Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan bei möglichem Betriebsübergang, Vorsorglicher Sozialplan bei Ungewißheit über einen Betriebsübergang; Restmandat des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Ist bei Kündigung eines Auftrages über bestimmte Dienstleistungen und Neuvergabe dieses Auftrages an einen anderen Auftragnehmer ungewiß, ob ein Betriebsübergang vom bisherigen auf den neuen Auftragnehmer vorliegt oder ob der bisherige Auftraggeber seinen Arbeitnehmern - vorsorglich - betriebsbedingt kündigen muß, so können die Betriebspartner vorsorglich für den Fall, daß kein Betriebsübergang gegeben ist, einen Sozialplan vereinbaren.
Die zwischen ihnen streitige Frage, ob von einer Betriebsstillegung oder einem Betriebsübergang auszugehen ist, können die Betriebspartner in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Sozialplanes zur Entscheidung stellen. Die Höhe der in einem Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan festgesetzten Abfindungen kann vom Arbeitgeber auch dann nur innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des Spruches angefochten werden, wenn die Einigungsstelle bei der Festsetzung der einzelnen Faktoren für die Berechnung der Abfindungen einem Rechtsirrtum unterlegen ist.
Normenkette
BetrVG §§ 111, 112 Abs. 5, § 76 Abs. 5; BGB § 613a; EWGRL 187/77
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 1996 - 2 TaBV 45/95 - aufgehoben.
2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammer Bad Kreuznach - vom 21. April 1995 - 6 BV 4/95 - wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Sozialplans, der durch Spruch einer Einigungsstelle vom 16. Juli 1994 beschlossen worden ist.
Die beteiligte Arbeitgeberin betrieb aufgrund eines Vertrages mit den US-Streitkräften als Pächterin eine Wäscherei in B und beschäftigte dort etwa 55 Arbeitnehmer, die zum Teil überörtlich in dezentralen Waschannahmestellen eingesetzt waren. Eigentümerin des Betriebsgeländes, der Gebäude sowie des überwiegenden Teils der technischen Einrichtungen des Wäschereibetriebes waren die US-Streitkräfte. Im Eigentum der Arbeitgeberin standen lediglich drei Transporterfahrzeuge und ein Transportbus.
Die Arbeitnehmer der Wäscherei hatten einen Betriebsrat gewählt, den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, dessen reguläre Amtszeit mit dem 31. Mai 1994 auslief.
Der Vertrag der Arbeitgeberin mit den US-Streitkräften lief zum 15. Oktober 1993 aus. Der Auftrag für den Wäschereibetrieb wurde von den Streitkräften neu ausgeschrieben, den Zuschlag erhielt die Firma P -GmbH, die anschließend den Wäschereibetrieb fortführte, allerdings nur mit insgesamt 26 Arbeitnehmern. Von diesen waren früher zehn bei der Arbeitgeberin beschäftigt, 16 wurden neu eingestellt.
Die Firma P -GmbH hatte die Wäscherei auch vor deren Übernahme durch die Arbeitgeberin am 1. November 1991 betrieben. Die Arbeitgeberin hatte seinerzeit die von der Firma P -GmbH beschäftigten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, mit ihnen jedoch neue Arbeitsverträge - wenn auch zu gleichen Bedingungen - geschlossen und in einer Betriebsversammlung vom 4. November 1991 den Arbeitnehmern erklärt, daß keinesfalls ein Betriebsübergang von der Firma P -GmbH auf sie erfolgt sei.
Nachdem feststand, daß der Zuschlag für den Weiterbetrieb der Wäscherei der Firma P -GmbH erteilt worden war, setzte sich der Betriebsrat mit dieser in Verbindung und machte geltend, daß ein Betriebsübergang vorliege, und verlangte die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer. Das lehnte die Firma P -GmbH ab und erklärte, sie sei lediglich bereit, einige Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zu geänderten Arbeitsbedingungen neu einzustellen.
