wären diese gesetzlichen Regelungen wegen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das bürgerliche Recht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nichtig, so käme den gesetzlich vorgesehenen Grundstücksverzeichnissen in den Stiftungsverordnungen keine Bedeutung zu. Dies würde aber nicht zur Folge haben, dass die gesamte Stiftungsverordnung nichtig und damit die Errichtung der Stiftung hinfällig wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat revisionsrechtlich bindend festgestellt, dass die Grundstücke dem Hochschulbetrieb dauerhaft zur Verfügung stehen, selbst wenn das Land Eigentümer oder dinglich Berechtigter geblieben ist.
Rz. 39
Daher kann die Stiftung ihre Aufgabe, den Wissenschaftsbetrieb der Hochschule zu gewährleisten, auch ohne Eigentum an den hierfür benötigten Grundstücken erfüllen. Die Erträge dieser Grundstücke, die nach § 56 Abs. 1 NHG das Grundstockvermögen der Stiftung bilden sollen, fallen für die Finanzierung der Hochschule nicht ins Gewicht. Sie werden regelmäßig weniger Erträge abwerfen als Unterhaltungskosten verursachen. Das Stiftungsmodell der §§ 55 ff. NHG ist so ausgelegt, dass die Hochschule nicht durch diese Erträge, sondern durch die jährliche Finanzhilfe des Landes an die Stiftung finanziert wird. Die Stiftung reicht die staatlichen Mittel nach Maßgabe ihres Wirtschaftsplans an die Hochschule weiter (§ 56 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Nr. 6 NHG).
Rz. 40
3. Das Stiftungsmodell der §§ 55 ff. des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vom 24. Juni 2002 leidet nicht an grundlegenden verfassungsrechtlichen Defiziten, die eine rechtswirksame Errichtung von Stiftungen und die Überführung von Hochschulen in deren Trägerschaft auf dieser gesetzlichen Grundlage ausgeschlossen hätten. Das Land kommt seiner verfassungsrechtlich gebotenen Finanzierungsverantwortung auch für Hochschulen in Trägerschaft einer Stiftung nach und kann eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht über die Hochschule sicherstellen.
Rz. 41
Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG müssen die für das Hochschulwesen zuständigen Länder die personellen, finanziellen und organisatorischen Mittel bereitstellen, die zur Unterhaltung funktionsfähiger Hochschulen mit einem freien Wissenschaftsbetrieb erforderlich sind. Ohne diesen Einsatz des Staates kann in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung und wissenschaftliche Lehre mehr betrieben werden (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 a.a.O. ≪114 f.≫ und Beschluss vom 26. Oktober 2004 a.a.O. ≪354≫). Dabei ist der Landesgesetzgeber nicht auf bestimmte Organisationsstrukturen und Finanzierungsmodelle für die Hochschulen festgelegt. Ihre mittelbare Finanzierung ist ebenso zulässig wie eine unmittelbare. Die gesetzlichen Regelungen dürfen jedoch den Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen und die freie wissenschaftliche Betätigung strukturell nicht gefährden. Die ungehinderte Forschung und Lehre müssen ebenso gewährleistet sein wie deren Förderung durch eine finanzielle Mindestausstattung der Hochschullehrer (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 a.a.O. ≪355≫).
