Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Vorstandsmitglied eines Vereins
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Klage eines Mitglieds des Vertretungsorgans einer juristischen Person (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) gegen eine fristlose Kündigung (§ 626 BGB) ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht schon deshalb eröffnet, weil der Kläger behauptet, Arbeitnehmer zu sein (Fortführung von BAG Beschluß vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Es bleibt unentschieden, ob es in einem solchen Fall für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ausreicht, wenn der Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schlüssig vorträgt oder ob bereits im Rechtswegbestimmungsverfahren die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bewiesen werden muß (vgl. BAG Beschluß vom 30. August 1993 – 2 AZB 6/93 – AP Nr. 6 zu § 17a GVG = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 25; BAG Beschluß vom 28. Oktober 1993 – 2 AZB 12/93 – AP Nr. 19 zu § 2 ArbGG 1979 = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 26).
Normenkette
GVG § 17 Abs. 2, § 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 S. 3, § 48
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Mai 1996 – 11 Ta 32/96 – aufgehoben.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 19. Januar 1996 – 2 Ca 442/95 – abgeändert.
3. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Köln verwiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
5. Der Streitwert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde und das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf 48.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten Klage erhoben mit dem Antrag
festzustellen, daß das Dienstverhältnis der Parteien durch die fristlose außerordentliche Kündigung vom 3. Januar 1995, zugegangen am 4. Januar 1995, nicht beendet worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.
Im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde streiten die Parteien um die Rechtswegzuständigkeit.
Der Kläger war seit 1959 bei dem Beklagten beschäftigt, zunächst als Angestellter in einem Arbeitsverhältnis, 1970 wurde er zum Stellvertreter des Geschäftsführers ernannt. Nach der im Oktober 1977 neu gefaßten Satzung des Beklagten besteht sein Vorstand aus dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats und der Geschäftsführung sowie aus deren Steilvertreter. Damit wurde der Kläger Vorstands- und Organmitglied des Beklagten; er wurde im Vereinsregister eingetragen.
Der Monatsverdienst des Klägers belief sich 1992 auf 43.100,00 DM brutto. Am 9. Oktober 1992 schlossen die Parteien für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 einen „Geschäftsführervertrag”. Hierdurch wurde der Kläger stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung des Beklagten. Seine Vergütung wurde auf 576.000,00 DM jährlich (= 48.000,00 DM monatlich) erhöht. Zusätzlich erhielt der Kläger eine erfolgsabhängige Prämie. Zugleich wurde der Kläger zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der neugegründeten T. Aktiengesellschaft bestellt. Schließlich war er Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften der T., u.a. der T. GmbH.
Nach internen Differenzen kamen die Parteien dahin überein, daß der Kläger seine Tätigkeit einstellte, der Beklagte aber seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 9. Oktober 1992 weiter nachkam. Der Kläger bestätigte dies mit Schreiben vom 30. November 1993 wie folgt:
„Wir haben uns heute morgen über unsere Zusammenarbeit unterhalten und sind am Ende des Gespräches zu dem Ergebnis gekommen, im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Ihnen und mir meine aktive Tätigkeit in der T. Gruppe zum 31.12.1993 zu beenden. Im übrigen wird der T. den bestehenden Vertrag mit mir erfüllen.”
Die Beendigung der Organstellung – auch der in den anderen Gesellschaften der T.-Gruppe – wurde im Jahr 1994 ins Vereinsregister eingetragen. Der Kläger erhielt weiter seine Vergütung sowie Beihilfe, Rentenversicherungsbeiträge zur BfA und den Arbeitgeberzuschuß zur freiwilligen Krankenversicherung. Der Kläger war 1994 noch einige Male für den Beklagten tätig.
Mit Schreiben vom 3. Januar 1995 kündigte der Beklagte das Anstellungsverhältnis fristlos. Zur Begründung gab er an, der Kläger habe einen groben Vertrauensbruch begangen. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der unter Berufung auf das Kündigungsschutzgesetz beim Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage.