In der Folgezeit - die genauen Daten sind nicht bekannt erklärte der Prokurist der Arbeitgeberin dem Betriebsrat, sie müsse den Arbeitnehmern kündigen, da sie für diese keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr habe. Sie zeigte auch die Entlassung aller Arbeitnehmer mit einer Stellungnahme des Betriebsrates beim Arbeitsamt an. Dabei vertraten Arbeitgeberin und Betriebsrat wiederum die Ansicht, daß ein Betriebsübergang auf die Firma P GmbH vorliege, wiesen aber gleichzeitig darauf hin, daß diese die Übernahme der Arbeitnehmer ablehne.
Anschließend kündigte die Arbeitgeberin allen Arbeitnehmern fristgemäß "wegen Auslaufen des Vertrages", forderte diese aber auf, am 18. Oktober 1993 ihre Arbeitskraft der Firma P -GmbH anzubieten, was diese auch geschlossen taten. Die Firma P -GmbH lehnte jedoch wiederum die Übernahme der Arbeitnehmer zu gleichen Bedingungen ab.
Am 7. Dezember 1993 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin zu Verhandlungen über einen Sozialplan auf und legte einen Entwurf für einen solchen vor. Er wies darauf hin, daß dies nur vorsorglich geschehe, da die Arbeitnehmer weiterhin davon ausgingen, daß ihre Arbeitsverhältnisse nicht beendet seien, sondern zur Firma P -GmbH fortbestünden.
In der Folgezeit einigten sich die Beteiligten auf die Anrufung der Einigungsstelle und auf einen Vorsitzenden. Der Betriebsrat benannte mit Schreiben vom 23. Juni 1994 seine Beisitzer. Die Arbeitgeberin benannte ihrerseits am 6. Juli 1994 ihre Beisitzer und gab der Einigungsstelle schriftlich eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung, insbesondere auch zu ihrer Vermögenslage. Sie wies darauf hin, daß bei der Berechnung der Abfindung höchstens eine Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer ab dem 1. November 1991 berücksichtigt werden könne.
Die Einigungsstelle tagte am 16. und 18. Juli 1994 und beschloß schließlich mit der Stimme des Vorsitzenden einen Sozialplan "anläßlich der Betriebsänderung, die aufgrund der Nichtverlängerung des Vertrages zwischen der H (der Arbeitgeberin) und den US-Streitkräften über das Betreiben der Wäscherei in B erfolgt ist".
Der Sozialplan hat - soweit vorliegend von Interesse - folgenden Wortlaut:
"I. Persönlicher Geltungsbereich
Dem Sozialplan unterliegen alle Arbeitnehmer der Betriebsstelle M -Kaserne, in B und der dazugehörigen Außenstellen TCP D , TCP B , TCP H , TCP K und TCP O , die am 01. Okt. 1993 beschäftigt waren und 1993 eine Kündigung erhalten haben; hiervon sind jedoch ausgenommen Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 3 BetrVG.
II. Abfindungen
Die Arbeitnehmer erhalten eine Abfindung, die folgendermaßen berechnet wird:
a) Dauer der Betriebszugehörigkeit x DM 2.700,00. bei angefangenen Beschäftigungsjahren werden Zeiten von unter 6 Monaten abgerundet, ab 6 Monaten aufgerundet. Der Beginn der Beschäftigung ergibt sich aus der dem Sozialplan beigefügten Liste (drei Blatt); die Beschäftigungszeit endet mit Ablauf der Kündigungsfrist der im Jahr 1993 ausgesprochenen Kündigungen. Treffen die Angaben über die Beschäftigungszeit in der Anlage zum Sozialplan nicht zu, so hat der Arbeitnehmer die längere Beschäftigungszeit nachzuweisen. Zeiten, für die Arbeitnehmer bei früheren Vertragsnehmern der Streitkräfte bereits Abfindungen erhalten haben, werden auf die Beschäftigungszeit in der Wäscherei B und den dazugehörigen Außenstellen nicht angerechnet.
b) Arbeitnehmer, die gegenüber einem oder mehreren Kindern unterhaltspflichtig sind, erhalten pro Kind DM 1.000,00.
c) Schwerbehinderte erhalten DM 5.000,00.
d) Wegen schlechter Vermittelbarkeit erhält jeder Arbeitnehmer einen Regionalzuschlag von DM 2.000,00.
e) Die Höhe der sich aus den vorstehenden Regelungen (a.-d.) insgesamt ergebenden Abfindungen wird auf DM 80.000,00 begrenzt.
