Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzte Dienstfähigkeit. Dienstbezüge. Dienstunfähigkeit. Ruhegehalt. Versorgungsabschlag. Zuschlag gemäß § 72a Abs. 2 BBesG
Leitsatz (amtlich)
Die Höhe des fiktiven Ruhegehaltes, das gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG die Untergrenze der Dienstbezüge eines begrenzt dienstfähigen Beamten darstellt, ist unter Berücksichtigung der Regelungen über den Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 69d Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zu berechnen.
Die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Besserstellung begrenzt dienstfähiger Beamter mit Dienstbezügen gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG kann dadurch erreicht werden, dass ihnen der Zuschlag gemäß § 72a Abs. 2 BBesG gewährt wird. Die Bundesregierung und die Landesregierungen sind verpflichtet, die gemäß § 72a Abs. 2 BBesG erforderliche Rechtsverordnung für ihren Bereich zu erlassen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5; BBesG § 72a Abs. 1-2; BeamtVG § 14 Abs. 3, § 69d Abs. 3 S. 1; BBG § 42a; LBG BW § 53a
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 25.11.2003; Aktenzeichen 4 S 1542/02) |
VG Stuttgart (Urteil vom 17.04.2002; Aktenzeichen 17 K 654/02) |
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. November 2003 wird aufgehoben, soweit der Beklagte zur Zahlung höherer Dienstbezüge nebst Prozesszinsen verurteilt worden ist. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. April 2002 zurückgewiesen.
Unter Zurückweisung der Revision im Übrigen und Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, soweit damit die Klage abgewiesen worden ist, wird festgestellt, dass die dem Kläger gezahlte Besoldung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu niedrig ist.
Die Kosten des Verfahrens tragen – insoweit unter Abänderung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen – der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.
Tatbestand
I.
Der Kläger steht als Fachoberlehrer im Dienst des Beklagten. Er ist seit dem 1. Februar 2001 begrenzt dienstfähig, wobei seine Arbeitszeit auf die Hälfte der Pflichtstundenzahl herabgesetzt ist.
Im Hinblick darauf setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung die Dienstbezüge des Klägers gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG in Höhe des fiktiven Ruhegehaltes fest, das der Kläger erhalten hätte, wenn er mit Wirkung vom 1. Februar 2001 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre. Bei der Berechnung berücksichtigte das Landesamt, dass sich in diesem Fall das Ruhegehalt gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 69d Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG um 3,6 % vermindert hätte. Die so ermittelten Dienstbezüge sind erheblich höher als die Hälfte der vollen Dienstbezüge des Klägers.
Der Kläger macht geltend, ihm stünden Dienstbezüge in Höhe des fiktiven Ruhegehaltes ohne den Abschlag von 3,6 % zu. Die nach erfolglosem Antrags- und Widerspruchsverfahren erhobene Klage hatte in der Berufungsinstanz Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beklagten verurteilt, die Dienstbezüge des Klägers mit Wirkung vom 1. Februar 2001 um 3,6 % zu erhöhen. Bei der Berechnung des fiktiven Ruhegehaltes gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG müssten die Regelungen über die Minderung des Ruhegehaltes gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 69d Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG außer Betracht bleiben. Diese Regelungen seien nach ihrem Normzweck auf die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zugeschnitten. Das fiktive Ruhegehalt stelle aber nur eine Rechengröße für die Bemessung der Dienstbezüge aktiver Beamter dar. Zudem sei es mit dem Alimentationsgrundsatz unvereinbar, begrenzt dienstfähigen Beamten Besoldung nur in Höhe der erdienten Versorgung zu gewähren, obwohl sie ihre Dienstleistungspflicht im Rahmen des ihnen Möglichen erfüllten.
Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. November 2003 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. April 2002 zurückzuweisen.
Der Kläger erklärt, das Klagebegehren enthalte auch den Antrag festzustellen, dass die ihm gewährte Besoldung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspricht, und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Revision des Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung höherer Dienstbezüge für die Zeit seiner begrenzten Dienstfähigkeit zuerkannt hat. Ein solcher Anspruch besteht nicht, weil der Beklagte die Dienstbezüge des Klägers in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben festgesetzt hat.
Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen Besoldungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie dürfen nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind. Dies gilt auch, wenn die sich aus dem Gesetz ergebende Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 1996 – BVerwG 2 C 7.95 – Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 und vom 17. Juni 2004 – BVerwG 2 C 34.02 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 79). Demzufolge stehen Beamten bei begrenzter Dienstfähigkeit Dienstbezüge in der Höhe zu, die sich aus § 72a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 BBesG ergibt.
