Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Klageart bei Zugunstenverfahren. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen ist im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB 10 als Feststellungsklage geltend zu machen. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid aufzuheben, bedarf es nicht (vgl BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 24/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 18; entgegen BSG vom 25.1.1994 - 4 RA 20/92 = SozR 3-1300 § 44 Nr 8; entgegn BSG vom 28.6.1995 - 7 RAr 20/94 = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 und entgegn BSG vom 5.11.1997 - 9 RV 4/96 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18)
2. Eine für die Zusammenhangsbeurteilung relevante Vorerkrankung des vom Unfall betroffenen Organs (Rotatorenmanschette) kann auch durch medizinische Befunde über andere, im physiologischen Zusammenhang stehende Organstrukturen und durch die nachgewiesene Intensität der unfallbedingten Einwirkung bewiesen werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2007 insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Feststellung weiterer Unfallfolgen zu den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 verpflichtet wird, und die Klage wird im vollem Umfang abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung streitig, welche Unfallfolgen aus den Arbeitsunfällen vom 15.10.2003 und 23.12.2004 vorliegen und ob dem Kläger deswegen Verletztenrente zusteht.
Unfall am 15.10.2003
Der 1950 geborene Kläger ist als Service-Techniker beschäftigt. Am 15.10.2003 trug er zusammen mit einem Kollegen eine Messetheke, um sie auf ihrem Fahrzeug zu verladen. Nach Angaben des Klägers sei ihm die Messetheke aus der linken Hand gerutscht und nach links gekippt. Er habe daher mit der linken Hand schnell nachgefasst, dabei das Gleichgewicht verloren und sei mit verdrehter Körperhaltung mit der linken Schulter gegen den Türrahmen geprallt (Schreiben des Klägers vom 30.11.2003).
Am 16.10.2003 suchte der Kläger den Durchgangsarzt Dr. M. auf, der in seinem Durchgangsarztbericht (DAB) vom 16.10.2003 als Unfallhergang festhielt, “beim Einladen von einer Messetheke linke Schulter angeschlagen„. Er diagnostizierte eine unauffällige Kontur der linken Schulter ohne Druckschmerz über der Rotatorenmanschette. Das Röntgenbild habe keinen Hinweis für eine knöcherne Verletzung, aber nebenbefundlich diskrete Unregelmäßigkeiten des AC(Acromioclavicular) -Gelenkes (Schulter-Eck-Gelenkes) ergeben. Im DAB ist die Diagnose "Kontusion/Distorsion linke Schulter" aufgeführt (Kontusion: Prellung u. Quetschung durch direkte stumpfe Gewalteinwirkung; Distorsion: Verstauchung, Zerrung).
Wegen geklagter schmerzhafter Bewegungseinschränkung (Nachschaubericht Dr. M. vom 21.10.2003) wurde am 25.10.2003 eine Kernspintomographie der linken Schulter veranlasst, die eine subtotale, ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne ergab (Arztbrief von Dr. S. vom 27.10.2003). Der Kläger nahm die Arbeit am 30.10.2003 wieder auf (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 15.12.2003).
In der eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.01.2004 führte Dr. K. aus, als Arbeitsunfall sei nur eine Prellung, die nach wenigen Tagen, allenfalls nach einer Woche vollständig abzuheilen pflege, ohne weitergehende strukturelle Läsion anzuerkennen. Eine direkte Gewalteinwirkung könne die Rotatorenmanschette nicht belasten, da nur das massive plötzliche Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, eine starke Zugbelastung oder der Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm eine solche Belastung darstelle. Außerdem ergebe sich aus der Kernspintomographie ein isolierter Riss und damit ein verletzungsunspezifisches Schadensbild.
Die G.- und L.-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden nur noch Beklagte), erkannte mit Bescheid vom 05.02.2004 den Unfall vom 15.10.2003 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolge eine folgenlos ausgeheilte Prellung der linken Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für längstens eine Woche fest.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004 zurück.
In einer Stellungnahme von Dr. B. vom 26.11.2004 wurde die derzeitige Gebrauchsminderung der linken Schulter als Folge des Arbeitsunfalls bewertet. Es sei anzunehmen, dass die Rotatorenmanschettenruptur bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, der Kläger sei aber mit dieser Schadensanlage versichert. Da vor dem Unfall keine Beeinträchtigungen bestanden hätten, sei die jetzige Unfallfolge. Gestützt auf diese Stellungnahme beantragte der Kläger am 03.12.2004 über seinen Prozessbevollmächtigten die Erteilung eines Rücknahmebescheids. Die zu zweit getragene Messetheke habe ein Gewicht von 60 bis 7...