Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis. Sperrgrundstück. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Eine auf das Eigentum an einem Grundstück gestützte Klagebefugnis fehlt, wenn die Eigentümerstellung rechtsmissbräuchlich begründet worden ist. Dies ist anzunehmen, wenn das Eigentum nicht erworben worden ist, um die mit ihm verbundene Gebrauchsmöglichkeit zu nutzen, sondern als Mittel dafür dient, die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach der Rechtsprechung dem Eigentümer vorbehalten ist.
Derartige Umstände können sich daraus ergeben, dass dem Kläger aufgrund der vertraglichen Gestaltung lediglich eine Rechtsstellung übertragen worden ist, die auf eine formale Hülle ohne substantiellen Inhalt hinausläuft. Ferner ist von Bedeutung, ob sich an der tatsächlichen Nutzung des Grundstück etwas geändert hat und ob für die Eigentumsübertragung ein wirtschaftlicher Gegenwert geflossen ist. Ein weiteres Anzeichen kann sich aus den zeitlichen Abläufen ergeben.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1, 3; VwGO § 42 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Unterfranken vom 4. Februar 1999 für die Bundesautobahn A 71 in dem 17 km langen ersten Abschnitt zwischen Schweinfurt und Pfersdorf. Die A 71 soll Erfurt über Suhl mit den fränkischen Zentren Schweinfurt und Würzburg verbinden. Das Planvorhaben wurde vom Bundesminister für Verkehr im Februar 1991 im Vorgriff auf den ersten gesamtdeutschen Verkehrswegeplan als eines der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit” bestimmt. In dem Bedarfsplan, der dem Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1875) als Anlage beigefügt ist, ist sie (unter der damaligen Bezeichnung A 81) als „Vordringlicher Bedarf” zeichnerisch dargestellt.
Der Kläger ist ein in Bayern anerkannter Naturschutzverband. Er ist Eigentümer des als Streuobstwiese genutzten 1260 m² großen Grundstücks Flst. Nr. 671 der Gemarkung Geldersheim, das für den Autobahnbau in Anspruch genommen werden soll. Er erwarb die Parzelle von den Voreigentümern unentgeltlich aufgrund eines Überlassungsvertrages vom 19. Dezember 1995. Der Eintragungsantrag ging beim Grundbuchamt Schweinfurt am 29. Januar 1996 ein; der Eigentumsübergang wurde im Februar 1996 im Grundbuch eingetragen. Die Veräußerer behielten sich auf Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht am Grundstück vor; dieses war im Grundbuch an erster Rangstelle eingetragen. Für den Fall einer Enteignung des Grundstücks war der Kläger verpflichtet, eine etwaige Entschädigung an die Voreigentümer auszubezahlen. Wenn keine Enteignung erfolgt, sollte der Kläger das Grundstück unentgeltlich zurückübertragen. Für den Fall, dass der Kläger das Grundstück ohne schriftliche Zustimmung durch die Veräußerer an Dritte weiterveräußert, hatte er an diese den gesamten Verkaufserlös zuzüglich einer Schadensersatzleistung in Höhe von DM 15 000 zu zahlen.
Die Veräußerer sind darüber hinaus Eigentümer weiterer Grundstücke in Geldersheim, die ebenfalls – teilweise vorübergehend – für den Bau der A 71 in Anspruch genommen werden.
Nach Durchführung eines Raumordnungsverfahrens beantragte das Straßenbauamt Schweinfurt mit Schreiben vom 5. Oktober 1995, das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt Pfersdorf-Schweinfurt durchzuführen. Die Planunterlagen lagen in Geldersheim vom 7. November bis 7. Dezember 1995 aus, die Einwendungsfrist endete am 21. Dezember 1995.
Der Kläger erhob am 20. Dezember 1995 Einwendungen, wobei er auf die Bedeutung der sich auf dem Grundstück Flst. Nr. 671 befindenden Streuobstwiese hinwies und zahlreiche weitere Bedenken gegen den Autobahnbau geltend machte. Die Veräußerer erhoben ihrerseits in einem umfangreichen Schreiben vom 14. Dezember 1995 Einwendungen.
