Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Versetzung von Postbeamten
Leitsatz (amtlich)
- Bei der Versetzung von Beamten, die bei einem der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost beschäftigt sind, richtet sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließlich nach den §§ 28 und 29 PostPersRG, wenn die Maßnahme von § 76 Abs. 1 BPersVG erfaßt wird.
- Gehört eine Versetzung hingegen nicht zu den nach § 76 Abs. 1 BPersVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten, erfüllt sie aber die Merkmale des § 95 Abs. 3 BetrVG, so besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 99; PostPersRG §§ 24, 28-29; BPersVG § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. November 1996 – 14 TaBV 5/95 – werden zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten noch über Art und Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Versetzung von Beamten, die bei der Deutschen Post AG (Arbeitgeberin) beschäftigt sind.
Die Arbeitgeberin ist im Zuge der Privatisierung der Deutschen Bundespost am 1. Januar 1995 aus dem Teilsondervermögen Deutsche Bundespost POSTDIENST hervorgegangen und hat die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (§§ 1 und 2 Postumwandlungsgesetz). Neben Arbeitern und Angestellten beschäftigt sie eine große Zahl von Beamten der früheren Deutschen Bundespost. Diese haben ihren Status als unmittelbare Bundesbeamte behalten (§ 2 Abs. 3 Postpersonalrechtsgesetz-PostPersRG). Die Arbeitgeberin ist ermächtigt, ihnen gegenüber die dem Bund als Dienstherrn obliegenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen (§ 1 PostPersRG). Für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gelten diese Beamten als Arbeitnehmer; sie sind zum Betriebsrat wahlberechtigt und wählbar (§ 24 Abs. 2 PostPersRG). In bestimmten Angelegenheiten der Beamten sehen die §§ 28 und 29 PostPersRG Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf der Grundlage von Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes vor, wobei jedoch nur die Vertreter der Beamten im Betriebsrat zur Beschlußfassung berufen sind.
Nach der Privatisierung hat die Arbeitgeberin eine umfassende Umorganisation eingeleitet, die zahlreiche Versetzungen von Beamten mit sich bringt. Der bei der Direktion Berlin gebildete Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe in allen Fällen, in denen die Versetzung eines Beamten innerhalb der oder in die Direktion Berlin die Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 BetrVG erfülle, ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Das ergebe sich daraus, daß die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer gelten. Soweit das Postpersonalrechtsgesetz Ausnahmen von diesem Grundsatz enthalte, schlössen sie das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht aus.
Dies gelte zum einen für den Fall, daß eine Personalmaßnahme eine Versetzung i.S. des § 95 Abs. 3 BetrVG darstelle und außerdem als Versetzung, Umsetzung oder Abordnung die Voraussetzungen für die Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 BPersVG erfülle. Die Regelung in den §§ 28 und 29 PostPersRG, wonach der Betriebsrat in derartigen Fällen entsprechend den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes mitbestimmt, wobei nur seine beamteten Mitglieder zur Beschlußfassung berufen sind, sei nicht abschließend. Sie stehe der Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG durch den gesamten Betriebsrat nicht entgegen. Anderenfalls wären bei Versetzungen die Belange der übrigen Belegschaft nicht angemessen vertreten, ein bloßes Beratungsrecht der nichtbeamteten Mitglieder des Betriebsrats werde dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung des Mitbestimmungsrechts gewollt habe. Dafür spreche hier auch nicht die Notwendigkeit der demokratischen Legitimation staatlicher Verwaltung, da die Beamten bei der Arbeitgeberin kein Amt im funktionellen Sinne ausübten und ihr öffentlich-rechtlicher Status von Versetzungen nicht beeinträchtigt werde. Es wäre widersprüchlich, wenn die Arbeitgeberin als ein privatwirtschaftlich handelndes Unternehmen einerseits Beamte wie Arbeitnehmer einsetzen, andererseits aber mitbestimmungsrechtlich insoweit den Sonderstatus einer Behörde in Anspruch nehmen könnte.
