Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensrückgabe. Ausschlußfrist. Quorum als Anmeldevoraussetzung. Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolgerin eines Mitglieds der geschädigten Gesellschaft. Unternehmensrückgabeantrag durch das Mitglied einer Erbengemeinschaft. Notgeschäftsführungsrecht. namentlich bekannter Anmelder im Sinne des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG
Leitsatz (amtlich)
1. Das Quorum nach § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG ist Voraussetzung für die wirksame Anmeldung eines Anspruchs auf Unternehmensrückgabe.
2. Die Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG hat nicht zur Folge, daß dem Unternehmensrückgabeantrag eines Anmeldeberechtigten bei der Ermittlung des Quorums die Anteile aller übrigen Anmeldeberechtigten zuzurechnen sind.
Normenkette
VermG § 2 a Abs. 1, § 3 Abs. 3 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 1a Sätze 2-3, Abs. 6 Sätze 1-2, § 30a Abs. 1; URüV § 17 Abs. 1 S. 1; BGB § 2038 Abs. 1, §§ 2039, 2040 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 28.02.1996; Aktenzeichen 5 K 569/93) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Februar 1996 wird aufgehoben, soweit die Klage der Klägerin zu 1 abgewiesen worden ist. Ebenfalls aufgehoben werden die Bescheide des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 17. Mai 1993 sowie vom 30. Januar 1995.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen der Beklagte drei Fünftel und die Klägerin zu 2 zwei Fünftel. Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte die der Klägerin zu 1 und drei Fünftel der eigenen sowie die Klägerin zu 2 zwei Fünftel der des Beklagten und ihre eigenen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Rückgabe einer Mörtelfabrik an die Beigeladene.
Das umstrittene Unternehmen, dessen Träger ursprünglich die Beigeladene war, wurde auf der Grundlage des Beschlusses des Ministerrates der DDR vom 9. Februar 1972 enteignet, als VEB Mörtelwerk Nord weitergeführt und später in einen anderen VEB eingegliedert, der im Rahmen der Zentralisierung dem bezirksgeleiteten Bauwesen unterstellt wurde. Aus diesem Unternehmen wurde im Jahre 1990 die Klägerin zu 2 gebildet. Im Jahre 1992 übernahm die Klägerin zu 1 das Mörtelwerk und pachtete das dazugehörige Betriebsgelände durch Vertrag vom 9. November 1993 von der Klägerin zu 2 mit Wirkung vom 1. Januar 1993.
Mit einem am 13. November 1992 beim Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen eingegangenen Schreiben beantragte Dieter B. als Sohn des früheren Gesellschafters der Beigeladenen Ralph B. die Rückübertragung des Mörtelwerkes nach § 6 des Vermögensgesetzes – VermG – und verwies darauf, daß die noch lebende Gesellschafterin D. beabsichtige, ihm ihre Anteile abzutreten. Die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft stellten sich vor ihrer Enteignung wie folgt dar: Neben der staatlichen Beteiligung hielten Herr B. einen Anteil von 15.600 M, Frau D. einen von 16.500 M und eine weitere Gesellschafterin, Frau S., einen von 20.500 M.
Mit notarieller Erklärung vom 1. Dezember 1992 trat Frau D. alle ihr zustehenden Ansprüche aus der Gesellschaft an Dieter B. ab und bevollmächtigte ihn darüber hinaus, in ihrem Namen Rückübertragungsansprüche zu stellen. Beim Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ging diese Erklärung ausweislich der Verwaltungsvorgänge am 12. Februar 1993 ein. Mit Schreiben vom 1. April 1993 legte Dieter B. dem Landesamt eine Vollmacht seiner Schwester Jutta M. vom 29. März 1993 vor, in der diese erklärte, gegen die beantragte Rückübertragung des Mörtelwerks keine Einwände zu haben. Frau M. und ihr Bruder sind jeweils zur Hälfte Erben von Ralph B.
Mit Bescheid vom 17. Mai 1993 stellte das Landesamt die Berechtigung der Beigeladenen hinsichtlich des Unternehmens fest. Es sah das Quorum nach § 6 Abs. 1 a VermG als erfüllt an, weil 62,1 % der privaten Kapitaleinlagen durch Antragstellung belegt seien.