Der Planfeststellungsbeschluss vom 4. Februar 1999 enthält zahlreiche Auflagen und ordnet Beweissicherungsmaßnahmen an. Die Einwendungen u.a. des Klägers werden zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, hinsichtlich der Veräußerer werde von einer Existenzgefährdung ausgegangen. Den für das Vorhaben sprechenden Belangen werde trotz der Vielzahl der mit unterschiedlichem Gewicht gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange der Vorrang eingeräumt, denn die im Planfeststellungsbeschluss näher beschriebenen positiven Auswirkungen der A 71 Schweinfurt-Erfurt seien für das öffentliche Wohl unverzichtbar.
Die Veräußerer haben gegen den Planfeststellungsbeschluss kein Rechtsmittel eingelegt.
Der Kläger hat am 26. März 1999 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er habe das Grundstück im Rahmen seiner satzungsgemäßen Interessen erworben, um dessen Wert als Streuobstbestand durch gezielte Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen zu fördern. Er rügt unter anderem Verfahrensfehler, fehlenden Bedarf für eine Autobahn, eine mangelnde Umweltverträglichkeitsprüfung im Raumordnungsverfahren, eine unzureichende Alternativenprüfung, rechtswidrige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie fehlerhafte Ermittlungen hinsichtlich der Immissionen. Nachdem das beklagte Land seine Klagebefugnis in Frage gestellt hatte, trug der Kläger vor, mit notariellem Vertrag vom 5. März 1999 hätten die Veräußerer gegenüber dem Kläger auf den Nießbrauch sowie auf die weiteren besonderen Rechte verzichtet, die im ursprünglichen Vertrag vereinbart worden waren.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Unterfranken vom 4. Februar 1999 für die Bundesautobahn A 71 im Abschnitt Schweinfurt-Pfersdorf aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, im Hinblick auf die weitreichenden Einschränkungen im Überlassungsvertrag, der nur ein Klagerecht verschaffen solle, könne der Kläger sich nicht auf die Rechtsstellung eines Grundstückseigentümers berufen. Im Übrigen verteidigt er den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 VerkPBG im ersten und letzten Rechtszug zuständig. Die Planung betrifft ein Vorhaben, das unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerkPBG fällt.
Die Einwendungen des Klägers gegen die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts sind unbegründet. Die beantragte Verweisung des Rechtsstreits an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Betracht.
Nach § 2 Nr. 29 der FernverkehrswegebestimmungsVO vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) ist die „A 81 zwischen der Landesgrenze Thüringen und der A 70 bei Schweinfurt” ein Fernverkehrsweg im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VerkPBG. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Bundesminister für Verkehr mit dieser Bestimmung die ihm in § 1 Abs. 2 VerkPBG erteilte Ermächtigung, die Fernverkehrswege zwischen den neuen Bundesländern (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG) und den nächsten Knotenpunkten des Hauptfernverkehrsnetzes des übrigen Bundesgebietes zu bezeichnen, nicht überschritten. Mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz verfolgt der Gesetzgeber im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Auftrag, bundesweit gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen, das Ziel, in den neuen Bundesländern so schnell wie möglich eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur aufzubauen und das so zu bildende Verkehrsnetz an das der alten Länder anzubinden. Der Kläger meint, den nächst erreichbaren Knotenpunkt auf bayerischem Gebiet bilde die B 279, die Fulda mit Bamberg verbindet. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VerkPBG stellt indes vor dem Hintergrund der allgemeinen Zielsetzungen des Gesetzgebers nicht auf einen beliebigen Knotenpunkt ab. Vielmehr ist vom Hauptverkehrsnetz her zu bestimmen, welcher Knotenpunkt der nächstgelegene ist. Bundesautobahnen weisen die in § 1 Abs. 3 FStrG bezeichneten besonderen Merkmale auf und bilden ein übergeordnetes zusammenhängendes Netz. Diesem System entspricht es im Normalfall, einen als Autobahn konzipierten Verkehrsweg mit dem vorhandenen Autobahnnetz zu verknüpfen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine in erster Linie regional bedeutsame Autobahn handeln mag. Die Entscheidung des Verordnungsgebers ist daher nicht zu beanstanden.
Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, dem Bundesverwaltungsgericht die erstinstanzliche Zuständigkeit in derartigen Verfahren zu übertragen. Hiervon gehen der erkennende Senat und der für das Eisenbahnrecht zuständige 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Praxis aus. Auch der Kläger hat keinen Grundsatz des Verfassungsrechts benennen können, der dieser Zuweisung entgegenstehen könnte. Dass das Bundesverwaltungsgericht dadurch auch Landesrecht auszulegen und anzuwenden hat, begegnet keinen Bedenken (vgl. auch das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 4 A 18.99).
2. Die Klage ist unzulässig. Dem Kläger fehlt es an der Klagebefugnis. Gegen die Klage greift der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durch, der auch im Prozessrecht zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1966 – V ZR 160/65 – BGHZ 44, 367).
Zwar ist der Kläger Eigentümer eines Grundstücks, das im Trassenbereich des geplanten Vorhabens liegt und dementsprechend für Straßenbauzwecke in Anspruch genommen werden soll. Das erkennende Gericht geht seit dem Urteil vom 18. März 1983 – BVerwG 4 C 80.79 – (BVerwGE 67, 74) davon aus, dass der Eigentümer eines durch eine straßenrechtliche Planfeststellung mit enteignender Wirkung betroffenen Grundstücks sich gegen das Vorhaben auch mit dem Argument zu Wehr setzen kann, öffentliche Belange stünden der Planung entgegen oder seien bei der Abwägung nicht hinreichend beachtet worden. Es hat in Anknüpfung an diese Rechtsprechung wiederholt bestätigt, dass es für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO grundsätzlich unerheblich ist, aus welchen Beweggründen der Kläger das Eigentum an dem Grundstück erworben hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 1985 – BVerwG 4 C 40.83 – BVerwGE 72, 15, vom 27. Juni 1990 – BVerwG 4 C 26.87 – Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 18 = VBlBW 1991, 11; vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 und vom 27. August 1997 – BVerwG 11 A 61.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30). Es gehört zu den von der Rechtsordnung gebilligten Zielen, ein Grundstück für Zwecke des Naturschutzes oder der Landschaftspflege zu erhalten und gegen konkurrierende Nutzungsansprüche zu verteidigen. Die Möglichkeit, diesem rechtlich zulässigen Anliegen durch den Erwerb von „Sperrgrundstücken” Nachdruck zu verleihen, steht nicht nur natürlichen Personen, sondern auch anerkannten Naturschutzverbänden zu Gebote. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Bundesgesetzgeber (bisher) bewusst davon abgesehen hat, eine allgemeine Verbandsklage einzuführen, die Verbänden die Befugnis eröffnet, Planungsentscheidungen inhaltlich überprüfen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1993 – BVerwG 7 A 3.92 – BVerwGE 92, 263, und vom 18. April 1996 – BVerwG 11 A 86.95 – BVerwGE 101, 73). Denn dies ändert nichts an der Rechtsstellung eines Eigentümers, der sich gegen die Entziehung seines Grundstücks wendet.
