Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung durch drei Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
Haben drei wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl des Betriebsrates oder der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat angefochten und fällt einer dieser Arbeitnehmer während des Wahlanfechtungsverfahrens fort, so kann an seine Stelle nicht ein anderer Arbeitnehmer des Betriebs die Anfechtung weiter betreiben (im Anschluß an die Entscheidung des Sechsten Senats vom 10. Juni 1983 - 6 ABR 50/82 - BAGE 44, 57 = AP Nr 10 zu 19 BetrVG 1972).
Jeder anfechtende Arbeitnehmer kann seinen Antrag in der ersten Instanz ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten zurücknehmen. Seine frühere Entscheidung, daß der Antrag nur von den drei anfechtenden Arbeitnehmern gemeinsam zurückgenommen werden kann (Beschluß vom 8. Dezember 1970 - 1 ABR 23/70 = BAGE 23, 130 = AP Nr 21 zu § 76 BetrVG (1952)) gibt der Senat auf.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 19; BetrVG 1952 § 76; ArbGG § 81 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 31.10.1983; Aktenzeichen 2 TaBV 14/83) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.04.1983; Aktenzeichen 12 BV 24/82) |
Gründe
A. Die F GmbH beschäftigt rd. 1.200 Arbeitnehmer. Im Jahre 1982 waren fünf Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat nach § 76 BetrVG 1952 zu wählen. Der Wahlvorstand konstituierte sich am 23. Juli 1982 und erließ am 24. August 1982 ein Wahlausschreiben, das auszugsweise wie folgt lautete:
"8. Alle Wahlberechtigten werden aufgefordert,
umgehend, spätestens jedoch bis Mittwoch,
den 8. September 1982, 15.00 Uhr, Wahlvor-
schläge einzureichen. In der Vorschlagsli-
ste sind die einzelnen Bewerber in erkenn-
barer Reihenfolge unter fortlaufender Num-
mer und unter Angabe von Familienname, Vor-
name, Geburtsdatum, Berufsbezeichnung und
Arbeitnehmergruppe aufzuführen (§ 6 Abs. 4
Satz 1 W0 1953). Jede Vorschlagsliste muß
von mindestens 100 wahlberechtigten Arbeit-
nehmern unterschrieben sein. Jeder Wahlbe-
rechtigte darf nur auf einer einzigen Vor-
schlagsliste unterzeichnen.
...."
Zu dieser Zeit war bei der F GmbH noch der Beteiligte W als Sozialreferent beschäftigt. Dieser reichte am 8. September 1982 beim Wahlvorstand einen Wahlvorschlag ein, in dem er selbst als Bewerber für den Aufsichtsrat kandidierte.
Die Bewerberliste hat der Beteiligte W in 14 völlig gleichlautenden und äußerlich gleichaussehenden Exemplaren zirkulieren lassen. Auf den einzelnen Exemplaren haben unterschiedlich viele Arbeitnehmer unterzeichnet, wobei jeweils die Unterschriften auf den einzelnen Exemplaren mit der laufenden Nummer 1) beginnen. Die 14 Exemplare der Bewerberliste hat der Beteiligte W in einem Aktenhefter zusammengeheftet, die einzelnen Blätter durchlaufend numeriert und den so gehefteten Bewerberlisten seine schriftliche Zustimmungserklärung beigefügt. Die Bewerbung des Beteiligten W ist von mehr als 250 Arbeitnehmern unterschrieben worden. Diesen Wahlvorschlag hat der Wahlvorstand mit Schreiben vom 8. September 1982 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Wahlvorstand darauf verwiesen, daß es sich bei der Bewerbung nicht um einen einheitlichen Wahlvorschlag handele, da die Unterzeichner der einzelnen Exemplare nicht insgesamt durchlaufend numeriert worden seien. Zum anderen fehle die Angabe, daß der Beteiligte W der Angestelltengruppe angehöre. Er hat dem Beteiligten zur Einreichung eines neuen - einheitlichen - Wahlvorschlages eine Frist bis zum 14. September 1982 gesetzt.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Beteiligte W einen neuen oder einen korrigierten Wahlvorschlag nicht eingereicht.