Das durch Art. 1 Nr. 3, Art. 2 Nr. 5 des Versorgungsreformgesetzes vom 29. Juni 1998 (BGBl I S. 1666, 1667) geschaffene Rechtsinstitut der begrenzten Dienstfähigkeit gemäß § 26a BRRG, § 42a BBG, § 53a LBG BW ermöglicht es dem Dienstherrn, die verbliebene Arbeitskraft von Beamten nutzbar zu machen, die ihre Dienstpflichten wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht mehr während der gesamten, aber noch mindestens während der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen können. Diese Beamten sollen nicht mehr wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, sondern unter Berücksichtigung ihres in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögens im aktiven Dienst gehalten werden (BTDrucks 13/9527, S. 29). Das Rechtsinstitut der begrenzten Dienstfähigkeit ist Ausdruck des hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums, dass der Beamte dem Dienstherrn seine gesamte Persönlichkeit und volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat (BVerfGE 21, 329 ≪345≫; 71, 39 ≪60≫; BVerwG, Urteil vom 2. März 2000 – BVerwG 2 C 1.99 – BVerwGE 110, 363 ≪367≫).
Bei begrenzter Dienstfähigkeit erhält der Beamte gemäß § 72a Abs. 1 Satz 1 BBesG Dienstbezüge entsprechend § 6 Abs. 1 BBesG. Nach dieser Vorschrift werden die Dienstbezüge im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG werden sie mindestens in Höhe des Ruhegehaltes gewährt, das der Beamte bei Versetzung in den Ruhestand erhalten würde. Diese Regelungen kommen zur Anwendung, sobald der Verwaltungsakt, durch den die begrenzte Dienstfähigkeit festgestellt und die Arbeitszeit entsprechend herabgesetzt wird, Rechtswirksamkeit erlangt.
Dem Kläger sind seit 1. Februar 2001 Dienstbezüge nach Maßgabe von § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG zu gewähren. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Dienstbezüge, die bei arbeitszeitanteiliger Kürzung um die Hälfte verbleiben, erheblich unter dem fiktiven Ruhegehalt.
Die Höhe des gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG maßgeblichen fiktiven Ruhegehaltes entspricht der Höhe des Anspruchs auf Ruhegehalt, der festzusetzen gewesen wäre, wenn der Beamte nicht für begrenzt dienstfähig erklärt, sondern stattdessen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre. Demnach ist das fiktive Ruhegehalt auf der Grundlage derjenigen Regelungen des Beamtenversorgungsrechts zu berechnen, die der Berechnung des Versorgungsanspruchs im Falle der Dienstunfähigkeit zugrunde zu legen wären. Dieser Bedeutungsgehalt des § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG ergibt sich aus Wortlaut und Zweck der Vorschrift sowie aus dem systematischen Zusammenhang mit § 72a Abs. 2 BBesG.
Bereits der Wortlaut des § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG lässt nur den Schluss zu, dass die Vorschrift uneingeschränkt auf die Regelungen des Beamtenversorgungsrechts verweist, nach denen sich der Anspruch auf Ruhegehalt bemisst. Der Wortlaut der Vorschrift enthält keinen Anhaltspunkt, der auf eine selektive Berücksichtigung der versorgungsrechtlichen Bestimmungen hindeutet. Er lässt nicht erkennen, von welchen Voraussetzungen die Anwendung einzelner Regelungen abhängen könnte.
Mit der Festlegung der Untergrenze des § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG hat der Gesetzgeber lediglich verhindern wollen, dass Beamte durch die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit schlechter stehen als wenn sie stattdessen zur Ruhe gesetzt worden wären (BTDrucks 13/9527, S. 34). Wie die Regelung des § 72a Abs. 2 BBesG zeigt, soll eine Besserstellung nicht durch – im Vergleich zum fiktiven Ruhegehalt – höhere Dienstbezüge, sondern durch die Gewährung eines nicht ruhegehaltfähigen Zuschlags erreicht werden.
Nach alledem sind bei der Berechnung des fiktiven Ruhegehaltes gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG auch die Regelungen über den Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 69d Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG zu berücksichtigen, wenn die begrenzte Dienstfähigkeit nicht auf einem Dienstunfall beruht. Denn nur unter dieser Voraussetzung finden die Regelungen bei der Berechnung des Anspruchs auf Ruhegehalt, der im Falle der Dienstunfähigkeit festzusetzen wäre, keine Anwendung (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 3 BeamtVG, Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – BVerwGE 120, 154 ≪158≫). Anwendbar sind auch die Regelungen über Zurechnungszeiten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG und über dienstunfallbedingte Erhöhungen des Ruhegehalts gemäß § 5 Abs. 2, §§ 36 und 37 BeamtVG. Dagegen bleiben die Anrechnungs- und Ruhensvorschriften gemäß §§ 53 bis 57 BeamtVG außer Betracht. Sie betreffen nicht die Höhe des Anspruchs auf Ruhegehalt, sondern begründen rechtliche Hindernisse für die Auszahlung des festgesetzten Ruhegehaltes (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Dagegen hat die Revision des Beklagten keinen Erfolg, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die ihm gegenwärtig gewährte Besoldung verfassungswidrig zu niedrig angesetzt ist.