Zum Rechtsweg hat er vorgetragen: Sein ursprünglicher Arbeitnehmerstatus sei trotz späterer Einnahme einer Organstellung erhalten geblieben. Das Arbeitsverhältnis habe geruht; es sei mit dem Ende der Organstellung wieder aufgelebt. Die Gehaltssteigerungen, auch die am 9. Oktober 1992 vereinbarte, seien jeweils mit einer erheblichen Erweiterung seines Anforderungsbereiches einhergegangen. Im übrigen habe seine Tätigkeit als amtlich anerkannter Sachverständiger nach der nordrhein-westfälischen Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung vom 2. Dezember 1959 vorausgesetzt, daß er Arbeitnehmer sei.
Die Beklagte hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht für gegeben, da der Kläger kein Arbeitnehmer, sondern – bereits seit 1977 – Mitglied des Vertretungsorgans gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde will der Beklagte weiter die Verweisung an das Landgericht erreichen.
Entscheidungsgründe
II. Die weitere sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht als gegeben erachtet. Der Kläger war jedenfalls seit 1993 nicht mehr Arbeitnehmer des Beklagten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, ohne daß es auf die Frage ankomme, ob der Kläger mit seiner Rechtsbehauptung, Arbeitnehmer zu sein, Recht habe. Denn er erhebe ausdrücklich und erklärtermaßen eine Feststellungsklage, mit der die Fortdauer eines Dienstverhältnisses festgestellt werden solle, das er für ein Arbeitsverhältnis halte. Dabei stütze er sich ausdrücklich auf das Kündigungsschutzgesetz. Zur Entscheidung eines solchen Streits seien allein die Arbeitsgerichte berufen. Ein ordentliches Gericht könne nicht die Fortdauer eines Arbeitsverhältnisses feststellen. Dies folge aus § 4 Satz 1 KSchG. Danach sei die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Dem Kläger werde der Rechtsschutz verweigert, wenn sich gerade das Gericht, das ihm das Gesetz für diese Klage benenne, für nicht zuständig erklärt. In diesem Lichte müsse auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG ausgelegt werden. Es handele sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Die Voraussetzung, daß es sich um eine Rechtsstreitigkeit „zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern” handele, sei als erfüllt zu unterstellen. Es könne auch rechtspolitisch nicht erwünscht sein, einen für den Kläger so erheblichen Streit wie den um seinen Status im Beschwerdeverfahren des § 17 a GVG ohne die Chance eines Erwachsens in Rechtskraft und ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen folge auch daraus, daß nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes der Rechtsweg nach dem Streitgegenstand zu bestimmen sei und sich dieser nach dem Klagevorbringen richte. Der Kläger habe seine Arbeitnehmereigenschaft schlüssig dargelegt. Unstreitig sei er Arbeitnehmer gewesen. Dieser Status sei nicht ausdrücklich beendet oder aufgehoben worden. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG könne nur solange bestehen, wie die Organstellung existiere.
2. Der Senat kann dieser Begründung nicht folgen.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern” aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG ist, ergibt sich aus dessen § 5. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt nicht als Arbeitnehmer, wer in einem Betrieb einer juristischen Person kraft Gesetzes zur Vertretung der juristischen Person berufen ist. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nimmt darauf Rücksicht, daß juristische Personen nur durch ihre Organe handeln und auch nur durch diese ihre Arbeitgeberfunktion ausüben können. Aus diesem Grunde ist es nicht gerechtfertigt, diese Personen als Arbeitnehmer anzusehen (BAG Urteil vom 10. Juli 1980 – 3 AZR 68/79 – AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 28).
b) Der Kläger gehört zu diesem Personenkreis. Er war laut Satzung Mitglied des Vorstands des Beklagten und damit nach § 26 Abs. 2 BGB Mitglied des Vertretungsorgans.
Hinsichtlich der Rechtsstellung eines Vorstandsmitglieds einer juristischen Person ist zu unterscheiden zwischen dem Organisationsakt der Bestellung und dem der Bestellung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag. Endet die Organstellung, so besteht das Anstellungsverhältnis bis zu seinem Ablauf oder seiner Kündigung fort. Der Verlust der Organstellung führt nicht automatisch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses.
c) Durch den am 9. Oktober 1992 abgeschlossenen Geschäftsführervertrag wurde zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis, sondern ein freies Dienstverhältnis begründet (§ 611 BGB). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung des der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig (BAG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluß vom 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 28).
3. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand neben dem freien Dienstverhältnis kein Arbeitsverhältnis. Das freie Dienstverhältnis ist auch nach der Beendigung seiner Organstellung oder später nicht zu einem Arbeitsverhältnis geworden. Eine solche Annahme ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt.
a) Nach bisheriger Rechtsprechung sind die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten zwischen den in § 5 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG genannten Personen und den von ihnen vertretenen juristischen Personen oder Personengesamtheiten nur dann zuständig, wenn tatsächlich neben dem freien Dienstverhältnis, das die Grundlage der Vertreterstellung bildete, ein Arbeitsverhältnis besteht oder sich das freie Dienstverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt hat. Es muß also eine unterscheidbare Doppelstellung vorliegen (BAG Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979; Urteil vom 12. März 1987 – 2 AZR 336/86 – BAGE 55, 137, 146 f. = AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979).
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich in zwei außerordentliche Kündigungen und Zahlungsansprüche betreffenden Verfahren dafür ausgesprochen, daß die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nur dann zu bejahen ist, wenn die Tatsachen, aus denen sich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ergibt, unstreitig oder bewiesen sind; einen schlüssigen Tatsachenvortrag des Klägers oder gar seine bloße Rechtsbehauptung, er sei Arbeitnehmer, hat er nicht für ausreichend gehalten (BAG Beschluß vom 30. August 1993 – 2 AZB 6/93 – AP Nr. 6 zu § 17a GVG = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 25; BAG Beschluß vom 28. Oktober 1993 – 2 AZB 12/93 – AP Nr. 19 zu § 2 ArbGG 1979 = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 26). Dieselbe Auffassung hat der Zweite Senat in seinem Beschluß vom 21. Februar 1994 (– 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979) zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vertreten. Auch der erkennende Senat ist in seinem Beschluß vom 28. September 1995 (– 5 AZB 4/95 – AP Nr. 24 zu § 5 ArbGG 1979) davon ausgegangen, daß die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für den unter § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG fallenden Personenkreis nur dann zu bejahen ist, wenn der Kläger tatsächlich auch Arbeitnehmer ist oder war.
Durch Beschluß vom 24. April 1996 (– 5 AZB 25/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) hat der nunmehr für Rechtswegfragen im Zusammenhang mit dem Status allein zuständige erkennende Senat eine teilweise abweichende Auffassung vertreten. Er hat für die Prüfung der Rechtswegzuständigkeit nach Fallgruppen unterschieden.
Zu der ersten Gruppe gehören die Fälle, in denen der Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen (sog. sic-non-Fall). Hauptbeispiel ist die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht sind hier „doppelrelevant”, also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend.
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein Anspruch entweder auf eine arbeitsrechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sich aber gegenseitig ausschließen (sog. aut-aut-Fall). Dazu gehört etwa die Klage auf Zahlung des vereinbarten Entgelts für geleistete Arbeit aus einem Rechtsverhältnis, das der Kläger für ein Arbeitsverhältnis, der Beklagte dagegen für ein – nicht arbeitnehmerähnliches – freies Mitarbeiterverhältnis hält. Weiter gibt es Fälle, in denen ein einheitlicher Anspruch widerspruchslos sowohl auf eine arbeitsrechtliche als auch auf eine nicht arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann (sog. et-et-Fall).
