Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft. Beweislast für Zugang
Leitsatz (amtlich)
Die schwangere Arbeitnehmerin trägt im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Verwirkung des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes nicht das Risiko des Zugangs der von ihr mit einfacher Post unverzüglich an den Arbeitgeber abgesandten Mitteilung über die bei ihr bestehende Schwangerschaft.
Normenkette
MuSchG § 9 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.04.2000; Aktenzeichen 12 Ca 539/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. April 2000 – 12 Ca 539/99 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der mit Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 1999 zum 17. August 1999 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Promotion-Mitarbeiterin seit dem 17. Mai 1999 beschäftigt. Nach sechs Wochen erhielt sie einen versprochenen Arbeitsvertrag zum 1. Juli 1999.
Ab dem 21. Juli 1999 wurde die Klägerin arbeitsunfähig krank.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999, der Klägerin zugegangen am 30. Juli 1999, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 17. August 1999 gekündigt. Anlässlich starker Rückenbeschwerden begab sich die Klägerin nach ihren Angaben am 17. August 1999 zu ihrem Frauenarzt Herrn Dr. med. … Laut ärztlicher Bescheinigung vom 17. August 1999 stellte dieser bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der siebten Schwangerschaftswoche fest (Anlage K 4, Bl. 14 d.A.).
Mitte September war die Klägerin persönlich mit ihrem Ehemann in Pinneberg um bei der Beklagten vor Ort zu klären, wie es weitergehen solle. Man ließ die Klägerin nicht ins Büro und lehnte eine Fortsetzung des Vertrages mit der Klägerin ab. Daraufhin besuchte die Klägerin unter dem 22. September 1999 die Ausländische Begegnungsstätte in Billstedt und ließ sich von dem Sozialarbeiter Herrn … beraten. Dieser rief in Gegenwart der Klägerin den Mitarbeiter der Beklagten Herrn … an, und wies diesen darauf hin, dass die Klägerin Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz habe und die Kündigung deshalb unwirksam sei. Herr … widersprach und berief sich darauf, dass die Klägerin die Schwangerschaft nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Noch in Anwesenheit der Klägerin und ihres Ehemannes schickte er ein Fax an Herrn … in dem er seine Auffassung schriftlich bestätigte (Anlage K 5, Bl. 15 d.A.).
Die Klägerin hat vorgetragen, im Zeitpunkt der Kündigung sei ihr die Schwangerschaft nicht bekannt gewesen. Auch die Zwei-Wochen-Frist des § 9 Abs. 1 Mutterschutzgesetz sei nicht eingehalten worden. Dies habe jedoch daran gelegen, dass die Klägerin selbst erst durch den Arztbesuch am 17. August 1999 von der Schwangerschaft erfahren habe. Sie habe die Bescheinigung des Arztes am nächsten Tag an die Niederlassung der Beklagten geschickt. Die Behauptung des Herrn … die Bescheinigung nicht erhalten zu haben, sei nicht glaubwürdig. Jedenfalls habe die Klägerin die Bescheinigung am 18. August 1999 im Original mit einfachem Brief an die Beklagte geschickt. Der Ehemann der Klägerin sei dabei gewesen, als diese kopiert, in den Umschlag gesteckt und der Brief in den Briefkasten an die Beklagte geworfen worden sei.
Wenn man also davon ausgehe, dass die Beklagte die ärztliche Bescheinigung nicht erhalten habe, wäre sie spätestens unter dem 22. September 1999 informiert worden. Auch diese Information genüge den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Mutterschutzgesetz, weil das Überschreiten der Frist in diesem Falle von der Klägerin nicht zu vertreten gewesen sei. Sofort nach Bekanntwerden der Tatsache, dass die Beklagte die Information nicht erhalten habe, sei die Beklagte durch Herrn … am 22. September 1999 telefonisch über die bestehende Schwangerschaft der Klägerin informiert worden.
Mit Versäumnisurteil vom 10. Januar 2000 – 12 Ca 539/99 – hat das Arbeitsgericht Hamburg festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Juli 1999 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht und die Beklagte verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Promotion-Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen.
Gegen das ihr am 13. Januar 2000 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 17. Januar 2000 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 10. Januar 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin erst am 17. August 1999 von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erhalten und am Tage darauf eine entsprechende ärztliche Bescheinigung an die Beklagte abgeschickt habe. Sie hat vorgetragen, der Beklagten sei ein solches Schreiben nicht zugegangen. Nachforschung...