Erst recht müsse der Betriebsrat nach § 99 BetrVG in den Fällen mitbestimmen, in denen eine Personalmaßnahme zwar eine Versetzung i.S. des § 95 Abs. 3 BetrVG sei, aber nicht von einem der Tatbestände des § 76 Abs. 1 BPersVG erfaßt werde, beispielsweise bei Umsetzungen innerhalb einer Dienststelle ohne Wechsel des Dienstortes. In derartigen Fällen würde eine Auslegung des Postpersonalrechtsgesetzes, die die Anwendung des § 99 BetrVG ausschlösse, zur völligen Mitbestimmungsfreiheit der fraglichen Versetzung führen. Dies könne aber nicht gewollt sein.
Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse, beantragt,
- festzustellen, daß er bei Versetzungen und Einstellungen von Beamten und Beamtinnen in der und in die Direktion Berlin nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist,
- hilfsweise,
- daß er bei Versetzungen und Abordnungen von Beamten und Beamtinnen in der und in die Direktion Berlin, die nicht unter § 76 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 BPersVG, jedoch unter § 95 Abs. 3 BetrVG fallen, nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge des Betriebsrats abzuweisen.
Nach ihrer Meinung hat der Betriebsrat bei der Versetzung von Beamten in keinem Fall nach § 99 BetrVG mitzubestimmen. Das ergebe sich aus der abschließenden Regelung seines Beteiligungsrechts in den §§ 28 und 29 PostPersRG. Danach sei der Betriebsrat bei Versetzungen von Beamten lediglich nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, und zwar ausschließlich in den von § 76 Abs. 1 BPersVG erfaßten Fällen zu beteiligen, dagegen nicht auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Diese Eingrenzung des Mitbestimmungsrechts sei gewollt und wegen des fortbestehenden besonderen Status der Beamten verfassungsrechtlich geboten. Die durch die Versetzung berührten Interessen der übrigen Belegschaft würden nach § 28 PostPersRG hinreichend gewahrt; das Plenum des Betriebsrats berate nämlich vor der Beschlußfassung der beamteten Betriebsratsmitglieder gemeinsam über die Ausübung des Mitbestimmungsrechts.
In den Fällen, in denen eine Versetzung i.S. des § 95 Abs. 3 BetrVG die Anwendungsvoraussetzungen des § 76 Abs. 1 BPersVG nicht ebenfalls erfülle, könne nichts anderes gelten. Es sei nur folgerichtig, daß insoweit kein Beteiligungsrecht bestehe. Es wäre widersinnig, wenn ausgerechnet bei den Personalmaßnahmen, die der Gesetzgeber des Bundespersonalvertretungsgesetzes als wenig bedeutend angesehen und deshalb von der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 BPersVG ausgenommen habe, das stärkere Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG eingriffe, während es bei den unter § 76 Abs. 1 BPersVG fallenden Vorgängen ausgeschlossen sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert, den Hauptantrag des Betriebsrats abgewiesen und auf den Hilfsantrag festgestellt, daß er nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei, wenn Versetzungen von Beamten unter § 95 Abs. 3 BetrVG, nicht jedoch unter § 76 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 BPersVG fallen. Beide Beteiligte haben die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Betriebsrat verfolgt seinen Hauptantrag weiter; die Arbeitgeberin begehrt dagegen die Abweisung auch des Hilfsantrags.
Entscheidungsgründe
B. Beide Rechtsbeschwerden waren zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der Betriebsrat bei der Versetzung von Beamten in die und innerhalb der Direktion Berlin dann – aber auch nur dann – nach § 99 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn es sich bei der Maßnahme um eine Versetzung i.S. des § 95 Abs. 3 BetrVG handelt, nicht aber um eine Versetzung, Umsetzung oder Abordnung, die nach § 76 Abs. 1 BPersVG mitbestimmungspflichtig ist.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, K. H. Janzen, Giese
Fundstellen
Haufe-Index 893886 |
BAGE, 198 |
BB 1998, 56 |
FA 1998, 92 |
NZA 1998, 273 |
SAE 1998, 236 |
PersR 1998, 206 |