Dagegen hat die Klägerin zu 1 Klage erhoben. Nachdem das Landesamt mit weiterem Bescheid vom 30. Januar 1995 die Rückübertragung des Unternehmens auf die Beigeladene angeordnet hat, haben gegen diesen Bescheid nicht nur die Klägerin zu 1 sondern nunmehr auch die Klägerin zu 2 geklagt. Sie haben sich darauf berufen, daß vor Ablauf der Antragsfrist des § 30 a VermG das für eine Unternehmensrückgabe erforderliche Quorum gemäß § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG nicht vorgelegen habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Verfahren verbunden und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide verletzten die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Ein wirksamer Rückgabeantrag sei vor Ablauf der Frist des § 30 a VermG gestellt worden; denn der Antrag von Dieter B. gelte gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG zugunsten aller Berechtigten, denen der gleiche Anspruch zustehe. Auch das Quorum sei zum Ablauf der Frist erreicht gewesen. Die Anmeldung des Anspruchs sei als Maßnahme zur Erhaltung des Nachlasses im Sinne des § 2038 BGB zu werten; damit seien alle auf das Erbe nach Ralph B. entfallenden Geschäftsanteile zu berücksichtigen. Hinzukomme der Anteil von Frau D., weil ihre notarielle Vollmacht bei Fristablauf vorgelegen habe. Im übrigen sei es gar nicht erforderlich, daß das Quorum bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein müsse. Maßgeblich sei vielmehr der Erlaß des Bescheides. Zu diesem Zeitpunkt sei das Quorum wohl unstreitig erreicht gewesen, weil inzwischen auch die Vollmacht von Frau M. ausgestellt worden sei.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision berufen sich die Klägerinnen nach wie vor darauf, daß ein wirksamer Antrag auf Rückgabe des Unternehmens nicht fristgerecht gestellt worden sei: Dieter B. habe den Anspruch lediglich in eigenem Namen angemeldet. Ein nachträglicher Beitritt sei weder wirksam durch Frau D. noch durch Frau M. erfolgt. Der Antrag gelte auch nicht nach § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG als für die übrigen Gesellschafter gestellt; diese Vorschrift finde im Hinblick auf das erforderliche Quorum keine Anwendung.
Der Beklagte verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils. Auch der Oberbundesanwalt hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig, weil der Antrag von Dieter B. nach erbrechtlichen Vorschriften als gleichzeitig für seine Schwester gestellt gelte und er aufgrund rechtzeitiger Bevollmächtigung auch für Frau D. habe sprechen können, so daß er bei Ablauf der Anmeldefrist 61,03 % der Geschäftsanteile auf sich vereint habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision führt teilweise zum Erfolg. Zwar sind die angefochtenen Bescheide insgesamt rechtswidrig, sie verletzen jedoch nur die Klägerin zu 1 in ihren Rechten, nicht aber die Klägerin zu 2, so daß das Verwaltungsgericht deren ausschließlich gegen den Rückgabebescheid gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
1. Eine Rechtsverletzung der Klägerin zu 2 scheidet von vornherein aus, weil sie – wie sich bereits aus den Gründen des insoweit von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogenen Bescheides vom 17. Mai 1993 ergibt – seit 1992 nicht mehr Trägerin des umstrittenen Unternehmens ist, das zu diesem Zeitpunkt auf die Klägerin zu 1 übergegangen ist. Zwar vermittelt der Rückgabebescheid vom 20. Januar 1995 den Eindruck, es habe eine Verpachtung des Unternehmens durch die Klägerin zu 2 an die Klägerin zu 1 stattgefunden. Das ist jedoch offensichtlich unzutreffend; denn der in den Akten enthaltene Pachtvertrag vom 9. November 1993 bezieht sich nur auf das Betriebsgelände, das schon zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht dem Unternehmen der Beigeladenen gehört hatte und auch von der Betriebsübernahme durch die Klägerin zu 1 nicht erfaßt war. Der Pachtvertrag diente daher ersichtlich dazu, den Besitz an dem in der Verfügungsbefugnis der Klägerin zu 2 verbliebenen Betriebsgrundstück – wie es der Geschäftsführer der Klägerin zu 1 in der Revisionsverhandlung ausgedrückt hat – mit dem Betrieb „zusammenzuführen”.