Das bedeutet indes nicht, dass sich die Klagebefugnis stets mit dem bloßen Hinweis auf die Eigentümerstellung begründen lässt. Beruft sich der Kläger zur Abwehr eines Planvorhabens auf sein Eigentum, so reicht dies zwar in aller Regel aus, um im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufzuzeigen (vgl. zur Klagebefugnis allgemein BVerwG, Urteile vom 30. März 1995 – BVerwG 3 C 8.94 – BVerwGE 98, 118, und vom 28. Februar 1997 – BVerwG 1 C 29.95 – BVerwGE 104, 115). Eine andere rechtliche Beurteilung ist jedoch dann geboten, wenn die geltend gemachte Rechtsposition nicht schutzwürdig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Eigentümerstellung rechtsmissbräuchlich begründet worden ist. Davon ist auszugehen, wenn das Eigentum nicht erworben worden ist, um die mit ihm verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten zu nutzen, sondern nur als Mittel dafür dient, die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach der Rechtsprechung des Senats dem Eigentümer vorbehalten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1985 – BVerwG 4 C 40.83 – a.a.O.; Gerichtsbescheid vom 16. März 1998 – BVerwG 4 A 31.97 – Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 27; Urteil vom 18. Dezember 1998 – BVerwG 4 A 10.97 – insoweit in Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 144 nicht abgedruckt). Wird die dingliche Rechtsstellung letztlich nur vorgeschoben, um der Sache nach im Wege der Prozessstandschaft fremde Abwehrrechte zu verteidigen, so erschöpft sich ihr materieller Gehalt in einer bloßen Scheinposition. Davon ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände ohne weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist.
Derartige Umstände liegen hier vor.
a) Mit dem notariellen Vertrag vom 19. Dezember 1995 ist dem Kläger lediglich eine Rechtsstellung übertragen worden, die auf eine formale Hülle ohne substantiellen Inhalt hinausläuft. Zwar sollte nach dem zwischen dem Kläger und den Veräußerern geschlossenen – bezeichnenderweise „Überlassung” genannten – notariellen Vertrag das Eigentum an dem als Streuobstwiese genutzten Grundstück unentgeltlich auf den Kläger übergehen. Die Veräußerer, die Landwirtschaft betreiben, behielten sich jedoch auf Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht am Grundstück vor; dieses ist im Grundbuch an erster Rangstelle eingetragen. Damit blieben sie im Besitz des Grundstücks (§ 1036 Abs. 2 BGB) sowie berechtigt, die Nutzungen aus ihm zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat hierzu zunächst vorgetragen, er habe den Wert des Streuobstbestandes durch gezielte Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen fördern wollen. Auf Rückfrage des Senats hat er jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, derartiger Maßnahmen habe es nicht bedurft. Das Obst sei weiterhin von den Veräußerern geerntet worden, die die Streuobstwiese auch gepflegt hätten und erhalten wollten. Das somit bereits weitgehend eingeschränkte Recht des Klägers wurde noch dadurch zusätzlich entleert, dass der Kläger für den Fall einer Enteignung des Grundstücks verpflichtet war, eine etwaige Entschädigung an die Voreigentümer auszubezahlen. Wenn keine Enteignung erfolgt, sollte der Kläger das Grundstück unentgeltlich zurückübertragen, wobei die Kosten der Rückübertragung ihm zur Last fallen sollten. Damit wurde die Befugnis des Klägers auf den Zeitraum beschränkt, in dem die Frage einer Enteignung noch nicht entschieden ist. Der wirtschaftliche Wert oder Gegenwert des Grundstücks, der danach verbleibt, sollte in seiner noch ungeklärten Höhe den Veräußerern zustehen. Letztlich lief dies auf eine vollständige Rückübertragung der verbleibenden Rechtsstellung zu dem Zeitpunkt hinaus, zu dem das Eigentum seinem Zweck, die Klagebefugnis zu begründen, gedient hätte. Dass auch eine Weiterveräußerung des Grundstücks verhindert werden sollte, wurde durch die weitere Vereinbarung verdeutlicht, wonach der Kläger für den Fall, dass er das Grundstück ohne schriftliche Zustimmung durch die Voreigentümer an Dritte weiterveräußert, an diese den gesamten Verkaufserlös zuzüglich einer Schadensersatzleistung in Höhe von DM 15 000 zu zahlen hatte. An dieser Wertung ändert auch der Vortrag in der mündlichen Verhandlung nichts, die genannten Einschränkungen seien in der Weise zustande gekommen, dass sie von den Veräußerern, die den Vertrag zugleich als vollmachtlose Vertreter des Klägers abgeschlossen hätten, ohne Wissen des Klägers angefügt und erst später von ihm genehmigt worden seien. Im Gegenteil bestärkt dieses Vorbringen die Einschätzung, dass die Voreigentümer zur Übertragung einer weitergehenden Rechtsposition an den Kläger gerade nicht bereit waren.
