Entscheidungsstichwort (Thema)
Industrie- und Handelskammer. Mitgliedschaft. Beitrag. Kammerbeitrag. Betriebsstätte. Gewerbesteuerveranlagung. Zerlegungsbescheid. Automat. Kinderreitautomat. Bindung. Erlaß
Leitsatz (amtlich)
Stellt ein überregional tätiges Unternehmen aufgrund eines Vertrages mit einem Warenhausbetreiber unter Mitwirkung des Warenhauspersonals in oder vor dem Geschäft eigene Kinderreitautomaten gewerblich auf, unterhält es dort eine Betriebsstätte, so daß die Veranlagung zu einem Kammerbeitrag durch die für diesen Ort zuständige Industrie- und Handelskammer gerechtfertigt sein kann.
Normenkette
IHKG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2; AO §§ 12, 184-185; GewStG § 28 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 24.02.1997; Aktenzeichen 25 A 4720/94) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.08.1994; Aktenzeichen 3 K 5561/94) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme als Mitglied und ihre Heranziehung zu Beiträgen durch die beklagte Industrie- und Handelskammer. Sie stellt im Kammerbezirk der Beklagten aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit Warenhausunternehmen u.a. Kinderreitautomaten auf und wird deshalb von Gemeinden im Kammerbezirk auf der Grundlage vom Finanzamt festgestellter Zerlegungsanteile zur Gewerbesteuer herangezogen.
Die Beklagte zog sie mit Bescheid vom 31. August 1992 zum Beitrag für das Jahr 1990 und zu einer Vorauszahlung jeweils für die Beitragsjahre 1991 und 1992 heran. Nachdem die Klägerin unter Hinweis auf die Höhe des für 1992 erwarteten Umsatzes im Kammerbezirk die Befreiung von den Kammerbeiträgen beantragt hatte, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 27. Oktober 1992 mit, sie habe die Beiträge 1990 bis 1992 niedergeschlagen.
Mit Bescheid vom 21. Februar 1994 erhob die Beklagte von der Klägerin Kammerbeiträge für das Jahr 1991 in Höhe von 328,32 DM und, insoweit als vorläufiger Bescheid gekennzeichnet, für das Jahr 1994 in Höhe von 429,39 DM.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Beitrag für das Jahr 1991 sei niedergeschlagen worden und ihre rückläufigen Einnahmen lägen weiterhin „unter der Befreiungsgrenze”. Mit Bescheid vom 22. April 1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, daß eine Befreiung bzw. ein Erlaß von Beiträgen aus Gründen der Gleichheit aller Gewerbetreibenden nicht mehr so großzügig wie früher gewährt werden könne und daß Gründe für einen Erlaß gegenüber der Klägerin nicht zu erkennen seien.
Die Klägerin hat Klage erhoben und geltend gemacht: Sie sei nicht beitragspflichtig, weil die von ihr aufgestellten Kinderreitautomaten keine eigenen Betriebsstätten seien. Die Geräte seien so in den Betrieb der Ladengeschäfte integriert, daß kein eigener Geschäftsbetrieb der Klägerin vorliege. Insbesondere würden sie vom Personal dieser Geschäfte täglich an den konkreten Betriebsort gebracht. Unabhängig davon seien der Bundesverband der Warenautomatenaufsteller und der Deutsche Industrie- und Handelstag 1977 übereingekommen, daß die Beiträge zu auswärtigen Kammern erlassen werden sollten, wenn der Jahresumsatz in einem Kammerbezirk weniger als 60 000 DM betrage. Sie erwirtschafte im Bezirk der Beklagten keinen höheren Umsatz, so daß die Forderung wie bisher zu erlassen sei. Zumindest habe sich die Beklagte wegen ihrer der genannten Vereinbarung entsprechenden Verfahrensweise in der Vergangenheit auch hinsichtlich der hier streitigen Beitragsforderungen selbst gebunden. Darüber hinaus sei mit Rücksicht auf die Automatenaufstellern günstigere Praxis anderer Industrie- und Handelskammern ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung, mit der die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlaß der Beitragsforderung beantragt hat, durch Urteil vom 24. Februar 1997 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei Kammerzugehörige, weil sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts sei und im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhalte. Das ergebe sich unabhängig von den konkreten Umständen der Automatenaufstellung im Kammerbezirk bereits aus den Bescheiden über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages. Voraussetzung für eine solche Zerlegung sei gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Bezirk einer Gemeinde, in der eine gewerbliche Tätigkeit stattfinde. Ob eine Betriebsstätte gegeben sei, richte sich nach § 12 AO. Aufgrund der Zerlegungsbescheide stehe bestandskräftig fest, daß im Kammerbezirk Betriebsstätten der