Schon am 2. September 1982 hatte der Betriebsrat bei der F GmbH die Entlassung des Beteiligten W gemäß § 104 BetrVG beantragt. Die F GmbH kündigte dem Beteiligten W am 13. September 1982 mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Beteiligte W Klage (Arbeitsgericht Hamburg - 13 Ca 540/82 -). Die Klage wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 20. September 1983 abgewiesen, die Berufung des Klägers durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. April 1984 zurückgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Außer dem Wahlvorschlag des Beteiligten W waren zwei weitere Wahlvorschläge beim Wahlvorstand eingereicht worden, die sog. "Betriebsratsliste" und die "Liste K ".
Die Wahl fand am 7. und 8. Oktober 1982 statt. Das Wahlergebnis wurde am 11. Oktober 1982 bekanntgemacht. Danach sind aus der Betriebsratsliste die Arbeitnehmer G (Betriebsratsvorsitzender) mit 393 Stimmen, B mit 322 Stimmen, Z mit 225 Stimmen und F mit 217 Stimmen und aus der "Liste K " der Arbeitnehmer K mit 230 Stimmen gewählt worden.
Mit einem am 22. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Arbeitnehmer L, Zö und H die Wahl angefochten. In diesem Schriftsatz wird der Beteiligte W als Beteiligter des einzuleitenden Beschlußverfahrens bezeichnet. Er hat den Verfahrensbevollmächtigten der anfechtenden Arbeitnehmer ebenfalls Vollmacht zur Vertretung seiner Interessen erteilt. Die anfechtenden Arbeitnehmer sind der Ansicht, daß die durchgeführte Aufsichtsratswahl unwirksam sei. Der Wahlvorschlag des Beteiligten W sei vom Wahlvorstand zu Unrecht zurückgewiesen worden. Außerdem sei die Bewerbung des Beteiligten W vom Betriebsrat massiv behindert worden.
Noch vor dem ersten Termin vor dem Arbeitsgericht hat der anfechtende Arbeitnehmer H mit Schreiben vom 27. Januar 1983, das am 3. Februar 1983 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, die "Anfechtung zurückgenommen". Mit Schriftsatz vom 7. Februar 1983, beim Arbeitsgericht eingegangen am 8. Februar 1983, haben die Verfahrensbevollmächtigten der anfechtenden Arbeitnehmer und des Beteiligten W angezeigt, daß sie auch den Arbeitnehmer S vertreten, und dessen Beitritt zum Verfahren und für ihn die Anfechtung der Aufsichtsratswahl erklärt. Im Termin vor dem Arbeitsgericht haben dann die Arbeitnehmer L, Zö und S beantragt,
die Wahl der Arbeitnehmervertreter in
den Aufsichtsrat der F
GmbH vom 7. und 8. Oktober 1982 für un-
wirksam zu erklären.
Der Beteiligte W hat keinen eigenen Antrag gestellt.
Die gewählten Arbeitnehmervertreter G, B, Z, F und K sowie der Betriebsrat haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die vom Arbeitsgericht weiter Beteiligten, die Flughafen Hamburg GmbH, der Aufsichtsrat der F GmbH, die ÖTV und die DAG haben keinen Antrag gestellt.
Die F GmbH, die gewählten Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats und der Betriebsrat sind der Ansicht, daß die Anfechtung unzulässig sei. Nachdem der Arbeitnehmer H seine Anfechtung zurückgezogen habe, sei die Anfechtung nicht mehr von drei Arbeitnehmern des Unternehmens erklärt worden. Der nachträgliche Beitritt eines weiteren Arbeitnehmers sei unzulässig. Zumindest sei die Anfechtung nicht begründet. Der Wahlvorstand habe den Wahlvorschlag W zu Recht zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Aufsichtsratswahl für unwirksam erklärt. Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Betriebsrat als auch die gewählten Aufsichtsratsmitglieder G, B, Z und F - nicht jedoch K - Beschwerde eingelegt. Die anfechtenden Arbeitnehmer L, Zö und S sowie der Beteiligte W haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die genannten Beschwerdeführer ihren Abweisungsantrag weiter, während die anfechtenden Arbeitnehmer und der Beteiligte W um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bitten.
B. Die Rechtsbeschwerden sind begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht entschieden, daß die Aufsichtsratswahl bei der F GmbH unwirksam ist. Die Anfechtung dieser Wahl ist nicht wirksam erfolgt.
I. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.