Dafür, dass mit dem Überlassungsvertrag in erster Linie beabsichtigt war, dem Kläger verfahrensrechtliche Möglichkeiten zu schaffen, spricht auch der enge zeitliche Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren. Denn der notarielle Vertrag wurde einen Tag vor Erhebung der Einwendungen durch den Kläger und zwei Tage vor dem Ende der Einwendungsfrist abgeschlossen.
b) An diesem Ergebnis vermag der dem Senat mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2000 unterbreitete Sachverhalt nichts zu ändern.
Danach haben die Veräußerer mit notariellem Vertrag vom 5. März 1999 gegenüber dem Kläger auf den Nießbrauch verzichtet; dieser ist am 15. Juni 1999 im Grundbuch gelöscht worden. Ferner haben sie auf die Auszahlung des Enteignungserlöses, auf die kostenlose Rückübereignung des Grundstücks sowie auf die Zahlung des Verkaufserlöses zuzüglich DM 15 000 im Falle der Veräußerung an einen Dritten verzichtet.
Allerdings ist der Senat entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht gehindert, diesen Sachvortrag zu verwerten. Der Umstand, dass bei der materiellrechtlichen Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses im Wesentlichen auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Denn für die Klagebefugnis kommt es auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Der Kläger ist insoweit auch nicht präkludiert. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (VerkPBG) hat der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen die Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, anzugeben. Dieser Obliegenheit ist der Kläger mit seinem ausführlichen Vortrag gerecht geworden. Hinsichtlich der Klagebefugnis genügte der Hinweis auf seine Stellung als Eigentümer.
Auch dieser ergänzende Vortrag belegt indes nicht, dass dem Kläger tatsächlich eine Eigentümerposition übertragen werden sollte, die über Schaffung eines Klagerechts hinausreichte (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. März 1987 – 2 BvR 1226/83 –, BVerfGE 76, 1 [42] zu Art. 6 Abs. 1 GG).
Denn an den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Grundstück hat sich nichts geändert. Die Veräußerer nutzen es weiterhin wie zuvor im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes. Maßnahmen zur Erhaltung und Pflege der Obstbaumwiese hat der Kläger auch danach nicht vorgenommen.
Für den weitgehenden Verzicht auf die ihnen zuvor ausdrücklich eingeräumten Rechte haben die Voreigentümer keinen wirtschaftlichen Gegenwert erhalten. Die einzige nachvollziehbare Motivation der Veräußerer hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung dahingehend formuliert, sie wollten den Bau der Autobahn nicht.
Auch der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Planfeststellungsbeschluss (4. Februar 1999), dem genannten zweiten Vertrag (5. März 1999) und der Klageerhebung (26. März 1999) verdeutlicht den Eindruck, dass die Voreigentümer auf die zunächst vorgesehene weitgehende Entleerung des übertragenen Rechts nur verzichtet haben, um mögliche Hindernisse bei der beabsichtigten Prozessführung zu beseitigen. Somit handelt es sich vorliegend um einen Fall, in dem konkrete Umstände vorhanden sind, die ohne weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Halama, Rojahn, Jannasch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.10.2000 durch Kurowski Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 544014 |
NJW 2001, 2489 |
BVerwGE, 135 |
BauR 2001, 742 |
NVwZ 2001, 427 |
IBR 2001, 231 |
DÖV 2001, 338 |
DVP 2001, 485 |
JuS 2001, 927 |
NZV 2001, 181 |
NuR 2001, 224 |
VR 2001, 251 |
ZUR 2001, 211 |
ZfBR 2001, 416 |
BRS 2000, 855 |
BayVBl. 2001, 569 |
DVBl. 2001, 385 |
UPR 2001, 143 |
FSt 2001, 402 |
LL 2001, 584 |
VA 2001, 157 |