Klägerin vorhanden seien. Da die Klägerin die Zerlegungsbescheide nicht angefochten habe, sei die Beklagte an die darin enthaltene Entscheidung hinsichtlich der Betriebsstätteneigenschaft gebunden. Diese Bindung an die finanzamtlichen Feststellungen finde ihre Rechtfertigung darin, daß das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern den steuerlichen Betriebsstättenbegriff einschließlich der gewerbesteuerlichen Zerlegung übernehme, um einen verwaltungsmäßig einfach zu handhabenden Maßstab für die Beitragsveranlagung zu gewinnen. An die bestandskräftige Feststellung der sachlichen Steuerpflicht einschließlich des Bestehens einer Betriebsstätte sei auch das Gericht gebunden. Die Vorschriften über die Beitragshöhe seien ordnungsgemäß angewendet worden; Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit bestünden nicht. Das gelte auch für die Erhebung des vollen Grundbeitrags. Es sei anerkannt, daß von Kammerzugehörigen mit Betriebsstätten in mehreren Kammerbezirken und demzufolge mehrfacher Kammermitgliedschaft jedenfalls dann jeweils der Grundbetrag erhoben werden dürfe, wenn – wie hier – das jeweilige Satzungsrecht ausreichende Möglichkeiten vorsehe, daraus sich ergebenden besonderen Härten – etwa durch Erlaß, Stundung oder Niederschlagung – zu begegnen. Angesichts der Angaben der Klägerin über einen Gewerbeertrag von rund 7 000 DM im Jahr 1991 sei die existenzvernichtende Wirkung eines Kammerbeitrages von 328,32 DM nicht ersichtlich. Bei entsprechenden Verhältnissen der Betriebsstätten in anderen Kammerbezirken sei eine Existenzgefährdung selbst bei einer Heranziehung der Klägerin mit einem Grundbeitrag zu allen Industrie- und Handelskammern nicht erkennbar. Auch die Mitteilung der Beklagten über die Niederschlagung des Beitrags u.a. für das Jahr 1991 stehe der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides nicht entgegen. Die Niederschlagung habe sich erkennbar auf die vorangegangene Beitragsfestsetzung durch den Bescheid vom 31. August 1992 bezogen, mit dem die Klägerin für das Jahr 1991 lediglich zu einer Vorauszahlung herangezogen worden sei. Darin liege ein gegenüber der endgültigen Beitragsfestsetzung rechtlich selbständiger Verwaltungsakt, dessen Schicksal die Rechtmäßigkeit einer endgültigen Beitragsfestsetzung nicht berühre. Die Beklagte habe auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf einen Erlaß habe. Eine unbillige Härte im Sinne der Beitragsordnung liege nicht vor. Eine gesetzlich geregelte Beitragspflicht zu öffentlichen Körperschaften könne durch Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und einem Wirtschaftsverband nicht wirksam aufgehoben werden. Angesichts der Gewinne und Umsätze der Klägerin seien auch die in einem Beschluß der Vollversammlung des DIHT genannten Voraussetzungen für einen Erlaß nicht erfüllt.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Berufungsbegehren weiter und macht geltend: Sie unterhalte mit der Aufstellung der Automaten im Kammerbezirk der Beklagten keine Betriebsstätten. Für die Auslegung dieses Begriffs müsse angesichts der wirtschaftlichen Gegebenheiten des Gewerbes auf bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zurückgegriffen werden. Die Beklagte beachte außerdem entgegen früherer Übung als nahezu einzige Kammer nicht die Vereinbarung zwischen dem Bundesverband der Warenautomatenaufsteller und dem DIHT über die Beitragsbefreiung der Automatenaufsteller mit geringem Umsatz. Die Veranlagungen verstießen daher gegen den Gleichbehandlungs- und den Selbstbindungsgrundsatz.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – IHKG – vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 920), hier für das Beitragsjahr 1991 in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 1976 (BGBl I S. 3341) und für das Beitragsjahr 1994 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2133), in Verbindung mit der Beitragsordnung und den Haushaltssatzungen der Beklagten. Danach sind die Kammerzugehörigen beitragspflichtig. Zur Industrie- und Handelskammer gehören gemäß § 2 Abs. 1 IHKG, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, u.a. Handelsgesellschaften und andere juristische Personen des privaten Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer entweder eine gewerbliche Niederlassung oder eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten. Die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer ist mit dem Grundgesetz vereinbar (Urteil vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – GewArch 1998, 410).