Rz. 42
a) Mit der Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer Stiftung geht die Aufgabe, die Hochschule zu unterhalten und zu fördern, nach § 55 Abs. 2 NHG vom Land auf die Stiftung über. Zwischen Land und Hochschule bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen mehr. Die Hochschule erhält die für den Wissenschaftsbetrieb erforderlichen Mittel von der Stiftung. Das Land nimmt jedoch seine verfassungsrechtliche Finanzierungsverantwortung weiterhin wahr, indem es der Stiftung aus Haushaltsmitteln die jährliche Finanzhilfe zur Verfügung stellt, durch die es den Betrieb der Hochschule gewährleistet (§ 56 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 57 NHG). Die Finanzhilfe ist nach Aufwendungen für einzelne Aufgaben und Bereiche der Hochschule wie etwa Lehrangebot, Grundausstattung der Forschung, fachliche Schwerpunkte und wissenschaftlicher Nachwuchs, aufgeschlüsselt. An diese Zweckbestimmungen der Mittel ist die Stiftung gebunden (§ 56 Abs. 3 Satz 2 NHG). Die Aufwendungen werden nach den grundlegenden Entwicklungs- und Leistungszielen der Hochschule bemessen, die sich aus der für mehrere Jahre abgeschlossenen Zielvereinbarung zwischen Fachministerium, Hochschule und Stiftung ergeben. Die Zielvereinbarung enthält Regelungen etwa über die Einrichtung oder Schließung von Studiengängen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Sicherung der Qualität von Lehre und Forschung und die Festlegung der Forschungsschwerpunkte. Zugleich sind Regelungen über die staatliche Finanzierung zu treffen (§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 NHG). Auch stellt das Land die Mittel für Besoldung, Versorgung und Beihilfe der Beamten der Stiftung bereit (vgl. auch Gesetz vom 11. Dezember 2002, GVBl S. 768).
Rz. 43
b) Die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Verantwortung des Landes für den freien Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen erfordert eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht über die Hochschulen. Sie ist auch nach dem Übergang der Trägerschaft auf eine Stiftung möglich.
Rz. 44
Nach § 55 Abs. 4 NHG übt die Stiftung die Rechtsaufsicht über die Hochschule aus. Da das Präsidium der Hochschule zugleich Organ der Stiftung ist, obliegt diese Aufgabe dem Stiftungsrat (§ 59 Abs. 1, § 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 NHG). Dabei wird der Stiftungsrat ohne das vom Senat der Hochschule entsandte Mitglied tätig (§ 60 Abs. 3 Satz 3 NHG). Er bereitet Aufsichtsmaßnahmen vor und führt sie gegenüber der Hochschule oder, wenn sie sich aus der Überwachung ihres Präsidiums ergeben, gegenüber diesem durch (§ 60 Abs. 3 Satz 1 und 2 NHG).
Rz. 45
Aus der Besetzung des Stiftungsrats und seiner rechtlichen Stellung ergeben sich durchgreifende Zweifel, ob er in der Lage ist, die Hochschule, insbesondere deren Präsidium, wirkungsvoll zu beaufsichtigen (vgl. Ipsen, NdsVBl 2003, 1 ≪3≫). Der Stiftungsrat besteht in der Mehrheit aus ehrenamtlich tätigen Mitgliedern (§ 60 Abs. 1 Satz 2 NHG). Seine Beschlüsse werden vom Präsidium vorbereitet und ausgeführt (§ 61 Abs. 1 Satz 1 NHG). Demzufolge ist der Stiftungsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben auf die Informationen und Vorarbeiten des Präsidiums angewiesen, das sich wiederum auf das sachkundige Personal der Hochschule stützen kann. Auf diese notwendigen Hilfen kann der Stiftungsrat nicht zurückgreifen, wenn es darum geht, die Rechtsaufsicht über Hochschule und Präsidium zu führen. Das Gesetz zeigt nicht auf, mit welchen Mitteln der Stiftungsrat Aufsichtsmaßnahmen vorbereiten soll, wie er sich etwa aufsichtsrelevante Informationen beschaffen und auf ihre Richtigkeit prüfen soll.
Rz. 46
Die verfassungsrechtlich gebotene Wirksamkeit der Rechtsaufsicht des Stiftungsrats muss durch das Fachministerium sichergestellt werden. Das Gesetz räumt ihm die erforderlichen Befugnisse ein, um eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht des Stiftungsrats sicherzustellen:
Rz. 47
Die Stiftung unterliegt ihrerseits der Rechtsaufsicht des Fachministeriums, dem die herkömmlichen Aufsichtsmaßnahmen zur Verfügung stehen (§ 62 Abs. 1 NHG). Dies betrifft vor allem die Wahrnehmung der staatlichen Angelegenheiten durch die Stiftung (§ 55 Abs. 3, § 47 Satz 2 NHG). Bei der Ausübung der Rechtsaufsicht über die Hochschule ist die Stiftung an die Weisungen des Fachministeriums gebunden (§ 62 Abs. 2 NHG). Diese Vorschrift ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Fachministerium nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, die Ausübung der Rechtsaufsicht durch den Stiftungsrat inhaltlich uneingeschränkt zu steuern. Insbesondere muss das Fachministerium den Stiftungsrat bei der Aufklärung möglicherweise aufsichtsrelevanter Vorgänge und bei der Vorbereitung von Aufsichtsmaßnahmen unterstützen. Das Weisungsrecht darf nicht zurückhaltender wahrgenommen werden als die Rechtsaufsicht über Hochschulen in der Trägerschaft des Landes nach § 51 Abs. 1 NHG.