Der Senat hat wie folgt entschieden: Kann die vor dem Arbeitsgericht in einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), so reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Ist der Kläger kein Arbeitnehmer, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Eine Verweisung des Rechtsstreits in einen anderen Rechtsweg wäre in diesem Fall sinnlos.
b) Ob diese Grundsätze auch für den Personenkreis des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten, bedarf hier keiner Entscheidung. Vorliegend handelt es sich nicht um einen solchen Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die außerordentliche Kündigung des Rechtsverhältnisses, das er für ein Arbeitsverhältnis und der Beklagte für ein freies Dienstverhältnis hält. Mittelbar geht es dem Kläger um Vergütungsansprüche. Für beide Arten von Rechtsverhältnissen gilt § 626 BGB. Die Klage kann nicht nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist, sondern auch dann, wenn er ausschließlich in einem freien Dienstverhältnis stand. Der befristete Geschäftsführervertrag vom 9. Oktober 1992 sah keine Kündigungsmöglichkeit vor. Ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, so dauerte das Rechtsverhältnis bis zum 31. Dezember 1995 fort und zwar unabhängig vom Status des Klägers.
Der Kläger hat zwar die Auffassung vertreten, zur Zeit der außerordentlichen Kündigung Arbeitnehmer gewesen zu sein. Er hat aber damit nicht den Streitgegenstand beschränkt. Er hat nicht etwa erklärt, er nehme die außerordentliche Kündigung seines – etwa weiter bestehenden – freien Dienstverhältnisses, das Grundlage seiner früheren Organstellung gewesen sei, hin und greife nur die außerordentliche Kündigung seines weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses an. Er wendet sich vielmehr gegen die außerordentliche Kündigung auch für den Fall, daß das Gericht ein Arbeitsverhältnis für nicht gegeben hält. Nur dies entspricht seiner Interessenlage. Ob der Kläger überhaupt in dieser Weise den Streitgegenstand hätte beschränken können, kann offenbleiben. Demnach kann die Klage sowohl auf eine arbeitsrechtliche als auf eine nicht arbeitsrechtliche Grundlage gestützt werden. Beide schließen sich nicht notwendig aus (sog. et-et-Fall). Es handelt sich daher entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um einen Fall, in dem der Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann.
c) Kommen für einen Anspruch sowohl arbeitsrechtliche als auch bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht (sog. aut-aut-Fälle und et-et-Fälle), so kann die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nicht begründen. Ein Streit etwa um die Entgeltzahlung wird nicht dadurch zu einem arbeitsrechtlichen, daß der Kläger sich für einen Arbeitnehmer hält. Andernfalls stünde der Rechtsweg weitgehend zur Disposition des Klägers. Hier kann es von vornherein nur darum gehen, ob bereits der schlüssige Tatsachenvortrag des Klägers ausreicht, oder ob dieser ggf. bewiesen werden muß. Diese Frage kann hier jedoch offenbleiben, da der Klägervortrag zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unschlüssig ist. Für den Personenkreis des § 5 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen.
d) Entgegen der Auffassung des Klägers bestanden neben dem Geschäftsführervertrag vom 9. Oktober 1992, einem freien Dienstvertrag, keine arbeitsvertraglichen Beziehungen. Der Arbeitsvertrag bestand jedenfalls nicht über den 31. Dezember 1992 hinaus fort. Der Vertrag vom 9. Oktober 1992 kann nicht in einen Arbeitsvertrag als Mitarbeiter und einen freien Dienstvertrag als Grundlage für die Vorstandstätigkeit aufgespalten werden. Zwar ist eine Doppelstellung als Arbeitnehmer und freier Dienstnehmer ein und derselben juristischen Person nicht von vornherein denknotwendig ausgeschlossen. Wird aber nur ein (einheitlicher) Vertrag abgeschlossen, so ist im Zweifel nur ein einheitliches Rechtsverhältnis anzunehmen. So verhält es sich hier. Anhaltspunkte dafür, daß es sich gleichwohl um unterschiedliche Rechtsverhältnisse handelt, sind nicht ersichtlich.
Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts mehrfach entschieden, bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung hinsichtlich des ursprünglichen Anstellungsvertrages sei im Zweifel anzunehmen, daß der Geschäftsführer einer GmbH mit seiner Bestellung nicht endgültig den bisher erworbenen Bestandsschutz eines Arbeitsverhältnisses aufgeben wolle, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich durch eine höhere Vergütung zu erhalten (Urteile vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 330/84 – BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979 und vom 12. März 1987 – 2 AZR 336/84 – BAGE 55, 137, 146 f. = AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979, zu II 2 a der Gründe). In seinem Urteil vom 7. Oktober 1993 (– 2 AZR 260/93 – AP Nr. 16 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 9) hat der Zweite Senat dahingestellt sein lassen, ob er diese Auffassung weiter vertritt. Er hat angedeutet, daß eher eine Vermutung dafür spreche, daß Parteien, die einen neuen Dienstvertrag abschließen, damit im Zweifel den alten Arbeitsvertrag aufheben wollen. Der erkennende Senat hat entschieden, daß im Zweifel das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben wird, wenn der Arbeitnehmer eines Vereins zum Vorstandsmitglied bestellt und im Hinblick darauf ein Dienstvertrag mit höheren Bezügen abgeschlossen wird (Beschluß vom 28. September 1995 – 5 AZB 4/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Ob der früheren Rechtsprechung des Zweiten Senats zu folgen ist, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn die weitere sofortige Beschwerde bleibt auch dann erfolglos, wenn man zugunsten des Klägers von dieser nunmehr in Frage gestellten Rechtsprechung des Zweiten Senats ausgeht.
Durch den Vertrag vom 9. Oktober 1992 haben die Parteien einen etwa bis dahin noch bestehenden Arbeitsvertrag aufgehoben. Dieser Vertrag ist ein vollständig neuer Vertrag; er enthält eigenständige Regelungen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß ein früheres Arbeitsverhältnis nur ruhen, aber fortbestehen sollte. Im übrigen erhielt der Kläger aufgrund des Vertrages vom 9. Oktober 1992 ab 1. Januar 1993 eine nach seinen eigenen Berechnungen um etwa 11,36 % höhere Vergütung als bisher. Ob damit eine Vergrößerung des Zuständigkeitsbereichs einherging und der Kläger größere Verantwortung übernahm, ist unerheblich. Es ist nicht erforderlich, daß die höhere Vergütung gerade als Gegenleistung für die Aufgabe des Arbeitnehmerstatus vereinbart und ausgewiesen wird. Es kommt auf die Erhöhung der Vergütung, und nicht auf die Motive dafür an.
e) Der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der nordrhein-westfälischen Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung vom 2. Dezember 1959 (GV.NW. 1959 S. 174). Daß der Kläger auch noch nach seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied Sachverständigengutachten erstellt hat, läßt keine Schlüsse auf seinen Status zu. Nach § 1 Abs. 3d dieser Verordnung darf zwar als Sachverständiger nur derjenige amtlich anerkannt werden, der von einer anerkannten technischen Überwachungsorganisation „angestellt” ist. Das ist aber nicht dahin zu verstehen, daß es sich um einen Arbeitnehmer eines TÜV handeln muß. Vielmehr fällt darunter auch ein freier Dienstvertrag, der Grundlage der Bestellung zum Organmitglied ist.
Die Arbeitnehmereigenschaft kann ferner nicht daraus abgeleitet werden, daß der Kläger vom Beklagten „Beihilfe”, Rentenversicherungsbeiträge und einen „Arbeitgeber”-Zuschuß zur freiwilligen Krankenkasse erhielt. Die Bezeichnung der den Organvertretern aufgrund des Dienstvertrages geschuldeten Leistungen ist unerheblich.
Das freie Dienstverhältnis ist schließlich nicht dadurch zu einem Arbeitsverhältnis geworden, daß der Kläger nach Beendigung seiner Organstellung noch verschiedentlich für den Beklagten tätig geworden ist. Dies kann nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Weisungen geschehen sein, sondern beruhte auf freien Absprachen, die im Rahmen des weiterbestehenden freien Dienstverhältnisses getroffen wurden. Der Kläger hat derartige Weisungen auch nicht behauptet.
4. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Kläger schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht Arbeitnehmer des Beklagten war. Mithin ist nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, sondern der zu den allgemeinen Zivilgerichten eröffnet, und der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Köln zu verweisen.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 1091005 |
JR 1997, 440 |
SAE 1998, 227 |
ZIP 1997, 690 |
MDR 1997, 579 |