Entscheidungsstichwort (Thema)

Immissionsschutz. Sonntagsbeschäftigungsverbot. Ausnahme. Kampagnebetrieb. Saisonbetrieb. kontinuierlicher Betrieb. Metallhüttenwerk. Flammofen. Sonn- und Feiertagsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung in der Bekanntmachung des Bundesrates betreffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe vom 5. Februar 1895 (RGBl. S. 12), nach der Sonntagsarbeiten zum Betrieb von Flammöfen in Metallhüttenwerken zur Gewinnung von Blei gestattet sind, ist von der Ermächtigung des § 105 d Abs. 1 GewO gedeckt und mit dem verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutz auch in Fällen vereinbar, in denen diese Arbeiten weder technisch noch wirtschaftlich notwendig sind.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 139; BImSchG § 4 Abs. 1, § 6 Nr. 2, § 15 Abs. 1; GewO § 105b Abs. 1, § 105c Abs. 1 Nr. 3, § 105d Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 17.02.1988; Aktenzeichen 4 A 2864/86)

VG Arnsberg (Entscheidung vom 23.10.1986; Aktenzeichen 1 K 2568/85)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 1988 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin betreibt seit 1960 eine Schmelz- und Raffinationsanlage für Nichteisenmetalle. Diese dient zur Gewinnung von Blei, das überwiegend aus Akkumulatorenschrott erschmolzen wird. Die Anlage besteht im wesentlichen aus einem Drehtrommelofen sowie zwei Legierkesseln, in denen das Raffinieren und Auflegieren des Bleis stattfindet. Der Schmelzvorgang erfolgt in einzelnen Chargen. Eine Charge dauert beim Schmelzen von Akkumulatorenschrott zwölf Stunden. An Wochenenden wird in der Regel eine Blei-Trocken-Schlamm-Charge gefahren, die 48 Stunden dauert, so daß Sonntagsarbeit bisher nicht nötig war.

Im Jahre 1984 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG – zur Änderung der Schmelz- und Raffinationsanlage. Vorgesehen war u.a. die Umstellung der Anlage auf wahlweise Befeuerung mit Öl oder Gas sowie die Vergrößerung eines Legierkessels. In der Beschreibung des Betriebsablaufs der Betriebseinheit „Drehtrommelofen” war der Normalbetrieb mit einer Zeitdauer von 40 × 7 Tagen × 24 Stunden pro Jahr angegeben.

Der Beklagte genehmigte die Änderung mit dem Zusatz, der nach den Antragsunterlagen vorgesehene Durchlaufbetrieb (Normalbetrieb mit entsprechendem Einsatz von Arbeitnehmern) sei wegen des Sonntagsbeschäftigungsverbots nach § 105 b der Gewerbeordnung – GewO – nicht zulässig; eine Ausnahme gemäß § 105 c GewO oder § 105 d GewO komme nicht in Betracht.