Rz. 48
c) Von den gesetzlichen Regelungen über die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrats geht bei verfassungskonformer Auslegung keine strukturelle Gefährdung für die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus (vgl. zu den Voraussetzungen der verfassungskonformen Auslegung Urteile vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪316≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 6 und vom 26. Juni 2008 – BVerwG 2 C 22.07 – BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265, jeweils Rn. 25 m.N. zur Rspr des BVerfG).
Rz. 49
Der Stiftungsrat besteht aus sieben Mitgliedern. Mitglieder sind neben jeweils einem Vertreter des Senats der Hochschule und des Fachministeriums fünf mit dem Hochschulwesen vertraute, der Hochschule nicht angehörende Personen. Die Mitglieder werden vom Fachministerium im Einvernehmen mit dem Senat der Hochschule bestellt und können vom Fachministerium aus wichtigem Grund entlassen werden. Sie sind ehrenamtlich tätig und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 bis 3 NHG).
Rz. 50
Dem Stiftungsrat sind bedeutende Aufgaben in Angelegenheiten der Hochschule übertragen. Wie bereits dargestellt führt er die Rechtsaufsicht über die Hochschule, d.h. auch über das Präsidium (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7, Abs. 3 NHG). Er ernennt oder bestellt und entlässt die Mitglieder des Präsidiums der Hochschule, das zugleich Organ der Stiftung ist (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 38 Abs. 2 Satz 1 NHG). Er wirkt an der Berufung der Professoren mit (§ 58 Abs. 2 Satz 1 bis 4 NHG). Der Wirtschaftsplan des Präsidiums unterliegt seiner Zustimmung (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 57 Abs. 1 NHG).
Rz. 51
Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, Entscheidungs- und Mitwirkungsbefugnisse in wissenschaftsrelevanten, d.h. Forschung und Lehre betreffenden Angelegenheiten der Hochschule auf Gremien zu übertragen, die sowohl gegenüber dem Fachministerium als auch gegenüber den Organen der Hochschule unabhängig sind. Eine verfassungsrechtliche Grenze ist ihm aber insoweit gesetzt, als von gesetzlichen Regelungen der Hochschulorganisation keine strukturelle Gefährdung der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten freien wissenschaftlichen Betätigung ausgehen darf. Der Gesetzgeber muss die Wissenschaftsadäquanz der Entscheidungen in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten sicherstellen. Dies betrifft etwa die Forschungsplanung, die Planung des Lehrangebots, die Abstimmung zwischen Forschungsvorhaben und Lehrangeboten, Errichtung und Einsatz wissenschaftlicher Einrichtungen, die Studien- und Prüfungsordnungen sowie Personalentscheidungen. In diesen Bereichen muss der Gruppe der Hochschullehrer zumindest maßgebender, in Fragen der Forschung ausschlaggebender Einfluss eingeräumt werden. Dies ist der Fall, wenn dieser Gruppe die absolute Mehrheit der Stimmen in dem entscheidungszuständigen Gremium zusteht (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 a.a.O. ≪119 ff.≫; Beschluss vom 26. Oktober 2004 a.a.O. ≪363 f.≫).
Rz. 52
Danach kann die in §§ 55 ff. NHG vorgesehene Übertragung von Aufgaben auf den Stiftungsrat noch hingenommen werden, wenn dem Senat der Hochschule dauerhaft ausschlaggebender Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrats eingeräumt wird. Die maßgebenden Vorschriften sind einer derartigen Auslegung zugänglich. Im Senat stellt die Gruppe der Hochschullehrer die absolute Mehrheit der Mitglieder mit Stimmrecht (§ 41 Abs. 4 Satz 5 NHG), sodass die nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotene Mitwirkung dieser Gruppe gewährleistet wird.
