Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust des Anspruchs eines vollarbeitslosen Arbeitnehmers, der kein Grenzgänger ist und während seiner letzten Beschäftigung in einem anderem Mitgliedsstaat gewohnt hat. Antikumulierung. Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
1.
Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist und der während seiner letzten Beschäftigung in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat, verliert den Anspruch auf die in Art 71 Abs 1 Buchst b DBuchst ii EWGV 1408/71 vorgesehenen Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt oder in den er zurückkehrt, nicht dadurch, daß er zuvor vom Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn galten, Versicherungsleistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen hat.
2.
Das in Art 12 Abs 1 EWGV 1408/71 vorgesehene Verbot der Kumulierung von Leistungen ist im Rahmen des Art 71 Abs 1 Buchst b DBuchst ii und des Art 67 EWGV 1408/71 anwendbar.
3.
Leistungen bei Arbeitslosigkeit sind Leistungen gleicher Art iS des Art 12 Abs 1 S 1 EWGV 1408/71, wenn sie den aufgrund der Arbeitslosigkeit verlorenen Arbeitslohn ersetzen sollen, um für den Unterhalt einer Person zu sorgen, und wenn sich die Unterschiede zwischen diesen Leistungen, die insbesondere in bezug auf die Berechnungsgrundlage und die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung bestehen, aus strukturellen Unterschieden zwischen den nationalen Systemen ergeben.
4.
Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb und die Dauer eines Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig sind, muß in den Fällen des Art 71 Abs 1 Buchst b DBuchst ii und des Art 67 EWGV 1408/71 gemäß Art 12 Abs 1 S 1 dieser Verordnung für die Berechnung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit Versicherungszeiten berücksichtigen, die nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden, die für den Arbeitslosen zuletzt galten. Der Träger muß jedoch von der erworbenen Dauer des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit die Tage abziehen, für die Leistungen nach diesen Rechtsvorschriften bezogen worden sind.
5.
Die gemäß Art 84 Abs 2 EWGV 574/72 ausgestellte Bescheinigung stellt weder für den bei Arbeitslosigkeit zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats noch für die Gerichte dieses Staates einen unwiderlegbaren Beweis dar.
6.
Die Gewährung von Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitslose wohnt oder in den er zurückkehrt, kann gemäß Art 71 Abs 1 Buchst b DBuchst ii S 3 EWGV 1408/71 nur ausgesetzt werden, soweit die Voraussetzungen des Art 69 dieser Verordnung tatsächlich erfüllt sind und der Arbeitslose deshalb Leistungen in dem Mitgliedstaat erhält, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben.
7.
Wird gemäß Art 71 Abs 1 Buchst b DBuchst ii S 3 EWGV 1408/71 die Gewährung von Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitslose wohnt, ausgesetzt, so muß der zuständige Träger dieses Mitgliedstaats von den von ihm gezahlten Leistungen die Leistungen abziehen, die der Arbeitslose in dem Mitgliedstaat tatsächlich erhalten hat, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn gegolten haben. Die Zeit, in der der Arbeitslose tatsächlich Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften des letztgenannten Staates bezogen hat, ist von der Dauer des Anspruchs auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnortstaats abzuziehen.
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 71 Abs. 1 Buchst. b DBuchst. ii, Art. 12 Abs. 1, Art. 67; EWGV 574/72 Art. 84 Abs. 2; EWGV 1408/71 Art. 69
Beteiligte
Fundstellen
Haufe-Index 1150961 |
EuGHE I 1992, 4341 |
EuZW 1992, 677 |