Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.08.2000; Aktenzeichen 11 C 10880/00) |
Tenor
Das Normenkontrollverfahren ist in der Hauptsache erledigt, soweit es die Rechtsverordnung der Stadt Trier über das Offenhalten von Verkaufsstellen vom 31. März 2000 hinsichtlich des 25. November 2000 betrifft.
Insoweit ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. August 2000 wirkungslos.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Stadtverwaltung Trier erließ auf Anregung der Werbegemeinschaft Trier e.V. am 31. März 2000 eine Rechtsverordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen u.a. mit dem Inhalt, dass abweichend von den allgemeinen Ladenschlusszeiten die Verkaufsstellen der Stadt Trier aus Anlass des “Trierer Weihnachtsmarkts und Kunst und Handel” am Samstag, dem 25. November 2000, bis 18.00 Uhr geöffnet sein dürften.
Der Antragsteller, der in einem Warenhaus in Trier beschäftigt ist, hat die Nichtigerklärung der Rechtsverordnung beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Antrag mit Urteil vom 16. August 2000 (GewArch 2000, 495) stattgegeben, soweit er die streitige Regelung betraf, und insoweit die Revision zugelassen.
Die Antragsgegnerin hat rechtzeitig Revision eingelegt. Auf Grund einer Weisung des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit wies die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die Antragsgegnerin an, die Rechtsverordnung hinsichtlich des 25. November 2000 aufzuheben. Daraufhin erließ die Stadtverwaltung am 17. November 2000 (veröffentlicht am 21. November 2000) eine Rechtsverordnung, durch welche die Rechtsverordnung vom 31. März 2000 hinsichtlich des 25. November 2000 aufgehoben und angeordnet wurde, dass die Verkaufsstellen an diesem Tag um 16.00 Uhr zu schließen seien.
Der Antragsteller hat das Normenkontrollverfahren für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin widerspricht der Erledigung und macht geltend, die Sache habe weiterhin grundsätzliche Bedeutung. Der Antragsteller beantragt festzustellen, dass das Normenkontrollverfahren in der Hauptsache erledigt ist.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Er führt im noch streitigen Teil zur Feststellung der Erledigung des Normenkontrollverfahrens und zur Wirkungslosigkeit des Normenkontrollurteils (vgl. Urteil vom 24. Juli 1980 – BVerwG 3 C 120.79 – BVerwGE 60, 328 ≪335≫; Beschluss vom 17. Dezember 1993 – BVerwG 3 B 134.92 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103).
Die Möglichkeit der Erledigungserklärung ist einem Kläger eingeräumt, um ihn für den Fall, dass sich der Rechtsstreit außerprozessual erledigt, nicht zur Klagerücknahme mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO zu nötigen. Stattdessen kann er eine Erledigungserklärung abgeben mit der Folge, dass über die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen entschieden wird, wenn der Beklagte ebenfalls für erledigt erklärt. Widersetzt sich der Beklagte, so kann der Kläger die Erledigung feststellen lassen, um auf diese Weise die Kostentragungspflicht zu vermeiden (Beschluss vom 19. Mai 1995 – BVerwG 4 B 247.94 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 108). Dieser Austausch des Begehrens führt zwar zu einer Änderung des Streitgegenstandes. Der Wechsel vom ursprünglichen Antrag zum Erledigungsfeststellungsantrag unterliegt jedoch nicht den Einschränkungen des § 142 VwGO (vgl. Urteil vom 25. April 1989 – BVerwG 9 C 61.88 – BVerwGE 82, 41 ≪42≫). Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung führt zur Erledigungsfeststellung, wenn ausgehend von dem ursprünglichen Antrag objektiv ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und der Beklagte kein beachtliches Interesse an der Klärung der Begründetheit des ursprünglichen Antrags hat (vgl. Urteil vom 22. Januar 1998 – BVerwG 2 C 4.97 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113).