Rz. 53
Die Mitglieder des Stiftungsrats werden vom Fachministerium im Einvernehmen mit dem Senat der Hochschule bestellt (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NHG). Somit kann niemand gegen den Willen des Senats Mitglied des Stiftungsrats werden. Jede Bestellung setzt voraus, dass ihr der Senat vorab zugestimmt hat. Daher obliegt dem Senat zu beurteilen, ob eine zur Bestellung anstehende Person das gesetzliche Anforderungsprofil der Vertrautheit mit dem Hochschulwesen erfüllt. Erforderlich ist eine besondere Sachkunde auf dem Gebiet des Hochschulwesens.
Rz. 54
Jedes Mitglied des Stiftungsrats kann vom Fachministerium aus wichtigem Grund entlassen werden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NHG). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist dem verfassungsrechtlich gebotenen Einfluss des Senats Rechnung zu tragen. So kann der Senat die Voraussetzungen einer Entlassung in der Grundordnung der Hochschule konkretisieren (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG). Unabhängig davon muss dem Votum des Senats maßgebende Bedeutung für die Entscheidung des Fachministeriums zukommen. Dies gilt sowohl für Entlassungsverlangen des Senats als auch für dessen Ablehnung einer vom Fachministerium ins Auge gefassten Entlassung.
Rz. 55
d) Auch die gesetzlichen Regelungen für die Wahl des Präsidiums der Hochschule können so ausgelegt werden, dass der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Einfluss des Senats sichergestellt wird.
Rz. 56
Bei Hochschulen in Trägerschaft einer Stiftung ist das Präsidium kraft Gesetzes zugleich Organ der Stiftung (§ 59 Abs. 1 NHG). Das Niedersächsische Hochschulgesetz vom 24. Juni 2002 hat die Befugnisse des Präsidiums der Hochschule erheblich ausgeweitet (§ 37 NHG). Seine Stellung ist zu Lasten des Senats erheblich gestärkt worden (Ipsen, NdsVBl 2002, 257 ff.). Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die Besetzung des Präsidiums dem ausschlaggebenden Einfluss des Senats unterliegt (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 a.a.O. ≪144≫).
Rz. 57
Dem Präsidium gehören der Präsident und die Vizepräsidenten an, deren Zahl die vom Senat erlassene Grundordnung bestimmt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 41 Abs. 1 Satz 2 NHG). Sie werden vom Stiftungsrat auf Vorschlag des Senats ernannt oder bestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 NHG, § 38 Abs. 2 Satz 1, § 39 Satz 1 NHG). Die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschriften ergibt, dass der Stiftungsrat an den Vorschlag des Senats gebunden ist. Er muss den vom Senat vorgeschlagenen Bewerber ernennen, wenn der Ernennung oder Bestellung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Weiterhin setzt die Sicherung des Einflusses des Senats voraus, dass dieser nicht an den Vorschlag der Findungskommission gebunden ist, ihn vielmehr aus nachvollziehbaren Gründen zurückweisen kann (§ 38 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 39 Satz 1 NHG).
Rz. 58
Der Senat kann ein Mitglied des Präsidiums abwählen und damit dem Stiftungsrat die Entlassung vorschlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 40 Satz 1 NHG). Der Stiftungsrat muss dem Vorschlag Folge leisten, wie durch das gesetzliche Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für den Abwahlbeschluss unterstrichen wird (vgl. Ipsen, NdsVBl 2003, 1 ≪2≫). Die Bindung der Abwahl an eine qualifizierte Mehrheit kann in Anbetracht der auf sechs, bei Wiederwahl auf acht Jahre begrenzten Amtsdauer der Mitglieder des Präsidiums hingenommen werden (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 39 Satz 3 NHG).
Rz. 59
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger nicht die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser keinen Sachantrag gestellt und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Heitz, Thomsen, Dr. Maidowski
Fundstellen
BVerwGE 2010, 286 |
ZBR 2010, 307 |
ZTR 2010, 216 |
VR 2010, 178 |
NdsVBl. 2010, 154 |
ZStV 2010, 4 |