1. Rechtsbeschwerde haben zunächst die gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eingelegt. Diese sind im Wahlanfechtungsverfahren beteiligt. Sie werden durch die Entscheidung in diesem Verfahren unmittelbar in ihrer mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen. Erweist sich die Wahl als unwirksam, verlieren sie ihr durch die Wahl erworbenes Aufsichtsratsmandat. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, um deren Rechtsstellung als Aufsichtsratsmitglied es in dem Beschlußverfahren geht, Beteiligte dieses Beschlußverfahrens sind (BAG Beschluß vom 24. Mai 1957 - 1 ABR 9/56 - AP Nr. 6 zu § 76 BetrVG; vom 21. Dezember 1965, BAG 18, 61 = AP Nr. 14 zu § 76 BetrVG; vom 26. November 1968, BAG 21, 210 = AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG; vom 24. November 1981, BAG 37, 92 = AP Nr. 24 zu § 76 BetrVG).
Unerheblich ist, daß nicht alle fünf gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Rechtsbeschwerde eingelegt haben. Die Entscheidung im Wahlanfechtungsverfahren kann allen Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen. Eine Entscheidung des Arbeitsgerichts oder Landesarbeitsgerichts im Wahlanfechtungsverfahren wird, wenn gegen sie von einem Beteiligten ein Rechtsmittel eingelegt wird, auch gegenüber den anderen Beteiligten, die kein Rechtsmittel eingelegt haben, nicht rechtskräftig (Beschluß des Senats vom 26. November 1968, BAG 21, 210 = AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG). Da jedes Aufsichtsratsmitglied im Wahlanfechtungsverfahren durch die Entscheidung in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen wird, kann auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied gegen eine ihm nachteilige Entscheidung ein Rechtsmittel einlegen.
Die Rechtsbeschwerde der gewählten Aufsichtsratsmitglieder G, B, Z und F ist daher zulässig.
2. Auch der Betriebsrat der F GmbH hat gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rechtsbeschwerde eingelegt. Auch der Betriebsrat ist Beteiligter, wenn die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat angefochten wird, sofern er selbst zur Anfechtung der Wahl berechtigt wäre. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Juli 1982 (- 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG) hinsichtlich der anfechtungsberechtigten, im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ausgesprochen. Für den Betriebsrat muß das gleiche gelten. Daß die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach § 76 BetrVG 1952 auch vom Betriebsrat angefochten werden kann, wenn das Unternehmen - wie hier - aus einem Betrieb besteht, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1981 (- 1 ABR 71/79 - AP Nr. 25 zu § 76 BetrVG) ausgesprochen. Unerheblich ist, daß der zur Zeit der Aufsichtsratswahl amtierende Betriebsrat noch während des Beschwerdeverfahrens am 1. September 1983 zurückgetreten ist. Der neue Betriebsrat ist am 24. und 25. November 1983 gewählt worden. Er hat in seiner Sitzung vom 26. Januar 1984 beschlossen, die vorliegende Rechtsbeschwerde einzulegen.
Beteiligt am Wahlanfechtungsverfahren ist jeweils der Betriebsrat als Organ. Auf seine personelle Zusammensetzung kommt es nicht an. Die dem Betriebsrat auch in einem laufenden Verfahren zustehenden Rechte sind jeweils vom amtierenden Betriebsrat wahrzunehmen. Das ist vorliegend geschehen. Auch die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates der F GmbH ist daher zulässig.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Gegen die Zulässigkeit des Verfahrens bestehen keine Bedenken.
a) In Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 findet, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat zu entscheiden ist, das Beschlußverfahren statt (§ 2 a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 ArbGG).
Die anfechtenden Arbeitnehmer L, Zö und S sind als natürliche Personen parteifähig und als Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf jeden Fall beteiligt. Das gilt auch hinsichtlich des Arbeitnehmers S. Ob dessen späterer Beitritt möglich war, ist keine Frage seiner Beteiligungsbefugnis im vorliegenden Verfahren, sondern eine solche der Zulässigkeit der Anfechtung.
Die F GmbH ist als Arbeitgeber stets Beteiligter nach § 83 Abs. 3 ArbGG.
Daß die gewählten Aufsichtsratsmitglieder und der Betriebsrat im Wahlanfechtungsverfahren Beteiligte sind, ist oben bereits dargelegt worden.