War die Klägerin zu 2 somit bereits seit 1992 nicht mehr Eigentümerin des Unternehmens, konnte sie dessen Rückgabe nicht in ihren Rechten treffen.
2. Demgegenüber führt das Rechtsmittel der Klägerin zu 1 zum Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durfte das umstrittene Unternehmen nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG an die Beigeladene zurückgegeben werden, weil für sie kein wirksamer Rückgabeantrag gestellt worden ist.
Berechtigter bei einer Unternehmensrückgabe ist nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG der seinerzeitige Unternehmensträger. Dieser besteht nach § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG unter seiner früheren Firma als in Auflösung befindlich fort, wenn die im Zeitpunkt der Schädigung vorhandenen Gesellschafter oder Mitglieder oder Rechtsnachfolger dieser Personen, die mehr als 50 vom Hundert der – privaten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 der Unternehmensrückgabeverordnung – URüV) – Anteile oder Mitgliedschaftsrechte auf sich vereinen und namentlich bekannt sind, einen Anspruch auf Rückgabe des Unternehmens oder von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des Rückgabeberechtigten angemeldet haben. Kommt dieses Quorum nicht zustande, kann das Unternehmen nach § 6 Abs. 1 a Satz 3 VermG nicht zurückgefordert werden.
So verhält es sich hier; denn die Anmeldung des Rückgabeanspruchs durch Dieter B. war nicht geeignet, die Beigeladene nach Maßgabe der in § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG getroffenen Regelung fortbestehen zu lassen. Da neben ihm seine Schwester Erbin des väterlichen Gesellschaftsanteils ist und dieser Anteil nur knapp 30 % der privaten Beteiligungen an der Beigeladenen ausmacht, wären die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG nur erfüllt gewesen, wenn der Rückgabeantrag den auf die Erbengemeinschaft entfallenden Anteil an der Beigeladenen erfaßt hätte und ihm überdies die Beteiligung von Frau D. zuzurechnen gewesen wäre. Die erfolgte Anmeldung konnte jedoch keine dieser Wirkungen äußern. Ihr kommt weder zugute, daß dem Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die Vollmacht von Frau D. und die Einverständniserklärung von Frau M. vorlag (a), noch daß nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG ein Unternehmensrückgabeantrag von jedem Gesellschafter oder dessen Rechtsnachfolger gestellt werden kann und nach § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG der Antrag des Berechtigten als zugunsten aller Berechtigten erhoben gilt, denen der gleiche Anspruch zusteht (b). Schließlich ergibt sich eine Zurechnung dieser Gesellschaftsanteile auch nicht aus erbrechtlichen und allgemeinen vertretungsrechtlichen Vorschriften (c).
a) Der Umstand, daß das nach § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG vorgeschriebene Quorum zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide vorgelegen hat, hilft der Beigeladenen nicht weiter, weil es sich bei diesem Erfordernis um eine Voraussetzung für eine wirksame Anmeldung eines Unternehmensrückgabeanspruchs handelt und die Anmeldefrist nach § 30 a Abs. 1 VermG am 31. Dezember 1992 abgelaufen war.