Dieser Feststellungsantrag ist von dem Klagebegehren umfasst; er ist als nachrangiges Begehren in dem weitergehenden Leistungsantrag enthalten (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1996, a.a.O.). Der Feststellungsantrag ist durch die Revision des Beklagten gegen seine Verurteilung nach dem vorrangigen Leistungsantrag in der Revisionsinstanz angefallen (BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260 ≪263≫).
Ein Anspruch auf höhere Besoldung, der darauf gestützt wird, dass die gesetzlich vorgesehene Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist, kann im Wege der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO verfolgt werden. Zahlungsansprüche entstehen erst dadurch, dass der Gesetzgeber dem Anliegen durch eine gesetzliche Neuregelung Rechnung trägt (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 1996 und vom 17. Juni 2004, a.a.O.).
Der Kläger hat nach wie vor ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO an der begehrten Feststellung. Zwar hat der Beklagte von den gesetzlichen Regelungen über die begrenzte Dienstfähigkeit nach § 53a LBG BW nur bis zum 31. Dezember 2004 Gebrauch machen können, weil der Landesgesetzgeber die Befristungsregelung gemäß § 53a Abs. 5 LBG BW nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Der entsprechende Gesetzesentwurf der Landesregierung vom 24. November 2004 (LTDrucks 13/3783, S. 4 und 5) war zum Zeitpunkt der Revisionsverhandlung noch nicht in Kraft getreten. Davon bleibt aber die Rechtsstellung derjenigen Beamten unberührt, deren begrenzte Dienstfähigkeit – wie im Fall des Klägers – bis zum 31. Dezember 2004 rechtswirksam festgestellt worden war.
Der Kläger erhält gegenwärtig gleichheitswidrig eine zu niedrige Besoldung, weil er den Zuschlag nicht erhalten kann, der nach § 72a Abs. 2 BBesG zusätzlich zu den Dienstbezügen vorgesehen ist.
Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Die Ungleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass die Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihnen Rechnung getragen werden muss. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfGE 86, 81 ≪87≫; 90, 226 ≪239≫; 103, 310 ≪318≫). Im Bereich des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf (BVerfGE 103, 310 ≪319≫; 110, 353 ≪364≫).
Hat der Gesetzgeber einen Sachbereich aufgrund bestimmter Wertungen und Differenzierungsmerkmale nach einem Regelungssystem normiert, so ist er aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich verpflichtet, die selbst statuierte Sachgesetzlichkeit auf alle betroffenen Personengruppen anzuwenden. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt dann die Folgerichtigkeit der gesetzlichen Regelungen. Abweichungen von den für maßgeblich erklärten Wertungen und Differenzierungsmerkmalen sind nur aus Gründen möglich, deren Gewicht die Abweichung nach Art und Ausmaß rechtfertigt (BVerfGE 46, 97 ≪109≫; 60, 16 ≪40≫; 85, 238 ≪247≫).
Wie sich aus dem Verweis in § 72a Abs. 1 Satz 1 BBesG auf § 6 Abs. 1 BBesG ergibt, behandelt der Gesetzgeber begrenzt dienstfähige Beamte hinsichtlich der Bemessung der Dienstbezüge wie teilzeitbeschäftigte Beamte. Die Herabsetzung der regelmäßigen Arbeitszeit zieht die zeitanteilige Kürzung der Dienstbezüge nach sich. Der Gesetzgeber hat die Höhe der Dienstbezüge begrenzt dienstfähiger Beamter in ein unmittelbares Gegenseitigkeitsverhältnis mit dem zeitlichen Umfang der Dienstleistung gestellt. Dagegen hat er den Unterschieden keine Bedeutung beigemessen, die zwischen den Gruppen der begrenzt dienstfähigen und teilzeitbeschäftigten Beamten hinsichtlich der Erfüllung der Dienstleistungspflicht bestehen. Während teilzeitbeschäftigte Beamte nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft Dienst leisten, bringen begrenzt dienstfähige Beamte ihre Arbeitskraft ganz ein. Daher stehen sie dem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Leitbild, wonach der Beamte dem Dienstherrn seine gesamte Persönlichkeit und volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat, zumindest erheblich näher.
Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers, die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter nach dem Merkmal “zeitlicher Umfang der Dienstleistung” in das Besoldungsgefüge einzupassen, verlangt der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG die folgerichtige, d.h. gleichmäßige Anwendung dieses Merkmals. Es darf nicht nur herangezogen werden, um zeitanteilige Kürzungen der Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter gegenüber der Besoldung voll dienstfähiger Beamter zu rechtfertigen. Vielmehr muss die von begrenzt dienstfähigen Beamten erbrachte Dienstleistung auch Berücksichtigung finden, um die Höhe ihrer Besoldung im Verhältnis zu den Bezügen der in ihrer Leistungsfähigkeit anteilig gleich beeinträchtigten Beamten zu bestimmen, die mangels dienstlichen Bedarfs für ihre umfänglich begrenzten Einsatzmöglichkeiten als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt werden und dabei auch noch unter Ausnutzung der ihnen verbliebenen Arbeitskraft ihre Ruhestandsbezüge durch Erwerbstätigkeit aufbessern können (§ 53 Abs. 2 Nr. 3 BeamtVG). Folgerichtig muss sich der Arbeitseinsatz begrenzt dienstfähiger Beamter in höheren Bezügen niederschlagen, als sie bei der Freistellung vom Dienst durch Zurruhesetzung in der Gestalt von Ruhestandsbezügen gewährt würden.
Diesen Anforderungen entspricht die Regelung des § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG für sich genommen nicht. Ausgehend von der gesetzgeberischen Wertung, die § 72a Abs. 1 Satz 1 BBesG zugrunde liegt, benachteiligt sie begrenzt dienstfähige Beamte, weil ihnen als Gegenleistung für ihre Dienste nur die erdiente Versorgung gewährt wird.
Dies hat aber für die gesetzliche Regelung als solche noch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zur Folge, weil für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Gesamtzusammenhang des besoldungsrechtlichen Regelungswerkes gemäß § 72a Abs. 1 und 2 BBesG in den Blick zu nehmen ist. Der Gesetzgeber hat durch § 72a Abs. 2 BBesG die Möglichkeit eröffnet, verfassungskonforme Zustände herzustellen. Satz 1 dieses Absatzes der Vorschrift ermächtigt die Bundesregierung und die Landesregierungen, jeweils für ihren Bereich zusätzlich zu den Dienstbezügen nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung die Gewährung eines nicht ruhegehaltfähigen Zuschlags zu regeln. Demnach kann die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte Besserstellung der begrenzt dienstfähigen Beamten, die gemäß § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG Dienstbezüge in Höhe des fiktiven Ruhegehaltes erhalten, dadurch erreicht werden, dass ihnen der von § 72a Abs. 2 Satz 1 BBesG vorgesehene nicht ruhegehaltfähige Zuschlag gewährt wird. Dies erfordert den Erlass einer Rechtsverordnung, die die Voraussetzungen für die betragsmäßige Festsetzung des Zuschlags schafft. Dabei hat der Verordnungsgeber der unterschiedlichen Besteuerung von Dienstbezügen und Ruhegehalt Rechnung zu tragen (vgl. Mende/Summer, ZBR 2005, 122 ≪125≫).
Die verfassungsrechtlich gebotene Beseitigung des sich aus § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG ergebenden Besoldungsdefizits ist nur gewährleistet, wenn der Erlass der Rechtsverordnung nicht in das politische Ermessen der Regierungen gestellt wird.
Vielmehr ist die Regelung gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 BBesG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Regierungen für ihren Bereich zum Erlass verpflichtet sind. Damit korrespondiert ein Anspruch der nach § 72a Abs. 1 Satz 2 BBesG besoldeten Beamten auf Erlass der Rechtsverordnung, der im Wege einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO durchgesetzt werden kann (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 – BVerwG 2 C 13.01 – Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2).
Die Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist einer derartigen verfassungskonformen Auslegung zugänglich, weil diese weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem Willen des Gesetzgebers widerspricht (BVerfGE 93, 37 ≪81≫; 95, 64 ≪93≫). Dass die Regierungen nach dem Wortlaut des § 72a Abs. 2 Satz 1 BBesG zum Erlass der Rechtsverordnung ermächtigt werden, steht einer Verpflichtung zum Tätigwerden nicht entgegen. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs “ermächtigt” erschöpft sich darin, die Rechtsetzungsbefugnis der Regierungen zu begründen und damit deren Verantwortung für die Gewährung des Zuschlags zum Ausdruck zu bringen. Der Normzweck des § 72 Abs. 2 Satz 1 BBesG besteht gerade darin, begrenzt dienstfähigen Beamten einen besoldungsrechtlichen Anreiz für ihre Dienstleistung zu bieten (BTDrucks 13/9527, S. 34).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1412607 |
BVerwGE 2006, 309 |
ZBR 2006, 92 |
ZTR 2005, 553 |
DÖD 2006, 168 |
DÖV 2006, 33 |
RiA 2005, 294 |
DVBl. 2005, 1520 |
NPA 2006, -- |
Städtetag 2005, 38 |
Städtetag 2006, 34 |