III. Fälligkeit der Abfindung
Die Abfindung ist erst fällig, wenn der Arbeitnehmer keine Beschäftigungs- oder Vergütungsansprüche aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist der Kündigung vom Jahre 1993 gegenüber der H GmbH und/oder der P GmbH Planning and Construction weiter verfolgt.
Der Arbeitnehmer gibt die entsprechende Erklärung schriftlich gegenüber der H GmbH ab."
Die Liste über den Beginn der Beschäftigungszeit berücksichtigt für die betreffenden Arbeitnehmer auch die Beschäftigungszeit, die sie vor dem 1. November 1991 bei der Firma P -GmbH abgeleistet hatten. Die Einigungsstelle geht in der Begründung ihres Spruches davon aus, daß damals ein Betriebsübergang von der Firma P -GmbH auf die Arbeitgeberin stattgefunden habe.
Noch im Jahre 1993 machte der Betriebsrat ein Beschlußverfahren gegen die Firma P -GmbH anhängig mit dem Antrag festzustellen, daß er infolge des Betriebsüberganges nach wie vor Betriebsrat des Wäschereibetriebes sei und sein Amt auch gegenüber der Firma P fortbestehe. Dieser Antrag wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen (Arbeitsgericht Mainz, Beschluß vom 17. Dezember 1993 - 6 BV 20/93 -, LAG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 14. September 1994 - 4 TaBV 16/94 -). Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates wies das Bundesarbeitsgericht den Antrag als unzulässig ab, weil jedenfalls über das Ende der regulären Amtszeit, den 31. Mai 1994, hinaus der Betriebsrat auch gegenüber der Firma P -GmbH nicht mehr im Amt sei (Beschluß vom 11. Oktober 1995 - 7 ABR 17/95 - AP Nr. 2 zu § 21 BetrVG 1972). Die Betriebsratsvorsitzende klagte neben weiteren Arbeitnehmern ebenfalls gegen die Firma P -GmbH auf Feststellung, daß ihr Arbeitsverhältnis zu dieser Firma aufgrund Betriebsüberganges fortbestehe. Die Klage der Betriebsratsvorsitzenden wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben mit der Begründung, es habe im Oktober 1993 ein Betriebsübergang von der Arbeitgeberin auf die Firma P -GmbH vorgelegen. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Verfahren der anderen Arbeitnehmer wurden zunächst ausgesetzt.
Die von der Arbeitgeberin gekündigten Arbeitnehmer hatten schließlich am 13. September 1994 dem Betriebsübergang auf die Firma P -GmbH widersprochen, die Unwirksamkeit ihrer Kündigungen geltend gemacht und zum Teil Kündigungsschutzklage, zum Teil auch Klage auf Zahlung der Abfindung aus dem Sozialplan erhoben. Die Verfahren sind ausgesetzt.
Im vorliegenden Verfahren macht die Arbeitgeberin geltend, der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan sei nichtig. Die Einigungsstelle sei nicht wirksam bestellt worden. Der Betriebsrat habe wegen Ablaufs der Amtszeit am 31. Mai 1994 kein Mandat zur Benennung der Beisitzer und zur Einberufung der Einigungsstelle und zum Abschluß des Sozialplanes mehr gehabt. Im übrigen sei der Betrieb im Oktober 1993 nicht stillgelegt worden, sondern auf die Firma P -GmbH übergegangen. Diese habe sämtliches Inventar von den Streitkräften übernommen und nutze die Gebäude, das Inventar, Computerprogramme und Listen weiter und verfolge den gleichen Betriebszweck, wie er vorher von ihr verfolgt worden sei. Damit seien die von ihr ausgesprochenen Kündigungen unwirksam gewesen mit der Folge, daß eine Betriebsstillegung durch sie nicht erfolgt sei. Eine Betriebsstillegung und ein Betriebsübergang schlössen einander aus.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, daß der Sozialplan nach dem Spruch der Einigungsstelle vom 16./18. Juli 1994 nichtig ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er macht geltend, die Einigungsstelle sei zu einem Beschluß über den Sozialplan zuständig gewesen. Die Arbeitgeberin habe mit den Kündigungen ihren Betrieb stillgelegt unabhängig davon, ob es später zu einem Betriebsübergang gekommen sei oder nicht. Einem solchen Betriebsübergang hätten die Arbeitnehmer schließlich auch mit ihrem Schreiben vom 13. September 1994 widersprochen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter, während die Arbeitgeberin bittet, dessen Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan vom 18. Juli 1994 ist wirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung, der Einigungsstellenspruch sei unwirksam, damit begründet, die Einigungsstelle sei zum Beschluß über einen Sozialplan nicht zuständig gewesen, da sie nicht wirksam gebildet worden sei. Die Amtszeit des Betriebsrates habe am 31. Mai 1994 mit Ablauf der Wahlperiode geendet. Der Betriebsrat habe daher im Juni 1994 kein Mandat mehr zur Anrufung der Einigungsstelle und zur Bestellung von Beisitzern gehabt. Außerdem sei der Betriebsrat selbst von einem Betriebsübergang ausgegangen, so daß keine Notwendigkeit für den Abschluß eines Sozialplanes bestanden hätte.