Der Senat ist bereits in seinem Urteil vom 17. April 1997 – BVerwG 7 C 15.96 – (VIZ 1997, 447) davon ausgegangen, daß die Erfüllung des Quorums Anmelde- und nicht bloße Rückgabevoraussetzung ist. Dies legt schon die im Wortlaut angelegte Logik der Norm nahe, die das Fortbestehen des rückgabeberechtigten Unternehmensträgers an entsprechend qualifizierte Anmeldungen knüpft. Vor allem spricht dafür aber der Zweck des durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz vom 22. März 1991 – BGBl I S. 766 – eingeführten Quorums. Mit ihm soll erklärtermaßen vermieden werden, daß Minderheiten, die keinen ernsthaften Rückgabewillen haben, Verfahren erschweren oder gar blockieren (BTDrucks 12/449, S. 10). Es soll daher vorab – also vor der Einleitung des eigentlichen Rückgabeverfahrens – feststehen, ob der Rückgabeantrag durch die erforderlichen Mehrheiten gedeckt wird. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, welches das Quorum als bloße Rückgabevoraussetzung begreift, vernachlässigt diesen Gesetzeszweck und hat überdies die für die Praxis schwer erträgliche Konsequenz, daß nicht nur während des Verwaltungsverfahrens, sondern auch noch im Gerichtsverfahren die für die Rückgabe des Unternehmens erforderlichen Mehrheiten gewonnen werden könnten und damit bis zum Abschluß der Tatsacheninstanz – möglicherweise sogar darüber hinaus (vgl. VG Dresden, Urteil vom 4. April 1995 – 1 K 1455/93 – RGV, G 91) – offenbliebe, ob der Berechtigte fortbesteht oder nicht. Gegen die Einordnung des Quorums als Voraussetzung für eine wirksame Anmeldung eines Unternehmensrückgabeanspruchs spricht auch nicht die in § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG angeordnete Verfügungssperre. Zwar muß diese Beschränkung unabhängig davon greifen, ob ein angemeldeter Anspruch auf Unternehmensrückgabe die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG erfüllt, solange die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß das Quorum erreicht werden kann; denn anderenfalls liefe der durch die Verfügungssperre bezweckte Schutz des Berechtigten in den Fällen weitgehend leer, in denen sich das Quorum erst durch die Summierung einzelner Anmeldungen ergibt. Das bedeutet aber nicht, daß die jeweiligen Anmeldungen unabhängig von dem Erreichen des Quorums als wirksame Unternehmensrückgabeanträge angesehen werden müssen; denn die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG wird bereits dann ausgelöst, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht offensichtlich aussichtslos ist (BVerwG, Beschluß vom 7. November 1995 – BVerwG 7 C 71.94 – Buchholz 113 § 5 InVorG Nr. 3; BGH, NJW 1994, 1723, 1725), also auch dann, wenn die Erfüllung des Quorums noch in der Schwebe ist.
b) Die Beigeladene kann sich für eine wirksame Anmeldung des Anspruchs auf Rückgabe des Mörtelwerks auch nicht auf § 6 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Satz 2 VermG berufen. Danach gilt der Antrag eines Berechtigten auf Rückgabe eines Unternehmens als zugunsten aller Berechtigten, denen der gleiche Anspruch zusteht, erhoben. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und inwieweit Dieter B. als Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft nach seinem Vater in diesem Sinne als Berechtigter gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG anmeldeberechtigt war. Selbst wenn man eine solche Berechtigung unterstlelt, bedeutet dies nicht, daß damit auch die Gesellschaftsanteile dieser übrigen Anmeldeberechtigten hinter dem Rückgabeantrag stehen. Anderenfalls würde der Zweck des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG, daß zur Durchführung eines Unternehmensrückgabeverfahrens die Mehrheit der Gesellschafter rückgabewillig sein muß, zunichte gemacht. Daß dieser Zweck sich gegenüber der in § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG angeordneten Erstreckungswirkung durchsetzt, diese mit anderen Worten das Quorum nicht erfaßt, ergibt sich nicht nur daraus, daß § 6 Abs. 1 a VermG erst mit dem Hemmnisbeseitigungsgesetz in das Vermögensgesetz eingefügt wurde und daher die jüngere Vorschrift ist. Der Vorrang der in § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG getroffenen Regelung liegt vor allem deswegen nahe, weil § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG an den Rechtszustand vor dem Hemmnisbeseitigungsgesetz anknüpft. Danach war der einzelne Gesellschafter Berechtigter einer Unternehmensrückgabe. Die jetzt geltende, durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz eingeführte Fassung des § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG hat an seine Stelle den Unternehmensträger gesetzt. Damit geht die mit der Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 2 VermG ursprünglich beabsichtigte Erstreckungswirkung bei wörtlichem Verständnis der an den Begriff des Berechtigten anknüpfenden Norm inzwischen ins Leere. Insoweit stellt sie heute allenfalls noch klar, daß mit dem Rückgabeantrag einer der in § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG genannten Personen das Unternehmen als solches anspruchsbefangen ist und damit von der Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG erfaßt wird. Ob der Norm daneben weitere Funktionen verblieben sind, kann hier dahingestellt bleiben; vom Erfordernis des Quorums nach § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG entbindet sie jedenfalls nicht.
