Leitsatz (amtlich)
Aus Bundesrecht folgt unmittelbar, daß derjenige, der in der Lage und willens ist, sämtliche häuslichen Bioabfälle, die auf seinem Grundstück anfallen, ordnungsgemäß und schadlos zu kompostieren, einem kommunalen Anschluß- und Benutzungszwang für eine Biotonne nicht unterworfen werden darf.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für Selbstkompostierer, die lediglich die sogenannten problematischen Bioabfälle nicht verwerten können oder wollen.
Verfahrensgang
VG Köln (Aktenzeichen 1 K 8344/93) |
Tenor
Der Kläger ist Selbstkompostierer. Der Beklagte verpflichtete ihn – gestützt auf seine Abfallsatzung – durch Verwaltungsakt, die Aufstellung einer Biotonne auf seinem Grundstück zu dulden, weil eine private Kleinkompostierung entgegen der Darstellung des Klägers eine vollständige und ordnungsgemäße Verwertung sämtlicher organischer Abfälle nicht gewährleisten könne. Die dagegen gerichtete Klage hatte in der Berufungsinstanz Erfolg.
Gründe
Aus den Gründen:
Die Anfechtungsklage ist begründet, weil die angefochtenen Bescheide, mit denen der Beklagte dem Kläger gegenüber bezüglich der braunen Abfalltonne den Anschlußzwang durchsetzt, rechtswidrig sind und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzen. Der Kläger unterliegt hinsichtlich der kompostierbaren Abfälle im Sinne von § 11 Abs. 5 und § 3 Abs. 4 i.V.m. Anlage 2 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Gemeinde R. (AES) nicht dem ortsrechtlichen Zwang zur Benutzung der Biotonne mit der Folge, daß er insoweit auch keinem Anschlußzwang unterworfen werden darf.
Maßgeblich für diese rechtliche Beurteilung ist dabei das heute geltende Recht. Der Senat hat schon bisher noch nicht vollzogene Verwaltungsakte, die einen Anschluß- und Benutzungszwang konkretisieren, stets (auch) an dem Recht gemessen, das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung galt.
Vgl. den Beschluß des Senats vom 21.12.1993 – 22 A 1232/92 –, NWVBl. 1994, 174 ff. (175) mit weiteren Nachweisen.
Dementsprechend ist ein zur Zeit der Geltung früheren Rechts erlassener Verwaltungsakt, der – wie hier – die in die Zukunft gerichtete Beibehaltung des Anschlußzwangs zum Regelungsinhalt hat, ebenfalls nach dem zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden (neuen) Recht zu beurteilen.
Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluß vom 19.1.1993 – 9 L 297/89 –, NVwZ 1993, 1017 f. (1017).
Der Kläger ist nach der derzeitigen Rechtslage nicht verpflichtet, die auf seinem Grundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe der gemeindlichen Abfallentsorgung über die dafür eingeführten braunen Abfallbehälter zu überlassen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger – wie er behauptet – sämtliche in Frage kommenden Stoffe ordnungsgemäß und schadlos kompostiert oder ob dies – wie der Beklagte meint und auch vom VG in dem angefochtenen Urteil angenommen worden ist – in Hinsicht auf „problematische” Bioabfälle, zu denen Speisereste tierischer Herkunft und insbesondere auch Fleischreste und Knochen zu zählen seien, nicht der Fall ist.
I. Wenn man davon ausgeht, daß der Kläger sämtliche auf dem Grundstück anfallenden organischen Stoffe, für die der Beklagte die Biotonne zur Verfügung stellt (vgl. § 3 Abs. 4 i.V.m. Anlage 2 AES), ordnungsgemäß und in einer das Wohl der Allgemeinheit wahrenden Weise kompostiert, fehlt es an dem Zwang zur Benutzung des braunen Abfallbehälters allerdings – anders als nach dem bisherigen Recht – nicht bereits deshalb, weil diese Stoffe unter den genannten Voraussetzungen keinen Abfall darstellen.
Vgl. insoweit die Urteile des Senats vom 14.6.1995 – 22 A 2424/94 –, ZMR 1995, 611 f. und vom 13.12.1995 – 22 A 1446/95 –, ZMR 1996, 347.
Denn der Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 des am 7.10.1996 in Kraft getrenenen KrW-/AbfG ist in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 75/442 EWG des Rates über Abfälle vom 15.7.1975 (mit späteren Änderungen) weiter als der Abfallbegriff des außer Kraft getrenenen § 1 Abs. 1 des AbfG; insbesondere werden Stoffe nicht allein durch ihre Verwertung dem Abfallregime entzogen. Danach sind auch kompostierbare Stoffe aus privaten Haushaltungen als Abfall anzusehen und zwar als Abfall zur Verwertung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG i.V.m. Anhang I, Q1 und Q16, § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG i.V.m. Anhang II B, R 10).
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 27.6.1996 – 7 B 94.96 –, NVwZ 1996, 1010; Billig, Die Biotonne vor dem Hintergrund des öffentlich-rechtlichen Abfallregimes, NVwZ 1997, 978 f.; Kirchhoff, Die Biotonne und der Abfallbegriff im bundesdeutschen und europäischen Abfallrecht, DWW 1998, 34 ff. (38 ff.).
Das Fehlen einer Verpflichtung zur Inanspruchnahme der Biotonne ergibt sich bei der hier unterstellten Sachverhaltskonstellation indes unmittelbar aus § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, der insoweit für abweichende landesgesetzliche oder gar satzungsrechtliche Regelungen keinen Raum läßt. Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 24 GG) diesbezüglich ersichtlich eine abschließende Regelung getroffen, wie sich aus § 13 Abs. 4 KrW-/AbfG ergibt...