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichtes war der Betriebsrat trotz Ablaufes seiner Amtszeit am 31. Mai 1994 auch danach noch befugt, den Abschluß eines Sozialplanes zu verlangen, dafür die Einigungsstelle anzurufen und Beisitzer für die Einigungsstelle zu benennen.
1. Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Amtszeit des Betriebsrates schon durch die Kündigung aller Arbeitnehmer - einschließlich der Betriebsratsmitglieder - mit Ablauf der Kündigungsfrist geendet hat oder ob im Oktober 1993 ein Betriebsübergang auf die P -GmbH erfolgt ist, mit der Folge, daß der Betriebsrat bis zum 31. Mai 1994 im Amt blieb. In beiden Fällen behielt der Betriebsrat jedenfalls gegenüber der Arbeitgeberin ein Restmandat zur Wahrnehmung aller Beteiligungsrechte, die vor dem Ablauf der Kündigungsfrist oder vor dem Betriebsübergang noch im Betrieb der Arbeitgeberin entstanden waren. Hat die Arbeitgeberin vor diesem Zeitpunkt eine Betriebsänderung geplant und durchgeführt, war der Betriebsrat auch über das Ende seiner Amtszeit hinaus befugt, die daraus resultierenden Beteiligungsrechte wahrzunehmen.
2. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß ein Betriebsrat, besonders in den Fällen einer Betriebsstillegung im Sinne von § 111 BetrVG, auch nach Kündigung aller Arbeitsverhältnisse mit Ablauf seiner Amtszeit ein Restmandat behält, das ihn berechtigt, alle mit dieser Betriebsänderung zusammenhängenden Beteiligungsrechte wahrzunehmen (BAG Beschluß vom 30. Oktober 1979 - 1 ABR 112/77 - AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG 1972; Beschluß vom 16. Juni 1987 - 1 ABR 41/85 - BAGE 55, 356 = AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972). Dieses Restmandat besteht auch über den Ablauf der Amtszeit des Betriebsrates hinaus, selbst wenn dieser im Fall eines Betriebsüberganges gegenüber der Firma P -GmbH noch im Amt geblieben wäre.
Die Anerkennung eines Restmandates für den Betriebsrat über das Ende seiner Amtszeit hinaus beruht auf der Erwägung, daß die Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG leerlaufen müßten, wenn der Betriebsrat nicht mehr tätig werden könnte. Verhandlungen über einen Sozialplan nehmen vielfach längere Zeit in Anspruch, so daß eine Einigung der Betriebspartner kaum während der Amtszeit zu erzielen ist. Das gilt erst recht, wenn keine Einigung erzielt wird und deshalb die Einigungsstelle angerufen werden muß und deren Bildung im Verfahren nach § 98 ArbGG betrieben werden muß oder über die Wirksamkeit eines Spruches der Einigungsstelle unter den Betriebspartnern Streit entsteht, der zu einem gerichtlichen Verfahren führt. Würde der Betriebsrat nach Beendigung seiner Amtszeit nicht mehr seine betriebsverfassungsrechtliche Stellung haben, müßte es zur Vereinbarung eines Sozialplanes vor Beendigung des Mandates kommen. Eine derartige zeitliche Begrenzung sieht das BetrVG nicht vor. Sie würde zu dem nicht zu rechtfertigenden Ergebnis führen, daß Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Sozialplanes, insbesondere den Spruch einer Einigungsstelle nach diesem Zeitpunkt zwischen den Betriebspartnern nicht mehr begonnen bzw. zu Ende geführt werden könnten. Bereits aus prozeßökonomischen Gründen besteht daher ein unabweisbares Bedürfnis, jedenfalls hinsichtlich der mit der Stillegung zusammenhängenden Beteiligungsrechte ein Restmandat auch nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrates zu gewähren. Durch eine zeitliche Zäsur, wie sie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, hätte der das Restmandat rechtfertigende Grund, nämlich die uneingeschränkte Ausübung der Beteiligungsrechte gem. §§ 111 ff. BetrVG, unterlaufen werden können. Wenn man, wie das Landesarbeitsgericht es getan hat, auf das Einigungsstellenverfahren abstellt, könnte der Arbeitgeber durch Hinauszögern der Sozialplanverhandlungen die Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG ins Leere laufen lassen.