c) Die Unternehmensrückgabe ist schließlich auch nicht deswegen wirksam beantragt worden, weil der Anmeldung durch Dieter B. die Gesellschaftsanteile seines verstorbenen Vaters (aa) und die Anteile von Frau D. (bb) aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften zugerechnet werden können.
aa) Zwar hat der Senat bereits entschieden, daß zum Nachlaß gehörende Restitutionsansprüche nach § 2039 BGB von jedem Miterben geltend gemacht werden können (Beschluß vom 9. Oktober 1995 – BVerwG 7 AV 8.95 – Buchholz 112 § 2 a VermG Nr. 1). Das bedeutet jedoch nicht, daß aufgrund dieser Vorschrift der auf eine Erbengemeinschaft entfallende Gesellschaftsanteil in die Berechnung des Quorums einfließt, wenn ein Mitglied dieser Gemeinschaft die Rückgabe eines Unternehmens fordert. Die Zweifel an der Anwendbarkeit des § 2039 BGB ergeben sich nicht schon daraus, daß – wie die Klägerinnen meinen – die Erben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGHZ 22, 186 ff.) im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Nachfolgeklausel – hier § 19 des Gesellschaftsvertrages – im Wege der Sondererbfolge unmittelbar Gesellschafter werden und daher die §§ 2033 ff. BGB gar nicht einschlägig sind; denn diese Rechtsprechung gilt nicht für Liquidationsgesellschaften. Da diese – wie Erbengemeinschaften – auf Auseinandersetzung hin angelegt sind, wird bei ihnen die Erbengemeinschaft selbst Gesellschafterin (BGH, NJW 1982, 170; Ulmer, in: Münchener Kommentar, 2. Aufl. Rn. 10 zu § 727 BGB). Die Unanwendbarkeit des § 2039 BGB ergibt sich vielmehr aus den mit der Anmeldung eines Unternehmensrückgabeanspruchs verbundenen besonderen Wirkungen. Da ein solcher Anspruch voraussetzt, daß die abgegebenen Anmeldungen das Quorum erreichen, wirken diese insoweit rechtsbegründend und somit gestaltend. Die Einbeziehung des auf die Erbengemeinschaft entfallenden Gesellschaftsanteils in die Berechnung des Quorums ginge daher über den Anwendungsbereich des § 2039 BGB hinaus; denn diese Vorschrift erfaßt nicht die Ausübung von Gestaltungsrechten (BGHZ 14, 251; Staudinger/Werner (1996), Rn. 14 zu § 2039 BGB m.w.N.).
Auch die Vorschriften über die Verwaltung des Nachlasses können eine solche Zurechnung nicht begründen. Da diese Verwaltung nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB den Erben gemeinschaftlich zusteht, kann die Anmeldung durch Dieter B. nur Wirkung für den in den Nachlaß fallenden Gesellschaftsanteil haben, wenn es sich dabei um eine zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregel im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB handelte. Gegen die Anwendung dieser Vorschrift bestehen jedoch ebenfalls Bedenken wegen der mit dieser Willenserklärung verknüpften Wirkungen. Da die Art der den Erben im Hinblick auf das Unternehmen zustehenden vermögensrechtlichen Ansprüche von der Erfüllung des Quorums abhängt, hat der Antrag auf Rückgabe des Unternehmens zumindest verfügungsähnlichen Charakter. Das Notgeschäftsführungsrecht nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB erstreckt sich jedoch nicht auf Verfügungen, die nach § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich getroffen werden können. Weitere Bedenken gegen die Anerkennung des Notgeschäftsführungsrechts in solchen Fällen ergeben sich daraus, daß die Erhaltung des Nachlasses notwendigerweise mit der Begründung einer gesellschaftsrechtlichen Stellung der Erbengemeinschaft verbunden ist, die Miterben also – wenn auch zunächst indirekt – in ein personales Rechtsverhältnis eingebunden werden, aus dem sie sich nicht ohne weiteres wieder lösen können. Abgesehen davon widerspräche die Heranziehung des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB dem Zweck des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG, der gerade sicherstellen will, daß die Unternehmensrückgabe vom erklärten Willen der Mehrheit der Anteilseigner getragen wird. Damit dürfte es schwerlich zu vereinbaren sein, dieses Einverständnis durch gegenstandsbezogene Vorschriften des Rechts der Bruchteilsgemeinschaften zu fingieren.