Dagegen hat das Landesarbeitsgericht den Aufsichtsrat selbst zu Unrecht am Verfahren beteiligt. Daß der Aufsichtsrat als Organ der Unternehmensverfassung selbst die Wahl seiner einzelnen Mitglieder anfechten kann, ergibt sich weder aus dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 noch aus den Vorschriften des Aktiengesetzes, die gemäß § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 auf die mitbestimmte GmbH Anwendung finden, noch aus § 22 MitbestG. Dann ist aber der Aufsichtsrat auch nicht Beteiligter im Wahlanfechtungsverfahren.
Daß das Landesarbeitsgericht den Aufsichtsrat beteiligt hat, ist jedoch unschädlich. Dieser Fehler ist von der Rechtsbeschwerde nicht gerügt worden. Er nötigt daher nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, ganz abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, daß die Entscheidung auf der Beteiligung des Aufsichtsrates beruht (Entscheidung des Senats vom 6. Februar 1968 - BAG 20, 280 = AP Nr. 16 zu § 76 BetrVG).
Die im Betrieb der F GmbH vertretenen Gewerkschaften, die ÖTV und DAG, sind im Wahlanfechtungsverfahren von Amts wegen zu beteiligen (Beschluß des Senats vom 20. Juli 1982 - 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG (1952)). Sie sind vom Landesarbeitsgericht beteiligt worden.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch den früheren Arbeitnehmer W, dessen Wahlvorschlag vom Wahlvorstand zurückgewiesen worden ist, am Verfahren beteiligt. Auch das ist zu Unrecht geschehen. Der frühere Arbeitnehmer W hat selbst keinen Sachantrag gestellt und die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nicht angefochten. Zwar wird er in der Antragsschrift als "Beteiligter" mitgenannt und ebenfalls von den Verfahrensbevollmächtigten der anfechtenden Arbeitnehmer mit vertreten. In der Antragsschrift wird aber ausdrücklich die Anfechtung nur namens und in Vollmacht der (damals) anfechtenden Arbeitnehmer L, Zö und H erklärt. Aus einer Antragstellung ergibt sich daher keine Beteiligungsbefugnis des ehemaligen Arbeitnehmers W.
Als nicht gewählter Bewerber ist er am Wahlanfechtungsverfahren nicht zu beteiligen. Er wird durch diese Entscheidung nicht unmittelbar in seiner mitbestimmungsrechtlichen Position betroffen. Auch wenn sich die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat als unwirksam erweist, ändert sich seine Rechtsstellung nicht. Er wird damit nicht automatisch Mitglied des Aufsichtsrates. Er erhält vielmehr nur die Möglichkeit, sich bei der erforderlich werdenden Neuwahl erneut zu bewerben. So hat der Senat auch für die entsprechend § 18 BetrVG 1952 bzw. § 19 BetrVG 1972 anfechtbare Wahl des Betriebsratsvorsitzenden entschieden, daß das nicht gewählte Betriebsratsmitglied diese Wahl nicht anfechten kann (Beschluß vom 20. April 1956 - 1 ABR 2/56 - AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG). Er kann dann in einem Wahlanfechtungsverfahren auch nicht Beteiligter sein. Dem entspricht auch die herrschende Meinung im Schrifttum, wonach sowohl bei der Betriebsratswahl als auch bei der Aufsichtsratswahl der nicht gewählte Bewerber nicht Beteiligter im Wahlanfechtungsverfahren ist (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 15; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 19 Rz 17; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 19 Rz 26; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 19 Rz 10; Kittner/Fuchs/Zachert, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, 2. Aufl., Rz 1878).
Auch hier ist unschädlich, daß das Landesarbeitsgericht den ehemaligen Arbeitnehmer W beteiligt hat. Dieser Verfahrensmangel ist in der Rechtsbeschwerde nicht gerügt worden.