b) Die Klägerin wird an ihrem Sitz und aufgrund der Zerlegungsbescheide auch im Kammerbezirk der Beklagten zur Gewerbesteuer veranlagt.
c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, daß die Klägerin im Kammerbezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhält.
aa) Das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern enthält keine eigene Definition des Begriffs der Betriebsstätte. Maßgebend ist insoweit – wie in vergleichbaren Fällen (Beschluß vom 21. Januar 1983 – BVerwG 7 B 154.82 – Buchholz 451.56 InvZulG Nr. 19; Urteil vom 24. März 1993 – BVerwG 11 C 34.92 – Buchholz 451.56 InvZulG Nr. 32 und Urteil vom 4. August 1993 – BVerwG 11 C 36.92 – Buchholz 401.1 § 6 d EStG Nr. 2) – der steuerrechtliche Betriebsstättenbegriff des § 12 AO. Dies ergibt sich aus systematischen Erwägungen. Die Kammerzugehörigkeit ist, wie bereits ausgeführt, u.a. an die Veranlagung zur Gewerbesteuer geknüpft. Damit soll im Interesse einer einfachen Handhabung die entsprechende Feststellung der Steuerbehörden nutzbar gemacht werden (vgl. Urteil vom 24. September 1965 – BVerwG 7 C 52.62 – BVerwGE 22, 58 ≪59≫). Die Veranlagung zur Gewerbesteuer erfordert die Feststellung einer Betriebsstätte im Inland, die Zerlegung des Gewerbesteuermeßbetrages grundsätzlich die Feststellung von Betriebsstätten in mehreren Gemeinden (§ 2 Abs. 1, § 28 Abs. 1 GewStG, § 184 Abs. 1, § 185 AO). Mit der Festsetzung des Steuermeßbetrages und dem Zerlegungsbescheid wird über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden, also auch die nach dem Steuerrecht zu bestimmende Betriebsstätte festgestellt. Danach kann nicht angenommen werden, das Kammerrecht knüpfe außer an die Veranlagung zur Gewerbesteuer an einen abweichenden Begriff der Betriebsstätte an. Dies würde einer möglichst einfachen Ausgestaltung und Handhabung des Kammerrechts widersprechen. Demgemäß kann für die Kammerzugehörigkeit nicht auf einen von § 12 AO etwa abweichenden Begriff der Betriebsstätte in Doppelbesteuerungsabkommen zurückgegriffen werden. Diese berücksichtigen zudem unter Umständen unterschiedliche Gegebenheiten der Vertragsstaaten und sind deshalb für die Auslegung innerstaatlichen Rechts ohne Bedeutung (vgl. BFH, Urteil vom 5. Juni 1986 – IV R 268/82 – BStBl II S. 659 ≪660≫).
Allerdings folgt aus den für die Anwendung des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO sprechenden Erwägungen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht eine Bindung der Parteien und der Verwaltungsgerichte an die dem Zerlegungsbescheid zugrundeliegende Feststellung der Betriebsstätteneigenschaft. Das Gesetz knüpft die Kammerzugehörigkeit und damit die grundsätzliche Beitragspflicht, soweit hier von Bedeutung, sowohl an die Veranlagung zur Gewerbesteuer als auch an das Bestehen einer Betriebsstätte im Kammerbezirk. Über die Veranlagung zur Gewerbesteuer befinden die Steuerbehörden. Ihren Entscheidungen kommt nach § 2 Abs. 1 IHKG insoweit Tatbestandswirkung zu. An sie sind daher die Industrie- und Handelskammern und demgemäß im Streitfall die Verwaltungsgerichte gebunden. Das Vorliegen einer Betriebsstätte ist zwar für die Veranlagung zur Gewerbesteuer einschließlich den Erlaß eines Zerlegungsbescheides ebenfalls zu prüfen. An die Beantwortung dieser Frage durch die Steuerbehörden könnten – unbeschadet insoweit bestehender Bindungswirkungen in steuerrechtlichen Verfahren – die Kammern und die Verwaltungsgerichte aber nur gebunden sein, wenn dies gesetzlich angeordnet wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Nach dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern kommt den steuerrechtlichen Entscheidungen insoweit weder Tatbestands- noch Feststellungswirkung zu. Das in § 2 Abs. 1 IHKG neben der Veranlagung zur Gewerbesteuer als weitere Voraussetzung der Kammerzugehörigkeit geforderte Merkmal der Betriebsstätte im Bezirk der Kammer muß daher zusätzlich erfüllt sein. Hierüber entscheiden die Kammern und im Streitfall die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an Feststellungen der Steuerbehörden, mag auch regelmäßig kein Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung bestehen.