Hiergegen legte die Klägerin insoweit Widerspruch ein, als der Durchlaufbetrieb versagt worden war. Sie trug vor, in ihrem Fall ergebe sich eine Ausnahme vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit aus § 105 d GewO in Verbindung mit der Bekanntmachung betreffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe vom 5. Februar 1895. Sie beabsichtige ein Nachbeladen des Ofens am Sonntag, um den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu sichern. Ohne sonntägliches Nachbeladen werde die Leistung der Anlage nur zu 50 Prozent ausgenutzt.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin zurück mit der Begründung: In der Bekanntmachung von 1895 seien zwar als Betriebsgattung auch Metallhüttenwerke zur Gewinnung von Blei genannt. Bei dem Betrieb der Klägerin handele es sich jedoch nicht um einen Hüttenbetrieb, sondern um ein typisches Metallumschmelzwerk.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten: § 105 d GewO und die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Bekanntmachung von 1895 seien als Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsbeschäftigung eng auszulegen und griffen nach ihrem Schutzzweck im vorliegenden Fall nicht ein. Es komme darauf an, ob die Natur des Betriebsablaufs oder die bei Verweigerung der Sonntagsarbeit drohenden wirtschaftlichen Nachteile die Zulassung dieser Arbeit notwendig machten. Dies sei beim Betrieb der Klägerin nicht der Fall.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert; es hat den Beklagten unter entsprechender teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Betrieb der Schmelz anlage für Nichteisenmetalle an Sonn- und Feiertagen während des Betriebszustandes „Normalbetrieb (40 × 7 Tage × 24 Stunden pro Jahr)” zu genehmigen; im übrigen – nämlich soweit es um den Betrieb der Raffinations anlage an Sonn- und Feiertagen geht – hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Nach § 6 Nr. 2 BImSchG sei die Genehmigung zu erteilen, wenn (andere) öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes dem Betrieb einer Anlage nicht entgegenstünden. Davon sei hinsichtlich der Schmelzanlage auszugehen. Nach Buchstabe A Nr. 5 der auch heute noch als Rechtsverordnung geltenden Bekanntmachung betreffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit im Gewerbetriebe vom 5. Februar 1895 sei für die Betriebsgattung „Metallhütten” zur Gewinnung von Blei der Betrieb von Flammöfen an Sonn- und Feiertagen gestattet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob aus heutiger Sicht die Ausnahme von dem Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit noch notwendig erscheine. Die Ermächtigungsnorm des § 105 d Abs. 1 GewO beschränke die Zulassung von Ausnahmen nicht auf die kontinuierlichen Betriebe und die Kampagne- oder Saisonindustrie; dies komme in dem Wort „insbesondere” zum Ausdruck. Die Schmelzanlage der Klägerin sei eine Metallhütte. Die Klägerin führe nämlich einen Verhüttungsprozeß durch, für den im Gegensatz zum bloßen Schmelzvorgang ein chemischer Reduktionsprozeß und die Trennung von Metall und Schlacke charakteristisch seien. Bei dem von der Klägerin eingesetzten Drehtrommelofen handele es sich auch um einen Flammofen im Sinne der Bekanntmachung von 1895.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die uneingeschränkte Zurückweisung der Berufung. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht im wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe Sinn und Zweck der von ihm angewandten Ausnahmevorschriften nicht hinreichend berücksichtigt.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Da die Klägerin keine Revision eingelegt hat, ist ihre Klage nur insoweit noch im Streit, als das Berufungsgericht ihr stattgegeben hat. Noch anhängig ist also lediglich das Begehren der Klägerin, den Beklagten unter entsprechender teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, den Normalbetrieb der Schmelzanlage für Nichteisenmetalle auch an Sonn- und Feiertagen („Durchlaufbetrieb”) nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu genehmigen. Das Berufungsgericht hat diesem Begehren ohne Verstoß gegen revisibles Recht stattgegeben.

1. Dem Begehren der Klägerin liegt die Absicht zugrunde, die Schmelzanlage in Zukunft an Sonn- und Feiertagen nicht mehr bloß unter Temperatur zu halten, sondern – unter entsprechendem Einsatz von Arbeitnehmern – nachzubeladen. Dies bedeutet eine wesentliche Änderung des Betriebsablaufs, die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bedarf. Mangels eines Versagungsgrundes nach § 6 Nr. 1 BImSchG kann die Genehmigung nach § 6 Nr. 2 BImSchG nur abgelehnt werden, wenn andere öfentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes dem Betrieb der Anlage entgegenstehen. In Betracht kommt hier allein § 105 b Abs. 1 Satz 1 GewO, wonach u.a. im Betrieb von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigt werden dürfen. Ob diese Regelung zu denjenigen gehört, von deren Wahrung nach § 6 Nr. 2 BImSchG die Erteilung der Genehmigung abhängt, kann dahingestellt bleiben. § 105 b GewO steht der Erteilung der Genehmigung im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil die Schmelzanlage der Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, von dieser Vorschrift ausgenommen ist.