2. Über die Anfechtung kann sachlich nicht entschieden werden. Die Anfechtung ist nicht (mehr) zulässig.
a) Die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach § 76 BetrVG 1952 kann trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift entsprechend § 19 BetrVG angefochten werden. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluß vom 20. Juli 1982 - 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG (1952)). Die Wahl anfechten können daher auch drei im Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer. Die Beteiligten L, Zö und H, die die Wahl zunächst angefochten haben, sind Arbeitnehmer des beteiligten Unternehmens, der F GmbH. Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Nachdem das Wahlergebnis am 11. Oktober 1982 bekanntgemacht worden war, lief die Anfechtungsfrist am 25. Oktober 1982 ab. Die am 22. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht eingegangene Anfechtung ist daher zunächst rechtzeitig erfolgt.
b) Der Arbeitnehmer H hat jedoch mit einem am 3. Februar 1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seine "Anfechtung zurückgenommen". An seine Stelle ist - erst - durch die am 8. Februar 1983 beim Arbeitsgericht eingegangene Anzeige der Arbeitnehmer S getreten. Ein solcher Wechsel in der Person der anfechtenden Arbeitnehmer ist nicht zulässig.
Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß die Wahlanfechtung während des ganzen Wahlanfechtungsverfahrens von drei Arbeitnehmern getragen werden muß. Das ist Voraussetzung für eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Wahl (zuletzt Beschluß vom 8. Dezember 1981 - 1 ABR 71/79 - AP Nr. 25 zu § 76 BetrVG (1952)). Das entspricht auch der Meinung im Schrifttum (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 29; Galperin/Löwisch, aa0, § 19 Rz 13; Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, § 19 Rz 17; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aa0, § 19 Rz 11; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 19 Rz 2).
Die Frage, ob an die Stelle eines ausscheidenden Arbeitnehmers ein anderer Arbeitnehmer des Betriebes treten kann, hat der Senat bislang nicht entschieden (Beschluß vom 14. Februar 1978, BAG 30, 114 = AP Nr. 7 zu § 19 BetrVG 1972; Beschluß vom 21. November 1975 - 1 ABR 12/75 - AP Nr. 6 zu § 118 BetrVG 1972). Er hat in der genannten Entscheidung vom 14. Februar 1978 lediglich ausgesprochen, daß ein solches Auswechseln jedenfalls nicht mehr in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfolgen könne. Der Sechste Senat hat ausgesprochen, daß nach dem Ausscheiden eines von drei antragstellenden Arbeitnehmern jedenfalls nicht eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft als Anfechtende dem Verfahren beitreten könne (Beschluß vom 10. Juni 1983 - 6 ABR 50/82 - AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
In der betriebsverfassungsrechtlichen und mitbestimmungsrechtlichen Literatur wird ein solches Auswechseln - wenn auch weitgehend ohne nähere Begründung - durchweg für zulässig gehalten (Dietz/Richardi, aa0, § 19 Rz 29 und 47; Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, § 19 Rz 17; Galperin/Löwisch, aa0, § 19 Rz 13; Hanau/Ulmer, MitbestG, § 21 Rz 11; Matthes, GK-MitbestG, § 21 Rz 70; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 21 Rz 23; LAG Hamm, Beschluß vom 5. Mai 1982, DB 1982, 2709; Thau, Mängel der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG, 1983, S. 71). Der Senat folgt dieser Ansicht nicht.
Weder § 19 BetrVG noch die entsprechend lautenden §§ 21 und 22 MitbestG enthalten eine Regelung dieser Frage oder nur Aussagen darüber, in welcher Beziehung die anfechtenden Arbeitnehmer zueinander stehen. Da drei Arbeitnehmer stets zur Anfechtung ausreichen, unabhängig davon, wie groß die Zahl der wahlberechtigten und damit anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer ist, kann nicht angenommen werden, daß diese drei - oder mehr - anfechtenden Arbeitnehmer als eine Gruppe kollektive Interessen der Arbeitnehmer wahrnehmen sollen und wahrnehmen können. Es fehlt jede Regelung der Frage, auf welche Weise die Arbeitnehmer des Betriebes diese zur Anfechtung ermächtigen sollen oder können noch wie das Innenverhältnis der Gruppe der anfechtenden Arbeitnehmer ausgestaltet ist.
Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 25. August 1981 (BAG 37, 31 = AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979, zu B II 3 c der Gründe) ausgesprochen, daß grundsätzlich jeder einzelne Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, daß er von Vertretern im Betriebsrat oder im Aufsichtsrat vertreten wird, die aufgrund einer Wahl gewählt wurden, bei der nicht gegen Vorschriften über das Wahlrecht und die Wählbarkeit verstoßen worden ist. Dann kann aber auch jeder einzelne Arbeitnehmer die Wahl des Betriebsrates oder der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat aus eigenem Recht und unabhängig von den Interessen anderer Arbeitnehmer anfechten. Wenn gleichwohl das Gesetz die zulässige Wahlanfechtung daran knüpft, daß mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebes die Wahl anfechten, so soll mit dieser Vorschrift ein gewisser Schutz dagegen geschaffen werden, daß nicht ein einzelner Arbeitnehmer - etwa ein unterlegener Bewerber oder ein Querulant - schon die Wahl anficht und damit ein relativ aufwendiges und schwieriges Verfahren in Gang setzt, das möglicherweise von vornherein aussichtslos ist (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 21). Betreiben drei Arbeitnehmer die Wahlanfechtung, so ist diese Gefahr jedenfalls geringer.
