Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Betriebsrente nach jahrelanger irrtümlicher Zahlung einer nicht auf den Kündigungszeitpunkt quotal gekürzten Betriebsrente. Rechtskraftwirkung einer Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren aufgrund negativer Feststellungsklage des Betriebsrats zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung. Unbegründete Leistungsklage bei sachgerechter Unterscheidung zwischen Rentenanwärtern und Altrentnern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung erstreckt sich auch auf die Arbeitnehmer des Betriebs, für den die BV geschlossen ist.

2. Legt der Arbeitgeber irrtümlich für die Berechnung der Betriebsrente Beschäftigungszeiten zugrunde, die nach dem Termin liegen, zu dem die BV über die Gewährung der Betriebsrente gekündigt worden ist, entsteht bis zur Aufdeckung des Irrtums keine betriebliche Übung dahin, dass diese Zeiten bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

3. Die Entscheidung des Arbeitgebers nach Aufdeckung des Irrtums, die nach Kündigung der BV bis zur Aufdeckung des Irrtums zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei den Rentnern weiter zu berücksichtigen, bei den Anwärtern hingegen nicht, verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (gegen LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.8.2014 - 4 Sa64/14 und 5 Sa 65/14).

 

Normenkette

ZPO § 322; BGB § 611; GG Art. 3 Abs. 1; BGB §§ 151, 242, 611 Abs. 1; ZPO § 322 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 01.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 2022/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.11.2017; Aktenzeichen 3 AZR 545/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 01.10.2015 - 1 Ca 2022/15 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch darüber, ob für die Berechnung der Betriebsrente des Klägers die Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten vom Datum des Eintritts bis zum 31.12.1994 oder aber bis zum tatsächlichen Ausscheiden aus dem Betrieb am 31.08.2013 zugrunde zu legen ist.

Der am ....1950 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern vom 01.04.1966 bis zum 31.08.2013 beschäftigt. Seit dem 01.09.2013 bezieht er Altersrente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 53,80 EUR brutto. Wegen der Berechnung dieses Betrags wird auf die Seiten 2 und 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 28.08.2015 (Blatt 49 f d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte ist aus einer im September 2010 vollzogenen Unternehmensspaltung der W. F. GmbH (später firmierend unter F. GmbH) hervorgegangen, gemeinsam mit der L. F. Werkzeugtechnik GmbH & Co. KG und der L. Finance & Shared Services GmbH & Co. KG.

Für die Rechtsvorgängerin der Beklagten galt die Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersversorgung (Anlage B1, Blatt 37 bis 47 d. A.), die ab Vollendung des 65. Lebensjahrs - nach VI. Ziff. 1 b) der Versorgungsordnung ggf. auch früher - in Abhängigkeit von der anrechenbaren Dienstzeit und Tarifgruppe eine monatliche Rente vorsieht. Diese Betriebsvereinbarung kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 31.12.1994. In dem Irrtum, trotz Kündigung der Betriebsvereinbarung hierzu verpflichtet zu sein, zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten und später dann die Beklagte auch nach 1994 ausgeschiedenen Mitarbeitern bei Erreichen des 65. Lebensjahrs die Betriebsrente, berechnet nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Vorzeitig ausgeschiedene Mitarbeiter erhielten jedenfalls teilweise entsprechende Anwartschaftsbescheinigungen.

Nach Aufdeckung dieses Irrtums entschied die Beklagte Anfang 2011, dass die (damaligen) Betriebsrentner ihre bisherige Betriebsrente in voller Höhe weiter erhalten sollten. Ferner sollten diejenigen Betriebsrentenanwärter, die im Rahmen einer Betriebsänderung im Jahr 2010 ausgeschieden waren, eine auf den Zeitpunkt des Ausscheidens quotierte Rente erhalten. Alle anderen Anwärter sollten die Betriebsrente nur noch gekürzt unter Zugrundelegung einer anrechenbaren Dienstzeit bis zum 31.12.1994 erhalten.

In einem darauf vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahren wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Beschluss vom 02.05./03.06.2013 (5 TaBV 33/12) die Beschwerde des Betriebsrats zurück, mit der ein Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zurückgewiesen worden war, welcher lautete, festzustellen, dass durch die Kündigung vom 30.06.1993 der Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersversorgung vom 06.04.1988 und der Zusatzvereinbarung Nr. 4/88 vom 12.12.1988 durch die W. F. GmbH ... nicht dergestalt in die erworbenen Betriebsrentenanwartschaften und die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.1994 unter die Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersvers...

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