Damit bestand - im Falle einer Betriebsänderung - auch noch im Juni 1994 ein Mandat des Betriebsrates, für eine angenommene Betriebsänderung den Abschluß eines Sozialplans zu verlangen und alles dafür Erforderliche zu tun. Er konnte daher auch die Einigungsstelle anrufen, für diese Beisitzer benennen und - wie vorliegend auch geschehen - wirksam einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs führen.
III. Der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan ist auch wirksam, weil die Arbeitgeberin mit der Kündigung aller Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer ihren Betrieb stillgelegt hat und daher der Betriebsrat nach § 112 BetrVG einen Sozialplan verlangen konnte.
1. Die Arbeitgeberin hat ihren Betrieb stillgelegt. Dieser ist nicht auf die Firma P -GmbH übergegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes ist eine reine Funktionsnachfolge kein Betriebsübergang.
Die Richtlinie 77/187/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen gilt nicht für den Fall, daß ein Auftraggeber - hier die US-Streitkräfte -, der die Reinigung von Räumlichkeiten - hier von Wäsche - einem Unternehmer - hier der Arbeitgeberin übertragen hat, den Vertrag mit diesem kündigt und zur Durchführung ähnlicher Arbeiten einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmer - hier der P -GmbH - schließt, sofern dieser Vorgang weder mit einer Übertragung relevanter materieller oder immaterieller Betriebsmittel von dem einen auf den anderen Unternehmer noch mit der Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des von dem einen Unternehmer zur Durchführung des Vertrages eingesetzten Personals durch den anderen Unternehmer verbunden ist (Urteil des EuGH vom 11. März 1997 - RS C-13/95 Ayse Süzen - AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187).
Die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für die Annahme eines Betriebsüberganges in Fällen wie dem vorliegenden vorliegen müssen, sind hier nicht gegeben. Zwischen der Arbeitgeberin und der Firma P -GmbH bestanden keinerlei Rechtsbeziehungen. Von der Arbeitgeberin sind auf die P -GmbH keinerlei materielle oder immaterielle Betriebsmittel übertragen worden. Die Arbeitgeberin hat vielmehr die Betriebsmittel an die US-Streitkräfte zurückgegeben; diese haben sie aufgrund des neuen Auftrages der P -GmbH zur Verfügung gestellt. Die P -GmbH hat auch keinen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin übernommen, die sie zur Durchführung des mit den US-Streitkräften abgeschlossenen Vertrages etwa benötigt hätte.
Damit liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, daß nach der Rechtsprechung des EuGH von einer Wahrung der Betriebsidentität der Wäscherei auszugehen ist. Die Arbeitgeberin als frühere Auftragnehmerin konnte daher ihren Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen, für die sie infolge des Verlustes des Auftrages keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hatte (BAG Urteil vom 13. November 1997 - 8 AZR 295/95 - und vom 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - beide zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Die Arbeitgeberin hat allen ihren Arbeitnehmern gekündigt, nachdem die Firma P -GmbH sich geweigert hatte, diese weiterzubeschäftigen. Sie hatte für diese Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr, nachdem der Vertrag mit den US-Streitkräften zum 15. Oktober 1993 ausgelaufen war. Mit der Kündigung aller Arbeitnehmer und der Einstellung des Wäschereibetriebes hat die Arbeitgeberin ihren Betrieb stillgelegt und damit eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG zunächst geplant, mit dem Betriebsrat beraten und schließlich durchgeführt. Dies ist betriebsverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Betriebspartner können bei Unsicherheit der Rechtslage, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht, vorsorglich einen Sozialplan rechtswirksam für den Fall vereinbaren, daß tatsächlich kein Betriebsübergang auf einen neuen Arbeitgeber vorliegt und daher in den vorsorglich ausgesprochenen Kündigungen eine Betriebsänderung zu sehen ist.