2. Nach § 105 d Abs. 1 GewO in der Fassung des Gesetzes betreffend Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 (RGBl. S. 261) konnten durch Beschluß des Bundesrates Ausnahmen vom Sonntagsbeschäftigungsverbot des § 105 b Abs. 1 GewO zugelassen werden „für bestimmte Gewerbe, insbesondere für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, welche ihrer Natur nach eine Unterbrechung oder einen Aufschub nicht gestatten, sowie für Betriebe, welche ihrer Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt sind, oder welche in gewissen Zeiten des Jahres zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind”. Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesrat die Bekanntmachung betreffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe vom 5. Februar 1895 (RGBl. S. 12) erlassen; diese gilt, wie durch ihre Aufnahme in das Bundesgesetzblatt Teil III Nr. 7107-3 klargestellt und in Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist, als Rechtsverordnung fort, soweit sie nicht in einzelnen – hier nicht interessierenden – Teilen durch neue Rechtsverordnungen abgelöst worden ist. Nach der Bekanntmachung von 1895 ist die Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen für diejenigen Gewerbe und Arbeiten gestattet, die in der Bekanntmachung in Tabellenform bezeichnet sind. In Buchstabe A Nr. 5 der Tabelle ist „der Betrieb von Flammöfen” in „Metallhüttenwerken” zur „Gewinnung von … Blei …” genannt. Die Schmelzanlage der Klägerin fällt unter diese Ausnahmebestimmung.

a) Der Wortlaut der Bestimmung trifft auf den Betrieb der Schmelzanlage zu. Dies ergibt sich aus den – revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden und insoweit von der Revision auch nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts. Danach weist die Schmelzanlage der Klägerin die Merkmale eines Metallhüttenwerkes zur Gewinnung von Blei auf. Metallhütten sind Anlagen, in denen metallische Werkstoffe aus Erzen, Mineralien, Konzentraten oder aus Alt- und sonstigen Rücklaufmaterialien in einem Verhüttungsprozeß gewonnen werden. Die Klägerin gewinnt Blei aus Rücklaufmaterial, das überwiegend aus Altbatterien besteht. Dies geschieht nicht durch bloßes Einschmelzen von Blei, sondern in einem Verhüttungsprozeß. Für diesen ist im Gegensatz zum Schmelzvorgang ein chemischer Reduktionsprozeß und die Trennung von Metall und Schlacke charakteristisch. Einem solchen Reduktionsprozeß wird der Akkumulatorenschrott nach der Feststellung des Berufungsgerichts im Drehtrommelofen der Klägerin unterworfen. Bei diesem von der Klägerin eingesetzten Ofen handelt es sich, wie die Ausnahme in Buchstabe A Nr. 5 der Bekanntmachung von 1895 weiter voraussetzt und das Berufungsgericht festgestellt hat, um einen Flammofen, nämlich einen Ofen mit unmittelbarer Flammenbeheizung.

b) Zu Unrecht meint die Revision. Sinn und Zweck des erörterten Ausnahmetatbestandes forderten eine einschränkende Auslegung dahin, daß die Ausnahme nur für solche Verhüttungsbetriebe gilt, bei denen – anders als beim Betrieb der Klägerin – eine Notwendigkeit zur Beschickung der Öfen an Sonn- und Feiertagen besteht. Aus der Bekanntmachung von 1895 lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß der hier einschlägige Ausnahmetatbestand aus teleologischen Gründen enger ausgelegt werden müßte, als es seinem Wortlaut entspricht.

Die Bekanntmachung nennt tabellarisch die „Gattung der Betriebe” und die in diesen Gattungen „nach § 105 d zugelassenen Arbeiten”. Der darin zum Ausdruck kommende Wille des Verordnunggebers geht dahin, die bezeichneten Arbeiten in den genannten Betriebsgattungen schlechthin zuzulassen, soweit nicht die in der Tabelle 3 aufgeführten „Bedingungen, unter welchen die Arbeiten gestattet werden”, Einschränkungen vorsehen, was hier nur für die den einzelnen Arbeitern zu gewährende Ruhezeit der Fall ist. Es wäre mit dem auf Klarheit und Rechtssicherheit gerichteten Zweck der Tabelle nicht vereinbar, wenn bei ihrer Anwendung jeweils noch geprüft und danach differenziert würde, ob in dem – der genannten Betriebsgattung unterfallenden – Betriebstyp oder Einzelbetrieb die zugelassenen Sonntagsarbeiten auch tatsächlich technisch oder wirtschaftlich nötig sind.