Selbst wenn man aber diese Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift über das Notgeschäftsführungsrecht des einzelnen Miterben zurückstellt, führt der Rückgriff auf diese Norm hier dennoch nicht zum Erfolg, weil die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG aus einem anderen Grunde nicht erfüllt werden; denn diese Regelung fordert, daß die das Quorum bildenden Anmelder namentlich bekannt sind. Hierüber gab der Antrag durch Dieter B. keinen hinreichenden Aufschluß. Seiner Erklärung ließ sich lediglich entnehmen, daß er als „Sohn des einstigen Gesellschafters Ralph B.” handelte; sie enthielt weder Anhaltspunkte dafür, daß er als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach diesem Gesellschafter deren Rechte verfolgen wollte, noch dafür, daß es überhaupt eine solche Erbengemeinschaft gab und wer zu ihr gehörte. Zwar mag es dem Bekanntheitserfordernis des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG genügen, wenn ein Miterbe als solcher im Namen der Erbengemeinschaft handelt, ohne die anderen Erben zu benennen; denn im Hinblick darauf, daß das Vermögensgesetz in § 2 a Abs. 1 die Erbengemeinschaft als solche als Rechtsnachfolgerin anerkennt, kommen als namentlich bekannte Rechtsnachfolger im Sinne des § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG nicht nur die einzelnen Mitglieder einer Erbengemeinschaft nach dem Gesellschafter des Geschädigten, sondern auch die Gemeinschaft selbst in Betracht. Namentlich bekannt ist die Gemeinschaft jedoch nicht, wenn – wie hier – ihre Existenz verschwiegen und damit nicht in ihrem Namen gehandelt wird.
bb) Selbst wenn man – anders als der Senat – der Anmeldung die auf die Erbengemeinschaft entfallenden Gesellschaftsanteile zurechnen wollte, führte auch dies nicht zur Rückgabe des Unternehmens, weil jedenfalls die Anteile von Frau D. durch den Antrag nicht abgedeckt werden. Da die von ihr erklärte Abtretung ihrer Anteile an Herrn B. mangels der nach § 7 des Gesellschaftsvertrages erforderlichen Zustimmung aller übrigen Gesellschafter unwirksam ist, kommt eine Zurechnung nur nach den Vorschriften über die Stellvertretung in Betracht. Dafür fehlt es jedoch an den notwendigen Voraussetzungen. Zwar hat Frau D. Herrn B. noch vor Ablauf der Frist des § 30 a VermG bevollmächtigt, in ihrem Namen die Unternehmensrückgabe zu beantragen. Die zuvor vorgenommene Anmeldung läßt jedoch nicht erkennen, daß sie auch für Frau D. abgegeben werden sollte. Der Hinweis des Anmelders, Frau D. beabsichtige, ihm ihre Anteile abzutreten, sprach im Gegenteil dafür, daß er weder für sie handeln konnte noch wollte. Der offenbarte Abtretungswille ließ sich nach dem Empfängerhorizont auch nicht in die Mitteilung umdeuten, daß die Mitgesellschafterin mit einer Unternehmensrückgabe an die Beigeladene bedingungslos einverstanden war. Zwar ließ sich der mit der Abtretung bezweckte Erfolg nur realisieren, wenn rechtzeitig ein wirksamer Rückgabeantrag gestellt wurde. Dennoch konnte nicht angenommen werden, daß Frau D. als Mitglied der Beigeladenen hinter dem Rückgabeantrag stand, weil sie sich nach dem Inhalt der Anmeldung dieser Mitgliedschaft gerade entledigen wollte.
War der Rückgabeantrag somit nicht nach außen hin erkennbar im Namen von Frau D. abgegeben worden, hilft es der Beigeladenen nicht weiter, daß das Einverständnis der Gesellschafterin mit der Rückforderung nachträglich durch die Bekanntgabe der Innenvollmacht offenbar wurde; denn dies geschah nach Ablauf der Frist des § 30 a Abs. 1 VermG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Kley, Herbert, Dr. Brunn
Fundstellen
ZIP 1997, 1853 |
OVS 1998, 92 |