Von daher ist zunächst daran festzuhalten, daß während des ganzen Anfechtungsverfahrens sichergestellt sein muß, daß die Wahlanfechtung von drei Arbeitnehmern getragen wird.
Daraus folgt jedoch nicht, daß es genügt, wenn überhaupt jeweils drei Arbeitnehmer zum Ausdruck bringen, daß sie die Wahlanfechtung tragen, und daß daher ein Wechsel in der Person der anfechtenden Arbeitnehmer während des Verfahrens zulässig sein muß. § 19 BetrVG knüpft die Zulässigkeit der Wahlanfechtung an die Einhaltung einer relativ kurzen Anfechtungsfrist. Diese Frist dient der Rechtssicherheit. Nach Ablauf dieser Frist soll nicht nur feststehen, ob die Wahl überhaupt angefochten worden ist, sondern auch, wer gegebenenfalls die Wahl angefochten hat. Wenn das Recht zur Wahlanfechtung jedem einzelnen Arbeitnehmer in seiner Person zusteht, ebenso wie den anfechtungsberechtigten Gewerkschaften oder dem Arbeitgeber, so muß auch jeder Arbeitnehmer von diesem seinem Recht innerhalb der Anfechtungsfrist Gebrauch machen. Das ist jedem Anfechtungsberechtigten zuzumuten. Er kann nicht darauf vertrauen, daß über die Wirksamkeit der Wahl auf jeden Fall schon deswegen entschieden wird, weil diese schon von anderen Anfechtungsberechtigten angefochten worden ist. So hat der Sechste Senat auch entschieden, daß nach dem Ausscheiden eines von drei anfechtenden Arbeitnehmern nicht eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft als Anfechtende dem Verfahren beitreten könne, sie vielmehr die Wahl selbst fristgemäß anfechten müsse, wenn sie diese für unwirksam hält (Beschluß vom 10. Juni 1983 - 6 ABR 50/83 - AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Was für eine anfechtungsberechtigte Gewerkschaft gilt, muß in gleicher Weise auch für jeden einzelnen anfechtungsberechtigten Arbeitnehmer gelten.
Der Senat verkennt nicht, daß es vielfältiger betrieblicher Praxis entspricht, daß die Wahl nur von drei oder wenig mehr Arbeitnehmern angefochten wird, obwohl ein größerer Teil der Belegschaft die Wahl für unwirksam hält. Eine solche Zurückhaltung mag vielfältige Gründe haben. Der Senat sieht auch, daß von den drei oder wenigen anfechtenden Arbeitnehmern im Laufe des Verfahrens so viele ausscheiden können, daß die Mindestzahl von drei Arbeitnehmern nicht mehr erreicht ist. Zu einem solchen Ausscheiden kann es aufgrund vielfältiger Umstände kommen; sei es, daß der anfechtende Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet und damit möglicherweise seine Anfechtungsberechtigung verliert - was hier nicht zu entscheiden ist (vgl. BVerwG Beschluß vom 27. April 1983 - BVerwG 6 P 17.81 - BVerwGE 67, 145) - sei es, daß er die Anfechtung selbst, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr betreiben will. Der Arbeitnehmer kann selbst kündigen oder gekündigt werden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses könnte vom Arbeitgeber auch betrieben werden, um die Wahlanfechtung unzulässig zu machen und eine mögliche Neuwahl zu vermeiden. Der Arbeitnehmer kann sterben oder aufgrund einer Krankheit oder anderer persönlicher Umstände sich veranlaßt sehen, das Verfahren nicht mehr zu betreiben. Er kann schließlich die Überzeugung gewinnen, daß die Wahl doch ordnungsgemäß verlaufen ist. In allen diesen Fällen kann die Zahl der anfechtenden Arbeitnehmer unter drei sinken und damit die Wahlanfechtung unzulässig werden. Der Aufwand des bisherigen, möglicherweise schon in die Rechtsbeschwerdeinstanz gelangten Verfahrens wäre in solchen Fällen vertan, sofern nicht auch andere Anfechtungsberechtigte, etwa eine Gewerkschaft oder der Arbeitgeber, die Wahl angefochten hätten.
