Entscheidungsstichwort (Thema)
Beachtung des Arbeitszeitgesetzes bei Teilnahme an ordentlicher Betriebsratssitzung vor Schichtbeginn. Unbegründeter Globalantrag des Betriebsrats zur Rechtswidrigkeit weiterer Arbeitsleistung im Anschluss an eine Betriebsratssitzung bei zumutbarer Einhaltung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Betriebsratsarbeit ist keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG.
2. Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung (im Anschluss an BAG 07.06.1989, 7 AZR 500/88).
3. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist regelmäßig anzunehmen, wenn ansonsten bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten werden würde.
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem vom Betriebsrat gestellten Globalantrag auf Feststellung, dass die Arbeitgeberin bei der Anordnung von Arbeit nach geleisteter Betriebsratsarbeit stets und grundsätzlich die Zeitgrenzen des § 3 ArbZG zu beachten hat, kann nur stattgegeben werden, wenn es der Arbeitgeberin in allen denkbaren Konstellationen ohne die Möglichkeit der Ermessensausübung verwehrt ist, Arbeitszeiten gegenüber Betriebsratsmitgliedern nach der Betriebsratssitzung anzuordnen, durch die unter Zusammenrechnung der Dauer der Betriebsratssitzung und der anschließend angeordneten Schicht die Höchstgrenzen des § 3 ArbZG überschritten werden.
2. Hat eine Mitarbeiterin, die von 11.05 bis 20.15 Uhr für die Spätschicht eingeteilt war, ab 8.00 Uhr an einer ordentlichen Betriebsratssitzung teilgenommen und nach deren Beendigung die Arbeit in der Filiale aufgenommen und ausweislich ihrer Stempelkarte bereits um 17.36 Uhr ihre Arbeit beendet, ergibt sich selbst unter Hinzurechnung der zuvor geleisteten Betriebsratstätigkeit (ohne Pausen) eine Gesamtarbeitszeit von "nur" 9,5 Stunden; liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Ausgleichszeitraum nach § 3 Satz 2 ArbZG der Durchschnitt von acht Stunden werktäglich überschritten worden ist, erweist sich ein Globalantrag des Betriebsrats auf Beachtung des § 3 ArbZG als unbegründet.
3. § 3 ArbZG kann nicht unmittelbar und starr auf Zeiten der Ausübung von Betriebsratstätigkeit angewendet werden.
Normenkette
ArbZG § 2 Abs. 1 S. 1, § 3; BetrVG § 37 Abs. 2; ArbZG § 3 Sätze 1-2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Entscheidung vom 03.07.2014; Aktenzeichen 13 BV 8/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 03.07.2014 - 13 BV 8/14 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Frage, in welchem zeitlichen Umfang Betriebsrats- oder Ersatzmitglieder verpflichtet sind, nach einer Betriebsratssitzung am selben Tage zusätzlich im Rahmen der durch den Dienstplan disponierten Arbeitszeit zu arbeiten.
Bei der Beteiligten zu 2) (künftig: Arbeitgeberin) handelt es sich um ein bundesweit tätiges Filialunternehmen der Bekleidungsindustrie. Der Antragsteller (künftig: Betriebsrat) ist der in der Filiale 623 in A-Stadt gebildete Betriebsrat. In der Filiale sind insgesamt mehr als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Es wird dort in Schichtarbeit gearbeitet. Die erste Frühschicht beginnt um 7.00 Uhr und endet um 16.10 Uhr. Die zweite Frühschicht beginnt um 8.00 Uhr und endet um 17.10 Uhr. Die Spätschicht beginnt um 11.05 Uhr und endet um 20.15 Uhr.
Der Betriebsrat tagt derzeit regelmäßig donnerstags von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Für Nacharbeiten wie beispielsweise die Erstellung der Sitzungsniederschrift verlängert sich die für die Betriebsratsarbeit aufzuwendende Zeit noch für einige Mitglieder des Gremiums.
Die konkrete Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Filiale ergibt sich aus einer fortlaufenden Dienstplanung. Zur Erfassung der entsprechenden Schichtzuschläge bleiben die für die Spätschicht disponierten Betriebsratsmitglieder bei der Erstellung der Dienstplanung auch für Sitzungstage in Spätschichtwochen für diese Schicht geplant. Aus dieser Systematik ergibt sich, dass jeweils mindestens ein Betriebsratsmitglied am Sitzungstag des Betriebsrates für eine Spätschicht disponiert ist.
Zumindest bis Anfang 2014 ist die Arbeitgeberin so verfahren, dass sie für die Spätschichtwoche disponierte Betriebsratsmitglieder am Sitzungstag des Betriebsrats durch einen anderen Mitarbeiter ersetzt hat und den Freizeitausgleich für die Sitzungsteilnahme somit am gleichen Tag gewährt hat. Im Monatsgespräch am 27.02.2014 teilt die damalige Filialleiterin, Frau D., dem Betriebsrat mit, dass sie sich das Recht vorbeh...