Für einen Arbeitgeber, dem ein Auftrag über bestimmte Dienstleistungen gekündigt wird, zu deren Ausführung er eigene Arbeitnehmer beschäftigte, ist es schwierig festzustellen, ob die Neuvergabe des Auftrages an ein anderes Unternehmen einen Betriebsübergang darstellt, aufgrund dessen die Arbeitnehmer beim neuen Auftragnehmer weiterbeschäftigt werden oder ob er infolge der Kündigung des Auftrages seinen Betrieb stillegen und den Arbeitnehmern kündigen muß. Zwischen ihm und dem neuen Auftragnehmer bestehen keine Rechtsbeziehungen, über die er verbindlich erfährt, in welcher Form dieser den Auftrag weiter erfüllen wird. Nur so könnte er beurteilen, ob dieser i.S. der Rechtsprechung des EuGH die Identität des Betriebs wahren wird.
Diese Unsicherheit ist in der Systematik der Regelung des Betriebsüberganges angelegt. In der Regel muß ein Arbeitgeber, dem ein Auftrag über bestimmte Dienstleistungen gekündigt wird, seinen damit beschäftigten Arbeitnehmern kündigen, wenn es ihm nicht gelingt, durch einen neuen Auftrag weitere Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Wird der Auftrag noch an einen anderen Auftragnehmer neu vergeben und kommt es tatsächlich zu einem Betriebsübergang, so dienen die damit verbundenen Regelungen der EWG-Richtlinie Nr. 77/187 und des § 613 a BGB in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer. Deren Arbeitsverhältnisse soll der Betriebsübernehmer fortführen, ihnen sollen im Betrieb erworbene Rechte erhalten bleiben. Daß der frühere Auftragnehmer bei einem Betriebsübergang der Notwendigkeit enthoben wird, den Arbeitnehmern zu kündigen und ggf. seinen Betrieb stillzulegen, ist lediglich eine ihm zugute kommende mittelbare Folge der gesetzlichen Regelung über den Betriebsübergang, nicht aber deren Zweck und Inhalt.
Diesen Vorteil büßt der frühere Auftragnehmer darüber hinaus dann ein, wenn Arbeitnehmer dem Betriebsübergang wirksam widersprechen. In diesen Fall kann nur der frühere Auftragnehmer diesen Arbeitnehmern kündigen. Die Kündigung dieser widersprechenden Arbeitnehmer stellt dann - je nach deren Zahl - eine nach §§ 111 ff. BetrVG beteiligungspflichtige Betriebsstillegung oder Betriebseinschränkung dar. Der Arbeitgeber, dem ein Auftrag gekündigt wird, muß daher regelmäßig damit rechnen, daß er allen seinen Arbeitnehmern oder Teilen davon kündigen und damit ggf. eine Betriebsänderung durchführen muß.