Diese Überlegungen können jedoch aus den dargelegten Gründen nicht dazu führen, ein Auswechseln der Person der anfechtenden Arbeitnehmer zuzulassen. Den aufgezeigten Schwierigkeiten kann dadurch begegnet werden, daß von vornherein eine ausreichend große Zahl von Arbeitnehmern, die die Wahl für unwirksam halten, die Anfechtung selbst erklären oder einen anderen Arbeitnehmer bevollmächtigen, diese Wahl auch in ihrem Namen anzufechten.
Hinzu kommt, daß nur auf diese Weise die für ein so bedeutsames Verfahren, wie es die Anfechtung einer Wahl ist, notwendige Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Wollte man einen Wechsel in der Person der anfechtenden Arbeitnehmer zulassen, bliebe immer noch offen, innerhalb welcher Zeit nach dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers ein anderer sich dem Verfahren anschließen muß, ob dies auch dadurch geschehen kann, daß andere als die ursprünglich anfechtenden Arbeitnehmer ein Rechtsmittel einlegen und ob ein solcher Wechsel auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz möglich ist. Es bliebe jeweils bis zur Rechtskraft der Entscheidung offen, ob die Wahlanfechtung überhaupt noch in zulässiger Weise betrieben wird.
c) Der Arbeitnehmer H hat seine Anfechtung noch vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgenommen. Eine solche Rücknahme des Antrages in der ersten Instanz ist nach § 81 Abs. 2 ArbGG auch ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten jederzeit zulässig. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1970 (- 1 ABR 23/70 - BAG 23, 130 = AP Nr. 21 zu § 76 BetrVG) ausgesprochen hat, daß die drei anfechtenden wahlberechtigten Arbeitnehmer den Anfechtungsantrag nur gemeinsam zurücknehmen könnten, so hält der Senat an dieser Entscheidung nicht fest. Wenn jeder Arbeitnehmer die Wahl aus eigenem Recht anfechten kann, kann er seinen Anfechtungsantrag auch zurücknehmen, soweit das Verfahrensrecht eine solche Antragsrücknahme gestattet. Die anfechtenden Arbeitnehmer sind - wie dargelegt - keine Gruppe. Wollte man nur eine gemeinsame Rücknahme des Antrages zulassen, so würde dies darauf hinauslaufen, daß letztlich die Wahlanfechtung doch nur von einem Arbeitnehmer getragen wird, wenn zwei der drei Arbeitnehmer von der Wahlanfechtung Abstand nehmen wollen, den Antrag aber mangels Einverständnis des dritten nicht wirksam zurücknehmen können. Das aber würde gerade dem Sinn der Regelung in § 19 BetrVG zuwiderlaufen, wonach die Anfechtung in jedem Stadium des Verfahrens von drei Arbeitnehmern getragen werden muß.
Mit der Rücknahme der Wahlanfechtung durch den Arbeitnehmer H wurde daher die Anfechtung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder bei der F GmbH unzulässig. Der Arbeitnehmer S konnte nicht an dessen Stelle treten.
3. Damit mußte der Antrag abgewiesen werden. Darauf, ob der Wahlvorstand mit der Zurückweisung des Wahlvorschlages W gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen hat, kommt es nicht mehr an.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Dr. Hoffmann Dr. Gentz
Fundstellen
Haufe-Index 436716 |
BAGE 48, 96-107 (LT1-2) |
BAGE, 96 |
BB 1985, 1330-1332 (LT1) |
DB 1985, 1799-1800 (LT1) |
BlStSozArbR 1985, 297-297 (T) |
JR 1986, 396 |
NZA 1985, 786-788 (LT1) |
SAE 1986, 23-27 (LT1) |
AP § 76 BetrVG (1952) (LT1), Nr 27 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung VIA Entsch 16 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.6.1 Nr 16 (LT1) |
EzA § 19 BetrVG 1972, Nr 21 (LT1) |