Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schule. Grundschule. Schulpflicht. Schulbesuchspflicht. Heimunterricht. Elternrecht. Glaubensfreiheit. Gewissensfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Schule im Sinne des Schulrechts ist eine organisierte, auf Dauer angelegte Einrichtung, in der eine im Laufe der Zeit wechselnde Mehrzahl von Schülern zur Erreichung allgemein festgelegter Erziehungs- und Bildungsziele planmäßig durch hierzu ausgebildete Lehrkräfte gemeinsam unterrichtet wird.
2. Heimunterricht an Stelle des Besuchs der Grundschule kann nur gestattet werden, wenn der Besuch einer Schule gerade als solcher im konkreten Einzelfall unmöglich oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist. Das Schulgesetz erlaubt hingegen keine Ausnahme, wenn die öffentlichen (und die privaten) Schulen, so wie sie ausgestaltet sind und bestehen, lediglich wegen ihrer Unterrichtsinhalte und Erziehungsziele abgelehnt werden oder wenn die Eltern ihr Kind vor den Einflüssen von Mitschülern bewahren wollen, die sie als schädlich erachten. Das gilt auch dann, wenn dies aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen geschieht.
3. Ist der Besuch einer Schule unmöglich oder nicht mit vertretbarem Aufwand zu ermöglichen, so hat die Schulaufsichtsbehörde sicherzustellen, dass das Kind jedenfalls eine ausreichende Erziehung und Unterrichtung erfährt. Das kann im Wege des Heimunterrichts, muss aber nach den für die Grundschule allgemein festgelegten Zielen und Methoden sowie durch hierzu ausgebildete Lehrkräfte erfolgen.
Normenkette
GG Art. 4, 6 Abs. 2, Art. 7; LV Art. 14 Abs. 1; SchG §§ 72, 76
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Juli 2001 – 2 K 2467/00 – werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger Ziff. 1 und 2 sind Eheleute, die Kläger Ziff. 3 und 4 sind ihre gemeinschaftlichen Kinder. Sie begehren die Verpflichtung des beklagten Landes, den Klägern Ziff. 3 und 4 die Erfüllung ihrer Schulpflicht durch Heimunterricht seitens ihrer Eltern zu gestatten.
Die 1992 geborene Klägerin Ziff. 3 ist seit August 1999, der 1993 geborene Kläger Ziff. 4 seit August 2000 schulpflichtig. Beide besuchen jedoch weder eine öffentliche Grundschule noch eine private Ersatzschule, sondern werden daheim von ihrer Mutter unterrichtet. Das wird von den Behörden mit Blick auf den vorliegenden Rechtsstreit geduldet; eine Verfügung der Polizeibehörde zur Durchsetzung der Schulpflicht der Klägerin Ziff. 3 wurde auf Widerspruch hin aufgehoben, Bußgeldverfahren gegen die Kläger Ziff. 1 und 2 wurden eingestellt.
Mit Schreiben vom 03.03.2000 beantragten die Kläger Ziff. 1 und 2, die Kläger Ziff. 3 und 4 von der Pflicht zur Teilnahme am öffentlichen Schulunterricht zu befreien. Zur Begründung trugen sie im Antragsschreiben sowie mit ihrem späteren Widerspruch vor, sie könnten ihre Kinder der öffentlichen Schule nicht aussetzen. Sie hätten eine christlich geprägte Schule erwartet, wie es die Landesverfassung gebiete. Jedoch habe sich die öffentliche Schule unter dem Einfluss der sog. Frankfurter Schule seit Ende der 1960er Jahre vom Christentum abgewendet. Die seither befolgte Pädagogik habe dazu geführt, die Kinder ihren Eltern zu entfremden und sie zu entwurzeln; sie ziele letztlich auf Anarchie. Namentlich verhindere eine durchgängige Sexualisierung jede individuelle, gesunde Geschlechtsentwicklung und jedes verantwortliche Sozialverhalten. Hinzu komme, dass die Schule als Stillübungen zu Konzentrationszwecken okkulte und magische Methoden anwende: Das Mandala-Malen sei eine okkulte religiöse Übung, und „Phantasiereisen” seien eine Grundübung der magischen Imagination; beides lehnten sie als überzeugte Christen ab. Ihren Kindern drohe aber nicht nur Schaden durch den Schulunterricht selbst, sondern auch von Seiten der Mitschüler. Der Schulalltag sei geprägt von physischer und psychischer Gewalt, vom Mobbing und Prügeleien über die üblich gewordene Fäkaliensprache bis hin zu Alkohol und Rauschgift. All dem könnten sie ihre Kinder in zartem Alter noch nicht aussetzen; sie müssten sie auf die Gesellschaft erst im Schonraum der familiären Geborgenheit vorbereiten. Das gebiete ihnen ihr Glaube; Gott habe ihnen ihre Kinder anvertraut und aufgetragen, sie vor Schäden zu bewahren. Eine christliche Privatschule sei keine Alternative; weil dort ebenfalls jeder Schüler aufgenommen werde, seien die Verhältnisse dort kaum anders. Sie begehrten daher die Befreiung von der Schulpflicht und die Gestattung von Heimunterricht. Das sehe das Schulgesetz für Ausnahmefälle vor, sofern der Heimunterricht dem Schulunterricht vergleichbar sei. Das könnten sie gewährleisten: Sie unterrichteten ihre Kinder nach Maßgabe der baden-württembergischen Leh...