Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamtenversorgung. Versorgungsabschlag wegen Teilzeitbeschäftigung. Gemeinschaftsrecht. Wiederaufgreifen bestandskräftig abgeschlossener Verfahren. Ausübung des Rücknahmeermessens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Urteile des EuGH vom 23.10.2003 und des BVerwG vom 25.05.2005 betreffend den Wegfall des Versorgungsabschlags bei Teilzeitbeschäftigung für Beschäftigungszeiten ab dem 17.05.1990 wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht haben keine ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SVwVfG rechtfertigende Änderung der Rechtslage herbeigeführt.
2. Es steht gleichwohl im Ermessen der Behörde, eine nach den vorgenannten Urteilen materiell rechtswidrige, bereits bestandskräftige Festsetzung des Ruhegehaltssatzes und der Versorgungsbehörde gemäß § 48 SVwVfG aufzuheben und erneut zu entscheiden.
3. Während die Behörde hierzu mit Wirkung für bereits vergangene Zeiträume regelmäßig nicht verpflichtet ist, intendiert das Beamtenversorgungsrecht die Ermessensausübung im Sinne einer sich im Einzelfall auf Null verdichtenden Ermessensreduzierung dahingehend, dass dem Versorgungsempfänger eine materiell rechtmäßige Beamtenversorgung regelmäßig nicht für alle Zukunft vorenthalten werden darf.
Normenkette
SVwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, § 48
Verfahrensgang
Tenor
Der Beklagte wird unter entsprechender teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 14.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 verpflichtet, den Ruhegehaltssatz der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.1997 dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.05.2005 – 2 C 14.04 – entsprechend (Wegfall des Versorgungsabschlags wegen Teilzeitbeschäftigung für Beschäftigungszeiten ab dem 17.05.1990) neu festzusetzen und ihr für die Zeit ab dem 09.02.2006 auf der Grundlage dieser Neufestsetzung erhöhte Versorgungsbezüge zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten jeweils zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe seiner aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die am … 1942 geborene Klägerin, die als verbeamtete Grundschullehrerin mit Ablauf des 31.12.1996 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Neufestsetzung ihres Ruhegehaltssatzes und zur entsprechenden Erhöhung ihrer Versorgungsbezüge.
Der Ruhegehaltssatz der Klägerin wurde mit Bescheid des Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft vom 02.01.1997 auf 69,81 vom Hundert der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge festgesetzt. In der Anlage zu dem Bescheid heißt es hierzu, der Ruhegehaltssatz von 72 vom Hundert unterliege im Falle der Klägerin wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung in der Zeit vom 18.08.1985 bis 31.12.1996 dem Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG. Gegen den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid erhob die Klägerin keinen Widerspruch.
Mit Schreiben vom 09.02.2006 beantragte die Klägerin bei dem inzwischen hierfür zuständig gewordenen Beklagten eine Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge. Zur Begründung machte sie geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe, europäischem Recht folgend, mit Urteil vom 25.05.2005 – 2 C 14.04 – ein Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch Versorgungsabschläge ausgesprochen. Sie, die Klägerin, verlange diesem Urteil entsprechend „spätestens rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Urteils” eine Neufestsetzung ihres Ruhegehaltssatzes und die Neuberechnung ihrer Versorgungsbezüge. Weder der damit verbundene Verwaltungsaufwand noch die Haushaltslage des Landes könnten die über Jahre hinweg erfolgte Benachteiligung rechtfertigen. Der Gleichheitsgrundsatz verbiete es, Ruhegehaltsempfänger ab dem Jahre 2005 auf gleicher rechtlicher Grundlage besser zu stellen als Ruhegehaltsempfänger früherer Jahre.
Mit angefochtenem Bescheid vom 14.03.2006 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung heißt es, mit Blick auf die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts habe das im Saarland für Grundsatzfragen zuständige Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport mitgeteilt, dass in bestandskräftig geregelten „Altfällen”, bei denen der Eintritt in den Ruhestand vor dem 25.05.2005 erfolgt sei, Anträge auf Neufestsetzung für die Vergangenheit oder die Zukunft abzulehnen seien. Da die Klägerin lange vor dem genannten Zeitpunkt in den Ruhestand versetzt worden sei, müsse ihr Antrag auf Neufestsetzung des Ruhegehaltssatzes und Neuberechnung ihrer Versorgungsbezüge abgelehnt werden.
Zur Begründung ihres gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, an die Entscheidung des Bundesverwaltungsge...