Nicht schlüssig ist das Vorbringen des Beklagten, der Verordnunggeber habe im Jahre 1895 Flammöfen vor Augen gehabt, die ständig – einschließlich sonntags – nicht nur warmgehalten (vgl. dazu § 105 c Abs. 1 Nr. 3 GewO), sondern auch beschickt werden mußten, um schweren Schäden an den Öfen vorzubeugen. Selbst wenn diese – von der Klägerin bestrittene – Behauptung zutreffen sollte, ließe sich daraus nicht folgern, daß nur Flammöfen, bei denen ein technischer Zwang zur ständigen Beschickung besteht, von der Ausnahmevorschrift erfaßt werden sollten. Ein solcher Schluß wäre möglicherweise gerechtfertigt, wenn die in der Bekanntmachung aufgeführten Arbeiten allgemein solche wären, deren Ausführung auch am Sonntag auf einer technischen Notwendigkeit beruhte. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie namentlich die von den einzelnen Landesregierungen im Jahre 1895 erlassenen, im wesentlichen gleichlautenden „Erläuterungen” zur Bekanntmachung von 1895 belegen (abgedruckt in: Landmann/Rohmer, GewO, II. Band, 11. Aufl. 1956, Anhang 4, S. 520). In den „Erläuterungen” ist, wie der Senat in der Revisionsverhandlung mit den Beteiligten erörtert hat, an verschiedenen Stellen vermerkt, daß der Bundesrat bei der Bestimmung von Ausnahmen in der Bekanntmachung von 1895 auch „wirtschaftlichen Rücksichten” oder „Billigkeitsrücksichten” (vgl. zu D, a.a.O. S. 529; zu E Nr. 7, a.a.O. S. 534; zu G Nr. 6 a.a.O. S. 542) Rechnung tragen wollte. Dieser Wille des Verordnunggebers kommt z.B. auch in den großzügigen Regelungen in Buchstabe D Nr. 38, E Nr. 2, 4, 5 und 6 der Bekanntmachung von 1895 zum Ausdruck, wonach bestimmte chemische Prozesse, insbesondere Destillationsprozesse, am Sonntag zu Ende geführt werden dürfen, wenn sie am Sonnabend vor 18 Uhr begonnen wurden. Der Verordnunggeber hat sich demnach entgegen der Ansicht des Beklagten nicht von dem Gesichtspunkt leiten lassen, nur technisch notwendige Sonntagsarbeiten zu gestatten.

c) Für eine einschränkende Auslegung der Bekanntmachung von 1895, wie sie der Revision vorschwebt, bietet auch die Ermächtigungsnorm des § 105 d GewO keine Grundlage. Die Revision meint, § 105 d Abs. 1 GewO beziehe sich allein auf die Kampagne- und Saisonindustrie sowie auf Betriebe mit solchen Arbeiten, die ihrer Natur nach eine Unterbrechung oder einen Aufschub nicht gestatten; die von der Klägerin in Anspruch genommene Ausnahme für „Metallhüttenwerke” lasse sich nur auf die zuletzt genannte Alternative der Ermächtigungsnorm stützen und könne folglich nicht für Arbeiten gelten, die – wie das Nachbeladen des Flammofens im Betrieb der Klägerin – eine Unterbrechung oder einen Aufschub gerade zuließen.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, daß sich die Ermächtigung des § 105 d GewO von vornherein nicht ausschließlich, sondern nur „insbesondere” auf Betriebe der oben bezeichneten Art bezog. Sie ermächtigte also zur Zulassung von Ausnahmen auch für andere als Kampagne-, Saison- und solche Betriebe, die ihrer Natur nach keine Unterbrechung gestatten. Dies wird durch die Materialien zu § 105 d GewO bestätigt. Bei der Erörterung des Entwurfs in der 8. Kommission des Reichstags wurde u.a. beantragt, das Wort „insbesondere” zu streichen und dadurch die Ausnahmebefugnis des Bundesrats einzuschränken. Die Kommission lehnte den Antrag jedoch mit Mehrheit ab (vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/91, Zweiter Anlageband, Nr. 190, S. 1438). § 105 d GewO läßt dem Verordnunggeber also einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung von Ausnahmen. Daß auch wirtschaftliche Gründe eine Ausnahme rechtfertigen können, erhellt daraus, daß die Ermächtigung des § 105 d GewO ausdrücklich Kampagne- und Saisonbetriebe einbezieht und daß dafür, wie es in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs heißt (Reichstags-Drucksache, 8. Legislaturperiode. I. Session 1890/91, Nr. 4, S. 30), „erhebliche wirtschaftliche, auch die Arbeiter selbst wesentlich mitberührende Interessen” maßgebend waren.