bb) Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dazu gehören bauliche oder sonstige Zusammenfassungen körperlicher Gegenstände und unternehmerisch nutzbarer sachlicher Mittel, aber auch Gegenstände, die zwar für sich genommen keinen lebenden wirtschaftlichen Organismus darstellen, aber einem Unternehmen unmittelbar dienen. Erforderlich sind eine Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche, die auf eine gewisse Dauer und Stetigkeit angelegt ist, und eine eigene, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die Einrichtung der Anlage (vgl. Urteil vom 4. August 1993, a.a.O.). Die Beziehung zur Erdoberfläche braucht nicht durch eine dauernde feste Verbindung hergestellt zu sein. Es genügt auch eine vorübergehende Verbindung durch die eigene Schwere; eine stets punktgenaue Aufstellung an demselben Ort ist nicht erforderlich. Das verdeutlichen die in § 12 Abs. 2 Nr. 6 und 8 AO genannten Beispiele.
cc) Die genannten Anforderungen sind hier erfüllt. Die Automaten sind dem Unternehmen der Klägerin unmittelbar dienende Gegenstände, die in ihrem Eigentum stehen. Sie werden an im wesentlichen feststehenden Orten aufgestellt. Anders als bei Abschluß eines Gebrauchsüberlassungsvertrages mit dem Warenhausbetreiber, etwa einer Vermietung der Automaten, hat die Klägerin auch hinreichende eigene Verfügungsmacht im Sinne einer die wirtschaftliche Nutzung bestimmenden Dispositionsbefugnis über die aufgestellten Geräte. Nach dem Vertrag zwischen der Klägerin und dem Warenhausunternehmen werden die Erlöse unter Mitwirkung der Klägerin vereinnahmt (§ 6); die Ersatzbeschaffung obliegt der Klägerin ebenso wie bestimmte Wartungsarbeiten (§ 8). Daß sie sich zur Ausübung ihrer Sachherrschaft über die ihr gehörenden Geräte auch des Vertragspartners bedient, in oder bei dessen Geschäft sie diese aufstellt, bedeutet keine sie ausschließende Übertragung von Verfügungsmacht. Vielmehr verbleiben nach diesen Vertragsbestimmungen alle für den wirtschaftlichen Erfolg wesentlichen Befugnisse bei dem Aufsteller. Die Klägerin besitzt die Verfügungsmacht, die sie benötigt, um selbst mit den aufgestellten Automaten gewerblich tätig zu werden. Ihre Verfügungsmacht ist vertraglich abgesichert und kann ihr nicht ohne weiteres entzogen werden. Nur so läßt sich bei der gewählten Vertragsgestaltung das von der Klägerin betriebene Gewerbe sinnvoll führen. Daß es zur Ausübung der Verfügungsmacht vielfach eines Zusammenwirkens mit dem Inhaber des Ladengeschäftes bedarf, ist demgegenüber ohne Bedeutung, solange – wie hier – der erforderliche, wirtschaftlich bestimmende Einfluß des Aufstellers bestehen bleibt.
d) Die danach je nach den Umständen mögliche Zugehörigkeit von Automatenaufstellern zu mehreren Industrie- und Handelskammern führt nicht grundsätzlich zu unverhältnismäßigen Folgen. Es stellt ein legitimes Ziel des Gesetzgebers dar, die Vertretung der Interessen von Handel und Industrie auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen, um den Kammern die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben zu ermöglichen, namentlich das Gesamtinteresse der Gewerbetreibenden des Bezirks wahrzunehmen (vgl. dazu Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O.). Mit dem steuerrechtlichen Begriff der Betriebsstätte hat der Gesetzgeber im Interesse einer breiten Basis der Kammertätigkeit ein Merkmal gewählt, das eine möglichst weitgehende Einbeziehung aller Unternehmen eines Bezirks in die Kammer bewirkt. Die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß wegen des steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriffs bundesweit tätige Automatenaufsteller schon durch die Aufstellung nur eines Automaten innerhalb eines Bezirks zur jeweiligen Kammer gehören und damit beitragspflichtig sind. Dies ist eine Folge der inhaltlichen Weite des gewählten Kriteriums, die es mit sich bringt, daß die Rechtsfolge der Mitgliedschaft sowohl an Betriebsstätten erheblicher Größe und Bedeutung, als auch an solche geknüpft ist, die ein vergleichsweise geringes Gewicht für die Tätigkeit der Kammern haben. Eine derartige Regelung liegt im Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers, der erst als überschritten angesehen werden könnte, wenn das für die Kammerzugehörigkeit gewählte Kriterium gegenüber dem zu regelnden Sachverhalt und der beabsichtigten Zielsetzung nicht sachgerecht wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn nach der gesetzlichen Zielsetzung sollen möglichst alle Gewerbetreibenden jedes Kammerbezirks erfaßt werden. Die an die Mitgliedschaft knüpfende Beitragspflicht wird durch die Weite des Betriebsstättenbegriffs ebenfalls nicht grundsätzlich unangemessen ausgedehnt. Zum einen ist die Beitragspflicht durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip, die beitragsrechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, begrenzt (Urteile vom 26. Juni 1990 – BVerwG 1 C 45.87 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 und vom 21. Juli 1998, a.a.O.). Zum anderen besteht insoweit über das Satzungsrecht der Kammern die Möglichkeit der „Feinregulierung” durch Erlaß, Stundung oder Niederschlagung (vgl. auch Beschluß vom 21. September 1995 – BVerwG 1 B 137.94 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 24).