Davon sind die Beteiligten auch im vorliegenden Verfahren ausgegangen. Der Betriebsrat hat in seinem Schreiben vom 7. Dezember 1993 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Sozialplan nur vorsorglich erstellt werden solle, da alle Arbeitnehmer - und auch er - noch davon ausgingen, daß ein Betriebsübergang vorliege. Auch die Arbeitgeberin ist offensichtlich davon ausgegangen. In ihrem Schreiben vom 6. Juli 1994 an die Einigungsstelle ist mit keinem Wort davon die Rede, daß ein Betriebsübergang und nicht eine Betriebsstillegung vorliege und die Einigungsstelle daher nicht zuständig sei. Der Betriebsrat und eine Reihe von Arbeitnehmern haben in der Folgezeit versucht, die strittige Rechtsfrage zu klären. Das Beschlußverfahren des Betriebsrates ist aufgrund des gestellten Antrages ohne Entscheidung der Frage, ob ein Betriebsübergang vorgelegen hat oder nicht, ausgegangen. Im Rechtsstreit der Betriebsratsvorsitzenden über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses ist zwar ein Betriebsübergang bejaht worden, dieses Verfahren bindet jedoch die Betriebspartner nicht. Die Arbeitgeberin hat daher folgerichtig mit dem vorliegenden Verfahren die für die Wirksamkeit des Sozialplans entscheidende Frage aufgeworfen, ob ein Betriebsübergang von der Arbeitgeberin auf die Firma P -GmbH erfolgt ist, was - wie dargelegt - zu verneinen ist. Für diesen Fall wollten die Betriebspartner einen Sozialplan vereinbaren. Die Anrufung der Einigungsstelle war lediglich erforderlich, weil die Beteiligten sich über die Höhe der Sozialplanleistungen nicht einigen konnten, wie das Schreiben der Arbeitgeberin vom 6. Juli 1994 und die Begründung des Spruches der Einigungsstelle ausweisen. Der Sozialplan ist daher wirksam.
IV. Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, der Berechnung der Abfindung werde zu Unrecht auch die Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer vor dem 1. November 1991 bei der Firma P zugrunde gelegt, kann sie damit jetzt nicht mehr gehört werden.
Die Höhe der Sozialplanleistungen - hier der Abfindungen steht grundsätzlich im Ermessen der Betriebspartner und damit im Ermessen der Einigungsstelle. Diese hat nach § 112 Abs. 5 BetrVG dabei auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für den Arbeitgeber zu achten. Ihre Entscheidung über die Höhe der Abfindungen ist daher eine Ermessensentscheidung. Als solche hätte sie nach § 76 Abs. 5 BetrVG von der Arbeitgeberin nur innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des Spruchs der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht angefochten werden können. Das ist nicht geschehen. Das vorliegende Verfahren ist erst mit ihrer Antragsschrift vom 7. Februar 1995 eingeleitet worden. Dem Senat ist daher eine Entscheidung über die Höhe der zugesprochenen Abfindungen verwehrt.
Das gilt auch dann, wenn der Entscheidung der Einigungsstelle über die Berechnung der Abfindungen ein Rechtsirrtum darüber zugrunde gelegen haben sollte, ob seinerzeit im November 1991 ein Betriebsübergang von der Firma P -GmbH auf die Arbeitgeberin erfolgt ist oder nicht.
Das Kriterium "Betriebszugehörigkeit" ist nur einer der Faktoren für die Berechnung der Abfindung. Die Einigungsstelle ist frei, darüber zu entscheiden, wie die Abfindungen für die einzelnen Arbeitnehmer festgesetzt werden sollen. Sie kann feste Beträge wählen oder eine bestimmte Formel mit einzelnen Faktoren festlegen. Welche Kriterien für die Abfindung eine Rolle spielen sollen, steht dabei ebenfalls in ihrem Ermessen. Sie kann dabei, muß aber nicht, auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigen. Setzt sie einen Faktor zu Unrecht oder zu hoch an, ändert dies nichts daran, daß es sich im Ergebnis um eine Entscheidung über die Höhe der Abfindungen und damit um eine Ermessensentscheidung handelt. Mangels rechtzeitiger Anfechtung durch die Arbeitgeberin ist diese daher wirksam.
V. Nach allem war der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen, da das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag der Arbeitgeberin zu Recht abgewiesen hat.
Unterschriften
Dr. Jobs Böck zugleich für den durch Pensionierung ausgeschiedenen Vors. Richter Matthes Bacher Brose
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.04.1998 durch Susdorf, Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 435955 |
BAGE, 247 |
BB 1998, 1372 |
BB 1998, 1588 |
DB 1998, 1471 |
NJW 1999, 382 |
FA 1998, 256 |
JR 1999, 44 |
NZA 1998, 768 |
RdA 1998, 319 |
SAE 1999, 112 |
ZIP 1998, 1199 |
AP, 0 |
ArbuR 1998, 287 |
AuA 1998, 399 |