Diese für das Klageverfahren entwickelten Grundsätze gelten auch für das Normenkontrollverfahren. Soweit die Besonderheiten des Normenkontrollverfahrens keine anderweitige Beurteilung erfordern, ist Raum für die Anwendung der für das Klageverfahren geltenden Vorschriften und Grundsätze (Beschluss vom 29. Oktober 1982 – BVerwG 4 B 172.82 – BVerwGE 66, 233 ≪235≫). Das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren ist jedenfalls auch ein Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 18. September 1981 – BVerwG 7 N 1.79 – BVerwGE 64, 77 ≪79≫) und unterliegt der Dispositionsmaxime, die es dem jeweiligen Antragsteller ermöglicht, den Normenkontrollantrag zurückzunehmen. Unter diesen Umständen ist kein Grund dafür erkennbar, dass das Normenkontrollverfahren nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt und bei einseitiger Erledigungserklärung nach Maßgabe der für das Klageverfahren geltenden Grundsätze vorgegangen werden kann (vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1989, 443 ≪444≫).
Das Normenkontrollverfahren ist in der Hauptsache objektiv erledigt. Mit seinem zulässigen (vgl. Urteil vom 17. Dezember 1998 – BVerwG 1 CN 1.98 – BVerwGE 108, 182) Normenkontrollantrag erstrebte der Antragsteller die Nichtigerklärung der Rechtsverordnung der Antragsgegnerin vom 31. März 2000 hinsichtlich der Ladenöffnungszeiten am 25. November 2000. Dieses Begehren konnte keinen Erfolg mehr haben, nachdem die Antragsgegnerin diese Vorschrift während des Normenkontrollverfahrens und noch vor dem Tag, für den die aufgehobene Vorschrift gelten sollte, außer Kraft gesetzt hatte.
Das Außerkrafttreten der zur Prüfung gestellten Norm vor dem Zeitraum, für den sie gelten sollte, entzieht dem Normenkontrollantrag seinen Gegenstand. § 47 Abs. 1 VwGO geht von dem Regelfall einer noch gültigen Norm als Gegenstand des Normenkontrollantrags aus. Ein Normenkontrollantrag kann allerdings auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist (Beschluss vom 2. September 1983 – BVerwG 4 N 1.83 – BVerwGE 68, 12 ≪14≫). In einem solchen Fall konnte die Norm Wirkungen entfaltet haben, so dass ein Interesse des Antragstellers an der Feststellung ihrer Ungültigkeit bestehen kann. Die zur Prüfung gestellte Rechtsverordnung der Antragsgegnerin ist jedoch vor dem Tag, für den sie wirken sollte, aufgehoben worden. Damit steht fest, dass sie keinerlei Rechtswirkung gehabt hat.
In einem Anfechtungs- oder Verpflichtungsprozess kann die Behörde einer Erledigung des Rechtsstreits widersprechen, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse an der Sachentscheidung hat, um die “Früchte des Rechtsstreits” zu erhalten (Urteil vom 18. April 1986 – BVerwG 8 C 84.84 – Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69). Dieser Grundsatz, der in den in Rede stehenden Fällen der objektiven Erledigung des Rechtsstreits eine ausgewogene Berücksichtigung der Belange beider Verfahrensbeteiligten sichert, ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls auf das Normenkontrollverfahren zu übertragen. Im vorliegenden Verfahren kann ein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der aufgehobenen Rechtsverordnung nicht anerkannt werden.
Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich künftig erneut die Rechtsfragen stellen könnten, welche die Antragsgegnerin als klärungsbedürftig ansieht. Die Antragsgegnerin ist durch ihre Aufsichtsbehörde angewiesen worden, die Rechtsverordnung aufzuheben. Das Ministerium hat sich die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts zu Eigen gemacht. Dass die Aufsichtsbehörde ihre Rechtsauffassung geändert haben könnte, ist weder von der Antragsgegnerin vorgetragen, noch sonst erkennbar. Die Antragsgegnerin hat in dem ihr nicht als Selbstverwaltungsangelegenheit zustehenden Aufgabenbereich des Ladenschlussrechts keine eigenen rechtlich geschützten Interessen, die sie gegenüber der Aufsichtsbehörde wahren könnte. Sie ist demnach an rechtmäßige Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden. Die Stadtverwaltung könnte auf der Grundlage der von ihr zu respektierenden Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde durch diese erneut angewiesen werden, eine entsprechende Rechtsverordnung nicht zu erlassen oder wieder aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Gerhardt, Büge, Graulich
Fundstellen
GewArch 2002, 163 |
KomVerw 2002, 295 |
FSt 2002, 521 |
FuBW 2002, 618 |