Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruchsverfahren. Anhörung. Schwerbehinderte. Anhörung Unterlassung. Kausalität. Heilung. maßgeblicher Zeitpunkt. Zustimmung zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach dem SchwbG
Leitsatz (amtlich)
1. § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO geht als lex specialis allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften (§§ 46 LVwVfG, 42 SGB-X) vor.
2. Wird ein Verfahrensbeteiligter im Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten nicht zur mündlichen Verhandlung des Widerspruchsausschusses geladen, so liegt grundsätzlich ein zur Aufhebung der Widerspruchsentscheidung führender Verfahrensmangel vor.
3. Zum maßgeblichen Zeitpunkt bei einer Anfechtungsklage gegen die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten (wie BVerwG, Beschluß vom 7.3.1991, Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3).
Normenkette
VwGO § 79 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 Nr. 2; SGB X § 42 S. 2; SchwbG § 17 Abs. 2, § 43 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Urteil vom 18.10.1994; Aktenzeichen 2 K 2010/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Oktober 1994 – 2 K 2010/93 – geändert.
Der Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten vom 26.4.1993 wird aufgehoben.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Widerspruchsentscheidung des Beklagten, durch welche der Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle zur ordentlichen Kündigung des schwerbehinderten Beigeladenen aufgehoben und die Zustimmung verweigert worden ist.
Der am xx.x.1938 geborene, seit 1977 als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v. H. anerkannte Beigeladene ist seit 1.7.1981 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Wachmann im Bundeswehrdepot Gxxxxxxxxxxxxx. Am 1.9.1992 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Beigeladenen mit der Begründung, der Auftrag zur Bewachung des Bundeswehrdepots Gxxxxxxxxxxxx sei aufgrund von Sparmaßnahmen zum 30.9.1992 gekündigt worden; eine weitere zumutbare Einsatzmöglichkeit für den Beigeladenen bestehe nicht. Mit Schreiben vom 9.10.1992 bot die Klägerin dem Beigeladenen die Arbeitsaufnahme sowohl im Bundeswehrdepot Cxxxxxxxxx als auch im Sxxxxx xxxxxxx xx xxxx xx xxx an. Auf dieses Angebot antwortete der Prozeßbevollmächtigte des Beigeladenen der Klägerin mit Schreiben vom 12.10.1992, in welchem er unter anderem ausführte:
„…
Der Arbeitsplatz Gerätedepot Cxxxxxxxxx ab Dienstag, den 13.10.1992, 8.00 Uhr, wird angenommen.
Soweit ein erhöhter Fahrtkostenaufwand entsteht, kommen wir auf die Angelegenheit nochmals zurück.
…”
Die Hauptfürsorgestelle gab dem für den Firmensitz der Klägerin zuständigen Arbeitsamt Kxxxxxxxx Gelegenheit zur Stellungnahme, nicht jedoch dem für den Wohnsitz des Beigeladenen Vxxxxxxx zuständigen Arbeitsamt Sxxxxxxxxx xxxx. Bei der Klägerin bestehen weder eine Schwerbehindertenvertretung noch ein Betriebsrat.
Mit Bescheid vom 19.11.1992 erteilte die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Sie stützte ihre Entscheidung darauf, daß eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin nicht mehr bestehe, weil das Bewachungsobjekt, in dem er bisher gearbeitet habe, geschlossen worden sei und er andere, ihm angebotene Arbeitsplätze nicht angenommen habe.
Mit Schreiben vom 23.11.1992 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit dem Beigeladenen. Der vom Beigeladenen hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht Hxxxxxxx mit Urteil vom 18.8.1993 – 4 Ca 929/92 – stattgegeben. Im anschließenden Berufungsverfahren setzte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluß vom 20.7.1994 – 2 Sa 9/94 – das arbeitsgerichtliche Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Verfahrens aus. Nachdem die Bundeswehr das Depot in Gxxxxxxxxxxxx wieder eröffnet hatte, konnte der Beigeladene dort seine Tätigkeit als Wachmann mit Zustimmung der Klägerin ab dem 5.2.1993 wieder aufnehmen.
Auf den am 7.12.1992 erhobenen Widerspruch des Beigeladenen gegen den Zustimmungsbescheid hob der bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten gebildete Widerspruchsausschuß diesen Bescheid durch Widerspruchsbescheid aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.4.1993 auf und versagte die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beigeladene habe den ihm angebotenen Arbeitsplatz in Cxxxxxxxxx seinerzeit sehr wohl vorbehaltlos angenommen, so daß damit die Notwendigkeit einer Kündigung entfallen gewesen sei. Auch die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Beigeladenen im Bundeswehrdepot Gxxxxxxxxxxxx, dessen vorübergehende Schließung antragsauslösend gewesen sei, spreche gegen die aktuelle Notwendigkeit einer Beendigungskündigung.
Auf den am 16.6.1993 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 5.7.1993 beim Verwaltungsg...