Demnach bleibt die Freistellung eines Flammofenbetriebs, wie die Klägerin ihn unterhält, vom Sonntagsbeschäftigungsverbot im Rahmen der Ermächtigung. Der Beklagte bestreitet nicht, daß ein Warmhaltebetrieb eines solchen Flammofens am Sonntag technisch geboten und nach § 105 c Abs. 1 Nr. 3 GewO zulässig ist. Die Nutzung dieses Warmhaltebetriebs zur Produktion wird zwar vielfach – und so auch im vorliegenden Fall – weder technisch noch wirtschaftlich existenznotwendig sein; es besteht aber ein nach § 105 d GewO berücksichtigungsfähiges Interesse daran, die Energie, die zum Warmhalten des Ofens benötigt wird, durch ein Nachbeladen am Sonntag besser auszunutzen.

d) Daß sich die Ausnahmeregelung des Buchstaben A Nr. 5 der Bekanntmachung von 1895 auf Flammofenbetriebe der beschriebenen Art erstreckt, widerspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutz. Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Wie der Senat. (BVerwGE 79, 118 ≪122 f.≫; Urteil vom 14. November 1989 – BVerwG 1 C 14.88 – NJW 1990, 1061 = GewArch 1990, 66) ausgesprochen hat, ist hiernach der Sonntagsschutz durch den Gesetzgeber zu bewirken; Art, Umfang. Intensität und nähere inhaltliche Ausgestaltung des gesetzlichen Sonntagsschutzes stehen im gesetzgeberischen Ermessen. Dieses findet seine Grenzen darin, daß einerseits der Sonntag als Institution hinreichend geschützt sein muß, insbesondere Sonn- und Werktage nicht durch weitgehende Einbeziehung des Sonntags in den werktäglichen Produktionsprozeß nivelliert werden dürfen und daß andererseits die zum Schutz des Sonntags getroffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Diese Grenzen werden nicht überschritten, wenn der Verordnunggeber – wie im Falle der Bekanntmachung von 1895 – einen Katalog von ausnahmsweise zugelassenen Sonntagsarbeiten festlegt und in diesem Rahmen gewisse, in Metallhüttenwerken anfallende Sonntagsarbeiten erlaubt, mögen diese auch nicht zwingend erforderlich sein, sondern nur – wegen der oben genannten Besonderheit des Warmhaltebetriebs – sinnvoll erscheinen. Von Bedeutung ist dabei, daß der Verordnunggeber die Zulassung der eng begrenzten Sonntagsbeschäftigung in Buchstabe A Nr. 5 an die „Bedingung” geknüpft hat, daß den Arbeitern in einem bestimmten Rhythmus für die Sonntagsarbeit Ausgleich durch eine 24- bis 36stündige Sonntagsruhe gewährt wird.

3. Die Revision muß daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.

 

Unterschriften

Meyer, Dr. Diefenbach, Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scholz-Hoppe ist infolge Urlaubsabwesenheit verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. Meyer, Gielen, Dr. Kemper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1211517

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