e) Die Beitragserhebung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Unterhalten von Betriebsstätten stellt ein sachgerechtes Kriterium für die gleichmäßige Beurteilung der Frage der Kammerzugehörigkeit und der Beitragspflicht dar. Wenn, wie die Klägerin darlegt, andere Kammern für ihren Bezirk in vergleichbaren Fällen wegen mehrfacher Zugehörigkeit auf Beitragsfestsetzungen verzichten bzw. die oben dargestellten Mittel zur „Feinregulierung” einsetzen, begründet dies keinen Anspruch der Klägerin auf entsprechende Behandlung durch die Beklagte. Die Klägerin kann nur eine Gleichbehandlung der Angehörigen der jeweiligen Kammer verlangen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet die Gleichbehandlung nur gegenüber dem jeweils zuständigen Verwaltungsträger (vgl. z.B. Urteil vom 23. August 1994 – BVerwG 1 C 18.91 – BVerwGE 96, 293 ≪301≫). Die Beklagte durfte sich von ihrer früheren Praxis, Beitragsforderungen nicht durchzusetzen oder zu erlassen, ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz schon deshalb lösen, weil sie gemäß den gesetzlichen Bestimmungen veranlagen muß und ein etwaiges Vertrauen auf Fortdauer einer der Klägerin günstigen Handhabung jenseits des Beitragsrechts nicht schutzwürdig ist.
f) Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Beklagte für das Jahr 1991 noch einen Beitrag festsetzen durfte, nachdem sie zuvor der Klägerin mitgeteilt hatte, daß sie die Forderung aus dem Vorauszahlungsbescheid vom 31. August 1992 niedergeschlagen habe, auf der Grundlage irrevisiblen Landesrechts bejaht, nämlich in Anwendung des Satzungsrechts der Beklagten. Industrie- und Handelskammern sind keine bundesunmittelbaren Körperschaften. Ihr Satzungsrecht gehört daher nicht dem Bundesrecht an und ist deswegen gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel. Die der berufungsgerichtlichen Beurteilung zugrunde liegende tatsächliche Würdigung ist für den erkennenden Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht mit der Prüfung und Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) revisibles Recht angewandt. Denn, ob dieser allgemeine Grundsatz im Einzelfall dem Bundes- oder dem Landesrecht zuzurechnen ist, hängt von der Einordnung des Rechtssatzes ab, zu dessen Ergänzung er herangezogen wird. Dient er – wie hier – der Ergänzung von Landesrecht, ist er nicht revisibel (vgl. Urteil vom 14. April 1978 – BVerwG 4 C 6.76 – BVerwGE 55, 337 ≪339≫; Urteil vom 23. November 1993 – BVerwG 1 C 21.92 – BVerwGE 94, 294 ≪298≫; Beschluß vom 14. Oktober 1994 – BVerwG 1 B 153.93 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 27, S. 10).
g) In gleicher Weise hat das Oberverwaltungsgericht über den Hilfsantrag auf Erlaß nach nichtrevisiblem Landesrecht, nämlich den Beitragsordnungen 1969 und 1992, entschieden. Dafür, daß Bundesverfassungsrecht, insbesondere das Übermaßverbot eine andere Entscheidung gebieten könnte, geben die Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anhalt.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Meyer, Mallmann, Hahn, Groepper, Gerhardt
Fundstellen